Eine Reise durch die Geschichte und die Vielfalt der Druckgrafik verspricht die BBK-Ausstellung „Druck im Kesselhaus“. Mehr als 200 Werke entstanden aus verschiedenen Drucktechniken halten das Versprechen.
Am 15. März 2018 nahm die deutsche UNESCO-Kommission traditionelle Drucktechniken in ihr bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf. Seitdem begeht der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) jedes Jahr Mitte März den „Tag der Druckkunst“. Dieser hat sich der Förderung und Präsentation von Druckgrafik verschrieben.
Anlässlich dieses Tages steht die Druckkunst nun auch im Mittelpunkt der Ausstellung „Druck im Kesselhaus“ des BBK Oberfranken. Seit 16. März zeigt die Schau Druckwerke verschiedener Genres von knapp 30 Künstler:innen. Vertreten sind Drucktechniken wie Holzschnitt, Linolschnitt, Radierung, Monotypien, Collagen, Materialdrucke, Mixed Media- oder Ready-made-Drucke. Entsprechend möchte die Ausstellung zeigen, wie die Grenzen der Druckgrafik immer wieder neu ausgelotet und innovative Techniken erprobt werden.
„Weil es in unserem Verband viele Leute gibt, die auf die eine oder andere Art und Weise mit Drucktechniken arbeiten“, sagt Gerhard Schlötzer, 1. Vorsitzender des BBK Oberfranken, „haben wir für unsere jährliche Kesselhaus-Ausstellung und anlässlich des Tages der Druckkunst dieses Thema genommen.“ Da Druckkunstwerke normalerweise aber eher kleinformatig sind und entsprechend im hohen und dominanten Raum des Kesselhauses nur schwer bestehen könnten und leicht untergehen würden, hat sich der BBK entschieden, „nach nur minimaler Vorsichtung“, wie Gerhard Schlötzer sagt, „so gut wie alle, die beim BBK etwas mit Druck machen, in die Ausstellung aufzunehmen.“ Das klingt im ersten Moment ein wenig anspruchslos gegenüber der eigenen Veranstaltung. Aber sie funktioniert.
Kuratiert und gehängt wurde sie von den Ausstellenden selbst, durch ein Organisations- und Hängeteam um dessen Leiter Gerhard Hagen. Die zahlreichen, vereinzelt bis knapp unter die Decke, ringsum an den Wänden des Ausstellungsraums verteilten Werke ergeben nicht nur ein buntes Gesamtbild, das Wirkung entfaltet, ohne dass man das Auge auf einem Einzelteil ruhen lassen müsste. Der Kontrast zur Schroffheit der Wände kommt dem sogar zugute. Auch die einzelnen Arbeiten bieten Schauwerte und Einblicke in die Möglichkeiten ihres Genres, dem Druck.
Der Zufall im Druck
Bei Druckgrafiken stellt sich manchmal die Frage: Hätte das jeweilige, drucktechnisch verewigte Motiv auch ein Motiv für ein Gemälde abgeben können, wäre es, mit anderen Worten, handwerklich reizvoll gewesen, dieses Motiv zu malen? Zugegebenermaßen ist die Antwort oft „nein“. Angesichts einer gedruckten Machart kann der Fall beim selben Motiv aber auch anders liegen.
Denn in der Druckkunst beschränkt der handwerkliche Prozess die Freiheit der Kunstschaffenden, schenkt ihnen aber auch Ausdrucksqualitäten, die so nicht vollständig planbar sind. Mit anderen Worten: Sie bezieht den Zufall mit ein. So kann eine Druckplatte noch so fein und detailreich bearbeitet und vorbereitet sein, ob das letztliche Druckergebnis genau wie geplant aussieht, lässt sich vorher oft nicht sagen. Auf diese Unsicherheit bezüglich des Resultats legen es viele, die sich der Drucktechnik verschrieben haben, allerdings geradezu an. „Das liegt daran“, sagt Gerhard Schlötzer, „dass es bei künstlerischen Druck-Prozessen, egal mit welcher Technik man dabei arbeitet, oft um das Spannungsverhältnis zwischen vorher Gemachtem und am Ende Gewordenem geht. Das Gewordene ist das, was man als sehender Mensch wahrnimmt.“ Dieses Ergebnis hat im besten Falle von sich aus schon eine gewisse künstlerische Relevanz. Sollte dem aber nicht so sein, kann das Gemachte, also der handwerkliche Prozess des Herstellens einer Druckplatte, der Relevanz nachhelfen und entsprechend eine weitere künstlerische Ebene hinzufügen.
„Wenn jemand direkt mit Farbe aufs Papier geht und ein Gemälde anfertigt, ist es das letzte, was er für das jeweilige Werk künstlerisch gemacht hat. Aber es ist kein weiterer, in dem Fall handwerklicher Prozess dabei, der das Ergebnis noch überlagert und so auf eine andere Ebene bringen könnte. Ich glaube, das ist, was viele am Druck interessiert.“ Es geht also darum, den Zufall einzupreisen, zuzulassen, auszustellen und ihm künstlerischen Wert zu verleihen.
So geschieht es auch bei vielen Werken in der Ausstellung „Druck im Kesselhaus“. Auf einige davon soll hier näher eingegangen werden.
Die Varianten des Drucks
Walli Bauer hat ihre Serie „Streifzüge durch die Natur“ im Hochdruckverfahren geschaffen. Hochdruck ist eines der ältesten Druckverfahren. Dabei sind die druckenden Bereiche eines Druckträgers höher als tieferliegende Bereiche, die nicht drucken sollen. Bauers Holzschnitt-Werke schöpfen dieses Verfahren aus und zeigen zum Beispiel feindetaillierte Pflanzenmotive. Ihr Projekt „Kulturlandschaften” widmet sich hingegen von Menschenhand geprägten Landschaften. Diese Werke hat sie im Tiefdruckverfahren produziert, bei dem nur die tieferliegenden Bereiche eines Druckträgers mit Farbe bedeckt sind.
Auch Judith Bauer-Bornemann hat sich dem Hochdruckverfahren verschrieben. Dafür kombiniert sie Linolschnitt mit anderen Druckträgermaterialien und erzielt durch diese Überlagerungen freie, an Blätter erinnernde, manchmal morbide Strukturen.
Henrike Franz hat für ihre Serie „Joluwa” auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen, nach denen eine Galaxie existiert, die die Form einer Banane hat. Inspiriert von dieser Form kreiert sie galaktische Räume als Linoldruck in endlos-spiralisierenden Kombinationen.
Gerhard Hagen zeigt Holzschnitte mit Bäumen und Dickicht im Wald. Die Schnitte in der Druckplatte hat er per Kettensäge eingefügt. Nach dem Druck mit einer ersten Farbe bearbeitet er die Platte weiter, um anschließend mit der nächsten Farbe zu drucken. Dieser Prozess kann beliebig oft wiederholt werden, wobei immer mehr Material von der Druckplatte abgetragen wird. Anders als mehrfarbige Drucke mit mehreren Platten sind diese Drucke später nicht reproduzierbar.
Irmgard Kramer beschäftigt sich in ihrer Serie „Klangformen“ mit der möglichst authentischen grafischen Wiedergabe von Tönen und Musik. Dafür hat sie Sand auf eine Metallplatte gestreut und die Platte mit einem Geigenbogen in Schwingung versetzt. Für die die Werkgruppe „La peinture et la musique“ wiederholte sie diese Herangehensweise, indem sie die Platte per Lautsprecher und Jazz beziehungsweise Rockmusik zum Schwingen brachte. Die durch die Vibrationen auf der Platte frei gerüttelten Stellen, die visuell also den Klängen der Musik und des Geigenbogens entsprechen, wandelte Kramer dann mittels Ätzungen durch Säure in Tiefdruckplatten um.
Gemäß dem japanischen Wabi-Sabi-Prinzip, das grob gesagt Schönheit erst als solche anerkennt, wenn sie mit einem Makel behaftet ist, verwendet Andrea Landwehr-Ratka Materialien aus ihrer Umgebung, die sie etwa auf Spaziergängen findet. So dienen ihr zum Beispiel Gingkoblätter aus dem eigenen Garten als Druckvorlage.
Thomas Michel stellt Linolschnitte mit schwarzer Druckfarbe auf weißem Papier her. Dabei erzeugt er durch Linienstrukturen feinste Grauabstufungen. Sein Bild „Monstera” ist ein Stillleben mit Vanitas-Symbolik. Die Darstellung von Schädeln ist seit dem 20. Jahrhundert eng mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen verbunden, die die Köpfe als Negative abbilden. Beim Linolschnitt ist es wichtig, auf dem Druckträger positive und negative Flächen richtig anzulegen, um einen korrekten Abzug herzustellen. Indem Thomas Michel dieses Prinzip absichtlich umkehrt, erzeugt er ein Negativ eines Schädels, das Assoziationen an Röntgenaufnahmen weckt.
Michaela Schwarzmann produziert Materialdrucke auf Chinapapier. Das Material, das sie dabei reliefartig auf das Papier überträgt, sind menschliche Haare. Genauer gesagt ihre eigenen Haare. Diese sammelte Schwarzmann beim Kämmen über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Die Komposition auf der Druckplatte entsteht durch die Abwechslung einzelner Haaren und Knäueln als Verdichtung.
Außerdem zeigt die Ausstellung „Druck im Kesselhaus“ Werke von Teresa Casanueva, Thomas Gröhling, Stephan Klenner-Otto, Georg Köster, Waltraud Scheidel, Christiana Sieben und Maria Söllner.
Neben den Werken bietet die Ausstellung dem Publikum zudem die Möglichkeit, an Workshops teilzunehmen. Dafür hat der BBK ein Begleitprogramm zusammengestellt, das verschiedene Drucktechniken demonstriert und bei dem man eigene Drucke schaffen kann.