Angebissene Bäume, Dämme aus Ästen, überschwemmte Wiesen – gut möglich, dass hier ein Biber am Werk war. Für Problemfälle, die der Biber verursacht, aber auch um Aufklärungsarbeit zu leisten, gibt es einen Biber-Berater – Jürgen Vollmer. Er ist seit 2017 offizieller Biber-Beauftragter der Stadt Bamberg und bereits seit 2012 in dieser Mission für den Landkreis tätig. Logisch, dass er sich mit dem braunen Nager bestens auskennt. Trotz Schäden, die das Tier immer wieder anrichtet und durch die es den Ärger der Landwirte sowie Grundstückseigentümer auf sich zieht: Der Biber ist ein absolut nützliches Tier. Deshalb ist er streng geschützt. Und das zu Recht.
Treffpunkt Fischereihafen Bischberg. Jürgen Vollmer, der Biber-Beauftragte für die Stadt Bamberg und den Landkreis, kommt mit dem Fahrrad, stellt es ab und sprudelt sogleich los: „Da, sehen Sie! Dort treibt ein Holz den Kanal hinab. Das war der Biber.“ Und tatsächlich – ein recht mächtiger Ast trudelt den Main-Donau-Kanal hinunter.
Dieser Ast versinnbildlicht gut, woran die meisten Menschen denken, wenn das Schlagwort „Biber“ fällt: abgebissenes Holz, geraspelte Baumstämme, Späne ohne Ende oder unterhöhlte Wege, die zu brechen drohen. Was oft übersehen wird, ist, dass der Biber ein ungemein nützliches Tier ist und deshalb auch unter Naturschutz steht. Erst in den letzten Jahren sind Biber – so auch in Bamberg und Umgebung – wieder heimisch und zahlreicher geworden. Seit 2012 wächst die Population stetig.
Der Biber-Beauftragte und „sein“ Biber
„Der Biber leistet gute Arbeit. Wir können ihn positiv sehen“, sagt Jürgen Vollmer. Der 65-Jährige kann auf einen beachtlichen Wissensfundus zurückgreifen. Man merkt ihm an, dass er dem Biber wohlgesonnen ist. Wie auch sonst könnte man ein profunder und professioneller Biber-Berater sein. „Generell hat ein Biber keine natürlichen Feinde. Einst war aber der Mensch sein ärgster Widersacher.“
Vor etwa hundert Jahren noch galten die Biber als fast ausgerottet. Aus seinem warmen Fell nähte man beispielsweise Pelzmäntel und Mützen. Und sein wohlschmeckendes Fleisch aßen die Mönche sogar zur Fastenzeit, da er aufgrund seiner beschuppten Kelle, gemeint ist der Biber-Schwanz, und seiner Lebensweise im Wasser als Fisch galt.
Ein treues Wesen ist der Biber. Wenn sich ein Pärchen gefunden hat, bleibt es ein Leben lang zusammen. Die Biber vom letzten und vom aktuellen Jahr bilden dann einen Clan. Die Jungtiere vom vorletzten Jahr aber – ein Wurf umfasst zwischen zwei und vier Junge – werden „abgebissen“, wie es in der Fachsprache heißt, also sich selbst überlassen.
Apropos beißen – Mensch und Natur schadet es zwar, wenn Bäume und Äste durch den Biber regelrecht abgesäbelt werden, aber dahinter steckt ein großes Phänomen: die besonderen Biberzähne. Sie sind nämlich eisenhaltig – deshalb haben sie auch eine leicht rötliche Farbe – und deshalb besonders widerstandsfähig und scharf. Zudem schärft ein Biber die Oberzähne regelmäßig mit den Unterzähnen. Gute Voraussetzungen, um stets kräftig nagen zu können. Diese ausgetüftelte Zerspanungsmethode hat sich sogar die Industrie abgeschaut und sich die vom Biber verwendete Technik zum Werkzeugschärfen zu eigen gemacht.
Außerdem benutzen Biber ihre Zähne zu Rivalitätskämpfen. Hierbei beißen sie sich gegenseitig so stark, dass sich die Wunden, die im Wasser schlecht heilen, oft entzünden und die Tiere eine Blutvergiftung davontragen. Infolgedessen sterben viele der Tiere. Übrigens wird in solchen Kämpfen eine beträchtliche Körpermasse bewegt, denn der Biber bringt bis zu 30 Kilogramm auf die Waage.
Flussbaumeister und Beerendieb
Was macht den Biber noch aus? Was macht ihn so nützlich? Er ist ein Flussbaumeister der ersten Klasse. Was der Biber tut, ist zu achtzig Prozent wertvoll. Eine seiner großen Künste ist es, Flusslandschaften zu renaturieren. Dort, wo er am Werkeln ist, explodiert die Artenvielfalt. „Er baut Biotope, die uns – wenn wir Menschen diese schaffen würden – etliche Millionen Euro kosteten“, meint Jürgen Vollmer. Und bei Starkregen kann sich das Wasser, durch die Biberdämme besser über eine größere Fläche verteilen und langsamer in Bäche und Flüsse fließen, sodass größere Überschwemmungen verhindert werden.
Die Lebensweise des Bibers ist ans Wasser gebunden. Fast ausschließlich schwimmend kommt er zu seiner Nahrung, wobei er ein reiner Vegetarier ist. Von nicht weniger als 350 Pflanzen ernährt er sich, hauptsächlich von Gräsern und Weide. Aber wenn das Obst reif ist, macht er sich mitunter sogar zu Land auf die Suche nach Süßspeisen. „Obst liebt er heiß und innig“, sagt Jürgen Vollmer, „er hat es zum Fressen gern – dafür verlässt er sogar die Gewässer. Auch Getreide oder Mais stehen auf seinem Speiseplan.“
Das Obst oder Getreide holt er sich allerdings aus privaten Gärten oder der Landwirtschaft. Und genau hier entsteht das Dilemma, denn dadurch richtet er mitunter enormen Schaden an. Hinzu kommt der aktive Dammbau, der Wege unterhöhlt und Wiesen und Felder überschwemmt.
Der Biber-Beauftragte unterstützt mit Rat und Tat
Hier kommt Jürgen Vollmer ins Spiel. Weggefressenes Erntegut, Bäume, die drohen, umzustürzen – hier ist der Biber-Berater gefragt. Egal, ob es sich um einen Privatgarten handelt oder um größere landwirtschaftliche Flächen, für alle Belange, die mit Biberschäden zu tun haben, hat Jürgen Vollmer nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch viele praktische Tipps parat.
„Wenn ich gerufen werde, handelt es sich in den meisten Fällen um eine Problemberatung.“ So informiert Jürgen Vollmer über Gefahrenquellen, Abhilfemaßnahmen und Fördermöglichkeiten.
„Im privaten Bereich zum Beispiel hilft es, wenn man die Bäume oder Sträucher mit Estrichmatten umwickelt. Kleine Mengen dieser gibt es sogar kostenlos bei der Naturschutzbehörde, zur Abholung in den Gemeindebauhöfen, größere müssen gekauft werden.“ Wenn die Landwirte des Bibers nicht mehr Herr werden, ist Jürgen Vollmer natürlich auch zur Stelle. Er sichtet die entstandenen Schäden, berät, erstellt Gutachten und hilft Ausgleichszahlungen zu beantragen.
Zwei Beispiele, bei denen Jürgen Vollmers wichtige Expertise gefragt war, verdeutlichen die Wichtigkeit seiner Aufgabe. Viele Bamberger erinnern sich sicherlich daran, als 2017 nach von Bibern angerichteten Schäden in der Stengelallee eine Katastrophe verhindert werden konnte. Biber hatten den Damm zwischen linkem Regnitzarm und Hollergraben unterhöhlt. Bauten des Weltkulturerbes, wie Klein-Venedig, drohten bei Dammbruch überflutet zu werden. Jürgen Vollmer war sofort zur Stelle.
„Gefahr in Verzug“ so seine erste Reaktion, und diese war absolut richtig und notwendig. Im Bereich zwischen Walkmühle und Hainbadestelle hatten sich die Tiere durch den Damm durchgenagt, und das gänzlich unbemerkt. Das Gartenamt konnte die Aushöhlungen der Biber mit einem Beton-Schotter-Gemisch gerade noch rechtzeitig wieder auffüllen.
Im Biotop am Ellerbach bei Lohndorf baute eine Baustoff-Firma einen sogenannten Bibermönch ein. Biber haben zum Leidwesen der Fischereiberechtigten und Landwirte die Angewohnheit, Gewässer aufzustauen, um sich schwimmend besser fortbewegen zu können, sowie unter der Wasseroberfläche ihren Bau zu erreichen. Mit dem Bibermönch, den das Baustoffwerk und Stephan Salzbrenner, Biberberater des Landkreises, entwickelt haben, kann das Wasser so reguliert werden, dass es die Interessen von Mensch und Tier in Einklang bringt.
Biberführungen
Neben allen schwierigen Fällen bietet Jürgen Vollmer aber noch etwas Besonderes für Interessierte und Naturverbundene an: Biberführungen. Dabei erfahren die Teilnehmer allerlei Wichtiges über den Biber in unseren Gefilden. Die Führungen finden im Hain und in der Fränkischen Toskana statt.
Und noch etwas liegt dem Biber-Berater am Herzen: „Im April und Mai ist die Setzzeit der Biber, in der sie ihre Jungen zur Welt bringen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass ein nicht angeleinter Hund, der am Gewässerrand herumschnüffelt, von einem Biber angegriffen wird, insbesondere in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Das kann böse ausgehen, denn der Biber ist stärker als der Hund!“ Also empfiehlt Jürgen Vollmer Hundebesitzern, ihre Schützlinge an die Leine zu nehmen.
Wie wird man denn Biber-Berater?
„Ich wurde gefragt und ich habe „ja, mach’ ich“ gesagt“, schmunzelt Jürgen Vollmer. So einfach ist das. Der 1956 Geborene ist zwar Jäger und seit 1988 ehrenamtlicher Naturschutzwächter beim Landratsamt Bamberg, aber mit Bibern hatte er sich vor seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Biber-Berater und logischerweise in seinem Beruf als Justizbeamter am Landgericht Bamberg noch nicht auseinandergesetzt.
Da Jürgen Vollmer nun einmal ein naturverbundener herzlicher Mensch ist, passte die Aufgabe als Biber-Berater aber sehr gut zu ihm. „Hierbei geht es nicht nur um Naturwissen, sondern auch um Handlungsstrategien und die generelle Beratung von Bürgerinnen und Bürgern“, erklärt er seine Tätigkeit. Zunächst einmal aber besuchte der zweifache Familienvater einen Lehrgang an der Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen an der Salzach und ließ sich zum Biber-Berater ausbilden.
In dieser Funktion arbeitet er eng mit der Naturschutzbehörde des Landratsamtes und der Stadt Bamberg zusammen. Dass diese Aufgabe jedoch relativ anspruchsvoll und auch zeitintensiv ist, hatte sich Jürgen Vollmer nicht unbedingt vorstellen können. „Da sich die Biberproblematik in den letzten Jahren sehr ausgeweitet hat, bin ich teilweise zwei Tage in der Woche mit dem Bibermanagement beschäftigt. Jetzt als Vorruheständler habe ich etwas mehr Zeit. Aber wenn man berufstätig ist, eine Familie und ein Hobby, wie meine Jagd, hat und dann noch den Bibern auf der Spur ist, hat man schon einiges zu tun.“ Da sich die meisten Bibervorfälle aber im Landkreis abspielen, steht ihm dort ein zweiter Mann zur Seite: der bereits erwähnte Stephan Salzbrenner.
Übrigens ist der Biber das größte Nagetier Europas und das zweitgrößte – nach dem südamerikanischen Wasserschwein – weltweit. „Etwa 800 Biber“, meint Jürgen Vollmer, „schätzt man, existieren in der Stadt Bamberg und im Landkreis.“ Eine beachtliche Anzahl. Zu Gesicht wird man aber selten einen bekommen, da das Tier meistens in der späten Dämmerung und in der Nacht aktiv ist. Letztendlich wartet Jürgen Vollmer noch mit einer ganz besonderen Zahl auf: „Auf seiner Bauchunterseite hat ein Biber auf einen Quadratzentimeter etwa 24.000 Haare. Der Mensch im Vergleich dazu hat 600.“