Langzeitstudien gibt es noch nicht, aber erste Untersuchungen von psychischen Folgen des Lockdowns deuten darauf hin, dass die Beschränkung von sozialen Kontakten
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Psychische Auswirkungen des Lockdowns
„Ein Gefühl der Hilflosigkeit in der Pandemie kann Angststörungen oder Depression erklären“
Langzeitstudien gibt es noch nicht, aber erste Untersuchungen von psychischen Folgen des Lockdowns deuten darauf hin, dass die Beschränkung von sozialen Kontakten psychische Störungen entstehen lassen oder verschlimmern kann. Prof. Dr. Jörg Wolstein hat die Professur für Pathopsychologie an der Universität Bamberg inne und ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Wir haben mir ihm über psychische Auswirkungen des Lockdowns, deren Unterschiede bei Frauen und Männern, Warnsignale und Selbsthilfe gesprochen.
Die Monate der Ausgangsbeschränkungen bedeuten für viele Menschen, einen Großteil des Tages allein zuhause zu sein. Wie können sich fehlende soziale Kontakte auf die Psyche auswirken?
Jörg Wolstein: Das Entstehen von Symptomen wie Angst und Depression, die in den Zeiten der Pandemie vermehrt entstehen, sind sicherlich aber nicht allein auf das Ausbleiben von sozialen Kontakten zurückzuführen. Eine große Rolle spielen auch wirtschaftliche Sorgen, die Angst vor Ansteckung oder Sorgen um Angehörige. Ich denke, was viele Menschen berichten, nämlich, dass sie vermehrt Symptome einer Depression zeigen, wie Herabgestimmtsein oder Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, ist typisch. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Studien, die das belegen. Aber es stellt sich immer die Frage, ob der Grund für die Symptome nur in den sozialen Beschränkungen durch den Lockdown liegt oder in der gesamtgesellschaftlichen Lage der Pandemie. Ich glaube, das kann man nicht unterscheiden.
Betreiben Sie entsprechende Forschungen?
Jörg Wolstein: Nicht speziell zu diesen Symptomen. Bei uns am Lehrstuhl forschen wir zur Frage, wie sich die Pandemiesituation auf den Alkoholkonsum auswirken, vor allem bei Jugendlichen.
Wie entwickelt sich der Alkoholkonsum?
Jörg Wolstein: Insgesamt hat er nicht zugenommen, wie man meinen möchte. Ein Grund dafür könnte in diesem Fall tatsächlich das Fehlen von sozialen Kontakten bei den Jugendlichen sein. Auch der Alkoholverkauf ist statistisch nicht besonders angestiegen. Das Rauschtrinken ist eher weniger geworden. Aber bei Menschen, die schon vorher Alkoholprobleme hatten, kommen diese Probleme jetzt deutlicher zum Vorschein.
Gilt das auch für bestehende psychische Probleme?
Jörg Wolstein: Ja. Ähnlich ist es zum Beispiel bei Menschen, die schon vor der Pandemie Probleme hatten, soziale Kontakte zu pflegen. Diese sind sozial nun noch stärker isoliert. Wohingegen Menschen, die soziale Kontakte ohnehin intensiver pflegen, diese auch im Lockdown aufrechthalten. Die Möglichkeiten, zu telefonieren, eine Videokonferenz zu haben und so weiter bleiben ja bestehen. Das ist gut, denn soziale Kontakte beziehungsweise soziale Unterstützung, wie es in der Fachliteratur genannt wird, sind ein ganz wesentlicher Faktor für die psychische Gesundheit. Je besser man sie aufrechterhält, desto besser fühlt man sich. Dabei ist es kurzfristig nicht unbedingt wichtig, ob die Kontakte von Angesicht zu Angesicht stattfinden oder elektronisch. Wie sich ausschließlich elektronische Kontakte auf lange Sicht auswirken können, muss noch erforscht werden.
Welche Langzeitfolgen könnten sich ergeben?
Jörg Wolstein: Wir wissen bereits, dass die Zahl von Menschen mit Angststörungen oder Depressionen zugenommen hat. Allerdings gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert Studien zur Frage, was mit Menschen passiert, die sich mit ihrer sozialen Umgebung nicht richtig identifizieren können und das Gefühl bekommen, die Kontrolle darüber zu verlieren, was mit ihnen passiert. Wir sind uns also schon seit über 100 Jahren der negativen psychischen Auswirkung von solchen Entwicklungen bewusst. Diese Studien zeigen seit jeher auch eine Erhöhung der Selbstmordrate auf. Ein moderneres Beispiel hierfür wäre der politisch-gesellschaftliche Umbruch des Mauerfalls, der ebenfalls einen Anstieg zur Folge hatte – besonders bei Männern. Auch wenn es bisher keinen Anhalt dafür gibt, dass die Selbstmordrate in der Pandemie angestiegen ist, ist die Zunahme von depressiven Störungen jedenfalls nicht überraschend.
Sie erwähnen eine besondere Gefährdung von Männern. Lässt sich eine generelle Geschlechtsabhängigkeit von diesen psychischen Auswirkungen feststellen?
Jörg Wolstein: Ja, Männer sind grundsätzlich gefährdeter, sich umzubringen, während Frauen insgesamt häufiger psychisch erkranken. Und die Frauen sind in der jetzigen Pandemie besonders im Stress: Die in den Schulen ausfallende Betreuung von Kindern wird zum Beispiel zum großen Teil von Frauen übernommen, was für sie eine deutlich höhere Belastung als in der Zeit vor der Pandemie bedeutet. Frauen sind oft einem höheren gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, wie durch die Mehrfachbelastung aus beispielsweise Berufstätigkeit und Kinderbetreuung. Die Pandemie spitzt das nur nochmal zu. Es gibt aber auch einen anderen wichtigen Aspekt, bei der Erklärung von Geschlechterunterschieden: Die größere Anzahl von Fällen mit psychischen Erkrankungen bei Frauen könnte auch damit zusammenhängen, dass Frauen sich bei psychischen Problemen häufiger melden und Hilfe suchen. Männern fällt es schwerer, Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit als Krankheitssymptom anzuerkennen. Solche Symptome sind bei Männern sehr viel stärker selbstwertgefährdend als bei Frauen. Depression wird mit Schwäche gleichgesetzt.
Welche Warnsignale für solche psychischen Entwicklungen gibt es, die man an sich selbst oder an anderen feststellen kann?
Jörg Wolstein: Warnsignale einer psychischen Überbelastung können sein: Plötzliche Schlafstörungen, übermäßiges Grübeln, sich Sorgen machen, ohne dabei zu einem Ergebnis zu kommen, oder körperliche Probleme wie Magenbeschwerden oder chronische Schmerzen.
Neben professionellem Rat – was sind Möglichkeiten, sich selbst zu helfen?
Jörg Wolstein: Soziale Unterstützung, also die Pflege von sozialen Kontakten ist eine Möglichkeit. Frühs eine Runde joggen zu gehen, ist auch eine Lösungsstrategie. Man kann sich frühs auch einen gut strukturierten Zeitplan für den Tag zurechtlegen, der immer wieder Pausen vorsieht. Auch die Langzeitperspektive, zum Beispiel durch die sich beschleunigende Impfkampagne, ist derzeit nicht schlecht und kann Hoffnung bringen.
Auch auf Beziehungen wie Familienstrukturen oder Partnerschaft kann sich die Pandemie negativ auswirken, wenn man sozusagen ständig aufeinandersitzen muss. Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich hier?
Jörg Wolstein: Man sitzt viel mehr aufeinander und muss plötzlich viel mehr miteinander aushandeln und mehr aushalten als vorher. Dabei ist es wichtig, klare Absprachen über Rückzugsräume zu treffen, damit man auch mal Zeit allein verbringen kann. Man kann in der Wohnung Räume definieren, an denen, im Fall von Homeoffice oder Hausaufgaben der Kinder, gearbeitet wird, und Orte, an denen entspannt werden kann. Und wenn der Partner oder die Partnerin einmal gereizt ist, muss man die Einstellung entwickeln, das nicht auf sich zu beziehen und als Konflikt zwischen zwei Personen zu sehen, sondern den Grund dafür in der Pandemie zu suchen.
Menschen mit größerem Wohnraum sind also klar im Vorteil?
Jörg Wolstein: Ich weiß nicht, ob es dazu Studien gibt, aber das ist sicher denkbar.
Verbände warnen vor zunehmender häuslicher Gewalt oder sexuellen Übergriffen im häuslichen Umfeld. Teilen Sie diese Befürchtungen?
Jörg Wolstein: Ja, es gibt Berichte über eine Zunahme solcher Fälle. In der Regel geht häusliche Gewalt von Männern aus, oft wiederum in Verbindung mit Alkoholkonsum. Aber auch hier gilt, dass häufig zum Ausbruch kommt, was schon vorher problematisch war.
Können die Beschränkungen auch positive Auswirkungen haben?
Jörg Wolstein: Ja, es gibt auch Dinge, die sich in der Pandemie verbessert haben. Rund um das mobile Arbeiten sind durch Homeoffice-Regelungen ganz neue Möglichkeiten der Alltagserleichterung entstanden. Ich glaube auch, dass der Wert von sozialen Beziehungen zugenommen hat. Die Leute werden in Zukunft vielleicht sehr viel sorgfältiger mit Beziehungen umgehen. Viele Menschen haben die Monate des Lockdowns auch genutzt, um persönliche Projekte anzugehen, für die vorher die Zeit fehlte. Das kann der Keim für längerfristige Entwicklungen sein. Positives Denken ist ein wichtiger Schutzfaktor vor Depressionen.
stark³
Resilienzförderung für Kinder und Jugendliche in den Offenen Ganztagsschulen
Das Kooperationsprojekt zwischen dem BKK Landesverband in Bayern und dem Jugendhilfeträger iSo – Innovative Sozialarbeit widmet sich ab dem neuen Schuljahr wieder der Förderung des „Immunsystems für die Seele“.
Corona, Lockdown, Homeschooling & Co. haben auch bei Kindern und Jugendlichen gravierende Spuren hinterlassen. Laut einer im März 2021 erschienenen Studie der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit den Universitäten Hildesheim und Frankfurt/Main geben 64 Prozent der jungen Menschen an, seit Ausbruch der Pandemie psychisch belastet zu sein. Ein besorgniserregender hoher Anteil, der zeigt, dass die Förderung der mentalen Widerstandkraft und Stärke schon in jungen Jahren von großer Relevanz ist.
Neue Projektkoordinatorin übernimmt zum Schuljahresbeginn
Eben diesem Thema widmet sich das Resilienzförderprojekt BKK-stark³. Seit 2019 werden themenspezifische Workshops und Tagesaktionen für Kinder und Jugendliche an den vom Träger geführten Ganztagsschulen angeboten. Auch Vorträge und Fortbildungen für das direkte Lebensumfeld (Eltern, Erziehungsberechtigte, Lehrerinnen und Lehrer, pädagogisches Personal et cetera) der jungen Menschen sind ein wichtiger Baustein des Konzeptes.
Nach einem pandemiebedingten Betrieb auf Sparflamme nimmt das Projekt wieder ganzheitlich seine Aktivitäten zum neuen Schuljahr 2021//2022 auf. Als neue Projektleiterin ist Jeannette Nguyen ab sofort für die Koordination verantwortlich. Sie führt die wertvolle Aufbauarbeit von Laura Galizia, die aufgrund der Pandemiepause an die Mittelschule Baunach als Jugendsozialarbeiterin wechselte, in die nächste Projektphase.
„Die Projektkoordination zu übernehmen war für mich ein aufregender Schritt. Ich freue mich aber auf die neuen Aufgaben und befasse mich bereits intensiv mit den Vorbereitungen für das neue Schuljahr, zum Beispiel der Akquise weiterer Workshopleiterinnen und Workshopleiter für unseren Angebotskatalog“, so Jeannette Nguyen. iSo-Geschäftsführer Matthias Gensner ergänzt: „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Frau Nguyen eine kompetente Person für die Weiterführung des Projektes gefunden haben. Wir bedanken uns auch sehr bei Frau Galizia für die wertvolle Aufbauarbeit. Sie hat den Grundstein für nachhaltige und effektive Resilienzförderung bei Kindern und Jugendlichen in unserer Region gelegt.“
Ab sofort werden Workshopleiterinnen und Workshopleiter gesucht, die Kurse, Tagesaktionen aber auch Vorträge zum Thema halten möchten. Interessierten steht Frau Jeannette Nguyen mit allen weiteren Informationen unter Kontaktdaten jeannette.nguyen@iso-ev.de oder 0162 1757433 zur Verfügung.
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Inklusionsstudie INSIDE
Kinder mit Förderbedarf konnten im Lockdown schlechter lernen
Inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen haben während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ungünstigere Lernbedingungen erlebt als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne solche besonderen Bedarfe, wie aus einer der Auswertung einer Befragung von fast 2.000 Kindern der Klassenstufen 7 und 8 hervorgeht.
Die Befragung wurde als Teil der schulbezogenen Inklusionsstudie INSIDE durchgeführt, die unter anderem am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) beheimatet ist. Es zeigte sich, dass gleichzeitig die Kinder, unabhängig von Förderbedarfen, die Zeit der Schulschließung sehr unterschiedlich wahrgenommen haben.
Die Bedingungen für das Lernen zuhause während der ersten Schulschließung waren für Schülerinnen und Schüler von ganz unterschiedlichen Voraussetzungen geprägt. Inzwischen herrscht Einigkeit darüber, dass sich bestehende Benachteiligungen durch die Schulschließungen weiter verschärft haben. Eine Gruppe ist dabei besonders betroffen, jedoch weitgehend aus dem Blickfeld geraten: Zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarfen liegen bislang nur wenig empirische Befunde vor. Diese Lücke will das Projekt INSIDE (Inklusion in und nach der Sekundarstufe) verringern. Die Forscherinnen Dr. Cornelia Gresch von der Humboldt-Universität zu Berlin und Dr. Monja Schmitt vom LIfBi in Bamberg gehen in einer aktuellen Auswertung der Frage nach, welche Unterschiede es während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 beim Lernen und Wohlbefinden zwischen Schulkindern mit und ohne Förderbedarfe gab. Die Daten dafür liefern Selbsteinschätzungen von 1.939 Kindern, die im Rahmen der regulären Erhebungen der Langzeitstudie INSIDE im Herbst 2020 erfragt wurden. 13 Prozent dieser Kinder hatten sonderpädagogische Förderbedarfe.
Präsenzunterricht ermöglicht Teilhabe
Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen weisen zu Hause häufig eher ungünstige Lernvoraussetzungen auf. Für sie ist das Fehlen von Präsenzunterricht besonders folgenreich, denn die Teilhabe an Bildungsangeboten wird ihnen dadurch erschwert. Dazu kommt, dass das Lernen zuhause sich stark von den individualisierten Unterrichtsformaten unterscheidet, die diese Gruppe gewohnt ist: Sie benötigt mehr Motivation, mehr Begleitung und Aufmerksamkeit durch die Lehrkraft und umso mehr das Gefühl, in einer Gemeinschaft zu lernen – Faktoren, die beim Lernen zuhause im Frühjahr 2020 weitgehend weggefallen sind.
Kinder mit Förderbedarf lernten weniger
Wie auch aus anderen Befragungen zum Lernen zuhause während der Schulschließung (–> NEPS Corona & Bildung No. 1) hervorging, war die Zeitspanne, die Schülerinnen und Schüler mit schulischen Lerninhalten verbrachten, sehr unterschiedlich. Dieses Bild zeigt sich auch in der INSIDE-Befragung. Es gibt sowohl Kinder, die berichteten, in dieser Zeit deutlich weniger für die Schule gearbeitet zu haben, als auch solche, die einen viel größeren Zeitaufwand als zu normalen Schulzeiten angaben. Beim Vergleich der Gruppen mit und ohne Förderbedarfe zeigen sich statistisch bedeutsame Unterschiede. 18 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen gaben an, viel weniger gearbeitet zu haben. Bei den Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Förderbedarfe machten diese Aussage nur 11 Prozent. Noch deutlicher wird dieser Unterschied bei der Frage, in welchem Umfang die Aufgaben bearbeitet wurden, die von der Schule zur Verfügung gestellt wurden. 17 Prozent der Kinder mit Förderbedarfen gaben hier „keine“ oder „wenig“ an (im Vergleich zu 8 Prozent bei der Gruppe ohne Förderbedarfe). Bei der Arbeitsumgebung ist auffällig, dass Kinder mit Förderbedarfen weniger oft einen Zugang zu Druckern hatte, aber häufiger von Personen berichteten, die auf die Erledigung der Aufgaben achteten.
Schulschließung beeinflusst auch Wohlbefinden
Die Forschenden fragten die Kinder auch, wie es ihnen während der ersten Schulschließung insgesamt gegangen ist. Die Antworten ergeben ein heterogenes Bild. Auffällig ist, dass Kinder mit Förderbedarfen signifikant häufiger extreme Empfindungen („überhaupt nicht gut“ oder „sehr gut“) angaben.
Insgesamt sehen die Forscherinnen Gresch und Schmitt Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen beim Lernen zuhause benachteiligt. „Sie hatten zusätzlich zu den bestehenden Herausforderungen teilweise ungünstigere Lernbedingungen und verbrachten auch weniger Zeit mit Lernen. Wir sehen hier die Befunde anderer Studien bestätigt, dass Ungleichheit durch fehlenden Präsenzunterricht weiter verstärkt wird“, so Cornelia Gresch.
Der vollständige Bericht ist auf https://www.lifbi.de/Transferberichte zu finden.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
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Fränkischer Theatersommer
„Sind wir wichtig? – Wir sind es“
Leicht haben es Pandemie und staatliches Desinteresse der Kulturszene nicht gemacht, aber die oberfränkische Landesbühne des Fränkischen Theatersommers – kommendes Wochenende noch mit zwei Stücken in der KUFA in Bamberg zu Gast – hat sich im zurückliegenden Jahr nicht unterkriegen lassen. Mit Jan Burdinski, Darsteller und Intendant des Fränkischen Theatersommers, haben wir über Systemrelevanz, Heiterkeit in unheiteren Zeiten und die Rückkehr zur Normalität gesprochen.
Am 30. Mai haben Sie in Bayreuth die Saison mit dem Stück „Emmas Glück“ eröffnet. Wie sahen die Rückmeldungen aus?
Jan Burdinski: Wir waren überrascht. Obwohl der Termin nur sehr kurzfristig vorher bekannt gegeben werden konnte, waren 80 Zuschauer da. Die Zuschauer reagierten auf die großartige schauspielerische Leistung der Darstellerin mit viel Applaus und Begeisterung. Wunderbar!
Hätte es, wenn die Inzidenzwerte die Aufführung nicht zugelassen hätten, eine Alternative gegeben?
Jan Burdinski: Wir hätten die Aufführung auf einen späteren Termin verlegen müssen, wie wir es zuvor schon mit der Premiere, die eigentlich in Altenkunstadt Mitte Mai vorgesehen war, praktizieren mussten.
Für die Premiere haben Sie das Solostück „Emmas Glück“, eine Komödie über die verschuldete Bäuerin Emma, ausgewählt. Warum?
Jan Burdinski: Das war der Wunsch der Darstellerin der Emma – Rebekka Herl. Immer wenn eine neue schauspielerische Kraft Teil des Ensembles des Fränkischen Theatersommers werden möchte, sollte sie ein Solo eigener Wahl spielen. Das hat zwei Vorteile. Erstens kann ich so die Persönlichkeit der Schauspielerin oder des Schauspielers intensiver kennenlernen. Und zweitens stärkt die Herausforderung eines Solo-Stücks die künstlerische Persönlichkeit. Das ist eine Schwerstaufgabe, die Frau Herl glänzend bestanden hat.
Steckt in der Tatsache, die Schauspielerin zum ersten Mal mit so einer großen Herausforderung, anstatt in einer kleineren wie einer Nebenrolle, vor Publikum spielen zu lassen, nicht ein großes Risiko?
Jan Burdinski: Ja, das ist ein Risiko. Aber man hat ja schon während der Proben Zeit, ein Stück gründlich zu erarbeiten und vorzubereiten. Natürlich haben alle Schauspielerinnen und Schauspieler vor so einer Premiere Selbstzweifel, aber die wische ich aus den Köpfen. Und es hat funktioniert – das Publikum war sprachlos.
Wie kam die Kooperation mit der KUFA, der Kultureinrichtung der Lebenshilfe Bamberg, zustande?
Jan Burdinski: Wer wen angesprochen hat, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall finden wir die Inklusionsausrichtung der KUFA großartig. Die Lebenshilfe konnte dort einen inclusiven Kunst- und Theaterbetrieb einrichten, der seinesgleichen sucht. Bei unseren Gastspielen werden wir sogar beim Catering von der KUFA unterstützt. Wir verfolgen im theaterpädagogischen Angebot des Fränkischen Theatersommer selber einen inklusiven Ansatz.
Der Fränkische Theatersommer hat, wie fast alle kulturellen Institutionen, ein Jahr voller Entbehrungen hinter sich. Hat sich diese Zeit auf seine Denkweise ausgewirkt? Sind Sie vorsichtiger geworden?
Jan Burdinski: Wir haben uns den Schneid nicht abkaufen lassen. Zwischen erstem und zweitem Lockdown hatten wir über 80 Aufführungen, obwohl das nur die Hälfte des ursprünglich geplanten Programmes war. Außerdem mussten wir besonders teure Produktionen, wie „Der Sommernachtstraum“ oder „Der fliehende Hollaender“ in die jetzige Spielzeit verschieben. Das Ensemble bekam dadurch aber die beruhigende Gewissheit, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir haben unsere Zeit nicht damit verbracht, permanent angsterfüllt an Corona zu denken. Wir hatten immer die nächste Spielzeit im Blick.
Kultur, das ist im zurückliegenden Jahr deutlich geworden, scheint doch nicht den systemrelevanten Stand zu genießen, der ihr zugeschrieben wird. Inwieweit gibt das kulturellen Institutionen zu denken? Stellen sich Ernüchterung und Zweifel über die Berufswahl ein?
Jan Burdinski: Fast das Gegenteil. Unser Beruf, Theater in einem reichen kulturellen Umfeld machen zu können, ist schon ein Luxus und Privileg. Zweifel an der Relevanz gab es deshalb eher vor Corona. Sind wir wirklich so wichtig? Die Pandemie hat uns gezeigt: Ja, wir sind wichtig! Und die Reaktionen des Publikums haben uns gezeigt, wie sehr die Leute Kultur brauchen – wie sehr sie Kultur verbinden mit Zusammenkommen, Atmenkönnen und Kommunikation. Auch wenn diese Tatsache unser Selbstvertrauen gestärkt hat, keine Sorge: Wir werden deshalb nicht überheblich.
Auf dem Spielplan der Saison 2021//2022 stehen Komödien, Musicals, Kabarett und Chansons. Werden Sie sich inszenatorisch darin auch der Pandemie annehmen?
Jan Burdinski: Vor ein paar Monaten hätte ich das noch verneint und gesagt, dass Corona uns dermaßen im Griff hat, dass ich nicht auch noch ein Stück darüber inszenieren möchte. Aber jetzt muss ich sagen, dass es in der einen oder anderen Inszenierung durchaus zu kleinen Exkursen zur Pandemie kommen wird – inklusive einer Tanzeinlage mit FFP‑2 Masken.
Auch nach den Schwierigkeiten und Unsicherheiten des letzten Jahres bedienen Sie eher die leichte Muse. Können Sie das immer noch in voller Überzeugung tun oder ist in Ihnen der Wunsch erwachsen, in den Inszenierungen oder in der Stückeauswahl der Härte der Realität etwas mehr Rechnung zu tragen?
Jan Burdinski: Heiterkeit wird bei uns schon sehr groß geschrieben. Aber so manches Stück bewegt sich durchaus auf dem schmalen Grat zwischen Tragödie und Komödie. Was die Verwertung der Realität angeht, kommt es immer auf die Perspektive an. Selbst die härteste Realität kann aus einem heiteren Blickwinkel betrachtet werden. Ich liebe es, auch Schreckliches eher aus einem solchen Blickwinkel anzugehen. Ich glaube, man begibt sich zu stark ins Missionarische, wenn man zu sehr das Schreckliche anprangern will. Da wird man ganz schnell zum Besserwisser. Ich möchte kein Besserweisser sein, sondern es dem Publikum überlassen, hinter dem Heiteren das Tragische zu entdecken und zu erkennen. Das ist nicht selbstverständlich. Unter einer politischen Diktatur – ich denke aktuell an die Entwicklungen in Belarus – kann diese künstlerische Freiheit, die wir hier genießen können, sehr schnell verloren gehen.
Tragisches heiter zu präsentieren, um es so vielleicht erträglicher zu machen, ist ein satirischer Ansatz. Ist der Fränkische Theatersommer eigentlich ein satirisches Projekt?
Jan Burdinski: Auch, aber nicht in Gänze. Die Antriebsfeder von Miguel Cervantes, als er „Don Quijote“ schrieb, ein Stück des aktuellen Spielplans, war Satire. Er wollte sich lustig machen über die schlechte Romanliteratur seiner Zeit des 16. Jahrhunderts. Ein solches Werk, das im Geist der Satire entstand, auf die Bühne zu bringen, lockt mich. Die Satire hat den Vorzug, die Widersprüchlichkeit der Welt lachend darzustellen. Solcherlei Perspektivwechsel hält unseren Geist fit. Diese Art von Optimismus möchte ich durchaus von der Bühne senden.
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Wildpark Hundshaupten
Manche Tiere mussten sich erst wieder an Besucher gewöhnen
Nach monatelanger Schließung, kurzzeitiger, nur mit Anmeldung möglicher Öffnung im März und April hat der Wildpark Hundshaupten nun wieder mit Maskenpflicht und begrenzter Zugangszahl geöffnet. Wir haben bei Wildparkleiter Daniel Schäffer nachgefragt, wie es dem Tierpark aus der Forchheimer Region geht.
Herr Schäffer, was haben Sie im Wildpark Hundshaupten während der Lockdownzeit gemacht?
Daniel Schäffer: Viel Planung, Baustellenarbeit und Konzeptionierung, vermehrt Tierbeschäftigung und Tiertraining.
Wie sieht der Publikumsandrang im Jahr 2021 bisher aus? Müssen Sie Leute abweisen, weil es zu viele sind, oder zeichnet sich noch Zurückhaltung ab?
Daniel Schäffer: Aktuell gelten Zugangsbeschränkungen, das heißt pro Tag dürfen nur eine begrenzte Anzahl an Besuchern sich gleichzeitig im Wildpark aufhalten. Diese Regelung galt bereits auch letztes Jahr. Damals mussten Besucher manchmal etwas warten, abgewiesen wurde aber niemand. Wie sich dieses Jahr entwickelt, muss erst die Zeit zeigen. Ganz allgemein ist natürlich an den besucherstarken Tagen eher mit Wartezeiten zu rechnen. Wir empfehlen daher, nach Möglichkeit auf andere Tage auszuweichen.
Inwieweit kann der Wildpark derzeit sein Motto “Natur und Tiere erleben” erfüllen?
Daniel Schäffer: Sehr gut. Zoopädagogische Veranstaltungen würden aber helfen, hier noch intensiver Wissen vermitteln zu können.
Welche Auswirkungen hat die monatelange Abwesenheit von Publikum auf die Tiere? Kann sie ein Segen sein?
Daniel Schäffer: Erst war die Abwesenheit ungewohnt für die Tiere, dann stellte sich Akzeptanz ein. Daher haben wir vermehrt Tierbeschäftigung betrieben, damit keine Langeweile aufkommt. Von einem Segen würden wir aber nicht sprechen. Die Besucher können ja ganz grundsätzlich auch als Bereicherung für die Tiere verstanden werden.
Müssen Tiere erst wieder an den Kontakt mit Menschen gewöhnt werden?
Daniel Schäffer: Das ist abhängig von Tierart und Individuum. Manche waren entspannt, andere mussten sich erst wieder an Besucher gewöhnen.
Es gibt Meldungen von Zootieren, die sich mit dem Corona-Virus angesteckt haben. Wie gehen Sie mit dieser Gefahr um? Schützen Sie die Tiere vor Menschen oder Menschen vor Tieren?
Daniel Schäffer: Die uns bekannten Meldungen beziehen sich vorrangig auf katzenartige, von denen wir Luchse halten. Weitere Tierarten sind nur als Einzelfälle beschrieben oder in Studien überprüft worden. Aber auch hier gelten Hygiene und Abstand als einfache Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos, sowohl für die Tiere und Mitarbeiter, aber auch für Besucher.
Sie planen für dieses Jahr mit dem Kinder-Tierpflegertag noch zwei größere Veranstaltungen. Wie optimistisch sind Sie, dass diese Veranstaltungen stattfinden? Wie weit ist der Park auf deren Zustandekommen angewiesen?
Daniel Schäffer: Nur mit Optimismus lässt sich die Zeit nach dem Lockdown planen. Ob derartige Veranstaltungen und unter welchen Bedingungen überhaupt stattfinden können, wird sich erst kurzfristig zeigen. So hatten wir beispielsweise, wie alle Zoos in Bayern nach dem ersten Lockdown Zugangsbeschränkungen und allgemeine Hygieneregeln als Vorgaben. Im Laufe der letzten Monate kamen dann noch Maskenpflicht, Kontaktdatenerfassung und Testnachweis hinzu. Derzeit sind die Zahlen im Landkreis Forchheim wieder unter 50, so dass wir aktuell auf Tests und Kontaktdaten verzichten können. Das kann nächste Woche schon wieder ganz anders sein. Wir sind gespannt, wie sich die Gesamtsituation entwickeln wird. Angewiesen ist der Wildpark auf diese, wie auch auf andere Veranstaltungen nur in dem Sinne, um seinem Bildungsauftrag möglichst gut nachkommen zu können.
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Fränkischer Theatersommer
„Den Gefallen, ein Stück über Corona auf die Bühne zu bringen, werde ich dem Virus nicht tun“
Trotz Pandemie blickt die oberfränkische Landesbühne des Fränkischen Theatersommers auf ein künstlerisch und wirtschaftlich zufriedenstellendes Jahr 2020 zurück. Zwischen den Lockdowns spielte die Wanderbühne über 80 Auftritte. Jan Burdinski ist Regisseur, Darsteller und Intendant des Fränkischen Theatersommers. Im Interview wirft er einen Blick auf die vergangene Saison.
Wie war der zurückliegende Theatersommer? Wie weit war reguläres Arbeiten möglich?
Jan Burdinski: Die Theatersommer-Saison 2020 war eine einzigartige Erfahrung: Die Ungewissheit, ob wir überhaupt würden spielen können, zehrte an den Nerven des Ensembles, doch wir hatten alle darauf eingeschworen, dass wir nach einem offiziellen Öffnungs-Signal sofort mit den vorbereiteten Inszenierungen starten würden. Das Signal von der Bayerischen Landesregierung kam am 15. Juni, und am 17. Juni gab es in Adelsdorf mit „Engel auf Erden“, ein Theaterstück zu Marlene Dietrich, die erste Premiere, welcher innerhalb eines Monats sieben weitere Premieren folgten: Drei Solo-Stücke, „Roll on Beethoven“, „Der Geräuschlose“, „Ein Nasshorn und ein Trockenhorn“, zwei Musiktheater-Darbietungen, darunter „Aus dem Leben eines Taugenichts“ und „Das Mörderkarussell“ und die Wiederaufnahme-Premiere des Musicals „Heisse Zeiten“. Verzichten mussten wir auf die personenreichen Stücke „Ein Sommernachtstraum“ und „Der fliehende Hollaender“. Beide Stücke haben wir auf die jetzige Saison 2021 verschoben. Und wieder stehen wir damit in den Startlöchern.
Konnte unter Pandemiebedingungen, samt Hygienekonzept und Abstandsregelungen, Theaterstimmung aufkommen?
Jan Burdinski: Das haben wir uns damals auch gefragt. Aber schon die erste Aufführung wischte alle Bedenken beiseite. Die Dankbarkeit des Publikums war überwältigend, die Theaterstimmung geradezu euphorisch. Wir hatten sehr engagierte Mitarbeiter, die das erforderliche Hygiene-Konzept perfekt vorbereitet hatten und alle Zuschauer mit Charme und Maske zu ihren Plätzen geleiteten.
Zwischen dem ersten und zweiten Lockdown konnten wir auf diese Weise über achtzig Aufführungen durchführen.
In welchem wirtschaftlichen Zustand befindet sich der Fränkische Theatersommer?
Jan Burdinski: Es war ein Glück, dass wir beim ersten Lockdown die Flinte nicht gleich ins Korn geworfen hatten, obgleich es Stimmen und Empfehlungen gab, die ganze Saison abzusagen. Das haben wir aus unserer Spiellust heraus nicht befolgt. Es wäre auch wirtschaftlich ein Desaster geworden. Nun können wir sagen: Alles richtig gemacht. Der Jahresabschluss konnte sich sehen lassen.
Wie weit sind Sie in den Planungen für die kommende Saison? Wie gehen Sie dabei mit der nach wie vor herrschenden Unsicherheit, ob Kulturbetrieb stattfindet oder nicht, um?
Jan Burdinski: Mit derselben Haltung wie im Vorjahr: Wir bereiten uns Schritt für Schritt vor und wollen starten, wenn das Signal auf grün steht.
Welche Stücke würden zu sehen sein, wenn alles klappt?
Jan Burdinski: Wie schon erwähnt „Ein Sommernachtstraum“ und „Der fliehende Hollaender“. Außerdem motivierte uns der große Publikumserfolg des Musicals „Heisse Zeiten“ dazu, die Fortsetzungsgeschichte vorzunehmen: Das Musical „Höchste Zeit“. Dazu kommen noch mehrere solistische Neuinszenierungen wie „Emmas Glück“, bekannt aus dem Kino, „Die Sternstunde des Josef Bieder“, das komödiantische Solo eines Theater-Requisiteurs, und das Musiktheater „Mozart googeln“. Und last but not least „Don Quijote & Sancho Pansa“.
Nach welchen Gesichtspunkten stellen Sie den Spielplan zusammen?
Jan Burdinski: Entscheidend ist die Entwicklung, welche das Schauspiel-Ensemble in den letzten Jahren genommen hat, dessen Wünsche und Befähigungen. Die Kenntnis unseres sehr heterogenen Publikums erfordert einen vielgestaltigen Spielplan, was auch meiner eigenen Vorliebe entspricht.
Werden Sie sich inszenatorisch der Pandemie annehmen?
Jan Burdinski: Den Gefallen, ein Stück über Corona auf die Bühne zu bringen, werde ich dem Virus nicht tun, das wäre zuviel der Ehre. Seit einem Jahr hat die Pandemie all unsere Sinne in Beschlag genommen. Jetzt habe ich ein Bedürfnis nach frischer Theaterluft und damit stehe ich nicht allein. Aus größerem zeitlichen Abstand heraus werde ich vielleicht mal ein Theaterstück darüber schreiben. Es wird eine Tragikomödie werden.
Mit Gut Kutzenberg bei Lichtenfels haben Sie zusätzlich zum Wandertheater eine stationäre Bühne gefunden. Wie weit sind Sie mit dieser Bühne fortgeschritten – wird sie 2021 schon zum Einsatz kommen?
Jan Burdinski: Mit der Sanierung der Räumlichkeiten von Gut Kutzenberg werden wir noch ein paar Jahre zu tun haben, aber das „Gartentheater“ nutzen wir schon seit zwei Jahren. Es ist eine traum-hafte Freilichtbühne – bestens geeignet für den „Sommernachtstraum“ und für „Don Quijote“.
Die Wiese vor den beiden großen Lindenbäumen sind herrliche Spielplätze für Kindertheater und für Musiktheater. Und die beiden Scheunen bespielen wir mit kleinen feinen Kammertheater-Produktionen.
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Film ab für die Jugend
Rotary Club Bamberg-Domreiter unterstützt Bamberger Kinder und Jugendliche sowie Kinokultur
In Krisenzeiten Mehrwert für junge Menschen schaffen und dabei gleichzeitig die Bamberger Kulturszene fördern. Das war Anlass für den Rotary Club Bamberg-Domreiter, ein besonderes Projekt für die Jugendarbeit und Bamberger Kinokultur ins Leben zu rufen und mit einer Spende von 2.000 Euro zu ermöglichen.
Wechselnd besetzte Klassenzimmer, leere Kinosäle, Distanzunterricht und Kinotafeln mit Titeln wie „The Virus strikes back – Part II“ zeichnen das Bild einer nicht enden wollenden Pandemie. Die Herausforderungen für die Kulturszene und jungen Menschen sind erheblich – das belegen nicht nur wirtschaftliche Zahlen, sondern mittlerweile auch wissenschaftliche Studien oder aktuelle Krankenkassen-Berichte wie zum Beispiel der der Barmer.
Laut diesem sind die Zahlen der Akutbehandlungen sowie der Anträge auf erstmalige Therapie bei Versicherten bis einschließlich 24 Jahren um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Zurückgeführt wird diese Entwicklung unter anderem auf die starken psychischen Belastungen durch die aktuellen Umstände während der Covid-19-Pandemie.
Soziale Arbeit in Krisenzeiten wichtiger denn je
Matthias Gensner, Geschäftsführer von iSo – Innovative Sozialarbeit, betont „neben der Weiter-führung und dem Ausbau digitaler Angebote, liegt unser Augenmerk auf der Zeit nach dem Lock-down. Als Jugendhilfeträger ist es unsere Aufgabe unterstützend für die jungen Menschen da zu sein. Deshalb wollen wir zügig Möglichkeiten und Strukturen schaffen, um Kinder und Jugendliche aus eventuellen Löchern zu holen und wieder mit Gleichaltrigen zusammenzubringen.“ Diese Auffassung teilt auch Michael Zachert, Präsident des Rotary Clubs Bamberg-Domreiter. Im Rahmen einer besonderen Spendenaktion unterstützt der Club die Angebote des Jugendhilfeträgers und fördert gleichzeitig die Bamberger Kinokultur.
Film ab für die Jugend
„Mit dieser besonderen Spende wollen wir Mehrwert für viele Betroffene der Coronapandemie schaffen. Indem wir den Ausbau der Angebote der Jugendarbeit in Bamberg fördern, wollen wir zum einen den jungen Menschen kleine Lichtblicke geben und gleichzeitig die Kulturszene fördern“, so Zachert.
Mit dem Geld sollen Sonderveranstaltungen sowie exklusive Aktionstage und ‑vorstellungen der Offenen Jugendarbeit im Bamberger Lichtspiel- und Odeon-Kino ermöglicht werden. Genauso werden Kinokarten für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt, die noch nie ein Lichtspielhaus besuchen konnten oder sich besonders ehrenamtlich engagieren. Die Geschäftsführung des Lichtspiels und Odeons, Diana Linz und Gerrit Zachrich, freuen sich sehr ihre Pforten für die junge Generation zu öffnen. „Gerade in solch schweren Zeiten ist es für junge Menschen wichtig, ab und zu abzuschalten und wieder mal mit Freunden zum Beispiel einen guten Film zu genießen. Wir stellen unsere Kinosäle gerne für die Angebote der Offenen Jugendarbeit zur Verfügung und freuen uns auf die Zusammenarbeit.“
In diesem Sinne kann man nur hoffen, dass die Kinotafeln nicht bald den Titel „The Virus strikes back – Part III. One of the worst movies ever made“ ausrufen.
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Lieferung frei Haus
Gute Bücher im Gepäck
Wenn seine Kunden nicht zu ihm kommen können, kommt er zu seinen Kunden. Buchhändler Thomas Heilmann ist derzeit als Fahrradkurier unterwegs.
Es ist Lockdown und noch kein Ende in Sicht. Vielen Einzelhändlern in der Innenstadt bleibt derzeit nur die Methode „Click & Collect“, um ihre Kunden und sich selbst bei Laune zu halten und wenigstens etwas Umsatz zu generieren. Wer seine Waren nicht online verkauft, wird erfinderisch wenn es darum geht, wie diese am besten den Weg zum Kunden finden. So wie Thomas Heilmann von der Buchhandlung „Herr Heilmann – Gute Bücher“, der seine Bücher als Fahrradkurier selbst ausliefert.
Eigentlich macht er das schon immer auf Wunsch. Seiner älteren Kundschaft bringt Heilmann vormittags die Bücher mit dem Fahrrad nach Hause, ab mittags steht er normalerweise in seinem Laden. 20 bis 25 Kilometer cruist er so täglich durch die Stadt und über Land. Die Kunden zu Hause zu besuchen sei eine schöne Alternative, der Kurierservice ist im Preis inbegriffen. „Im ersten Lockdown war das eine ganz gute Abwechslung. Es macht Spaß, nicht immer fest zu hängen. Durch Corona bin ich jetzt hauptberuflich Fahrradkurier“, meint der 39-Jährige und lacht. Vorausgesetzt, Stadt und Land sind nicht von einer dicken Schnee- und Eisdecke bedeckt, so wie Anfang Februar. Dann bleibt auch der Spaß beim Fahrradfahren aus. „Anfangs bin ich noch ein paar Touren gefahren und habe mir sogar überlegt, ob ich Spikes fürs Rad kaufe, war dann aber lieber zu Fuß im Innenstadtbereich unterwegs“, sagt Heilmann. Nachmittags können seine Kunden bei seinem Laden vorbeikommen und „Click & Collect“ nutzen oder er verschickt ein Buchpaket.
Kleinere Verlage und selbst gelesene Bücher
Den kleinen Buchladen mit dem von Efeu umrankten Eingang in der Karolinenstraße 22 hat Heilmann seit 2012. Ein Kindheitstraum für den gebürtigen Bamberger, der in Bayreuth seine Ausbildung zum Buchhändler machte und dann für einige Zeit nach Berlin ging, wo er in verschiedenen Buchhandlungen gearbeitet hat. „Ich war gerade 18 und hatte diesen kleinen wundervollen Laden hier für meine eigene Buchhandlung im Kopf. Mit 30 war ich dann zufällig in der Stadt, als dieser tatsächlich frei wurde – das war meine Chance“, erzählt Heilmann. Das Sortiment in seinem Laden ist breit und ausgesucht. Es reicht von Romanen über Belletristik bis zum Kinderbuch. „Ich biete Bücher von kleineren Verlagen an und ausnahmslos nur solche, die ich selbst gelesen habe“, sagt der Buchhändler, „bei manchen Themen die mich interessieren, will ich tiefer gehen und mehr dazu lesen. Aktuell ist das beispielsweise die Naturökologie.“ Seine Kunden schätzen sein Wissen über Bücher, die Beratung am Telefon und die Auswahl an der eigenen Haustür, die er als Fahrradkurier im Gepäck hat. Auch bei Bilderbüchern für Kinder.
Im lokalen Einzelhandel bestellen und kaufen
Der gute Kontakt zu seinen Stammkunden zahlt sich aus, starke Umsatzeinbrüche in der Coronazeit kennt er nicht. „Meine Stammkunden bestellen weiter, auch Click & Collect wird gut angenommen“, meint Heilmann. Dass auch viele andere kleinere Läden in der Innenstadt nach dem Lockdown weiter Bestand haben, wünscht er sich. „Natürlich möchte jeder, dass das Virus den Abgang macht und es wieder Perspektiven gibt. Ich verstehe aber auch die Problematik“, sagt Heilmann. Sein Appell: „Im Grunde können das die Leute selbst beeinflussen, in dem sie den Telefonhörer in die Hand nehmen und im lokalen Einzelhandel bestellen und kaufen oder gezielt deren Onlineangebote nutzen.“
Mehr Infos zu Buchhändler Thomas Heilmann und seinem Laden gibt es bei Facebook unter https://www.facebook.com/herrheilmann
„Herr Heilmann – Gute Bücher“ ist mit seinem Sortiment auch online bei https://www.genialokal.de/
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Genial digital: Erster digitaler Weltfrauentag
Internationaler Weltfrauentag mit buntem digitalem Programm
Am 8. März ist Weltfrauentag. Ein Tag, an dem Frauen (und Männer) für mehr Gleichberechtigung auf die Straßen gehen. Ein Tag, an dem in vielen Ländern mit verschiedensten Aktionen auf die Situation von Frauen aufmerksam gemacht wird. Doch in Zeiten von Corona sind Veranstaltungen mit vielen Menschen tabu. Die Stadt Bamberg entschied sich zu einem digitalen Weltfrauentag.
Für die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Bamberg, Gabriele Kepic und Nina Eichelsdörfer, stand schnell fest, dass der diesjährige Weltfrauentag dann eben digital begangen werden soll, denn „in Zeiten sozialer Isolation wollen wir anlässlich dieses wichtigen Tages Momente der Gemeinschaft anbieten.“ Herausgekommen ist – einmal mehr – ein buntes Programm mit einem vielversprechenden Film zum Streamen, mit digitalen Workshops, verschiedenen Onlineaktionen und digitalem Theater.
So zeigt die Stadt Bamberg in Kooperation mit dem Lichtspielkino vom 4. bis 10. März mit Walchensee Forever einen Film, in dem Janna Ji Wonders auf eindrucksvolle Weise die Geschichte ihrer Familie erzählt, die ein ganzes Jahrhundert umspannt. Sie konzentriert sich dabei vor allem auf die Sicht der Frauen, von denen jede auf ihre Weise den patriarchalen Strukturen ihrer Zeit trotzt. Um den Geheimnissen ihrer Familie und ihrer Rolle in der Generationskette auf die Spur zu kommen, führt uns Wonders vom Familiencafé am bayerischen Walchensee über Mexiko nach San Francisco zum „Summer of Love“, zu indischen Ashrams, einem Harem und immer wieder zurück an den Walchensee.
Link zum Film: https://www.lichtspielkino.de/previews/online-preview-walchensee-forever-event
Die Kosten liegen bei einem Aktionspreis von 3 Euro pro Filmabruf, solange der Vorrat reicht, danach bei 8,90 Euro pro Filmabruf.
Jede Menge Spaß verspricht der digitale Theater-Vortrag am 8. März um 19.30 Uhr mit Heike Bauer-Banzhaf, Bamberger Autorin, Schauspielerin und Kommunikationscoach im Gespräch mit Gerdie Preuß, Kioskbesitzerin und Alltagsphilosophin. „Was hatten wir früher einen Stress! Heute kommen wir aus dem Lachen nicht mehr raus!“ Zum Glück gibt es Gerdie Preuß, die zu allem ihren Senf gibt und mit viel Humor die Tücken zwischen Homeoffice, Notkita, Supermarkt und Social Media aufs Korn nimmt. Heike Bauer-Banzhaf findet mit ihrem Alter Ego „Gerdie Preuß“ auch im bundesdeutschen Corona-Alltag immer etwas zu lachen.
Link zur Veranstaltung: https://www.stadt.bamberg.de/gleichstellung
Wie wichtig es ist, den Internationalen Weltfrauentag gerade auch in Pandemiezeiten zu begehen, zeigt die Entwicklung der Gleichberechtigung im Corona-Jahr: Viele Familien rutschen gerade in Rollenmuster aus Zeiten vor der Frauenbewegung. War bislang bei einem Zwei-Verdiener-Paar die Betreuung ausgelagert, bricht diese nun weg. Wenn ein Job für die Betreuung der Kinder geopfert werden muss, dann ist es meist der der Frauen, denn noch immer verdienen Männer 21 Prozent mehr Geld und arbeiten zu 90 Prozent in Vollzeit. Jede dritte Frau in Deutschland aber arbeitet in Teilzeit (in Westdeutschland 46 Prozent, in Ostdeutschland 27 Prozent). Das gleiche Prinzip gilt, wenn ältere Menschen gepflegt werden müssen. Auch hier sind es meist die Frauen, die die Pflege übernehmen. Gleiches gilt für die Hausarbeit und die Betreuung der Kinder bei den Schulaufgaben – in der Regel sind es die Frauen. Am härtesten trifft es die Alleinerziehenden, und das sind zu über 90 Prozent Frauen. Auch ohne Corona sind sie die Gruppe, die am stärksten von Armut betroffen ist und das größte Risiko hat, in die Altersarmut abzurutschen. Corona verschärft ihre ohnehin schon brenzlige Situation. „Umso wichtiger ist es für uns, wenn sich möglichste viele, Frauen wie Männer, zu mehr Gleichberechtigung bekennen und unser digitales Angebot zum Internationalen Weltfrauentag nutzen“, so Kepic.
Das Programm zum Internationalen Weltfrauentag 2021 ist zu finden unter
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Foto-Reihe “Im Lockdown”
Newcomer-Preis für Fotografin Jana Margarete Schuler
Für ihre Foto-Reihe “Im Lockdown” ist die Fotografin Jana Margarete Schuler mit dem Newcomer-Preis 2020 des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV) ausgezeichnet worden. Mit Empathie und in warmen Farben zeigt die 28-jährige Bambergerin alltägliche Szenen aus ihrem Bekanntenkreis, in denen aber immer das nicht-alltägliche Thema der Pandemie mitschwingt.
Frau Schuler, was muss ein Motiv haben, damit Sie es Ihnen fotografierwürdig erscheint?
Jana Margarete Schuler: Grundsätzlich sind auf meinen Bildern immer Menschen zu sehen, auch wenn viele Leute bei Dokumentarfotografie erstmal an Naturfotos oder Tiere denken. Ich mag es, einzelne Personen zu portraitieren, gerne auch über längere Zeit in ihrem Alltag zu begleiten. Oft sagen die dann vorher: Ach, aber mein Leben ist doch nichts Besonderes. Das ist erstens Quatsch und zweitens geht es nicht darum, etwas möglichst Exotisches oder Aufregendes abzubilden, sondern einen kleinen, persönlichen Einblick in das Leben anderer Menschen zu erschaffen. Wir sind ja alle von Grund auf neugierig und was für den einen ganz normal ist, ist für jemand anderen vielleicht ganz ungewöhnlich.
Was wollten Sie mit der Foto-Reihe “Im Lockdown” zeigen?
Jana Margarete Schuler: Ich habe ersucht, die alltäglichen Momente einzufangen, die durch die Pandemie eben doch ganz anders sind als zuvor. Es geht um das Zwischenmenschliche und unseren Umgang mit den Veränderungen im eigenen Leben – das einfach weitergeht, obwohl uns die ganze Situation doch so absurd vorkommt.
Hat das Projekt Ihnen auch persönlich geholfen, durch die Lockdown-Zeiten zu kommen?
Jana Margarete Schuler: Auf jeden Fall hat es geholfen, nicht in eine fotografische Starre zu verfallen. Zu Beginn der Pandemie sind alle meine Aufträge weggebrochen und ich dachte erstmal: Oh Gott, ich kann einfach nichts mehr fotografieren, kann nicht mehr in andere Städte fahren, es gibt keine Veranstaltungen, ich habe nur einen winzigen Kreis an Personen in meinem Umfeld und kann sogar meine Familie nur auf Abstand sehen. Und dann habe ich angefangen, genau das zu fotografieren.
Wie viele Fotos sind dafür entstanden? Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie aus ihnen die Reihe zusammengestellt?
Jana Margarete Schuler: Puh, es sind viele Fotos entstanden. Vielleicht 100, vielleicht 400. Ich fotografiere eine Situation auch immer auf verschiedene Art und Weisen. Bei der Auswahl habe ich versucht, die Situationen zu zeigen, die ich am repräsentativsten fand. Außerdem habe ich noch einige Freunde gefragt: Welche Bilder würdet ihr euch gerne anschauen, welche Situationen sprechen euch an?
Inwieweit zeigen Sie aber eigentlich banale Situationen, die erst durch den Corona-Hintergrund eine Aufwertung oder Relevanz erfahren?
Jana Margarete Schuler: Eigentlich sind alle Situationen wirklich nur durch die Pandemie relevant. Das macht für mich den Charme der Bilder aus, es sind so unglaublich unspektakuläre Situationen, die plötzlich zu etwas Skurrilem werden.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Sie eine visuelle Geschichtenerzählerin sind. Was hat es damit auf sich?
Jana Margarete Schuler: Mir geht es darum, echte Menschen abzubilden, einen Einblick in ihr Leben zu bekommen und ihre Geschichte zu sehen. Die Fotos sollen etwas erzählen, von einer Person oder einem Thema, das mich beschäftigt. Ich möchte nicht nur Bilder machen, auf denen perfekt gestylte Models mit angestrengtem Lächeln im Gesicht ein unrealistisches Bild der Wirklichkeit vermitteln.
Wie sieht Ihre Herangehensweise aus? Arrangieren Sie Ihre Motive oder setzen Sie auf Momentaufnahmen?
Jana Margarete Schuler: Es ist meistens eine Mischung. Diese Serie besteht aus Momentaufnahmen, bei manchen Langzeitprojekten arrangiere ich aber auch, um die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es ist ja doch immer ein Zusammenspiel von Fotograf und Fotografierten. Leider bin ich als Fotograf nie komplett unsichtbar, auch wenn ich es zum Fotografieren oft wirklich gerne wäre!
Viele Ihrer Fotografien haben eine ruhige, erdige Farbpalette, kaum grelle Farben und oft starke, aber weiche Schatten. Warum bevorzugen Sie diese naturalistische Gestaltung?
Jana Margarete Schuler: Während früher die Wahl des Films den Look der Bilder bestimmt hat, passiert das inzwischen in der Postproduktion, also der Bearbeitung der Bilder am Computer. Meine Farbgebung entspricht meinem visuellen Geschmack, ich mag die Ästhetik von natürlichem Licht, warmen Töne und weichen Kanten.
Bedienen Sie damit einen derzeitigen Trend in der Fotografie?
Jana Margarete Schuler: Das ist nicht so leicht zu sagen. Ich würde schon sagen, dass es eine moderne Art der Dokumentarfotografie ist – früher wurden Reportagen zum Beispiel gerne schwarzweiß und sehr kontrastreich gestaltet. Es wurde außerdem meistens mit Weitwinkelobjektiven fotografiert, also mit einem sehr großen Bildwinkel, damit auf einem Bild möglichst viel zu sehen war – genau das Gegenteil von meinen Portraitlinsen. Während aber beispielsweise direktes Blitzlicht zur Zeit ein sehr beliebter Look ist, arbeite ich viel lieber mit natürlichem Licht oder einer Blitztechnik, mit der das Licht natürlich aussieht.
Auf welches Foto aus “Im Lockdown” sind Sie besonders stolz?
Jana Margarete Schuler: “Stolz” ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber ich mag besonders gerne das Bild, auf dem meine Mitbewohner auf der Wiese im Hain aufeinanderliegen. Es war eine Momentaufnahme und vermittelt für mich gleichzeitig Ruhe und Resignation. Außerdem hat es Bezug zu einem Coronatrend, dem neuen Volkssport der Deutschen: Spazierengehen.
Wie lief der Kontakt mit dem DJV Bayern und die Auszeichnung mit dem “Newcomer Award” ab?
Jana Margarete Schuler: Ich war erstmal wirklich überrascht, als ich den Anruf bekommen habe, weil sich mein Projekt doch sehr von den oft großen, relevanten und politischen Themen unterscheidet, die sonst beim Pressefoto Bayern ausgezeichnet werden. Für die Jury war wohl genau das interessant: Dass in den Bildern Empathie mitschwingt, dass sich viele Menschen damit identifizieren können. Alle, mit denen ich im Rahmen des Wettbewerbs seitdem Kontakt hatte, waren supernett und sympathisch, weswegen es natürlich besonders schade ist, dass man sich nicht persönlich kennenlernen kann. Auch die Preisverleihung ist normalerweise ein richtig großes Ding im Landtag, musste aber dieses Jahr online stattfinden.
Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Jana Margarete Schuler: Für mich ist es sehr wertvoll, selbstständig das arbeiten zu können, was ich liebe. Aber gerade als Selbstständiger ist man sehr viel auf sich alleine gestellt, werkelt so vor sich hin, macht sein Ding. Wenn dann die Jury von so einem wichtigen Preis in der journalistischen Fotografie mit der Vergabe des Newcomer Awards zeigt ´Das ist richtig gut, was du da machst. Das interessiert nicht nur dich selbst, das sollten möglichst viele Menschen sehen!‘ dann ist das ein unglaublich wichtiges Feedback. Manchmal sage ich auch: Perfekt, dass jetzt in so vielen Zeitungen meine Bilder gedruckt werden, dann hat meine Familie endlich einen Beweis, dass ich auch wirklich etwas Anständiges arbeite. Das ist natürlich, größtenteils, Spaß, aber so eine Auszeichnung ist schon auch ein tolles Aushängeschild, weil sie greifbar ist. Es ist tatsächlich für viele Menschen noch ungewohnt, dass man einfach komplett frei als Fotografin arbeitet, ohne feste Kunden, ohne Studio und ohne Anstellung.
Was sind Ihre derzeitigen oder nächsten Projekte?
Jana Margarete Schuler: Ohje, ich habe immer unglaublich viele Projekte parallel laufen und in meinem Kopf schwirren noch tausend weitere Ideen und Pläne herum. Ich begleite seit einem halben Jahr immer wieder eine Frau mit Behinderung in ihrem Kampf gegen Brustkrebs, fotografiere einen älteren Künstler, der unter Parkinson leidet, habe ein Fotoprojekt zum Thema Schwangerschaft in der Pandemie begonnen und im Sommer Personen in verschiedenen Ecken Deutschlands besucht, die sich ehrenamtlich um NS-Gedenkstätten kümmern. Mit den aktuellen Infektions-Zahlen müssen allerdings aus Sicherheitsgründen einige Langzeitprojekte pausieren und ich widme mich hauptsächlich Personen in und um Bamberg für Portraitserien, bei denen der Abstand eingehalten werden kann und ich keine großen Reisen auf mich nehmen muss. So habe ich zum Beispiel die Künstlerin Barbara Bollerhoff in ihrem schönen Atelier besucht, die Tätowiererin Anna Gojowsky in ihrem neuen Tattoo-Studio und verschiedene Personen, die in der Imkerei ihre Leidenschaft gefunden haben. Manchmal brauche ich natürlich auch eine Auszeit von der Fotografie – dann fahre ich mit meinem Feuerwehrbus Norbert raus in die Natur und wohne ein paar Tage dort. Oder ich stehe mit Gitarre in der Hand in irgendeiner Fußgängerzone und mache Straßenmusik. Auf den Tag, an dem mir auch nur eine Minute langweilig ist, warte ich jedenfalls noch!