Vor 240 Jahren lebte vor den Toren Bambergs der ehemalige Jesuit Peter Maser. Er war ein geschickter Mechaniker und Erfinder eines pedalgetriebenen Fahrzeugs. Bildhauer Adelbert Heil hat ihm nun ein künstlerisches Denkmal gesetzt und Masers Fahrzeugen zum ersten Mal seit einem Vierteljahrtausend wieder eine Gestalt gegeben.
Nach der zeitweiligen Auflösung des Bamberger Jesuitenordens 1773 war Peter Maser Verwalter von Schloss Seehof geworden. In freien Stunden betätigte er sich außerdem als Erfinder. Um 1780, als an Automobil oder Fahrrad noch nicht zu denken war, baute er ein Gefährt mit Pedalantrieb.
Aller Wahrscheinlichkeit nach. Denn Peter Maser und seine Schöpfung haben nämlich kaum Eingang in die Geschichtsschreibung gefunden. Selbst den eingefleischtesten Bambergkennerinnen und ‑kennern ist der Mann unbekannt.
Tatsächlich gibt es nur wenige weiterführende geschichtliche Quellen, die Aufschluss über Masers Leben und Arbeiten geben. Friedrich Nicolai, Aufklärer und Verleger aus Berlin, bereiste zu dieser Zeit das Land, um Material über lokale Gegeben- und Gepflogenheiten und bemerkenswerte Persönlichkeiten zu sammeln. All das fasste er in seinem 12-bändigen Werk “Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781” zusammen. Am 23. Mai 1781 erreichte Nicolai Schloss Seehof. Dort fiel ihm Peter Maser auf, der auf einem vierrädrigen, pedalgetriebenen Gefährt, an dessen vorderem Ende zudem ein geschnitzter Pferdekopf prangte, im Park des Schlosses umherfuhr. Eine Begegnung, die er sofort für sein Werk festhielt.
Diese Berichte über Bamberg und Umgebung gelten als Fundgrube für kulturhistorische und sozialwissenschaftliche Angaben über das ausgehende 18. Jahrhunderts, aber die Beschreibung des Erfinders Maser geriet über die Jahre in Vergessenheit. Außerdem hatte es Nicolai versäumt, eine Zeichnung des Gefährts anzufertigen.
Auch etwaige, von Maser angefertigte Bauskizzen des Fahrzeugs und seines neuartigen Antriebssystems, genau wie das Fahrzeug selbst, fielen wahrscheinlich Säkularisation und Purifikation zum Beginn des 19. Jahrhunderts zum Opfer.
Fast ein Vierteljahrtausend sollte es dauern, bis der Bildhauer und Berganzapreisträger Adelbert Heil in der Staatsbibliothek Bamberg auf Nicolais Werk stieß und die Absicht entwickelte, die Gefährte Masers nachzubauen.
Heils Nachforschungen nach Zeichnungen des Gefährts Masers im Bamberger Stadtarchiv, dem Staatsarchiv, dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg sowie im Deutschen Museum in München blieben jedoch erfolglos.
So fertigte er vier Bronzeskulpturen nach den vorgefundenen Beschreibungen an. Bei diesen handelt es sich um die ersten Darstellungen der Pedalfahrzeuge seit Peter Masers Zeiten. Wir haben mit Adelbert Heil über den unbekannten Erfinder gesprochen.
Herr Heil, hat Peter Maser mit seiner Erfindung des Pedalantriebs in gewisser Weise auch das Fahrrad erfunden?
Adelbert Heil: Nein, das Fahrrad hat er nicht erfunden, aber auf dem Weg zur Erfindung des Fahrrads hat er mit dem Pedalantrieb etwas vorweggenommen, was etwa 70 Jahre später bei der Weltausstellung 1867 zum Tragen kam. Fast 100 Jahre vorher hatte der französische Fahrzeugbauer Elie Richard 1690 in La Rochelle einen pedalgetriebenen Reisewagen gebaut. Eine eigenartige Tatsache in der Geschichte des Fahrrads besteht darin, dass fast alle Verbesserungen zwei- ja zuweilen dreimal erfunden werden mussten, bevor sie allgemein verwendet wurden. So hat eine 1817 durch Karl von Drais in Mannheim entwickelte zweirädrige Laufmaschine noch keine Pedale. Die Entwicklung des Fahrrads hat auch eine interessante fränkische Komponente: Der in Oberndorf bei Schweinfurt geborene Orgelbauer und Erfinder Philipp Moritz Fischer baute 1853 an seine Trais-Laufmaschine eine Tretkurbel. Wirklich voran ging es mit der Entwicklung aber erst durch den französische Wagenbauer Pierre Michaux, der bei der Weltausstellung 1867 ein pedalgetriebenes zweirädriges Velociped präsentierte.
Ich bin übrigens auch nicht der Erste, der auf Peter Maser aufmerksam macht. Auch schon vor knapp 100 Jahren hat man sich mit ihm, wenn auch abseits von größerer Aufmerksamkeit, beschäftigt. So schrieb der Hochschulprofessor Dr. Wilhelm Heß in den Bamberger Blättern vom 24. Februar 1924 bereits über Maser und sein Fahrzeug.
Ist bekannt, was Peter Maser dazu getrieben hat, diese Fahrzeuge zu entwerfen und herzustellen?
Adelbert Heil: Das habe ich mich auch oft gefragt. Der Wunsch nach zugtierunabhängigen Gefährten muss damals einfach in der Luft gelegen haben. Und anscheinend war Maser ein Tüftler, der fähig war, diese Idee zu verwirklichen.
Spielten womöglich wirtschaftliche Absichten, also ein Gefährt für den Verkauf zu entwickeln, eine Rolle dabei?
Adelbert Heil: Nein, das war eine Liebhaberei. Maser war durch seine Anstellung als Verwalter von Schloss Seehof finanziell abgesichert und hatte Zeit, sich seinen Erfindungen zu widmen. Und seiner Kunst – er hat ja auch gebildhauert und Mosaiken gefertigt.
Warum haben Sie sich der künstlerischen Darstellung der Fahrzeuge von Peter Maser angenommen?
Adelbert Heil: Seit Kindesbeinen an interessieren mich die Themen “Auto” und “Mobilität”. Die Automobilität hat unser Leben, und damit auch meines, im 20. Jahrhundert sehr geprägt. Nicht nur zum Schlechten, auch sehr zum Guten.
Woran haben Sie sich in Ermangelung einer bildlichen Darstellung der Gefährte bei deren Gestaltung orientiert?
Adelbert Heil: Zunächst an Nicolais schriftlichen Aufzeichnungen. Er schreibt: „Vorne am Wagen sind der Kopf und der Vorderleib eines Pferdes zu sehen. Die niedrigen Vorderräder sind zum Lenken und der Fahrende hat einen Zaum an des Pferdes Kopf in den Händen. An demselben ist inwendig ein Hebel vermittelt, anhand dessen sich der Wagen sehr leicht lenken lässt. Derjenige, welcher im vierrädrigen Wagen sitzt, tritt mit den Füßen wechselweise eine doppelte Kurbel und kann auf einem ebenen Wege selbst fahren.“
Ihre Skulpturen der Kreationen von Peter Maser empfinden nicht nur seine Gefährte nach – Sie haben sie zusätzlich mit Figuren, sozusagen Passagieren, ausgestattet.
Adelbert Heil: Ja, um zu zeigen, wie die Handhabung des Fahrzeugs hätte aussehen können, habe ich Figuren auf ihm platziert. Ich weiß nicht, wie Peter Maser aussah, aber ich bin sicher, dass er den Bildhauer Ferdinand Tietz und seine Figuren im Schlosspark Seehofs kannte. Es gibt dort an der Kaskade den steinernen Herkules und seine hinter ihm stehende, den Lorbeerkranz haltende Fama. Irgendwann hatte ich die Vorstellung, Maser steht vor der Brunnenanlage und hat die Vision von Herkules mit Fama in seinem Fahrzeug, was den kunstgeschichtlichen Topos des Triumphwagens bedient oder aus heutiger Sicht ein Bild des Siegeszuges der Automobilität abgibt.
Wünschen Sie sich, dass Ihre Darstellung der Gefährte, die nun die erste Darstellung dieser Art ist, von jetzt an als Referenz für die Fahrzeuge gilt?
Adelbert Heil: Das wäre viel verlangt, aber solange es noch niemand anderer macht – warum nicht.
Ließen sich die Gefährte anhand Ihrer Darstellung nachbauen und auch fahren?
Adelbert Heil: Ja, auch deswegen habe ich sie, zwar noch als Miniaturmodelle, nachgebaut. Aber ich stehe in Kontakt mit einer Mittelschule, denen ich vorgeschlagen habe, die Fahrzeuge in Originalgröße zu bauen.
Bis vor Kurzem waren die Skulpturen im Bamberger Bürgerlabor zu sehen. Wann und wo werden Sie sie wieder ausstellen?
Adelbert Heil: Voraussichtlich gibt es am Sonntag den 23. Mai, dem 240. Jahrestag des Treffens zwischen Maser und Nicolai, eine Ausstellung im Park von Schloss Seehof, an eben jener Stelle, wo sich Nicolai und Maser begegneten.