Am 31. Januar zeigt das ETA Hoffmann Theater zum ersten Mal seine Inszenierung von „Prima facie“. Das Gerichtsdrama in Monologform von Suzie Miller handelt von der patriarchalen Macht des Rechtssystems.
Tessa Ensler hat es in „Prima facie“ (zu deutsch: „dem ersten Anschein nach“) geschafft: Aus einer Arbeiterfamilie stammend, hat sie sich nach einem Abschluss mit Bestnoten an einer Eliteuni zu einer der gefragtesten Strafverteidigerinnen Londons hochgearbeitet. Ihre Spezialität sind Verfahren wegen sexualisierter Übergriffe, die sie regelmäßig gewinnt. Im Kreuzverhör nimmt sie die Opfer in die Mangel, präsentiert dem Gericht vermeintliche Lücken in der Anklage und ein Freispruch für die Angeklagten folgt dem nächsten. Tessa ist stolz auf ihre Freispruchrate, die Unschuldsvermutung ist für sie keine Floskel, sondern ein Fundament der Rechtsordnung einer demokratischen Gesellschaft.
Doch dann wird sie selbst vergewaltigt und findet sich im Gerichtssaal auf der anderen Seite wieder. Dort wird ihr Glaube an das Justizsystem zutiefst erschüttert und in Frage gestellt. Der Täter ist keineswegs ein Unbekannter, sondern ihr langjähriger Arbeitskollege und Flirt Julian. Obwohl sie genau weiß, was in einem Prozess auf sie zukommt, entscheidet sie sich zur Anzeige und stellt sich dem Gerichtsprozess. Was sie vorher als Spiel gesehen hat, in dem es nur um die juristische Wahrheit geht, wird nun zu ihrer eigenen Erfahrung weiblicher Ohnmacht in einem patriarchalen System.
Die Autorin Suzie Miller, die selbst Anwältin war, hat mit „Prima facie“ einen aufrüttelnden #metoo-Monolog geschrieben, der versucht, die patriarchale Macht des Rechtssystems zu entlarven. Das Stück wurde 2019 in Australien uraufgeführt. Im Frühjahr 2022 spielte Jodie Comer („Killing Eve“) die Rolle von Tessa am National Theatre in London. Mehr als 300.000 Zuschauer:innen sahen das Stück im Kino durch die Ausstrahlung des National Theatre live.
Nun bringt das ETA Hoffmann Theater das Gerichtsdrama auf die Bühne. Premiere ist am 31. Januar, weitere Aufführungen sind am 1., 4., 16., 18., 21. und 22. Februar. Regie führt Mona Sabaschus, die Ausstattung macht Janin Lang, für die Dramaturgie ist Armin Breidenbach verantwortlich, die einzige Spielrolle übernimmt Philine Bührer.