Am 17. Februar fand zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trug sie Florian Herrnleben, alias Bruder Udalrich, vor. In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne zieht er Bilanz seines Auftritts und erklärt, warum es aus seinem Bierkrug dampfte.
Meine Fastenpredigt 2024 ist vorbei. Die Anspannung war immens: Passt der Text? Ist es zu viel oder zu wenig, zünden alle Pointen? Treffen sie die Richtigen? Stimmt die Gewichtung zwischen den einzelnen Figuren auf dem Schachbrett der Lokalpolitik?
Neben all diesen inhaltlichen Fragen geht es für einen Mann der hiesigen Öffentlichkeit, also jemanden wie mich, auf den ganz Bamberg, ach was, Bayern und die Welt, in den Stunden der Predigt schaut, auch um eine zweite Dimension: Der Auftritt als solches in Kutte muss stimmen. Das Zeigen von Schwäche, von jeglicher Unsicherheit muss mit allen Mitteln verhindert werden. Niemand darf im Lauf des Abends an der Souveränität des Fastenpredigers Zweifel hegen: Die Politikerinnen und Politiker, die jedes Wackeln sofort als Bestätigung ihrer eigenen Rechtsauffassung auslegen würde. Und mögliche Anwärterinnen und Anwärter auf den Platz in der Kanzel ebenso, die nur darauf warten, den richtigen Moment abzupassen, um selbst die städtische Meinungshoheit zu erlangen.
Es lief gut an. Das Lied über die Fengshui-Steine der Stadtbau zündete, spätestens beim kleinen Schimpf auf den städtischen Parküberwachungsdienst hatte ich das Publikum auf meiner Seite. Der Bühnenprofi weiß: Das war ein souveräner 2:0‑Vorsprung in der 10. Minute, den man normalerweise gut über die Zeit retten kann, wenn…
Ja, wenn einen nicht plötzlich die Stimme auskontert. Einmal, dann ein zweites Mal. Leichtes Kratzen zuerst, dann kurz mal ein Wegbleiben des Tons beim Sprechen.
Meine mir Getreuen waren – perfekte Vorbereitung ist ja alles – umfassend instruiert für mögliche Notfälle auf der Bühne, die sie diskret zu lösen hätten. Für den Fall von plötzlichen Hals- oder Stimmproblemen hatte ich eine Thermoskanne mit Tee in meiner Garderobe positioniert. Diese über Jahrhunderte und Generationen weitergegebene Spezialmischung würde in solchen brenzligen Situationen zuverlässig und schnell helfen, wusste ich. Und diese brenzlige Situation war nun gekommen, die Helfer reagierten schnell. Aber sie reagierten leider falsch.
Ich meine, ich habe im Vorfeld extra noch belehrt: Nehmt den Steinkrug von meiner Kanzel, geht bitte mit ihm raus, schenkt im Backstage etwas aus meiner geheimen Spezialmischung hinein und bringt ihn mir wieder. Niemand würde es merken, war ich mir sicher. Der Fastenprediger trinkt halt viel Bier, würden alle Zuschauer denken. Das passt ins Image!
Nun. Es ging schief. – Der Moment, wo dir vor den Augen von über 500 Zuschauerinnen und Zuschauern dampfender Tee in deinen vermeintlich mit Bier gefüllten Steinkrug gegossen wird, ist kein schöner. Das über Jahre aufgebaute Image war innerhalb weniger Sekunden zerstört. Aus dem schonungslosen Kabarettisten war ein Salbeiseichtling geworden. Fataler wäre wahrscheinlich nur gewesen, auf der Bühne eine Gemüsebrühe zu schlürfen.
Der stadtbekannte Kabarettist, der bekanntermaßen scharfzüngige Kolumnist: Aus den eigenen Reihen komplett düpiert, und nun auf Ewig gebrandmarkt als derjenige, der dem markanten Hopfen die brave Kamille vorzieht. Wer soll mich jemals wieder ernst nehmen?
Immer und immer wieder wird man jenen 17. Februar 2024 aus dem Gedächtnis kramen, als ich, Bambergs kaum tastbarer Kabarettist, seine Unantastbarkeit verlor, weil es aus dem Steinkrug, aus dem es herausschäumen sollte, minutenlang nur kläglich dämpfelte. Der größte Special-Effekt des Abends: Eine Pyrotechnik des Grauens, gut sichtbar für alle übertragen auf große Leinwand und Fernseher.
Okay, die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, aber nur damit es klar ist: Mein Hals ist wieder top! Das war nur ein kurzes, kleines Kratzen!