Hätte die Pandemie nicht zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten geführt, könnten der Tierschutzverein Bamberg und das Tierheim Berganza auf ruhige Monate zurückblicken. In Lockdown-Zeiten sind einerseits so wenige Tiere ausgesetzt oder beim Tierheim abgegeben worden wie selten zuvor. Andererseits stiegen die Anfragen aus der Bevölkerung, ein Tier aufzunehmen. Unter anderem über die Zusammenhänge von sozialen Beschränkungen und Tierliebe und die Tatsache, dass Haustiere nicht zu jedem passen, haben wir mit Jürgen Horn, dem 1. Vorsitzenden des Tierschutzvereins Bamberg, gesprochen.
Herr Horn, welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Arbeit des Bamberger Tierheims und des Tierschutzvereins?
Jürgen Horn: Zunächst einmal bedeutete die Pandemie, dass wir ein Hygienekonzept erarbeiten und für dessen Einhaltung sorgen mussten. Dann hatten wir keine normalen Öffnungszeiten mehr, was uns befürchten ließ, dass unsere Schützlinge nun wesentlich länger bei uns bleiben müssten. Doch konnten wir sehr schnell feststellen, dass die Nachfrage in der Bevölkerung nach einem Haustier deutlich gestiegen ist. Wer keine, oder nur sehr wenige Kontakte zu anderen Menschen hat, schätzt ein Haustier umso mehr. Was jedoch sich sehr negativ auswirkte war, dass wir auch keine Feste und Sonntagsöffnungen mehr hatten. Das bedeutet letztendlich einen fünfstelligen Verlust auf unserer Einnahmen-Seite. Ein weiteres Problem war, dass wir während des Lockdowns keine Auslandshunde aufnehmen konnten, da die Transporte nicht möglich waren. Auch Vor- und Nachkontrollen wurden schwierig. Umso erfreulicher war jedoch die enorme Spendenbereitschaft vieler Tierfreunde, denen ich im Namen der gesamten Vorstandschaft und Belegschaft herzlich danke!
Der Zweck des Tierschutzvereins besteht in der Förderung des Tierschutzes. Können Sie einschätzen, wie sich das gesellschaftliche Bewusstsein für Tierwohl und Tierschutz in den letzten Jahren entwickelt hat? Trügt der Anschein, dass es zugenommen hat, oder liegt immer noch viel im Argen?
Jürgen Horn: Zwangsläufig habe ich als Vorsitzender dieses Vereins natürlich eher mit Tierfreunden zu tun. Ich habe aber schon den deutlichen Eindruck, dass bei einer sehr großen Mehrheit unserer Bevölkerung sich das Gespür für die Bedürfnisse der Tiere deutlich erhöht hat. Was ich jedoch sehr bedaure, ist, dass Vorgaben aus der Politik dem nur sehr zögerlich und vor allem viel zu langsam Rechnung tragen.
Für mich ist es unbegreiflich, wie lange es dauert, allein so etwas Schreckliches wie das Küken-Schreddern zu verbieten, um nur ein Beispiel zu nennen. Und weitere Beispiele gäbe es noch unendlich viel mehr.
Insgesamt jedoch steigt das Bewusstsein in der Bevölkerung. Leider gibt es aber immer noch viele Missstände hinter verschlossenen Türen, wie wir bei so manchen Rettungseinsätzen mit den Amtstierärzten feststellen mussten. Das größte Problem dürfte der stark zugenommene Handel mit Welpen, sogenannten Wühltischwelpen, sein. Hier betonen wir immer wieder, dass es falsche Tierliebe ist, wenn man so ein armes Geschöpf kauft, damit es ihm besser geht. Jeder verkaufte Welpe bedeutet, dass illegale Händler weitere Welpen unter schlimmsten Bedingungen nachzüchten.
Können Sie all diese Tiere in angemessenem Umfang versorgen oder hätten Sie gerne mehr Personal oder Infrastruktur?
Jürgen Horn: Im Moment haben wir es einigermaßen ruhig. Das erlaubt uns derzeit, so manche kleine Renovierungsarbeiten wie Streichen und dergleichen durchzuführen. Auch können so einige Überstunden abgebaut werden, die in der sehr tierstarken Zeit von September bis Mitte November aufgelaufen waren. Insgesamt ist das Tierheim personell meines Erachtens gut und angemessen ausgestattet. Natürlich müssen wir uns an dieser Stelle auch bei den vielen ehrenamtlichen Helfern herzlich bedanken. Ohne sie müsste das Personal deutlich aufgestockt werden, was das Tierheim auf Dauer finanziell nicht stemmen könnte. Bei dieser Gelegenheit ein Aufruf: ein ehrenamtlicher Hundetrainer wäre eine tolle Unterstützung. Wir hätten sogar die Möglichkeit, diesem einen richtigen Trainingsplatz auch für seine eigenen Kunden zur Verfügung zu stellen.
Wie haben sich soziale Beschränkungen der Pandemiebekämpfung auf die Tiervermittlung ausgewirkt? Haben sich vermehrt Menschen mit dem Wunsch, ein Tier aufzunehmen, um zuhause nicht immer allein zu sein, sondern zumindest tierische Gesellschaft zu haben, an Sie gewendet?
Jürgen Horn: Wie ich es eingangs schon erwähnt habe, ist für solche Menschen der Wunsch nach einem Haustier zum Lieben deutlich gestiegen. Auch aus anderen Tierheimen hören wir immer wieder die Aussage, wir könnten viel mehr vermitteln als wir haben. Nichtsdestotrotz ist dennoch bei jeder Vermittlung ein ausgiebiges Vermittlungs-Gespräch Voraussetzung. Nicht jeder Mensch passt zu jedem Tier. Unser erfahrenes Personal muss auch manchmal nein sagen oder ein anderes Tier empfehlen, denn letztendlich steht für uns das Tierwohl an erster Stelle und auch den Menschen ist ja nicht geholfen, wenn sie nach kurzer Zeit merken, dass es mit diesem Tier nicht gut geht. Leider gibt es gehäuft unvernünftige Leute, die nur an sich, aber nicht ans Tier denken: Es gibt tatsächlich ernstgemeinte Anfragen für „Leihtiere“ für die Zeit des Homeoffice. Das geht gar nicht!
Inwieweit kann die Anwesenheit eines Haustiers positive Auswirkungen gegen Einsamkeitsgefühle haben?
Jürgen Horn: Der Mensch ist nun einmal ein soziales Wesen. Niemandem tut es gut, nur alleine zuhause herumzuhängen. Zum einen fordert ein Tier Versorgungsaufgaben und damit einhergehend auch, dass der Mensch mehrmals täglich in Bewegung kommen muss. Ganz besonders natürlich mit Hunden. Zum andern gibt einem ein Tier unendlich viel Liebe und Geborgenheit.
Wie hat sich die Zahl entlaufener oder ausgesetzter Tiere in den letzten Monaten entwickelt?
Jürgen Horn: Wir hatten in diesem Sommer keine ausgesetzten Hunde und auch weniger entlaufene Hunde, was vor allem an Silvester erstaunt hat. Bei unseren Mitarbeitern hatte in den Vorjahren am 1.Januar das Telefon nicht stillgestanden. Dieses Jahr war kein einziger Hund entlaufen. Nur ein stilles Silvester ist ein gutes Silvester – bellen die Hunde!
Welche sind die häufigsten Gründe, aus denen Haustierhalter ein Tier aussetzen oder es im Tierheim abgeben?
Jürgen Horn: Das können sehr unterschiedliche Gründe sein. Wenn Menschen aus gesundheitlichen Gründen ins Krankenhaus oder Altersheim gehen, haben sie in den seltensten Fällen die Möglichkeit, ihr Tier mitzunehmen. Dies sind, neben dem Tod des Herrchens oder Frauchens, oft die traurigsten Fälle. Aber auch Fälle von plötzlicher Armut, Allergien, Zeitmangel durch berufliche Veränderung oder auch die Einsicht, dass man dem Tier keine artgerechte Haltung zugutekommen lassen kann und vieles mehr, können derartige Gründe sein. Mich persönlich ärgern vor allem diejenigen, die ihren verzogenen Kindern zum Geburtstag oder zu Weihnachten ein Tier geschenkt haben, aber jetzt in Urlaub wollen und merken, dass das mit einem Tier etwas umständlicher ist und es deswegen aussetzen oder, wenn das Tier Glück hat, im Tierheim abgeben.
Wie lässt es sich erreichen, dass Halter, die ihr Tier nicht mehr haben möchten, dieses nicht aussetzen, sondern sich damit an Sie wenden?
Jürgen Horn: Im Gegensatz zu manch anderen Tierheimen verlangen wir keine Abgabegebühren. Der Abgebende muss also nicht fürchten, hier nochmal zur Kasse gebeten zu werden. Auch werden seine Abgabegründe von uns nicht überprüft. So hat im Landkreis Bamberg, das ist unser Zuständigkeitsbereich, kein Tierbesitzer auch nur den fadenscheinigsten Grund ein Tier auszusetzen. Im Gegenteil: Wer dabei erwischt wird, muss mit einer Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz rechnen und das kann durchaus sehr teuer werden. Unsere Mitarbeiter sind angehalten, keine Vorwürfe zu machen, wenn das Tier abgegeben wird. Wichtig ist eine rechtzeitige Kontaktaufnahme zu uns, dann können wir helfen, Probleme zu lösen beziehungsweise Lösungen für die Tiere zu finden, und gegebenenfalls auch das Tier direkt zu vermitteln.
Tierschutzverein Bamberg e.V. /Tierheim Berganza
Rothofer Weg 30
Telefon: 09 51 //700 927–0