Alljährlich veranstaltet die Bamberger Landtagsabgeordnete Ursula Sowa (Grüne) eine Gedenkstunde an die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986. Treffpunkt ist die Schildkröten-Skulptur „Ein Denkmal für Tschernobyl“ an der Bamberger Friedensbrücke. In diesem Jahr mischte sich allerdings ein wenig Freude in die Veranstaltung, denn am 15. April war das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gegangen.
Ursula Sowas Einladung zur Tschernobyl-Gedenkstunde war unter anderem Hans-Josef Fell gefolgt, wie das Büro der Landtagsabgeordneten mitteilte. Fell war grüner Bundestagsabgeordneter während der rot-grünen Regierungszeit seit 1998 und galt damals als ein Vater des sogenannten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Er sagte, dass die Atomgeschichte Deutschlands und der Welt noch lange nicht beendet sei. Als Folge der Tschernobyl-Katastrophe seien noch heute etwa 1,8 Millionen Menschen als strahlenkrank anerkannt.
„Große Landstriche sind noch immer unbewohnbar“, sagte Fell an der Schildkröten-Skulptur. „Und die im Sommer durch den Klimawandel immer häufigeren Waldbrände setzen in erheblichem Umfang gefährliche atomare Stoffe in die Luft frei und verteilen sie.“
Dennoch ist der ehemalige Grünen-Politiker und Physiklehrer überzeugt, dass die Energiewende in vollem Gang ist. Im Jahr 2022 wurden nach seinen Worten weltweit 1.100 Milliarden Dollar Investitionen in Solar, Wind und E‑Mobilität gesteckt. Nur 30 Milliarden Dollar seien es im Bereich Atom gewesen, hierbei zumeist für Abbau von Anlagen und Endlager. Fells Resümee: „Der Spuk Atomenergie wird wegen der wesentlich billigeren Erneuerbaren Energien bald vorbei sein – was als Vermächtnis bleibt, ist allerdings der Atommüll.“
Bambergs zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp würdigte in seiner Begrüßungsrede zur Gedenkveranstaltung die Verdienste von Menschen wie Hans-Josef Fell und all denen, die in den letzten Jahrzehnten Widerstand gegen Atomkraft geleistet hätten. Glüsenkamp erinnerte an die Pläne für ein AKW bei Viereth, die in den 1980er und 1990er Jahren regelmäßig für Demonstrationen gesorgt hätten und die 2000 aber aufgegeben wurden. Er mahnte aber auch in Richtung Staatsregierung. „Wenn Einige leichtfertig über eine Renaissance der Atomkraft diskutieren, werden die Risiken, die ungelöste Endlagerfrage und die Unwirtschaftlichkeit oft vollkommen vergessen.“
„Ein Denkmal für Tschernobyl“
Die Schildkröten-Skulptur „Ein Denkmal für Tschernobyl“ kam 2011 durch ein Spenden-Projekt des Bund Naturschutz zustande. Sie ist Teil des Bamberger Skulpturenwegs. Gestaltet wurde sie vom koreanischen Künstler Jin Mo Kang. Udo Benker-Wienands, seinerseits Atomkraftgegner und damaliger Initiator des Projekts, war am 26. April ebenfalls an der Friedensbrücke anwesend. „Wir haben 50 Jahre Kampf hinter uns“, sagte er nicht ohne Freude, „aber der Atommüll wird uns noch unendlich beschäftigen.“
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Pawel, Saxophon-Spieler aus der Ukraine. Er widmete seinen Auftritt den Opfern des russischen Angriffskriegs.