Stadt­echo-Fra­ge­bo­gen

Das Stadt­echo fragt: Mar­tin Neu­bau­er antwortet

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Martin Neubauer
Martin Neubauer, Foto: Christof Kuen
In jeder Aus­ga­be des Stadt­echos legen wir einer Bam­ber­ger Per­sön­lich­keit einen Fra­ge­bo­gen vor. Dies­mal hat Mar­tin Neu­bau­er die Fra­gen beant­wor­tet. Er ist Lei­ter des Bam­ber­ger Bren­ta­no-Thea­ters.
Herr Neu­bau­er, was mögen Sie am Thea­ter beson­ders, was nicht?

Ich fin­de Thea­ter groß­ar­tig, wenn es um Inhal­te ringt, Fra­gen auf­wirft, Schö­nes beschwört, auf Gefah­ren der Zeit reagiert, Spra­che ernst nimmt. Als Selbst­zweck oder Tum­mel­platz per­sön­li­cher Eitel­kei­ten ist es ein­fach nur hohl und öde.

Was braucht gutes Theater?

Gren­zen­lo­se Neu­gier­de, Lie­be zur Sache und zum Publi­kum, soli­de gelern­tes Hand­werk, auch – unzeit­ge­mäß – ein Stück Demut.

Was kann auf einer sehr klei­nen Büh­ne, wie sie das Bren­ta­no-Thea­ter hat, ent­ste­hen, das auf einer grö­ße­ren nicht ent­ste­hen kann?

Ganz lei­se Töne, unmit­tel­ba­rer Publi­kums­kon­takt, zer­brech­li­che Tex­te, die in einem gro­ßen Saal unter­ge­hen wür­den. In bei­nah freund­schaft­li­cher Gemein­sam­keit mit den Gäs­ten erpro­ben, ob die­se oder jene Aus­gra­bung sie anzu­spre­chen vermag.

Wo hält die Büh­ne die Mög­lich­kei­ten Ihrer Thea­ter­ar­beit zurück?

Wo sie das tut (sie endet, wenn ich bei­de Arme aus­stre­cke), gehe ich ein­fach woan­ders hin. In grö­ße­re Räu­me oder in den Hain zum Beispiel.

Wel­ches ist Ihr Lieb­lings­werk von Bren­ta­no, wel­ches kön­nen Sie nicht leiden?

Sehr vie­le sei­ner Gedich­te und Mär­chen lie­be ich. Stell­ver­tre­tend sei­en „Schwa­nen­lied“ und „Baron von Hüp­fen­stich“ genannt. Es ist die „Musik im Leib“, die ihm Nietz­sche beschei­nigt hat, die sei­ne Spra­che oft so auf­re­gend macht. Tat­säch­lich kann ich nicht lei­den, wenn er unre­flek­tiert zeit­ge­bun­de­ne Vor­ur­tei­le und Kli­schees aufgreift.

Wür­den Sie ger­ne öfter Fahr­rad fahren?

Das tue ich jeden Tag. Als Schü­ler habe ich die Umwelt­pro­gno­sen in „Glo­bal 2000“ gele­sen und des­halb den Füh­rer­schein verweigert.

Zah­len Sie ger­ne Rundfunkgebühren?

Da freie Pres­se lebens­wich­tig für Demo­kra­tie ist: kla­res Ja!

Töten Sie Insekten?

Ich lie­be Albert Schweit­zers Essay „Ehr­furcht vor dem Leben“ und bemü­he mich um die­se Hal­tung. An Zecken, Mot­ten und Obst­flie­gen schei­te­re ich dabei kläglich.

Darf man in Ihrem Schlaf­zim­mer rauchen?

Auf die Idee ist noch nie­mand gekommen.

Wel­che Dro­gen soll­ten Ihrer Mei­nung nach lega­li­siert werden?

Bri­ti­sche Sym­pho­nien (Ralph Vaug­han Wil­liams, Arnold Bax, Arthur But­ter­worth) in deut­schen Konzertsälen.

Ihr Leben wird ver­filmt. Wel­cher Schau­spie­ler soll­te Sie spielen?

Das wird zum Glück nie passieren.

Wie vie­le Apps sind auf Ihrem Smart­phone? Wel­che benut­zen Sie am meisten?

Auf mein Han­dy aus der spä­ten Jung­stein­zeit kann ich kei­ne Apps laden.

Wovon waren Sie zuletzt überrascht?

Dass ich die­sen Fra­ge­bo­gen aus­fül­len werde.

Was ist Ihr größ­ter Wunsch?

Kein ori­gi­nel­ler, aber ein gro­ßer: Dass die Mensch­heit Frie­den und Ver­ant­wor­tung für die­se Natur lernt. Ich wer­de also lebens­lang träumen.

Was war Ihr schöns­ter Bühnenmoment?

Jeder in dem es gelingt, ein Her­zens­an­lie­gen weiterzugeben.

Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?

Bach­plät­schern und Vogel­ge­zwit­scher, aber das ist ja fast schon Musik.

Wel­chen Luxus leis­ten Sie sich?

Kein Auto zu haben.

Wovor haben Sie Angst?

Dass Kli­ma-Desas­ter und natio­na­ler Ego­is­mus die Gene­ra­ti­on unse­rer Kin­der in eine grau­sa­me Zukunft füh­ren könnten.

Wann haben Sie zuletzt geflirtet?

Jede Vor­stel­lung ist ein gewis­ser Publikumsflirt.

Wann und war­um hat­ten Sie zum letz­ten Mal Ärger mit der Polizei?

Ich bin im Zeit­druck unver­zeih­lich bei Rot über die Ampel gera­delt. Aber ich hat­te Glück. Der Poli­zist mein­te nur: „Falls Sie es nicht wis­sen: Ver­kehrs­re­geln gel­ten auch für Roman­ti­ker.“ Oh, ich lie­be Bamberg!

Wor­über haben Sie sich zuletzt geärgert?

Es gibt der­zeit lei­der so viel, um scho­ckiert zu sein, dass kaum Zeit zum harm­lo­sen Ärgern bleibt.

Auf wel­chen Moment Ihrer Lauf­bahn waren Sie am schlech­tes­ten vorbereitet?

Auf mein zwei­jäh­ri­ges Enga­ge­ment in Essen. Ein Fran­ke im Ruhr­pott – ich hat­te kei­ne Ahnung, was das bedeutet.

Gibt es einen wie­der­keh­ren­den Alb­traum, der von Ihrem Beruf handelt?

Wer mit­un­ter auf der Büh­ne steht, kennt ihn wahr­schein­lich: vol­les Haus und kei­ne Ahnung, was gespielt wird.

Was ist Ihr Lieblingsschimpfwort?

Freg­ger. Es ist ja zugleich ein Kosewort.

Bei wel­chem his­to­ri­schen Ereig­nis wären Sie gern dabei gewesen?

„Anläss­lich des Ein­zu­ges Kai­ser Lud­wigs des Bay­erns in Mün­chen im Isar­tor im Jahr 1333, glaub i.“ (Karl Valentin).

Was ist Ihre schlech­tes­te Angewohnheit?

„Jein“ sagen, wenn ich „nein“ sagen möchte.

Wel­che Feh­ler ent­schul­di­gen Sie am ehesten?

Aus Lie­be begangene.

Ihre Lieb­lings­tu­gend?

Auch wenn es kit­schig klin­gen mag: Herzenswärme.

Ihr Haupt­cha­rak­ter­zug?

Das Bes­te kommt noch. Bleib dran!

Was mögen Sie an sich gar nicht?

Wenn ich durch per­sön­li­ches Cha­os Ant­wor­ten ver­säu­me. Ich kann das an mir wirk­lich nicht lei­den. Aber es pas­siert lei­der manch­mal. Darf ich die Chan­ce nut­zen, Betrof­fe­ne hier förm­lich um Ent­schul­di­gung zu bitten?

Was hät­ten Sie ger­ne erfunden?

Eine Imp­fung gegen Krieg. Aber dann gäbe es wahr­schein­lich Demons­tra­tio­nen dagegen.

Haben Sie ein Vorbild?

Soll­te ich in der Lage sein, sinn­voll Gedich­te zu spre­chen, so habe ich das in den unver­gleich­li­chen Lie­der­aben­den von Diet­rich Fischer-Die­skau gelernt. Ich habe wäh­rend mei­ner Zeit an der Schau­spiel­schu­le in Mün­chen kei­nen ausgelassen.

Wofür sind Sie dankbar?

Für jeden gesun­den Tag Leben.

Was ist Ihr Lieb­lings­buch, Lieb­lings­al­bum, Lieblingsfilm?

Oh, da stün­de eine lan­ge Lis­te an! Mit gro­ßen Unter­las­sungs­be­den­ken: Robert (!) Wal­ser „Träu­men“. Sämt­li­che Schu­bert-Lie­der mit Fischer Die­skau (21 CDs), Karl Valen­tin „Orches­ter­pro­be“.

Was lesen Sie gerade?

„Geist und Müll“ von Guil­laume Paoli.

Wel­ches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?

Goe­thes „Wil­helm Meister“.

Wel­che Musik hören Sie nur heimlich?

Mit­schnit­te von mei­nen eige­nen Gesangs­ver­su­chen als Schüler.

Was war Ihre größ­te Modesünde?

Kein Mode­be­wusst­sein zu haben.

Was zeigt das letz­te Foto, das Sie mit Ihrem Han­dy auf­ge­nom­men haben?

Fotos schafft mein Han­dy lei­der auch nicht. Beim Son­nen­un­ter­gang in den herbst­li­chen Wein­ber­gen bei Rödel­see habe ich das bedauert.

Mit wem wür­den Sie ger­ne eine Nacht durchzechen?

Gut, es sei offen gestan­den: mit jenem „Fres­ser und Wein­säu­fer“ (Lukas-Evan­ge­li­um) aus Naza­reth. Da wäre ich unend­lich neugierig.

Was fin­den Sie langweilig?

Jede Form von Eitel­keit, egal, wie berühmt die Per­son ist.

Sie sind in einer Bar. Wel­ches Lied wür­de Sie dazu brin­gen zu gehen?

Aggres­si­ver Rap.

Was ist Ihre Vor­stel­lung von Hölle?

Wie es bei Dan­te in der „Gött­li­chen Komö­die“ steht: „Wenn Du hier ein­trittst, gib alle Hoff­nung auf!“ Gar nichts mehr am Schreck­li­chen ändern zu können.

Wie glau­ben Sie, wür­de der Mar­tin Neu­bau­er von vor zehn Jah­ren auf den Mar­tin Neu­bau­er von heu­te reagieren?

Wie­so regst du dich gera­de nicht auf?

Gibt es etwas, das Ihnen das Gefühl gibt, klein zu sein?

Posi­tiv: jeder Blick auf Ber­ge, Meer oder in den Ster­nen­him­mel, jede gro­ße Dich­tung und Musik. Nega­tiv: die täg­li­chen Schre­ckens-Nach­rich­ten und die Ohn­macht, etwas dar­an zu ändern.

Ich kann nicht leben ohne…

Mei­nen Sohn, lie­be Freun­din­nen und Freun­de, Musik, Arbeit und einen Rest-Glau­ben an das Gute.

In wel­chen Club soll­te man unbe­dingt gehen?

In den 24 Stun­den geöff­ne­ten der toten Dich­te­rin­nen und Dichter.

Sind Sie Tän­zer oder Steher?

Weder noch. Ein­deu­tig Geher.

Was war die absur­des­te Unwahr­heit, die Sie je über sich gele­sen haben?

Dass mein Vater mir den Bergan­za-Preis des Kunst­ver­eins ver­macht hät­te. Zu die­ser Zeit war er tod­krank und längst nicht mehr Vorsitzender.

Wel­ches Pro­blem wer­den Sie in die­sem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?

Dass mein ethi­scher Anspruch an mich hin­ter mei­ner all­täg­li­chen Rea­li­tät zurückbleibt.

Das Stadt­echo gibt eine Run­de aus. Was trin­ken Sie?

Sil­va­ner.

Mar­tin Neu­bau­er, Novem­ber 2023.
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