Bam­ber­ger Verkehrswende

VCD Bam­berg: „Kön­nen wir uns Auto­mo­bi­li­tät in ihrer jet­zi­gen Form noch leisten?“

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VCD Bamberg
VCD-Veranstaltung, April 2022, am Kranen, zur Vorstellung der Initiative „Begegnungsstadt Bamberg“. „Damit wollten wir verdeutlichen“, sagt Andreas Irmisch (links), „dass öffentliche Flächen auch das Wohnzimmer der Anwohnenden sein können und nicht zwangsläufig dem Autoverkehr gewidmet sein müssen.“ Foto: Initiative Begegnungsstadt Bamberg
2016 begann die Stadt Bam­berg einen Ver­kehrs­ent­wick­lungs­plan zu ent­wi­ckeln, mit dem die städ­ti­sche Mobi­li­tät nach­hal­tig aus­ge­baut wer­den soll­te: Bes­se­re Fuß­we­ge, mehr Rad­we­ge und öffent­li­cher Nah­ver­kehr. Am 9. März 2022 stell­te der Stadt­rat die­sen Plan vor – am 18. Mai wur­de er ver­ab­schie­det. Im Rah­men einer Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung am Pro­jekt hat auch der Bam­ber­ger Kreis­ver­band des Ver­kehrs­clubs Deutsch­land mit­ge­wirkt. Wir haben beim VCD Bam­berg nach­ge­fragt, wie die Umset­zung der Maß­nah­men vor­an­kommt. Läuft es mit der Bam­ber­ger Verkehrswende?

„Nein“, sagt Andre­as Irmisch, Vor­sit­zen­der des Kreis­ver­ban­des VCD Bam­berg. „Von der Per­spek­ti­ve der Bevöl­ke­rung und ihrer Mobi­li­tät aus betrach­tet – wo müs­sen die Leu­te hin, wel­che Wege sind gefragt zwi­schen Haus und Arbeits­stel­le oder sozia­len Ver­an­stal­tun­gen – hängt es in Bam­berg viel zu oft davon ab, ob man ein Auto hat oder nicht, um die­se Wege bewäl­ti­gen zu kön­nen. Anders aus­ge­drückt: Nicht alle Wege, die man machen muss, kön­nen in Bam­berg ohne Auto zurück­ge­legt wer­den. Kon­kret heißt das zum Bei­spiel, dass vie­le Fami­li­en nur dann einen Tages­ver­lauf ohne all­zu gro­ßen Zeit­ver­lust haben kön­nen, wenn sie ihre Kin­der mit dem Auto zur Schu­le oder zu Frei­zeit­ver­an­stal­tun­gen brin­gen, weil es an Bus­ver­bin­dun­gen oder siche­ren Rad­we­gen man­gelt. Man schaue sich dazu nur ein­mal das Auto-Gedrän­gel mor­gens vor Schu­len an.“

Ins­ge­samt 26 Zie­le umfasst der Ver­kehrs­ent­wick­lungs­plan, den die Stadt Bam­berg bis zum Jahr 2030 umset­zen möch­te. Grund­le­gend geht es dabei um einen höhe­ren Anteil umwelt­freund­li­cher Ver­kehrs­mit­tel, mehr öffent­li­che Mobi­li­tät und mehr Ver­kehrs­si­cher­heit. Drei von vier Wegen sol­len zudem zu Fuß, mit dem Fahr­rad oder dem Bus zurück­ge­legt wer­den kön­nen, Stra­ßen so gestal­tet wer­den, dass Zufuß­ge­hen und Rad­fah­ren die attrak­tivs­te Art der Fort­be­we­gung sind, und Stra­ßen­le­ben soll Vor­rang vor flie­ßen­dem Ver­kehr haben.

Seit sei­ner Grün­dung 1986 setzt sich der gemein­nüt­zi­ge Umwelt­ver­band VCD für eine der­ar­ti­ge kli­ma­ver­träg­li­che Mobi­li­tät der Bevöl­ke­rung ein. Aus­ge­ge­be­nes Ziel ist die Ver­kehrs­wen­de. Alle Men­schen sol­len mit Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß unter­wegs sein kön­nen, ohne auf ein eige­nes Auto ange­wie­sen zu sein. Mobi­li­tät soll nicht mehr vor­ran­gig auf das umwelt­ge­fähr­den­de Auto zuge­schnit­ten sein und von ihm abhängen.

Der VCD Bamberg

Der Bam­ber­ger Kreis­ver­band ist einer von 16 Kreis­ver­bän­den Bay­erns, wur­de 1990 gegrün­det und hat heu­te etwa 130 Mit­glie­der. Andre­as Irmisch ist seit 2019 sein Vorsitzender.

Ein Schwer­punkt der VCD-Akti­vi­tät ist das Bür­ger­be­geh­ren „Begeg­nungs­stadt Bam­berg“, wel­ches von meh­re­ren gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen in der Stadt getra­gen wird. Simo­ne Jako­bi und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen von der Initia­ti­ve sam­meln dafür seit April 2022 Unter­schrif­ten, um die Auto­ab­hän­gig­keit in Bam­berg zu ver­rin­gern und Stra­ßen­räu­me für mehr Stra­ßen­le­ben zugäng­lich zu machen. „Das för­dert Begeg­nung, und wo sich Men­schen ger­ne begeg­nen, ent­steht Auf­ent­halts­qua­li­tät“, sagt Simo­ne Jakobi.

Sie und Andre­as Irmisch waren dabei, als der Stadt­rat am 18. Mai sei­nen Plan zur Ver­kehrs­wen­de ver­ab­schie­de­te. Pas­siert ist seit­dem aller­dings wenig. „Ein paar Din­ge wur­den umge­setzt“, sagt Andre­as Irmisch, „Ein­zel­maß­nah­men gibt es, wie zum Bei­spiel die Rad­strei­fen in der Fried­rich­stra­ße und der Kapu­zi­ner­stra­ße.“ Alles in allem sei aber noch Luft nach oben.

VCD Bamberg
Simo­ne Jako­bi und Andre­as Irmisch, Foto: S. Quenzer
„Bam­berg ist zu eng, als dass man ein zwei­tes Ver­kehrs­netz par­al­lel zum ers­ten bau­en könnte“

„Ich möch­te aber schon beto­nen“, sagt Andre­as Irmisch, „dass es gut ist, dass die Stadt den Ver­kehrs­ent­wick­lungs­plan ver­ab­schie­det hat, und die Zie­le, die dar­in fest­ge­hal­ten sind, sind ordent­lich. Nur bei ihrer Umset­zung hängt es.“

Dabei könn­ten oft schon klei­ne Anrei­ze zu umwelt­ver­träg­li­che­rer oder siche­re­rer Mobi­li­tät füh­ren. Andre­as Irmisch nennt als Bei­spiel die Mög­lich­keit, lan­ge Rot­pha­sen bei Fuß­gän­ger­am­peln zu ver­kür­zen. „Wenn eine Fuß­gän­ger­am­pel län­ger als 40 Sekun­den rot ist, steigt die Nei­gung, bei Rot über die Ampel zu gehen stark an. Ich hat­te in der Bür­ger­ver­samm­lung den Antrag gestellt, Rot­pha­sen für Fuß­ver­kehr maxi­mal 40 Sekun­den dau­ern zu las­sen, zum Bei­spiel in der König­stra­ße oder am Kaul­berg, um Fuß­ver­kehr siche­rer, schnel­ler und attrak­ti­ver zu machen. Die Stadt lehn­te aber ab, weil das zu gro­ße Aus­wir­kun­gen auf den Auto­ver­kehrs­fluss hätte.“

Dass es nicht bil­lig und des­we­gen schnell abschre­ckend ist, Ver­kehrs­in­fra­struk­tur hin zu einem grö­ße­ren Ange­bot an öffent­li­chem Ver­kehr, weg vom Fokus auf das Auto­mo­bil umzu­bau­en, ist dem VCD dabei bewusst. Auch, dass das Auto und der Platz, der ihm in der Stadt gewährt wird, emp­find­lich zurück­ge­drängt wer­den müss­te, ver­heim­licht der VCD nicht. „Das ist sicher kei­ne bil­li­ge Situa­ti­on“, sagt Andre­as Irmisch, „man muss die Finan­zen mit­den­ken. Auch ist klar, dass Bam­berg zu eng ist, als dass man ein zwei­tes Ver­kehrs­netz par­al­lel zum ers­ten bau­en könn­te. Das gin­ge nur auf den bestehen­den Flä­chen. Wir vom VCD sind aber auf jeden Fall ger­ne bereit, sol­che Über­le­gun­gen mit anzustellen.“

Wenn man aber schon über Kos­ten spre­che, soll­ten nicht die Kos­ten für die Unter­las­sung die­ser Ver­kehrs­wen­de unter­schla­gen wer­den. So wür­den vie­le Stu­di­en bele­gen, dass die heu­ti­gen Kos­ten von Auto­mo­bi­li­tät immer ein Viel­fa­ches der Kos­ten der Mobi­li­tät mit ande­ren Ver­kehrs­mit­teln sei­en. Unab­hän­gig davon, dass Auto­mo­bi­li­tät der­zeit durch äuße­re Umstän­de wie Ener­gie­kos­ten teu­rer wer­de, sei der Zuschnitt der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur ohne­hin nicht kostenlos.

„Ein mit dem Auto zurück­ge­leg­ter Kilo­me­ter kos­tet die Gesell­schaft etwa 25 Cent, wenn man Gesund­heits­fol­gen, Lärm, Umwelt­zer­stö­rung, oder in Bam­berg die Beschä­di­gung der Bau­sub­stanz des Welt­erbes, und Res­sour­cen­ver­brauch mit berück­sich­tigt. Ein Fahr­rad­ki­lo­me­ter erzeugt hin­ge­gen einen Nut­zen des glei­chen Betrags. Die Fra­ge soll­te also nicht sein, ob wir uns die Ver­kehrs­wen­de, son­dern ob wir uns Auto­mo­bi­li­tät in ihrer jet­zi­gen Form noch leis­ten können?“

Auf der ande­ren Sei­te schei­te­re Umwelt­schutz jedoch oft über­haupt nicht am Geld. „Gera­de das The­ma der nach­hal­ti­gen Mobi­li­tät“, sagt Simo­ne Jako­bi, „wird sei­tens des Bun­des stark geför­dert. Wir haben vor­ge­schla­gen, in Bam­berg einen Kli­ma­fonds aus die­ser För­de­rung ein­zu­rich­ten, um kli­ma­schutz­för­dern­de Maß­nah­men in der Stadt unter Ein­be­zie­hung der Zivil­be­völ­ke­rung, orts­an­säs­si­gen Unter­neh­men und der Stadt­ver­wal­tung umset­zen zu kön­nen. Der Vor­schlag wur­de aber abge­lehnt, mit der Begrün­dung, es gebe bereits genug geför­der­te Umwelt­pro­jek­te in Bam­berg. Es hängt also nicht unbe­dingt am Geld. Mit dem, was ver­füg­bar ist, wird nur nicht genug gemacht.“

„Man fragt zu wenig nach den Mobi­li­täts­be­dürf­nis­sen der Leute“

Als eine Ursa­che der Ableh­nung von Pro­jek­ten im Bereich nach­hal­ti­ger Mobi­li­tät hat der VCD das Fest­hal­ten an nicht mehr zeit­ge­mä­ßen Ver­kehrs-Kon­zep­ten aus­ge­macht. Zu sehr betrach­te man in den ableh­nend gestimm­ten Tei­len des Stadt­rats Mobi­li­tät vom Auto­mo­bil und dem Auto­ver­kehr und sei­nem Bedarf nach immer mehr Stra­ßen und immer mehr Park­plät­zen her. „Man fragt zu wenig nach den Mobi­li­täts­be­dürf­nis­sen der Leu­te“, sagt Andre­as Irmisch. „Man denkt zu wenig dar­über nach, wie mög­lichst vie­le Men­schen auf nach­hal­ti­ge Art und Wei­se von A nach B kommen.“

Die­se Hal­tung sei aber nicht allen Par­tei­en oder Inter­es­sens­grup­pen im Stadt­rat zu eigen. Eini­ge hät­ten sehr wohl ver­stan­den, „dass man den Blick etwas wei­ten und nicht nur auf die nächs­ten fünf Jah­re und die Park­plät­ze der nächs­ten fünf Jah­re bli­cken muss, son­dern auf die Kli­ma­bi­lanz in zehn Jah­ren. Dafür muss man sich über­le­gen, was man jetzt und heu­te machen muss, um die­se Bilanz in zehn Jah­ren zu erreichen.“

Die­je­ni­gen, es sind zumeist kon­ser­va­ti­ve Grup­pie­run­gen, zu errei­chen, die eine Ver­kehrs­wen­de heu­te noch ableh­nen, bezeich­net Andre­as Irmisch aber als Jahr­hun­dert­auf­ga­be. „Ich glau­be, wir haben in Bam­berg noch nicht die Kul­tur, vom Ende her zu den­ken. Wenn man anregt, etwas zu ver­än­dern, wird oft erst mal erschro­cken reagiert, dass dann etwas anders wäre als vor­her und nicht mehr so wie die letz­ten 50 Jah­re. Wir erwar­ten dabei nicht, dass jeder sofort unse­re Mei­nung annimmt. Aber ich wür­de schon erwar­ten, dass man uns zuhört und sich ernst­haft mit unse­ren Vor­schlä­gen auseinandersetzt.“

Aller­dings ver­mis­se man aber auch mehr Unter­stüt­zung sei­tens derer, die von der Not­wen­dig­keit der Ver­kehrs­wen­de über­zeugt sind. „Es ist ja ein durch­aus sinn­vol­les Ziel“, sagt Simo­ne Jako­bi, „das wir mit der „Begeg­nungs­stadt“ und den Ideen des VCD errei­chen wol­len, und kei­nes, das den Zie­len der Stadt ent­ge­gen­ste­hen wür­de. Im Ange­sicht des­sen habe ich aber noch nicht all­zu vie­le Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker gese­hen, die sich hin­stel­len und das Posi­ti­ve des The­mas auf­zei­gen, die zei­gen, auf wel­che Art und Wei­se die Zukunft etwas Schö­nes sein kann.“

Bis es mit solch einer Zukunft so weit ist, hat der VCD Bam­berg als ehren­amt­li­che Orga­ni­sa­ti­on auch vor, sich der Mit­tel zu bedie­nen, die ihm zur Ver­fü­gung ste­hen, um zumin­dest ein biss­chen Druck auf den Stadt­rat aus­zu­üben. Es steht viel auf dem Spiel. „Wir wer­den uns wei­ter zu Wort mel­den“, sagt Andre­as Irmisch, „zum Bei­spiel mit dem Bür­ger­be­geh­ren „Begeg­nungs­stadt“. Umwelt­ver­träg­li­che Mobi­li­tät ist ein The­ma, das in die Brei­te gehört, denn es betrifft das Kli­ma, das sozia­le Mit­ein­an­der, Woh­nen, Kul­tur, Ver­kehr und letzt­lich den Erhalt unse­res Welterbes.“

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