2016 begann die Stadt Bamberg einen Verkehrsentwicklungsplan zu entwickeln, mit dem die städtische Mobilität nachhaltig ausgebaut werden sollte: Bessere Fußwege, mehr Radwege und öffentlicher Nahverkehr. Am 9. März 2022 stellte der Stadtrat diesen Plan vor – am 18. Mai wurde er verabschiedet. Im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung am Projekt hat auch der Bamberger Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland mitgewirkt. Wir haben beim VCD Bamberg nachgefragt, wie die Umsetzung der Maßnahmen vorankommt. Läuft es mit der Bamberger Verkehrswende?
„Nein“, sagt Andreas Irmisch, Vorsitzender des Kreisverbandes VCD Bamberg. „Von der Perspektive der Bevölkerung und ihrer Mobilität aus betrachtet – wo müssen die Leute hin, welche Wege sind gefragt zwischen Haus und Arbeitsstelle oder sozialen Veranstaltungen – hängt es in Bamberg viel zu oft davon ab, ob man ein Auto hat oder nicht, um diese Wege bewältigen zu können. Anders ausgedrückt: Nicht alle Wege, die man machen muss, können in Bamberg ohne Auto zurückgelegt werden. Konkret heißt das zum Beispiel, dass viele Familien nur dann einen Tagesverlauf ohne allzu großen Zeitverlust haben können, wenn sie ihre Kinder mit dem Auto zur Schule oder zu Freizeitveranstaltungen bringen, weil es an Busverbindungen oder sicheren Radwegen mangelt. Man schaue sich dazu nur einmal das Auto-Gedrängel morgens vor Schulen an.“
Insgesamt 26 Ziele umfasst der Verkehrsentwicklungsplan, den die Stadt Bamberg bis zum Jahr 2030 umsetzen möchte. Grundlegend geht es dabei um einen höheren Anteil umweltfreundlicher Verkehrsmittel, mehr öffentliche Mobilität und mehr Verkehrssicherheit. Drei von vier Wegen sollen zudem zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Bus zurückgelegt werden können, Straßen so gestaltet werden, dass Zufußgehen und Radfahren die attraktivste Art der Fortbewegung sind, und Straßenleben soll Vorrang vor fließendem Verkehr haben.
Seit seiner Gründung 1986 setzt sich der gemeinnützige Umweltverband VCD für eine derartige klimaverträgliche Mobilität der Bevölkerung ein. Ausgegebenes Ziel ist die Verkehrswende. Alle Menschen sollen mit Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß unterwegs sein können, ohne auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein. Mobilität soll nicht mehr vorrangig auf das umweltgefährdende Auto zugeschnitten sein und von ihm abhängen.
Der VCD Bamberg
Der Bamberger Kreisverband ist einer von 16 Kreisverbänden Bayerns, wurde 1990 gegründet und hat heute etwa 130 Mitglieder. Andreas Irmisch ist seit 2019 sein Vorsitzender.
Ein Schwerpunkt der VCD-Aktivität ist das Bürgerbegehren „Begegnungsstadt Bamberg“, welches von mehreren gemeinnützigen Organisationen in der Stadt getragen wird. Simone Jakobi und ihre Kolleginnen und Kollegen von der Initiative sammeln dafür seit April 2022 Unterschriften, um die Autoabhängigkeit in Bamberg zu verringern und Straßenräume für mehr Straßenleben zugänglich zu machen. „Das fördert Begegnung, und wo sich Menschen gerne begegnen, entsteht Aufenthaltsqualität“, sagt Simone Jakobi.
Sie und Andreas Irmisch waren dabei, als der Stadtrat am 18. Mai seinen Plan zur Verkehrswende verabschiedete. Passiert ist seitdem allerdings wenig. „Ein paar Dinge wurden umgesetzt“, sagt Andreas Irmisch, „Einzelmaßnahmen gibt es, wie zum Beispiel die Radstreifen in der Friedrichstraße und der Kapuzinerstraße.“ Alles in allem sei aber noch Luft nach oben.
„Bamberg ist zu eng, als dass man ein zweites Verkehrsnetz parallel zum ersten bauen könnte“
„Ich möchte aber schon betonen“, sagt Andreas Irmisch, „dass es gut ist, dass die Stadt den Verkehrsentwicklungsplan verabschiedet hat, und die Ziele, die darin festgehalten sind, sind ordentlich. Nur bei ihrer Umsetzung hängt es.“
Dabei könnten oft schon kleine Anreize zu umweltverträglicherer oder sichererer Mobilität führen. Andreas Irmisch nennt als Beispiel die Möglichkeit, lange Rotphasen bei Fußgängerampeln zu verkürzen. „Wenn eine Fußgängerampel länger als 40 Sekunden rot ist, steigt die Neigung, bei Rot über die Ampel zu gehen stark an. Ich hatte in der Bürgerversammlung den Antrag gestellt, Rotphasen für Fußverkehr maximal 40 Sekunden dauern zu lassen, zum Beispiel in der Königstraße oder am Kaulberg, um Fußverkehr sicherer, schneller und attraktiver zu machen. Die Stadt lehnte aber ab, weil das zu große Auswirkungen auf den Autoverkehrsfluss hätte.“
Dass es nicht billig und deswegen schnell abschreckend ist, Verkehrsinfrastruktur hin zu einem größeren Angebot an öffentlichem Verkehr, weg vom Fokus auf das Automobil umzubauen, ist dem VCD dabei bewusst. Auch, dass das Auto und der Platz, der ihm in der Stadt gewährt wird, empfindlich zurückgedrängt werden müsste, verheimlicht der VCD nicht. „Das ist sicher keine billige Situation“, sagt Andreas Irmisch, „man muss die Finanzen mitdenken. Auch ist klar, dass Bamberg zu eng ist, als dass man ein zweites Verkehrsnetz parallel zum ersten bauen könnte. Das ginge nur auf den bestehenden Flächen. Wir vom VCD sind aber auf jeden Fall gerne bereit, solche Überlegungen mit anzustellen.“
Wenn man aber schon über Kosten spreche, sollten nicht die Kosten für die Unterlassung dieser Verkehrswende unterschlagen werden. So würden viele Studien belegen, dass die heutigen Kosten von Automobilität immer ein Vielfaches der Kosten der Mobilität mit anderen Verkehrsmitteln seien. Unabhängig davon, dass Automobilität derzeit durch äußere Umstände wie Energiekosten teurer werde, sei der Zuschnitt der Verkehrsinfrastruktur ohnehin nicht kostenlos.
„Ein mit dem Auto zurückgelegter Kilometer kostet die Gesellschaft etwa 25 Cent, wenn man Gesundheitsfolgen, Lärm, Umweltzerstörung, oder in Bamberg die Beschädigung der Bausubstanz des Welterbes, und Ressourcenverbrauch mit berücksichtigt. Ein Fahrradkilometer erzeugt hingegen einen Nutzen des gleichen Betrags. Die Frage sollte also nicht sein, ob wir uns die Verkehrswende, sondern ob wir uns Automobilität in ihrer jetzigen Form noch leisten können?“
Auf der anderen Seite scheitere Umweltschutz jedoch oft überhaupt nicht am Geld. „Gerade das Thema der nachhaltigen Mobilität“, sagt Simone Jakobi, „wird seitens des Bundes stark gefördert. Wir haben vorgeschlagen, in Bamberg einen Klimafonds aus dieser Förderung einzurichten, um klimaschutzfördernde Maßnahmen in der Stadt unter Einbeziehung der Zivilbevölkerung, ortsansässigen Unternehmen und der Stadtverwaltung umsetzen zu können. Der Vorschlag wurde aber abgelehnt, mit der Begründung, es gebe bereits genug geförderte Umweltprojekte in Bamberg. Es hängt also nicht unbedingt am Geld. Mit dem, was verfügbar ist, wird nur nicht genug gemacht.“
„Man fragt zu wenig nach den Mobilitätsbedürfnissen der Leute“
Als eine Ursache der Ablehnung von Projekten im Bereich nachhaltiger Mobilität hat der VCD das Festhalten an nicht mehr zeitgemäßen Verkehrs-Konzepten ausgemacht. Zu sehr betrachte man in den ablehnend gestimmten Teilen des Stadtrats Mobilität vom Automobil und dem Autoverkehr und seinem Bedarf nach immer mehr Straßen und immer mehr Parkplätzen her. „Man fragt zu wenig nach den Mobilitätsbedürfnissen der Leute“, sagt Andreas Irmisch. „Man denkt zu wenig darüber nach, wie möglichst viele Menschen auf nachhaltige Art und Weise von A nach B kommen.“
Diese Haltung sei aber nicht allen Parteien oder Interessensgruppen im Stadtrat zu eigen. Einige hätten sehr wohl verstanden, „dass man den Blick etwas weiten und nicht nur auf die nächsten fünf Jahre und die Parkplätze der nächsten fünf Jahre blicken muss, sondern auf die Klimabilanz in zehn Jahren. Dafür muss man sich überlegen, was man jetzt und heute machen muss, um diese Bilanz in zehn Jahren zu erreichen.“
Diejenigen, es sind zumeist konservative Gruppierungen, zu erreichen, die eine Verkehrswende heute noch ablehnen, bezeichnet Andreas Irmisch aber als Jahrhundertaufgabe. „Ich glaube, wir haben in Bamberg noch nicht die Kultur, vom Ende her zu denken. Wenn man anregt, etwas zu verändern, wird oft erst mal erschrocken reagiert, dass dann etwas anders wäre als vorher und nicht mehr so wie die letzten 50 Jahre. Wir erwarten dabei nicht, dass jeder sofort unsere Meinung annimmt. Aber ich würde schon erwarten, dass man uns zuhört und sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen auseinandersetzt.“
Allerdings vermisse man aber auch mehr Unterstützung seitens derer, die von der Notwendigkeit der Verkehrswende überzeugt sind. „Es ist ja ein durchaus sinnvolles Ziel“, sagt Simone Jakobi, „das wir mit der „Begegnungsstadt“ und den Ideen des VCD erreichen wollen, und keines, das den Zielen der Stadt entgegenstehen würde. Im Angesicht dessen habe ich aber noch nicht allzu viele Politikerinnen und Politiker gesehen, die sich hinstellen und das Positive des Themas aufzeigen, die zeigen, auf welche Art und Weise die Zukunft etwas Schönes sein kann.“
Bis es mit solch einer Zukunft so weit ist, hat der VCD Bamberg als ehrenamtliche Organisation auch vor, sich der Mittel zu bedienen, die ihm zur Verfügung stehen, um zumindest ein bisschen Druck auf den Stadtrat auszuüben. Es steht viel auf dem Spiel. „Wir werden uns weiter zu Wort melden“, sagt Andreas Irmisch, „zum Beispiel mit dem Bürgerbegehren „Begegnungsstadt“. Umweltverträgliche Mobilität ist ein Thema, das in die Breite gehört, denn es betrifft das Klima, das soziale Miteinander, Wohnen, Kultur, Verkehr und letztlich den Erhalt unseres Welterbes.“