Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben über Unte­re Brü­cken und Unterbürgermeister

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Waren das noch Zei­ten, als sich nur ein paar ein­zeln Ver­spreng­te zum Pro­sec­co­s­töß­chen in der König­stra­ße getrof­fen haben. Aus den zwei, drei vor­bild­haf­ten Irr­lich­tern sind inzwi­schen ein paar Hun­dert auf der unte­ren Brü­cke gewor­den, die Wochen­en­de für Wochen­en­de nicht nur mit Pro­sec­co anstoßen.

Da hel­fen Ver­zicht auf To-go-Ver­kauf und Alko­hol­ver­bot herz­lich wenig. Wäh­rend die Poli­zei frü­hes­tens in dem Moment ein­greift, wo mehr Pro­mil­le als Men­schen auf den Brü­cken­mau­ern tan­zen, kneift der Stadt­rat – wie so oft, wenn es um nahe­lie­gen­de Ange­le­gen­hei­ten von Anwoh­nern geht – mit aller Gewalt die Augen zu und setzt auf Dia­log (a.k.a. Blahblah).


Aber das ist nichts Neu­es. Die Innen­stadt wur­de über Jah­re hin­weg zum gesetz­lo­sen Raum. Das ewig bemüh­te “Selbst schuld, wenn man da woh­nen muss” hat sich fest in die Gehir­ne des gemei­nen Par­ty- und Eventstadt­rats ein­ge­brannt. Man hat sich auf der Insel bereits dar­an gewöhnt, dass sich nach den Sauf- und Fres­se­vents auf dem Max­platz Schnei­sen der Ver­wüs­tung – gesäumt von halb­ver­dau­ten Essens­res­ten und Urin – aus der Innen­stadt nach drau­ßen zie­hen. Die Anwoh­ner, schon gar nicht ein­zel­ne, zäh­len bei kon­kre­ten Pro­ble­men nicht. Selbst schuld!

Und nicht nur hier. Schaut man auf die Dis­kus­sio­nen rund um den Ent­schei­dungs­pro­zess in der Erlich­stra­ße, fühlt man sich in sei­nem Ver­dacht nur bestä­tigt. Auf Basis einer wild aus­ge­leg­ten Unter­schrif­ten­lis­te an einem Kiosk sol­len poli­ti­sche Mei­nungs­bil­dung erfolgt und Ent­schei­dun­gen getrof­fen wor­den sein, wie­der getreu dem Mot­to: Das Indi­vi­du­um ist selbst schuld, wenn es da wohnt, wo ande­re einen Gang hoch­schal­ten wol­len, ent­we­der auf dem Fahr­rad oder im Voll­rausch. “Soll es halt weg­zie­hen, wenn es hier­her­ge­zo­gen ist. Oder ster­ben, wenn es schon immer hier lebt!”

Und wäh­rend da vie­le den nächs­ten Fahr­rad-Lob­by­is­ten-Skan­dal ver­mu­ten, zuckt unser Andi ent­spannt mit den Schul­tern und ver­weist auf gute, alte Kaf­fee-Kiosk-Tra­di­tio­nen: “Stellt euch net oooh, wecher den­na boäh Fahr­rä­der dohindn! Jah­re­lang ham­mer unser Per­so­nal ohne gro­ße Unter­schrif­ten­lis­ten vom Ron­do aus nauf- und nun­der­grup­piert und beföd­dert! – Hod ah kann gstört!”

Apro­pos! Es kommt Bewe­gung in die Sache, seit der zwei­te Bür­ger­meis­ter laut und deut­lich von unrecht­mä­ßi­gen Ver­gü­tun­gen spricht, die – er sei sehr froh dar­über – vom Baye­ri­schen Kom­mu­na­len Prü­fungs­ver­band auf­ge­deckt wur­den. Man könn­te fast mei­nen, dass da jeman­dem das mona­te­lan­ge Schön­ge­schwur­bel der städ­ti­schen Pres­se­stel­le gewal­tig auf den Keks gegan­gen ist. Aber auch nur fast, denn eigent­lich hat er ja auch nur das per Face­book­kom­men­tar in die Welt hin­aus gepos­tet, was die Welt schon weiß.

Man darf den Kom­men­tar unter dem Face­book­pos­ting eines ein­schlä­gig bekann­ten Klein­stadt­ka­ba­ret­tis­ten nicht über­be­wer­ten, aber im Rat­haus scheint die Stim­mung nicht ganz so and­i­son­nen­oran­ge wie offi­zi­ell pro­pa­giert. Es könn­te der Auf­takt zu einer grö­ße­ren, öffent­li­chen Dis­kus­si­on um poli­ti­sche Kon­se­quen­zen im Über­stAn­di-Skan­dal sein. Ob unser aller Andi bis zum Ende der Legis­la­tur im Amt bleibt? Und wenn nicht, was gibt für ihn den Aus­schlag dazu, die zur Tra­di­ti­on gewor­de­nen Raz­zi­en im Rat­haus lie­ber aus der Fer­ne zu beob­ach­ten. Wird unser Andi zum bemit­lei­dens­wer­ten Bau­ern­op­fer zwi­schen kru­den Rechts­auf­fas­sun­gen und haar­sträu­ben­den Pres­se­sprech­flos­keln, zum Box­sack von Münch­ner Prü­fungs­klein­ka­riert­heit und über­am­bi­tio­nier­ter Staats­an­walt­schaft? Span­nen­de Wochen ste­hen uns bevor!

Aber auf Indi­vi­du­en, das haben wir gelernt, kann kei­ne Rück­sicht genom­men wer­den. Selbst schuld!

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