In seiner neuen Stadtecho-Kolumne macht sich Florian Herrnleben Gedanken über Sprache. Es geht um die verschiedenen sprachlichen Fälle und ihr Erscheinungsbild in
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über dem Herrnleben seine Meinung
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne macht sich Florian Herrnleben Gedanken über Sprache. Es geht um die verschiedenen sprachlichen Fälle und denen ihr Erscheinungsbild in der hiesigen Umgangssprache.
Dass im fränkischen Dialekt gerne auch mal Dativ, also der Wem-Fall, und Akkusativ, der Wen-Fall, im gemütlichen Alltagssprech verwechselt werden, ist nichts Neues. „Des ghört mich“ hört man nicht selten, wenn man nur weit genug aus Bamberg hinausfährt. Es sollen umgekehrt im fränkischen Hinterland auch schon Aussagen wie „Mir foähn nei dä Stood“ zu hören gewesen sein, damit sich – womöglich fairnessbedingt – der Dativ am Ende nicht überflüssig vorkommt. Dennoch scheint mir der Akkusativ generell beliebter, denn nicht selten trifft man auch den sogenannten doppelten Akkusativ: „Gib mich moll den Hammer!“
Auch schön heimatlich in meinen Ohren klingt es, wenn der gemeine Franke nicht weiß, ob er „Du“ sagen darf oder lieber Siezen soll. Dann wechselt er gerne höchstdiplomatisch auf eine Form des guten, alten Pluralis Majestatis, den ich regelmäßig beim Paketzusteller meines Vertrauens bewundern durfte. Man kennt sich ewig, man sympathisiert füreinander, aber für ein „Du“ reicht es trotzdem noch nicht. Und so lautete seine fast tägliche Ansage, wenn ich – natürlich allein – in der Wohnungstür stand, um Pakete entgegenzunehmen: „Doh müsst ihr bitte unnerschreibn.“ Ein verwirrter Blick links und rechts und hinter mich konnte ihn nicht abhalten, mich weiterhin – so heißt es quasi offiziell – zu „ihrzen“.
Noch wohliger in den Ohren klingt es nur, wenn bei der persönlichen Ansprache statt des „ihr“ die dritte Person Singular zum Einsatz kommt, also „er“ oder „sie“. Laut einschlägigen Informationen in diesem Internet galt es ganz ursprünglich als die höflichste Form der Anrede, wurde aber mit der allgemeinen Verbreitung des pluralen „Sie“ eher zu einer Kommunikationsform zwischen Standeshöheren und Standesniederen. Das passt bis heute. Beispiel aus Franken gefällig, wo man sich auch 2024 gern mal noch so anspricht? – Bis heute werde ich in der Stammwirtschaft meines Vertrauens gefragt: „Mooch er aah ann Sempft zu die Wöschd?!“ (Auch hier, Sie haben es gemerkt, wieder eine sehr liberale Akkusativ-Verwendung). Über die Rangordnung in der Wirtschaft brauchen wir nicht weiter reden.
Was beim Sprechen nie auffiel, aber auch nicht nur in Franken – sagen wir – defizitär zum Einsatz kommt, ist der Apostroph, im Speziellen der sogenannte Deppenapostroph. Dieser wurde nun – die Freunde des Rechtschreibrats dürften es mitbekommen haben – abgeschafft. Also teilweise. Wenn man es allerdings genau nimmt, wurde er optional zugelassen. In anderen Worten: Der Rechtschreibrat hat sich der Menschheit gebeugt. Es ist den hohen Herren der Richtigschreibkunst – sagen wir es, wie es ist – künftig egal, was man über seine Tür schreibt. Nun werden einige zu Recht feststellen, dass es dem Rechtschreibrat schon immer herzlich egal hätte sein müssen, was man über seine Tür schreibt. War es aber nicht. Erst jetzt darf Hans-Jörg ganz offiziell „Hans-Jörg’s Fahrschule“ an seine Fassade dübeln, ohne dass ein alter Deutschlehrer mit dem Rotpinsel korrigieren darf.
Einfacher wurde es dadurch aber beruhigenderweise nicht, denn während bislang jener Deppenapostroph zur Besitzanzeigung beim Genitiv (dem Wessen-Fall) grundsätzlich nicht zulässig war, lässt der Rechtschreib-
rat künftig Eigennamen Eigennamen sein und regelt nur noch alles, was nicht auf Türschildern und Visitenkarten ganz oben steht. Im fließenden Text darf jener Apostroph also weiterhin nicht stehen. Der Satz „Hans-Jörg’s Fahrschule heißt ‚Hans-Jörg’s Fahrschule‘“ ist also falsch.
Dem Franken ist das alles zum Glück herzlich egal. „Dem Hans-Jörg seine Fahrschule“ klingt ja auch schön. Und der Dativ freut sich über diesen ganz besonderen Einsatz zur Besitzanzeige.
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über: Die Stadtteilkirchweihen
Zwischen Traditionsveranstaltung und Event siedelt Florian Herrnleben in seiner neuen Stadtecho-Kolumne die hiesigen Stadtteilkirchweihen an. Wobei mit der Gaustadter Variante der – von einigen kleinen Änderungen einmal abgesehen – der Höhepunkt der Kerwasaison noch aussteht.
Die diesjährige Kirchweihsaison in Bamberg neigt sich dem Ende entgegen. Kirchweihen – beziehungsweise auf Deutsch: „Kerwas“ – gehören genauso zum hiesigen Veranstaltungskalender wie die echten Events zum Beispiel auf dem Maxplatz. Allerdings sind sie oft älter als das Wort Event im gutbürgerlichen Sprachgebrauch. Inhaltlich ist es auch unerheblich: Bierbänke, vorne spielt die Musik, irgendjemand sticht ein Fass an.
Organisiert zumeist von den Bürgervereinen der Stadtteile werden sie, also diese Traditionsveranstaltungen – je nach Beliebtheit des altehrwürdigen Distrikts und oft direkt proportional zum Organisationsaufwand des zuständigen Vereins – mal mehr oder mal weniger aus dem jeweils mal größeren und mal kleinen Einzugsgebiet besucht. Von „Ach, komm, vor der Bühna is nuch a Platz!“ bis hin zu „Halb Europa meint, sich durch enge Altstadtgassen zu pressen“ ist in Bamberg zwischen Gartenstadt und Bug, Gaustadt und St. Heinrich im Osten alles an Kirchweihgrößenordnung im Angebot.
Mit der Gaustadter Kerwa steht uns nun allerdings noch – zumindest mit Blick auf die nicht so friedlichen Geschehnisse jenseits der Friedensbrücke und die damit verbundene Vorfeldberichterstattung – wohl offensichtlich das Highlight der diesjährigen Kirchweihsession ins Haus. Laut meinem aktuellen Kenntnisstand ohne Baum und mit keiner Blasmusik im Festzug, dafür mit neuem Festwirt, eben nicht aus Gaustadt, dafür aber aus der Bamberger Sandstraße, und mit einem Sandmadla, das in Gaustadt richtigerweise natürlich Kerwa-Madla heißt.
Eine holde Maid – möglichst unmännlich und auf keinen Fall divers, darum geht’s – das sich, so feierte es die Ausschreibung würdevoll, vor Umarmungen auf dem Festgelände nicht fürchten darf. In anderen, den Worten des Bürgervereins: Es soll jene Umarmungen mit Humor nehmen. Und das muss es auch, denn keine Bürgervereinspräsidentin der Welt kann vorher genau sagen, welcher humorige Kerwabesucher das auserkorene Madla nach dem fünften Herrengedeck noch mal kräftig knuddeln möchte.
Zu trinken gibt es in Gaustadt erstmals seit Bistumsgründung kein Wörner‘sches Gebräu der Gaustadter Kaiserdom, weil – wie soll man es sagen – auch da gab es wohl… also: Es lief nicht rund unter und mit dem neuen Bürgervereinspräsidium.
Das ist alles zumindest der „Stand heute“.
Wie sehr mir der anstehende Redaktionsschluss noch in die Geschichte gehagelt haben wird, werden Sie beim Lesen dieses Artikels beurteilen können. Wir haben Mitte September und das Hü und Hott aus Gaustadt ist volatil. Trotzdem: Die diesjährige Kirchweih in Bambergs Westen verspricht schon in der Vorbereitung jedenfalls nahezu alles außer Langeweile. Ich möchte fast sagen: Sie stellt alle diesjährigen Kirchweihen unserer Stadt souverän in den Schatten.
Die Freude über Klatsch und Tratsch aus Gaustadt lässt vergessen, dass über das Kerwajahr hinweg auch in den anderen Stadteilen unserer Weltkerwastadt echte Geschichten für die Chroniken der Ewigkeit und Premieren in Bambergs Stadtgeschichte geschrieben wurden: Mein höchsteigenes, schirmherriges Auftreten und Anzapfen bei der Gartenstadter Kerwa, das Festzelt am Leinritt ohne Zelt und der OB mit dem störrischen Zapfhahn.
Aber das waren ja auch nur Kirchweihen. Ein echtes Event mit all seinen Facetten, das gibt es nur in Gaustadt!
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über die Gefahr einer Bamberger Apokalypse
In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne versetzt sich Florian Herrnleben in einen Touristen hinein, der in Bamberg vor lauter geschlossenen Lokalen steht und immer wieder zu lesen bekommt: Danke für nichts!
Man stelle sich vor: Ein ganz normaler Sommer in Bamberg. Ein Wochenende steht vor der Tür. Bamberg droht wie gewöhnlich von der üblichen Zahl von Tages‑, Schiffs- und Kurztriptouristen heimgesucht zu werden, die sich unser schönes Städtchen im schönen Frankenland, fernab des Großstadttrubels, ansehen wollen. Man hatte die schöne Stadt an der Regnitz noch nie persönlich gesehen, aber schon viel gehört von der Weltkulturerbestadt mit Weltruhm.
Wochenlang schon hatten sich die End-60er-Senioren auf den Trip vorbereitet. Die Akkus der hochmodernen spiegellosen Vollformatkamera geladen, die Buchungsbestätigung vom Hotel ausgedruckt, die Tennissocken unters Knie gezogen und die Trekkingsandalen geschnürt. Dem gelungenen Ausflug nach Bamberg stand also nichts mehr im Weg.
Eines Tages, es ist so weit, fährt man – das Frankenlied pfeifend – ins fränkische Rom ein und checkt nichtsahnend im Hotel ein.
Natürlich gilt es, bereits am ersten Abend die fränkisch-kulinarischen Köstlichkeiten zu probieren. Ein Schäuferla soll es sein. Oder diese Bamberger Zwiebel. Von der hatte man schon oft gehört. Vom Hotel aus macht sich der welterfahrene Städtetrippler also auf in Richtung Sonne. Dort in dieser wunderschönen Altstadt würde man das Bamberger Feeling fühlen können, die Bamberger Luft atmen. Doch dann ein erster, kleiner Riss im wohltemperiert geplanten Urlaub: Das Restaurant, das gutbürgerliche, das mit den allerallermeisten Sternen beim Bewertungsportal des Vertrauens, hat geschlossen. Weiße Schrift auf schwarzem Grund, ein großbuchstabiges „Danke für nichts!“ – Mehr nicht. Selbst mit hochgeklappter Klappsonnenbrille ist auf dem DinA3-Plakat nicht mehr zu lesen. Smartphone raus, Google an. „Geöffnet!“ steht da. Eindeutig. Bis 23 Uhr. Die Irritation ist groß. Auch die nächste Lokalität und auch die übernächste sind mit ähnlich wenig aufschlussreicher Begründung geschlossen. „Danke für nichts!“
Zuletzt bleibt nur der kleine Nahversorger in der Innenstadt. Aus dem Traum vom Schäuferla ist eine – angekommen in der Realität – Packung Toastbrot und ein paar Scheiben Wurstaufschnitt geworden. Zu trinken gibt es ein Bamberger Bier aus der Flasche. Alles zusammen genießt der irritierte Bamberg-Fan auf der Unteren Brücke bei leichtem Nieselregen.
Trost soll ihm, so sein Plan, das nun anstehende Kulturprogramm bieten. Eine freie Theatergruppe präsentiert einen Klassiker. Die Presse – man hatte sich natürlich bereits im Vorfeld ausführlich informiert – lobt die engagierte Truppe. Zum Glück. Denn die echten, die wahren Kulturleuchttürme der Stadt haben aktuell Sommerpause. Also, nichts wie hin! Angekommen am Ziel ein ähnlich düsteres Erwachen. Bereits aus mehreren Metern Abstand wieder das bereits vom Schäuferladesaster bekannte Plakat „Danke für nichts!“ und verschlossene Türen. Darunter wenigstens etwas mehr Hinweis als am Restaurant: „Die Veranstaltung heute muss leider ausfallen. Grüße ins Rathaus!“
Inzwischen ist es 20:30 Uhr. Zu früh, um begeistert von dieser Weltkulturerbestadt ins Hotel schlafen zu gehen, aber auch zu spät, um noch nach Alternativen zu schauen. Zumal die leise Ahnung erwacht, dass heute vielerorts ebensolch ein Schild an der Tür hängt.
Der Plan ist klar: Es braucht wenigstens noch Alkohol. Ein Drink in einer Bar, in einem Club, in einer dieser berühmten Cocktailbars. Der Weg zu Fuß ist nicht weit. 15 Minuten später steht unser bemitleidenswerter Reiselüstling in der altstädtigsten Altstadt, wo das Leben toben soll. Zumindest laut Smartphone und Maps-App. Doch die ebenerdig ausgebauten Gehsteige sind sprichwörtlich hochgeklappt. Und Sie ahnen es: „Danke für nichts!“ an allen Türen.
Natürlich hab ich mir dieses apokalyptische Szenario nur erdacht. Es wird niemals so eintreten. Denn die Gewerbetreibenden, die Gastronomie und die freien Kulturschaffenden dieser Stadt ahnen nicht ansatzweise, wie sehr das Rathaus von ihnen abhängt.
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über: Große Pläne!
In seiner Stadtecho-Kolumne spekuliert Florian Herrnleben, welcher Politiker sich im Fall der Fälle wie und in welcher Größe im Stadtbild verewigen würde.
Zugegeben, ich bin selbst auch sehr erschrocken beim Anblick meines gefühlt hundert Meter hohen, zotteligen Abbilds als Fassadenbanner am ERTL-Zentrum. Die Inszenierung als Hallstadts Wächter über Bamberg ist zwar nicht ganz gelungen, denn mein Blick richtet sich grob nach Dörfleins. Dort ist natürlich insgesamt – man mag es mir verzeihen – weniger los als in unserer Prämienstadt Bamberg. Aber die Vorstellung, dass der Oberbürgermeister, der Stadtmarketingchef oder irgendein Rathausgetreuer mit wenig Faible für Kleinstadtkabarettisten nichtsahnend auf – gefühlt – seine Stadt zufährt und noch vor den Turmspitzen von St. Michael als erstes mich zur Begrüßung entgegengrinsen sieht, zaubert mir – auch persönlich – ein Lächeln ins Gemüt. Größer und imposanter strahlt – mal meine zwei Mitmusketiere beiseite – bislang niemand über Bamberg.
Ist es deshalb nur noch eine Frage der Zeit, bis andere, nicht minder wichtige Menschen Bambergs einen prominenten Platz im Stadtbild ergattern? Potenzial besteht.
Die Domtürme ergäben ein hervorragendes Spannwerk für ein riesiges Abbild unseres neuen Erzbischofs, das mich hinsichtlich Größe und Sichtbarkeit über die Stadt lockerst in die Tasche stecken würde. Ob etwas in Planung ist, wollte man mir seitens des Erzbischöflichen Ordinariats nicht direkt bestätigen. Meine Vermutung: Ein interner Streit zwischen dem Emeritus – offenkundig medienaffiner – und dem amtierenden Erzbischof verhindert eine zeitnahe Realisierung.
Der Finanz- und Immobilienreferent könnte sicherlich hinsichtlich Masse punkten. Also nicht körperlicher Masse. Aber wenn er nur an jede Tür städtischen Immobilienleerstands ein wahlplakatgroßes Foto seiner selbst dübelt, die aufaddierte Fläche würde meine Darstellung locker übertreffen. Hier scheitert es – so meine persönliche Vermutung – aber wahrscheinlich am Geld. Ein Antrag auf Gelder aus der globalen Kulturförderung läuft wahrscheinlich schon.
Da Drohnenflüge und dazugehörige Flugluftbilder grad im Trend sind, bietet sich der Maxplatz – wenn er denn mal leer steht – auch als Fläche an. Das Konterfei des Stadtmarketingchefs, vielleicht in goldener Farbe, in einer maximal möglichen Größe von circa 70×40 Metern, das dann permanent gen Himmel strahlt, wäre eine neue Attraktion. Für dieses Jahr sind die Projektgelder zu „Mitte.Bamberg.2025“ bereits ausgeschöpft. Aber da ja weiter alle auf ihm herumtrampeln werden, passt das Motiv bildsprachlich auch noch 2026.
Bürgermeister Glüsenkamp sieht es gewohnt pragmatisch. Großflächig sei ihm natürlich wichtig, sagt er auf Nachfrage. Aber nur, so weiter, wenn es auch der Stadtgesellschaft dient. Er würde sich als Motiv auf Schirme mit acht Metern Durchmesser drucken lassen, die dann als Schutz gegen den Krähenkot am Gabelmann dienen.
Und unser Oberbürgermeister? Die Pressestelle der Stadt lässt mitteilen, dass Starke im großen Format dagegenhalten will. Die Überlegungen gehen dahin, den Umbau des Quartiers am Maxplatz zu nutzen, um das komplette Rathaus-Ensemble mit einem XXXXXXL-Porträt von Andreas Starke zu verhüllen im Stil von Christo und Jeanne-Claude. Dem Stadtoberhaupt schwebt ein ähnlicher Hype wie bei der Verhüllung des Reichstagsgebäudes in Berlin im Sommer 1995 vor – Volksfeststimmung inklusive. „Dann steigt jeden Tag auf dem Maxplatz eine Starke Party“, freut sich der OB.
Egal was passiert, es wird großartig!
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Ich seh‘ schwarz!
Beim Geldverbrennen muss sich die Stadt Bamberg nicht verstecken. Florian Herrnleben hat in seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne einige Beispiele parat.
In Schweinfurt wurde die bekannte Rückertstraße versehentlich in der falschen Farbe asphaltiert. Dunkelgrau statt beige. Kurze Vorgeschichte: Schweinfurts Bauausschuss und Stadtrat hatten sich – wahrscheinlich in ähnlich langer Diskussion wie in Bamberg bei solch einer stadtgeschichtlich richtungsweisenden Entscheidung – extra für die Kolorierung des Asphalts in der „Schweinfurter Mischung in Beige“ entschieden, weil sich Schweinfurter Beige besser in das dortige Altstadtambiente einfügt.
Dann kam es, wie es eben kam. Irgendjemand hat beim Bestellen nicht aufgepasst. Und nachdem auch die Hoffnung aufgegeben wurde, dass es sich nach dem Trocknen noch etwas aufhellt, hat man mal vorsichtig nachgeschaut: Mit 225.000 Euro schlägt der falsche Belag zu Buche. Bitter. Und tatsächlich – wie soll man es diplomatisch sagen – sehr, sehr dunkelgrau.
Etwas erhaben könnten wir uns nun leicht darüber lustig machen, mit Blick auf unsere eigene kommunale Fehlbarkeit sollten wir aber lieber zunächst vor unserem Rathaus kehren. Denn auch wenn seit dem letzten Eintrag ins Schwarzbuch der Steuern einige Jahre ins Land gezogen sind, bedeutet das nicht, dass wir Bamberger die Klappe großspurig aufreißen sollten. Geld verbrennen, notfalls sogar in ganz anderen Größenordnungen, das können wir hier in Bamberg auch gut.
Beispiele gefällig?
Die Fehlplanungen im Rathaus am ZOB machten bekanntermaßen einen privaten Securitydienst notwendig, der in Summe inzwischen für rund eine halbe Million darüber wacht, dass kein Mensch zu viel im bürgerfreundlichen Rathaus am ZOB den Datenschutz gefährdet. Im Verkehrsversuch Friedrichstraße markierte man fälschlicherweise jüngst noch einmal mit Gelb nach, obwohl der Stadtrat doch schon Weiß verabschiedet hatte.
Auf dem Schlachthofgelände hat man kürzlich noch mal ein Erbbaurecht verlängert, sicherheitshalber bis 2086, damit es auch richtig teuer wird, wenn man den Kühlhausdienstleister vorzeitig loswerden möchte. In der Ottostraße jongliert unsere Premiumverwaltung mit Baubescheiden und Bebauungsplänen, damit es – falls der Bundesgerichtshof – Überraschung – wirklich zu einer anderen als der städtischen Rechtsauffassung gelangt – auch maximal teuer wird im Prozess um den Schadensersatz rund um das Heroldhaus. Als der Oberbürgermeister die Grundkenntnisse aus dem ersten Semester des Jurastudiums in die Praxis umsetzen und Satzungen unterschreiben sollte, hat er – Was kosten schon verlorene Prozesse? – sicherheitshalber auch verzichtet.
Nicht zu vergessen die Machbarkeitsstudien zu Tabakscheune, Obere Sandstraße, Kesselhaus und Schlachthof, die allesamt zu dem Ergebnis kamen, dass das, was man machen möchte, auch machbar wäre, von denen aber bisher letztlich keine umgesetzt wurde und wohl auch nie wird. Zu guter Letzt: Die Millionen für das Haus in der Benzstraße, die man jubelnd aus dem Sitzungsfenster geworfen hat, um dort im Bamberger Norden Ausweichflächen für die Verwaltung parat zu haben, falls es dann mal losgeht mit der Rathaussanierung. Weil man die Hütte aber zwischenzeitlich vergessen hatte, kann man nun Hunderttausende Euros für die Anmietung von Büroflächen verjubeln.
Ich muss seufzen. Was die Schweinfurter wohl über uns denken?
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Aus der Notdurft eine Tugend!
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne wirbt Florian Herrnleben für unkonventionelle Lösungsansätze für einige Bamberger Probleme.
Für seine sieben Hügel ist Bamberg weltweit bekannt. Scharenweise Touristen lassen sich in den kommenden Monaten wieder durch die Frühlings- und die Sommersonne durch Bamberg jagen. Es geht dann eng zu in den Straßen und Gassen der Stadt. Erfreulicherweise hat es die Verwaltung zwischenzeitlich und bekanntermaßen dank erfolgreicher Deals mit ausreichend zuverlässigen Bauträgern – absichtlich oder unabsichtlich, darüber lässt sich vortrefflich streiten – geschafft, die Touristenströme nun auch in Richtung Erba-Halbinsel zu entzerren, wo – inzwischen weiß es dank „BR quer“ in Bayern wieder fast jeder – ein achter Hügel zu bestaunen ist. Noch zwei, drei Generationen und die Aushuberhebung steht mindestens unter Denkmalschutz oder zählt gar als 8. Bamberger Weltwunderhügelchen. Alle werden staunen, ein großer Erfolg!
„Aus der Not eine Tugend machen“: Wäre das nicht auch der Lösungsansatz für so viele Probleme und Absurditäten, die wir als liebende Bamberger in unserem geliebten Bamberg so schätzen, für die wir uns über die letzten Jahre – mal mehr, mal weniger – emporgetitelt haben in den Zeitungen der Republik als kleines Volk, dessen Oberschicht allen rechtsstaatlichen Rechtsauffassungen, dem datenschützendsten Datenschutz und dem härtesten aller Tarifrechte trotzt?
Nehmen wir die inzwischen unzählbaren Schlaglöcher auf städtischen Straßen, die uns die Bandscheiben beim sonntäglichen Fahrradausritt malträtieren. Wer hätte gedacht, dass die Idee eines SUV-Offroadparcours aus dem Wahlprogramm der Partei DIE PARTEI aus dem Jahr 2020 so konsequent weiterverfolgt wird? „Bamberg schleudert! Eintritt frei!“ sehe ich schon auf dem Banner stehen, das sich quer über die Königstraße spannt. Natürlich – wir sind 2024 – nur zugelassen für Lastenfahrräder. SUVs sind unerwünscht. Und gewonnen hat, wer einigermaßen heil ankommt und unterwegs keines der zugelosten Kinder mittels schlaglöchriger Sprungschanzen in hohem Bogen hinauskatapultiert hat.
Apropos Kinder. Wenn uns die Offroadevents langweilen, engagieren wir alle Kinder, die ab Herbst keinen Ganztagsbetreuungsplatz ergattern konnten, und lassen sie den Straßenbelag bearbeiten. Mit ihren kleinen Fingerchen können sie jede Ritze, jedes noch so kleine Schlagloch mit roter, blauer oder gelber Knetmasse auffüllen. Einmal getrocknet hält sie erfahrungsgemäß sowieso besser und ist fester als jede Teermischung. „Kinder weg von der Straße!“ war gestern. „Raus auf die Fahrbahn!“ ist das neue Credo, das uns deutschlandweit bekannt machen wird als die Stadt mit schönsten Straßen, die obendrein locker den anstehenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung erfüllt.
Auf anschließende Straßen- und Fahrbahnmarkierung können wir, ach was, sollten wir getrost verzichten. Wie viel Ärger gibt es wegen alter gelber Streifen hier und noch keiner neuer weißer Streifen dort. Wenn wir Kindern einfach nur Farbeimer in die Hand drücken und einen dicken Pinsel dazu, damit sie das tun können, was Kinder am liebsten tun, nämlich mit Farbe irgendwo herummalen, dann bringen sie die Nachmittage schon rum, an denen sie sonst nur – mangels Betreuungsangebot – unbetreut zuhause vor der Glotze sitzen würden. Und der Bamberg Service als neuer städtischer Ganztagsbetreuungsträger wacht höchstselbst darüber, dass kein Kind verloren geht.
Nur beim Krähenvolk am Grünen Markt wird es schwer mit einer aus der Not gemachten Tugend mit Blick auf die Grundschulkinder unserer Stadt. Sollen wir ihnen ernsthaft einen Eimer Wasser samt Schwamm in die Hand drücken gegen die nistende und verdauende Vogeleskalation von oberhalb?
Ach, kommt, lassen wir die Saatkrähen einfach machen. Vielleicht haben wir dann in ein paar Jahren den 9. Hügel in unserem weltweit bekannten Bamberg. „Aus der Notdurft eine Tugend!“ – So heißt das Sprichwort, oder?
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Nix mehr, wie es mal war! Sapperlot!
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne gedenkt Florian Herrnleben einiger städtischer Veränderungen in Bamberg der letzten Jahrzehnte. Und sieht mit Bahnstrecke und Schlachthof Parallelen zu heute.
Wie soll man sich in dieser Stadt noch zurechtfinden, wo sich die Welt schneller um ihren eigenen Nabel dreht als anderswo.
Mit dem Niedergang des Honer ging es in meiner Erinnerung los. Ich denke noch an die Zeiten – es muss Ende der 1980er-Jahre gewesen sein – als man im Untergeschoss noch lebensmitteltechnisch nahversorgt wurde. Der Karstadt hieß damals noch Hertie und war schräg gegenüber, also hinter der Kirche Alt St. Martin, die damals – ich kann mich nicht mehr direkt erinnern – noch auf dem Maxplatz gestanden haben muss, mit Friedhof drumherum. Heute fristet der Maxplatz ein Dasein wie das oberste Parkdeck vom Atrium-Parkhaus, nur noch langweiliger.
Dem Spielwaren Korb an der Promenade hinterließen wir einen nassen Gesichtsmundnasenabdruck am Schaufenster. Rein gegangen sind wir nie, weil man immer sofort entgeistert von überraschten Mitarbeiterinnen angesprochen wurde, die auf uns Kinder wirkten, als würden sie uns am liebsten selbst formalingetränkt ins Puppenregal setzen. Eventuell war der aus dieser Angst potentieller Kundschaft resultierende wirtschaftliche Erfolg des Ladens letzten Endes der Grund, warum es an jener Stelle heute – unternehmerisch erfolgreicher – Granufink und Prostata forte für die inzwischen deutlich gealterten Kinder von damals gibt.
Und wo wir schon an der Promenade sind: Dieses für uns Kinder sonderbar wirkende Kreiswehrersatzamt, das, war man als Junge mit holden 18 Jahren dann zum ersten Mal zu Gast, innen ganz anders aussah, als man es sich vorgestellt hatte. Und mit „anders“ meine ich nicht „besser“. Es erstrahlt heute in etwas weißer und etwas blauer, ansonsten kaum verändert, als bürgerfreundliches Rathaus am ZOB. – Genau, der ZOB! – Den es ja auch noch nicht seit Kaiser Heinrich an der Stelle gab. Die mittelälteren Leser werden sich noch an die Zeit ohne den formschönen Plastikbau erinnern.
Und freilich! Gegenüber! Das Da-am-Eck-da, der Tabak- und Zeitschriftenladen links, dessen Geruch ich zugegebenermaßen schon gern mochte, und ganz hinten – den Gang entlang, dessen Geruch ich zugegebenermaßen nicht so gern mochte – die Frischfleisch‑, Frischfisch- und Frischkäsetheken. Niedergebrezelt von der Abrissbirne und ersetzt durch Nahversorger, die – wie soll man es positiv und in romantisch verblichener Erinnerung ausdrücken – heute definitiv massenkompatibler sind. Zumindest die Erinnerung an den Gang hinterwärts zur Fischtheke hat man in Form des kleinen Tunnels zwischen Promenade und Langer Straße am Leben erhalten. Und hinter der Langen Straße die Theatergassen, die es vor 40 Jahren so noch nicht gab, der Neubau am Stadttheater, der Spielplatz im Harmoniegarten, der damals ein Traum für uns gewesen wäre, ….
In Bamberg hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel verändert, nicht nur mit Blick auf den kleinen Radius, den ich beschrieben habe.
Nun wird halt die Bahn unweigerlich ihre Schneise durch den Bamberger Osten ziehen und das Stadtbild massiv verändern. Über das nette Gefühl hinaus, dass wir ungefähr mitreden durften, wird es weniger Vorteile als Nachteile mit sich bringen. Und auch mit dem Schlachthof wird es bekanntermaßen nicht so weitergehen wie gehabt.
Bamberg verändert sich, mal zum Positiven, mal zum Negativen, aber jedenfalls ständig. Oft weiß man erst Jahre oder Jahrzehnte später, ob es sinnvoll, erfolgreich oder Quark war, aber meist gibt’s jetzt schon Geschrei von den einen, denen es nicht schnell genug geht. Und den anderen, die lieber alles so beibehalten würden. Sapperlot! Nix ist mehr, wie es mal war!
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über seine Fastenpredigt
Am 17. Februar fand zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trug sie Florian Herrnleben, alias Bruder Udalrich, vor. In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne zieht er Bilanz seines Auftritts und erklärt, warum es aus seinem Bierkrug dampfte.
Meine Fastenpredigt 2024 ist vorbei. Die Anspannung war immens: Passt der Text? Ist es zu viel oder zu wenig, zünden alle Pointen? Treffen sie die Richtigen? Stimmt die Gewichtung zwischen den einzelnen Figuren auf dem Schachbrett der Lokalpolitik?
Neben all diesen inhaltlichen Fragen geht es für einen Mann der hiesigen Öffentlichkeit, also jemanden wie mich, auf den ganz Bamberg, ach was, Bayern und die Welt, in den Stunden der Predigt schaut, auch um eine zweite Dimension: Der Auftritt als solches in Kutte muss stimmen. Das Zeigen von Schwäche, von jeglicher Unsicherheit muss mit allen Mitteln verhindert werden. Niemand darf im Lauf des Abends an der Souveränität des Fastenpredigers Zweifel hegen: Die Politikerinnen und Politiker, die jedes Wackeln sofort als Bestätigung ihrer eigenen Rechtsauffassung auslegen würde. Und mögliche Anwärterinnen und Anwärter auf den Platz in der Kanzel ebenso, die nur darauf warten, den richtigen Moment abzupassen, um selbst die städtische Meinungshoheit zu erlangen.
Es lief gut an. Das Lied über die Fengshui-Steine der Stadtbau zündete, spätestens beim kleinen Schimpf auf den städtischen Parküberwachungsdienst hatte ich das Publikum auf meiner Seite. Der Bühnenprofi weiß: Das war ein souveräner 2:0‑Vorsprung in der 10. Minute, den man normalerweise gut über die Zeit retten kann, wenn…
Ja, wenn einen nicht plötzlich die Stimme auskontert. Einmal, dann ein zweites Mal. Leichtes Kratzen zuerst, dann kurz mal ein Wegbleiben des Tons beim Sprechen.
Meine mir Getreuen waren – perfekte Vorbereitung ist ja alles – umfassend instruiert für mögliche Notfälle auf der Bühne, die sie diskret zu lösen hätten. Für den Fall von plötzlichen Hals- oder Stimmproblemen hatte ich eine Thermoskanne mit Tee in meiner Garderobe positioniert. Diese über Jahrhunderte und Generationen weitergegebene Spezialmischung würde in solchen brenzligen Situationen zuverlässig und schnell helfen, wusste ich. Und diese brenzlige Situation war nun gekommen, die Helfer reagierten schnell. Aber sie reagierten leider falsch.
Ich meine, ich habe im Vorfeld extra noch belehrt: Nehmt den Steinkrug von meiner Kanzel, geht bitte mit ihm raus, schenkt im Backstage etwas aus meiner geheimen Spezialmischung hinein und bringt ihn mir wieder. Niemand würde es merken, war ich mir sicher. Der Fastenprediger trinkt halt viel Bier, würden alle Zuschauer denken. Das passt ins Image!
Nun. Es ging schief. – Der Moment, wo dir vor den Augen von über 500 Zuschauerinnen und Zuschauern dampfender Tee in deinen vermeintlich mit Bier gefüllten Steinkrug gegossen wird, ist kein schöner. Das über Jahre aufgebaute Image war innerhalb weniger Sekunden zerstört. Aus dem schonungslosen Kabarettisten war ein Salbeiseichtling geworden. Fataler wäre wahrscheinlich nur gewesen, auf der Bühne eine Gemüsebrühe zu schlürfen.
Der stadtbekannte Kabarettist, der bekanntermaßen scharfzüngige Kolumnist: Aus den eigenen Reihen komplett düpiert, und nun auf Ewig gebrandmarkt als derjenige, der dem markanten Hopfen die brave Kamille vorzieht. Wer soll mich jemals wieder ernst nehmen?
Immer und immer wieder wird man jenen 17. Februar 2024 aus dem Gedächtnis kramen, als ich, Bambergs kaum tastbarer Kabarettist, seine Unantastbarkeit verlor, weil es aus dem Steinkrug, aus dem es herausschäumen sollte, minutenlang nur kläglich dämpfelte. Der größte Special-Effekt des Abends: Eine Pyrotechnik des Grauens, gut sichtbar für alle übertragen auf große Leinwand und Fernseher.
Okay, die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, aber nur damit es klar ist: Mein Hals ist wieder top! Das war nur ein kurzes, kleines Kratzen!
Ihr Florian Herrnleben
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über: Hinter den Gleisen
In Bamberg gibt es soziale Unterschiede je nach dem, auf welcher Seite der Bahngleise man lebt. In seiner neuen Stadtecho-Kolumne wünscht sich Florian Herrnleben mehr Wertschätzung für die Stadtteile „Hinter den Gleisen“.
In der Gereuth klirren die Scheiben, im Bamberger Norden riechen die Menschen wahlweise nach Schlachtabfällen oder Müllheizkraftwerk, am Cherbonhof hausen die Ökos in Zelten aus Rupfensäcken, in der Innenstadt, die voll ist mit Studenten, fahren alle nur noch mit Lastenfahrrädern. Und hinter die Gleise, da zieht nur hin, wer komplett geschmacksfrei gar nix auf sich hält. Mit Vorurteilen und Klischees, da sparen wir nicht. Wir kennen uns in unserem Bamberg aus, meinen wir, samt jeweils gepachteter Wahrheit!
Der Sozialstrukturatlas, den das Rathaus seit 2021 jährlich veröffentlicht, gibt einen kleinen Einblick in die unterschiedlichen Stadtteile und versucht – zumindest hinsichtlich der sozialen Struktur –, den gefühlten Wahrheiten fundierte Fakten zu entgegnen. Die Daten aus dem über hundertseitigen Dokument, können – so die wohlklingende Einleitung – für die städtische Pflegebedarfsplanung, die städtische Bedarfsplanung der Jugendsozialarbeit an den Schulen, das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept und für vieles mehr – betont – gewinnbringend genutzt werden.
Können, aber nicht müssen. Niemand dürfte nach Blick ins Zahlenwerk (geht notfalls auch ohne Blick, nur mit den eigenen, gefühlten Wahrheiten) das Bamberger West-Ost-Gefälle verkennen, das so mancher – der Baureferent würde sagen: „privilegierte“ – Mitbürger naserümpfend von Insel und Berg aus als „dort hinterm Bahnhof“ bezeichnet. Die Wahrheit zum Bamberger Osten ist nicht schön. Aber hausgemacht.
Natürlich zielen der Bericht und seine Ergebnisse primär auf Weiterentwicklung im Sozialbereich. Aber hängt nicht alles immer zusammen? Also Kultur- und Sportangebote, vor allem Wertschätzung?
Während Jahr für Jahr Millionen in die so oft zitierten Leuchttürme gepumpt werden, die die Insel mit Theater und Symphoniker und das Berggebiet mit den Museen strahlen lassen, scheut man sich im Osten vor dem großen Wurf. Man malert sogar lieber ein weiteres Mal am schmucken Alten Rathaus herum, bevor man zumindest den kleinen Wurf mit der Reithalle als Kulturzentrum im Osten angeht. Die Bedenkenträger hinsichtlich möglicher Betriebskosten scheinen aktuell am lautesten.
Dabei wäre eben jenes engagierte Angehen von Kultur ein erstes Signal in den Osten der Stadt, der – sagen wir es diplomatisch – vor budgetierten Kultureinrichtungen eher nicht strotzt. Für einen Stadtrat, der auch dem Stadtteil hinter den Gleisen verpflichtet ist, dürfte sich die Frage nach der Notwendigkeit spätestens nach einem Blick auch in den Sozialstrukturatlas auch nicht mehr stellen. Stattdessen hangelt man sich alibimäßig vom Planen einer Machbarkeitsstudie zur nächsten Machbarkeitsstudie und wieder zurück, spielt Hütchen zwischen Post- und Reithalle, und besänftigt so den bevölkerungsreichsten Stadtteil, der kulturell seit Jahrzehnten defacto nicht mehr stattfindet. Und renoviert stattdessen lieber weiter Rathäuser diesseits der Gleise.
Bambergs Teil „Hinter den Gleisen“ ist zu groß, als dass es sich die Volkshochschule im E‑Werk leisten könnte, nur in Richtung Insel zu schauen. Bambergs Teil „Hinter den Gleisen“ ist auch zu groß, um dem Stadttheater zuzugestehen, dass es künstlerisch nur an Wirkungsstätten ergiebig sein kann, wo E.T.A. Hoffmann persönlich schon getobt hat. Und die Symphoniker dürfen gern auch mal mit ihrem Bus auf die Stadionwiese fahren.
Mit aktiver, echter Wertschätzung seitens der Politik ginge es los, Investitionen müssen folgen, die satten städtischen Institutionen dürfen mithelfen und wir alle arbeiten jetzt schon an unseren Vorurteilen, um rechtzeitig zu sagen: „Hinter den Gleisen, da ist die Szene, da wollen wir hin!“
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über den BAMBERG-Schriftzug
Was machte der beliebte BAMBERG-Schriftzug in Hallstadt? Florian Herrnleben gibt in seiner neuen Stadtecho-Kolumne Auskunft.
Es passieren Dinge in unserer Stadt. Geheimnisvolle Dinge. Überstunden, die es nicht gab, aber abgerechnet wurden, linksdrehende Schwingungen in der Stadtbauzentrale, die ohne modischen Fengshui-Steinplattenteller im Keller nun rechtsdrehen, mysteriöse Luftnummern namens Sandmann und Hausdörfer in den sozialen Medien. Über vieles haben wir gesprochen, konnten aber nicht alles aufklären.
Neuestes Geschehnis: Der beliebte BAMBERG-Schriftzug, der tausendfach fotografierte Fotopoint, stand plötzlich nicht mehr am Maxplatz. Auch am Schönleinsplatz, wo er doch groß angekündigt hätte überwintern sollen, war er nicht auffindbar.
War er geflohen aus der öden Tristesse der Maxplatzschen Betonwüste? War es ihm umgekehrt zu voll am Schönleinsplatz, seinem Winterquartier, im Sperrmüllabholungsflair zwischen Reiter, Hexenmahnmal, Schönleinsbüste, Brunnen und Stromkästen? War er gar entführt worden von Schiffstouristen, die inzwischen damit auf und davon den Main runter über alle Berge zu sein drohten?
Nach wenigen Stunden: Erleichtertes Aufatmen. Man hatte ihn wiedergefunden, die Bamberger Facebookwelt überschlug sich vor Freude, aber auch vor Erstaunen. Der BAMBERG-Schriftzug stand bridschäbraad an einem Ort, wo man alles vermuten würde, aber keinen BAMBERG-Schriftzug. An einer Stelle, wo man „Bamberg“ mindestens ungern ausspricht, und wenn man es zu laut ruft, vom Blitz erschlagen wird.
Und zwar (denken Sie sich an dieser Stelle des Textes bitte spannungsgeladene Musik!) in Hallstadt!
Wenige hundert Meter hinter der Stadtgrenze auf dem Parkplatz eines Bodenbelaggeschäfts standen die überdimensionalen Lettern. Friedlich, fast unschuldig, ein wenig versteckt in ihrem urwaldigbunten Tarnfarbenlook vor den Schaufenstern der dortigen Gewerbeansiedlung.
Die Gerüchteküche brodelte, wildeste Spekulationen nahmen ihren Lauf. Hatten die Hallstadter den Schriftzug entwendet und würde ihn Starke persönlich bei Bürgermeister Söder mit einem Kasten Bier auslösen müssen? Oder wollten die Bamberger Fakten schaffen und dem albernen Treiben dieser Zwergensiedlung im Norden unserer wunderschönen und einzig wahren Stadt durch ein klares Statement ein Ende bereiten?
Alles falsch! – Aber zum Glück habt ihr mich, den Oberrecherchewachtmeister über Recht und Ordnung in Bamberg. Aufgepasst! Die Geschichte geht folgendermaßen:
Die Reinigungsfachkraft, die hinten immer übern Maxplatz feudelt, hat den Schriftzug ein wenig auf die Seite geschoben. Halben Meter nur, es war zwischenzeitlich nämlich staubig drunter. Sie kennen das, wie daheim unterm Sofa. Aber vor Weihnachten sollte halt noch mal geputzt werden. Beim Zurückschieben jedenfalls hat sie aber die Buchstaben durcheinandergebracht. Nicht mehr BAMBERG, es stand plötzlich AMGBREB da. Der Reinigungsfachkraft kam zwar irgendetwas komisch vor, aber wie es halt so ist… Feierabend, Überstunden sind nicht drin, eingekauft werden musste auch noch.
Der nächste Morgen. Vögelein zwitscherten, unser Andi – frisch rasiert im Bademantel auf seinem Balkon am Rathaus am Maxplatz – setzte zu seiner täglichen Rede zum Volk an, aber stutzte beim Blick hinunter auf Bambergs Platz der Plätze. „A‑M-G-B-R-E‑B?!“ las er. „A‑M-G-B-R-E‑B…?!?!?“ – „Was soll das denn?! Räumt das weg!“, rief er seinem Hofstaat zu. „Wohin denn?!“, fragte man. „Was weiß ich, parkt das halt irgendwo!“
Parken, Parkplatz… man hat was missverstanden und suchte nach einem freien Parkplatz. Und weil in Bamberg wegen der Grünen gar keine, also absolut gar keine Parkplätze mehr existieren und die Lastenfahrradparkplätze zu klein sind für große Buchstaben, fuhr man stadtauswärts. Und fuhr. Immer weiter gen Norden. Und so landete der Schriftzug auf dem ersten freien Parkplatz, tatsächlich außerhalb der Bamberger Stadtgrenze.
Wer sie dort allerdings wieder richtig zusammengesetzt hat, das bleibt ein Rätsel. Es passieren halt geheimnisvolle Dinge in unserer Stadt.