In jeder Ausgabe des Stadtechos legen wir einer Bamberger Persönlichkeit einen Fragebogen vor. Diesmal hat Petra Schiller die Fragen beantwortet. Sie ist seit 2021 Leitende Dramaturgin des ETA Hoffmann Theaters.
Frau Schiller, was kann Theater, das keine andere Kunstform kann?
Gerade arbeite ich an der Komödie „Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horváth. Um es mit den Worten dieses wunderbaren Autors zu sagen: „Das Theater phantasiert für die Zuschauer*innen und gleichzeitig lässt es sie auch die Produkte dieser Phantasie erleben.“ Man erlebt gemeinsam und live mit anderen Menschen (auf der Bühne und im Zuschauerraum) Geschichten und kommt im besten Fall darüber ins Gespräch.
Was braucht gutes Theater?
Menschen, die dafür brennen.
Was braucht eine gute Dramaturgie?
Ein feines Trüffelnäschen für Stücke und Themen, Organisations- und Kommunikationstalent, Lesefreude, Liebe zum Beruf und Einfühlungsvermögen – ich hoffe, ich bin für meine Kolleg*innen stets eine gute Ansprechpartnerin.
Was mögen Sie an Theater besonders?
Die Zusammenarbeit mit kreativen Menschen. Und dass ich als Dramaturgin jeden Abend ein Stück klüger ins Bett gehen kann als ich es am Morgen verlassen habe.
Was nicht?
Wenn Theater – wie Christoph Schlingensief sagt – zur „Zuchtschau“ wird.
Welches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?
Oje, hoffentlich liest Benjamin von Stuckrad-Barre das jetzt nicht, aber bei „Noch wach?“ habe ich es tatsächlich nur bis zum zweiten Kapitel geschafft. Das lag aber daran, dass andere Recherchen Vorrang hatten.
Zahlen Sie gern Rundfunkgebühren?
Ja. Öffentlich-rechtliche Medien sind wichtig und ich bin eine Freundin von solidarischen Prinzipien.
Töten Sie Insekten?
Dazu bin ich nicht schnell genug.
Darf man in Ihrem Schlafzimmer rauchen?
Nein. Die Zeiten sind vorbei.
Welche Drogen sollten Ihrer Meinung nach legalisiert werden?
Intravenöse Cola-Infusion.
Ihr Leben wird verfilmt. Welche Schauspielerin sollte Sie spielen?
Die junge Sophie Marceau. Ich kann es nicht verhehlen: Ich liebe „La Boum“.
Wovon waren Sie zuletzt überrascht?
Von der Sneak-Preview im Odeon.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Dass es meinen geliebten Menschen gut geht.
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Achterbahnfahren. Zeit fürs Nichtstun haben. Sachen mit geschmolzenem Käse essen. Escape-Räumen entfliehen. Esel streicheln.
Worüber haben Sie sich zuletzt geärgert?
Ich habe wirklich lange überlegt. Aber mir fällt gar nichts ein. Das ist wahrscheinlich ein gutes Zeichen, oder?
Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?
Regen, der sonntagmorgens auf den Fenstersims tröpfelt.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Bücher (sind die Luxus?).
Wann und warum hatten Sie zum letzten Mal Ärger mit der Polizei?
Als zu einer Party mal die von den Nachbarn gerufene Polizei kam, habe ich gerufen: „Leute, die Stripper sind da!“
Wovor haben Sie Angst?
Rechtsextremismus. Kleingeistigkeit. Till Lindemann.
Was war Ihr schönster Theatermoment?
Theater lebt auch von Veränderungen. Nach fünf Spielzeiten als Regieassistentin in Kassel war es für mich an der Zeit weiterzuziehen, weil ich als Dramaturgin arbeiten wollte. Die letzte Vorstellung, die ich als Abendspielleitung betreut habe, war der „Urfaust“, unser Sommertheater auf der Löwenburg. Das Ensemble und die Band haben mich überrascht, indem sie für mich nach der Vorstellung vor den 600 Leuten im Publikum „Heroes“ von David Bowie gespielt haben, was sie extra für mich einstudiert hatten. Ich habe geheult wie ein Schlosshund.
Auf welchen Moment Ihrer Laufbahn waren Sie am schlechtesten vorbereitet?
Ohne einen speziellen Moment zu nennen, würde ich es so formulieren: Manche Menschen sind Geschenke, mache Herausforderungen.
Gibt es einen wiederkehrenden Albtraum, der von Ihrem Beruf handelt?
Ich träume manchmal, dass ich in Mathematik an der Tafel abgefragt werde. Diese Albträume haben aber glücklicherweise nichts mit meinem Beruf zu tun.
Was ist Ihr Lieblingsschimpfwort?
„Perkele“: Ein finnisches Schimpfwort mit Tradition.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gern dabei gewesen?
Da ich mich aktuell für „Das Vermächtnis“ von Matthew Lopez damit beschäftige: Beim Stonewall-Aufstand von 1969.
Was ist Ihre schlechteste Angewohnheit?
Ich bin manchmal zu ehrgeizig und besserwisserisch. Dabei schieße ich dann oftmals übers Ziel hinaus – inzwischen will niemand mehr „Trivial Pursuit“ oder „Risiko“ mit mir spielen.
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Fehler aus Unerfahrenheit.
Ihre Lieblingstugend?
Freundlichkeit.
Ihr Hauptcharakterzug?
Esprit mit Selbstironie.
Was mögen Sie an sich gar nicht?
Meine Ungeduld.
Was hätten Sie gerne erfunden?
Den Buchdruck oder Backpapier.
Haben Sie ein Vorbild?
Ich habe kein einzelnes Vorbild. Es gibt viele Menschen, die ich inspirierend und bewundernswert finde, da kann ich gar keine Auswahl treffen oder ein Ranking erstellen.
Wofür sind Sie dankbar?
Ich bin dankbar für all die Möglichkeiten, die mir das Leben bislang geboten hat und bin neugierig, welche weiteren Erfahrungen noch auf mich zukommen.
Was lesen Sie gerade?
„Die Schwimmbad-Bibliothek“ von Alan Hollinghurst.
Was ist Ihr Lieblingsbuch, Lieblingsalbum, Lieblingsfilm?
Bei Büchern und Filmen kann ich mich da nicht festlegen. Das letzte Buch, das ich verschlungen habe, war „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara. Bei Filmen mag ich viele aus Schweden oder Finnland. Oder von David Lynch. Wenn ich eine Serie nennen könnte, wäre es „Twin Peaks“. Mein Lieblingsalbum kann ich dagegen klar benennen, das ist „Blackstar“ von David Bowie. Das ist einfach fantastisch.
Welche Musik hören Sie nur heimlich?
Ich mache eigentlich nur selten Dinge heimlich.
Was war Ihre größte Modesünde?
Hab ich nicht. Ich trage alles mit Würde.
Was ist Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Mein Patenschwein Wolfgang im Tierpark Hundshaupten.
Was zeigt das letzte Foto, das Sie mit Ihrem Handy aufgenommen haben?
Pfoten.
Mit wem würden Sie gerne eine Nacht durchzechen?
Aki Kaurismäki.
Wovon haben Sie überhaupt keine Ahnung?
Keine Ahnung.
Was finden Sie langweilig?
Desinteresse.
Sie sind in einer Bar. Welches Lied würde Sie dazu bringen, zu gehen?
Ein einzelnes Lied würde das wohl nicht bewirken. Es sei denn, es wäre eine Karaoke-Bar, aber dann wäre der Song auch schon egal.
Was ist Ihre Vorstellung von Hölle?
Das Oktoberfest.
Wie glauben Sie, würde die Petra Schiller von vor zehn Jahren auf die Petra Schiller von heute reagieren?
Mit Kopfschütteln („Immer noch nicht erwachsen.“).
Gibt es etwas, das Ihnen das Gefühl gibt, klein zu sein?
Wenn ich sehe, wie tagtäglich mutige Menschen für demokratische Werte und Rechte auf die Straße gehen und ich hier in Bamberg und in der privilegierten Situation bin, das nicht tun zu müssen.
Ich kann nicht leben ohne…
… das Känguru in meinem Leben.
In welchen Club sollte man unbedingt mal gehen?
Soviel ich gehört habe, sollte man wohl unbedingt mal im Berghain gewesen sein.
Sind Sie Tänzerin oder Steherin?
Ich sitze.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten wählen – was für ein Tier wären Sie gerne?
Ein Wolpertinger.
Was war die absurdeste Unwahrheit, die Sie je über sich gelesen haben?
„Ledige Regisseurin, 27.“
Welches Problem werden Sie in diesem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?
Ich kapituliere nicht gerne. Vor allem nicht vorzeitig.
Das Stadtecho gibt eine Runde aus. Was trinken Sie?
Tagsüber einen Erdbeer-Shake, abends gerne einen Gin-Tonic.