Vor 900 Jahren reiste Bischof Otto von Bamberg (1060−1139, Heiligsprechung 1189) nach Pommern. Sein Ziel: die Christianisierung des Landes. Nicht nur, dass die Mission glückte, sie verlief auch friedlich. Was aber haben wir uns konkret unter der Christianisierung Pommerns vorzustellen? Und wer war eigentlich dieser Otto? Die noch bis zum 20. Mai 2025 im Diözesanmuseum gezeigte Ausstellung gibt Antworten auf diese und weitere Fragen. Historische Exponate, zum Teil erfrischend modern arrangiert, setzen Akzente, die Leben und Wirken von Bischof Otto von Bamberg aus der Vergessenheit holen.
Rollen wir die Ausstellung doch einmal von hinten auf: Da steht der Besucher auf einem großen Fußbodenbelag, quasi mitten auf oder in Bamberg. Er steht auf dem Dom, auf der Michaelskirche oder vielleicht sogar auf seinem Wohnhaus, innerhalb des Zweidlerplans von 1602. Im Raumzentrum beobachtet ihn oder er – wer weiß das schon – eine Holzbüste von Justus Glesker aus dem Jahre 1651. Sie zeigt Bischof Otto von Bamberg – ehrwürdig, entschlossen und hehr. Diametral dahinter erwartet den Betrachter dann etwas Skurriles, ein in Gold und Edelstein gefasster Unterkiefer, angeblich der des heiligen Ottos. Damit nicht genug. Denn neben ihm befindet sich der sogenannte Kelch des heiligen Otto. In ihm könnte einst der Otto-Wein bereitet worden sein. Was aber haben Unterkiefer und Otto-Wein miteinander zu tun? Der Überlieferung nach wurde der Wein, der sich möglicherweise in jenem Kelch befand, durch Eintauchen der Reliquie gesegnet. Man reichte ihn Fieberkranken zur Genesung. Dass der Trank geholfen hat, belegen Berichte. Was wir auch wissen, ist, dass dieses Ritual 1781, also über 600 Jahre nach Ottos Tod, zelebriert wurde. Allein die Spanne der Jahre beweist, dass Bischof Otto eine enorme Wirkung und Ausstrahlung gehabt haben muss.
Otto von Bamberg und seine Zeit
Otto I von Bamberg – das scheint ein faszinierender Mann gewesen zu sein. Leider ist er in Bamberg etwas in Vergessenheit geraten. Das hat vielleicht etwas mit der aus Sicherheitsgründen langen Renovierungszeit und der 2012 damit einhergehenden Schließung der Klosterkirche St. Michael, in der sich Ottos Grab befindet, zu tun. Um so erfreulicher ist es, dass das Diözesanmuseum mit seiner Leiterin Carola Marie Schmidt den ehrwürdigen Bischof nun aus der Versenkung geholt hat. Die Ausstellung „2 x Pommern und zurück“ spiegelt in liebevollen Facetten und mit kostbaren Exponaten nicht nur Leben und Wirken des heiligen Ottos, sondern auch seine Zeit, die religiöse Landschaft sowie die politischen Machtgefüge wider. Aufhänger hierfür ist die 900. Wiederkehr der ersten Missionsreise Ottos in den Jahren 1124 bis 1125 nach Pommern. 1128 erfolgte die zweite.
In Anbetracht der interessanten Sonderschau ist zu wünschen, dass, wenn sich in drei Jahren jene zweite Missionsreise zum 900. Mal jährt, die Michaelskirche wieder zugänglich ist. Die Hoffnung wird dadurch genährt, dass die Wiedereröffnung der Klosterkirche für das zweite Quartal 2026 geplant ist. So war es zumindest Ende Dezember 2024 in der lokalen Presse zu lesen.
Otto – ein Kenner Pommerns
Zurück zur Ausstellung – und nun von vorne. Der erste Raum ist dem Thema Mission gewidmet. Er versucht, Mission aus ihrem zuweilen angestaubten Verständnis herauszuholen, indem hier Bamberger Beispiele, teilweise aus der jüngeren Gegenwart, mittels Fotos, Bildern und Urkunden gezeigt werden. Auch ein Videoclip kann sich der interessierte Betrachter anschauen. „Mission bedeutet heute, den Glauben friedlich zu verkünden, vor allem jedoch, den Austausch zu fördern und Partnerschaften zu knüpfen“, so Museumsleiterin Carola Marie Schmidt. Zumindest funktioniert moderne Mission so, beispielhaft belegt durch die Partnerschaft zwischen den Bistümern Bamberg und Thiès im westafrikanischen Senegal, die 2007 Erzbischof Ludwig Schick und Bischof Jacques Sarr geschlossen haben. Die heutigen Attribute treffen offensichtlich aber auch auf die Missionstätigkeit des heiligen Ottos, die sich durch ihren friedlichen Verlauf auszeichnet, zu.
Der zweite Teil des Raumes widmet sich der Vita Ottos, der auch unter dem Namen Apostel der Pommern – so im Totenbuch des Klosters Michelsberg verzeichnet – bekannt ist. Ein Augenschmaus der Ausstellung befindet sich am Ende des Ganges. Ein riesiges große Gemälde des Stammbaumes, datiert 1627, zeigt in geduldiger Kleinstarbeit liebevoll dargestellt alle vermeintlichen Anverwandten und Ahnen um den Bischof.
Es gibt drei schriftliche Viten von Otto. Sie entstanden in den Jahren zwischen 1140 bis 1159, zwei davon im Kloster Michaelsberg. Aus ihnen erschließt sich, warum ausgerechnet Otto für die Reise nach Pommern prädestiniert war: Am Hofe des Polenherzogs Wladislaw wirkte er als Hauskaplan, war aufgrund dessen der polnischen Sprache mächtig und kannte die Gepflogenheiten des Landes. Zum Bischof von Bamberg wurde er im Anschluss an diese Tätigkeit im Jahre 1102 ernannt.
Schwerter, Folianten und Goldschmuck
„Jetzt sind wir in Pommern!“, freut sich Barbara Güßregen, die in der Verwaltung den umfangreichen Leihverkehr koordiniert hat, sichtlich, im nächsten Raum. Ab hier wird deutlich, welch eine Abenteuerreise Otto vollzogen hat. Er, von Gestalt her großwüchsig, vom Verstand weise und von seinem Habitus ehrwürdig, trat seine Missionszüge erst als alternder Mann zwischen seinem 60. und 70. Lebensjahr an.
Er reiste zu Fuß, zu Pferd und mit dem Schiff an die Küsten Pommerns. Er durchwatete schlammige Sümpfe und durchquerte dunkle polnische Wälder. Diese sind stimmungsvoll durch große Hintergrundkulissen dargestellt und fangen, genauso wie der Ruf eines Käuzchens, die Gegebenheiten, denen Otto ausgesetzt war, bildlich und lautmalerisch ein. Was er schließlich in Pommern vorfand, versinnbildlichen archäologische Funde, die eigens für die Ausstellung beispielsweise aus dem Polnischen Nationalmuseums Stettin, von der Landesarchäologie Mecklenburg-Vorpommern und dem Museum Wolgast ausgeliehen wurden. Unter ihnen befinden sich aus dem 8. bis 10. Jahrhundert stammende Schwerter aus Metall, wertvolle Folianten, Schmuck, wie der feinziselierte Hiddenseer Goldschmuck (in Kopie) oder einer der ältesten Abendmahlskelche Pommerns aus dem 14. Jahrhundert.

Aber auch Gebrauchs- und Luxusgegenstände wie Sporen, Kämme, Löffel oder Schalen können in Augenschein genommen werden. Ein besonders schönes Objekt und auch auf dem Ausstellungsplakat verewigt ist der Bischofsstab des heiligen Ottos, der übrigens das gesamte Jahr über in der Dauerausstellung des Diözesanmuseums bewundert werden kann. Des Weiteren gibt es prächtige Textilien, wie beispielsweise dem Heiligen zugeordnete Mitren, aber auch Gemälde, so drei Tafeln aus dem Otto-Zyklus, die normalerweise in der Klosterkirche St. Michael zu sehen sind.
Mit Kostbarkeiten und christlichem Glauben im Gepäck
Wie darf man sich die Missionierung von Pommern durch Bischof Otto denn vorstellen? Fakt ist, dass Otto nicht nur aus eigenen Stücken nach Pommern reiste. Vielmehr bat Herzog Bolesław, ein eifriger Verbreiter des Christentums in Polen, ihn, diese Aufgabe durchzuführen. So brach der Bischof, begleitet von einem riesigen Tross, Richtung Polen auf. Auf ihn wartete ein Glaube, der eine Vielzahl von Göttern kannte. Heidnische Bräuche dominierten die Stammeskulturen. Diese Gegebenheiten durch die katholische Konfession zu ersetzen, war ein schwieriges Unterfangen. Deshalb wandte sich Otto, in Pommern heil angekommen, mit seiner christlichen Sendung zunächst an die Oberschicht. Er kam nicht mit leeren Händen zu ihnen. Seine Pferde waren mit wertvollen liturgischen Gewändern und Geräten sowie Büchern und weiteren Kostbarkeiten schwer beladen. Auf diese Weise und natürlich auch durch die Macht der Worte gelang es ihm, die sogenannten Heiden schließlich mit der Taufe zum Christentum zu bekehren. Otto soll über 22.000 Pomoraner, so der Name des westslawischen Stamms an der Ostseeküste, getauft haben. Mit 13 Kirchengründungen manifestierte er den neuen Glauben. Wie Otto dem pommerschen Adel begegnete, zeigt ein Holztafelgemälde von 1620 aus der Sammlung des Diözesanmuseums eindrucksvoll.
Hochkarätige Exponate in zeitgenössischem Ambiente
Die Ausstellung besticht durch eine große, aber nicht überbordende Vielfalt, die in ein modernes Ambiente integriert ist. Carola Marie Schmidt: „Als Museum sind wir ein Ort, der historische Objekte bewahrt. Diese zeitgemäß für Jung und Alt, Laien und Kenner zu präsentieren, bildet die Grundlage dafür, dass Kunst über Generationen hinweg nicht nur geschätzt, sondern auch dauerhaft bewahrt wird.“ Dazu gehört, dass mehrsprachige Raumtexte einen kompakten Überblick darüber bieten, was im Raum zu sehen ist. Besucher können ein Hnefatafl, ein historisches Brettspiel, ausprobieren und Kinder haben die Möglichkeit, mit der magischen Lampe spannende Entdeckungen zu machen. Ein lebensgroßes Metallpferd, ausgewählt von der Kuratorin Corinne Iffert, dürfte nicht nur die Herzen der Kinder höherschlagen lassen. Die kunstvoll ebenfalls von Corinne Iffert an die Wände geschriebenen lateinischen Zitate aus Ottos Leben sind als Überschriften in den Raumtexten übersetzt wiedergegeben.
Der heilige Otto – ein Sohn unserer Stadt
Wir stehen noch einmal im letzten Ausstellungsraum. Unter Choralgesängen verabschiedet uns die eingangs erwähnte Otto-Holzbüste, indem sie den Blick Richtung Ausgangstür wendet. Was möchten der Apostel der Pommern, der Bischof von Bamberg und der Heilige uns sagen? Vielleicht, dass (auch) er Teil einer bewegten Epoche, einer Zeit der Umgestaltung, des Um- und Aufbruchs, verwoben ins politische Geschehen und in religiöse Fragen seiner Zeit, war. Otto, der Vermittler zwischen Religionen und Kulturen. Ein Wanderer zwischen den Welten. Einer, der verbindet und erneuert. Vielleicht ein Friedensstifter.
Noch eine Anmerkung zum Schluss. Es gibt Städte, die ihren Töchtern und Söhnen große Aufmerksamkeit widmen – so begegnet einem beispielsweise in Fulda der heiligen Bonifatius auf Schritt und Tritt. In Bamberg hingegen scheint es, dass die Stadtväter und ‑mütter ihren heilige Otto noch nicht ganz so intensiv entdeckt haben. Möge die Ausstellung „2 x Pommern und zurück. Heiliger Otto von Bamberg“ ihn aus dem Dornröschenschaf erwecken!
Öffnungszeiten:
Montag und Dienstag: 10.00 –17.00 Uhr
Mittwoch: geschlossen
Donnerstag und Freitag: 10.00 – 17.00 Uhr
Samstag: 10.00 – 16.15 Uhr
Sonntag: 13.00 – 17.00 Uhr