2024 findet zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trägt sie Bruder Udalrich, alias Florian Herrnleben, vor.
Am 17. Februar wird Florian Herrnleben, Kolumnist, Puppenspieler und schonungsloser Kommentator der Bamberger Politik, als Bruder Udalrich im Welcome Kongress Hotel die politische Klasse auf kabarettistische Art und Weise an ihre Verfehlungen des zurückliegenden Jahres erinnern. Ein Jahr, das erneut einige Inspiration für solch eine Predigt geliefert hat, als Beispiel nennt der Prediger, ohne zu viel zu verraten, die Feng-Shui-Steine bei der Stadtbau, das Haus in der Benzstraße, die Diskussion um die Friedrichstraße und den Schlachthof. Wir haben mit Florian Herrnleben auf sein Debüt zurückgeblickt und über die kommende Predigt gesprochen.
Wie sahen die Rückmeldungen aus der Politik auf deine Predigt 2023 aus: War jemand beleidigt? Beziehungsweise aus welcher Richtung kam das meiste Lob?
Florian Herrnleben: Die Reaktionen der Anwesenden waren durchweg positiv. Oder es hat sich niemand etwas anmerken lassen. Die, die beleidigt gewesen wären, waren schon vorher beleidigt und gar nicht erst da. Wäre aus einer Richtung besonders viel Lob gekommen, hätte ich mir Gedanken machen müssen.
Wie hat der Veranstalter AGIL reagiert?
Florian Herrnleben: Ich war als neuer Prediger und Nachfolger von Arnd Rühlmann sicher ein kleines Überraschungspaket. Für AGIL bedeutet das immer einen gewissen Spannungsmoment. Ich glaube aber, ich hab die Erwartungen einigermaßen erfüllt.
Wie hast du die Predigt empfunden?
Florian Herrnleben: Ich hab das schon öfter gesagt: Es war einer der Top-5-Auftritte meiner Karriere. Vor heimischem Publikum, für viele Zuschauer nach so langer Coronapause die erste Veranstaltung, nach den ganzen Skandalen, für deren Aufploppen ich – mal mehr, mal weniger – mitverantwortlich war. Es war ein Abend, den ich gerne und gut in Erinnerung halte.
Was möchtest du diesmal anders oder besser machen?
Florian Herrnleben: Es gibt in der Nachbetrachtung immer Dinge, die man vielleicht besser hätte machen können. Aber das lässt sich gar nicht vermeiden. Man hat eine Idee, seinen Text, seine Bühnenerfahrung, keine wirkliche Probe oder Vorpremiere, stellt sich vor mehr als 500 Zuschauer und hofft, dass mehr funktioniert als schief geht. Ich freue mich, wenn das im Februar wieder genauso ist.
An welcher Stelle wurde am meisten gelacht? Bei welcher war es eher still im Saal?
Florian Herrnleben: Ich erinnere mich immer wieder gern an zwei Stellen meines Programms: Das war zum einen der erste Zwischenapplaus nach wenigen Sekunden auf der Bühne, als ich meinte, dass wir heute wegen der vielen Skandale leider Überstunden machen müssten. Zum anderen wurde ich im Nachgang auf die Stelle angesprochen, als ich die damaligen CSU-Funktionäre wegen ihrer menschenverachtenden Facebookpostings kritisiert habe. Man hätte mir angeblich meine Wut angemerkt, hieß es. Dem möchte ich nicht widersprechen.
War nach der Predigt 2023 sofort klar, dass du eine zweite machen möchtest beziehungsweise machen darfst?
Florian Herrnleben: Die Veranstalter um AGIL haben mir unmittelbar nach der Fastenpredigt mitgeteilt, dass ich noch mal darf, wenn ich mag. Und für mich war es dann eigentlich auch klar.
Mit welchen Themen wirst du dich in der Predigt 2024 beschäftigen, was waren die größten städtischen Aufreger?
Florian Herrnleben: Es ist so viel passiert, dass ich Sorge habe, den zeitlichen Rahmen wieder komplett zu sprengen. Beim letzten Mal wurden aus 90 Minuten am Ende fast 150. Wer sich das Jahr über für lokalpolitische Geschehnisse interessiert, wird bei den meisten Themen nicht überrascht sein. Natürlich halt ich mir auch gern ein paar Überraschungen bereit.
Wer bekommt warum den größten Anteil in der Predigt?
Florian Herrnleben: Ich versuche es wieder ausgewogen zu gestalten. Beim letzten Mal war ich deshalb so angespannt, dass ich vorher Pointen gezählt habe, damit sich hinterher keiner beschwert. Das spare ich mir dieses Mal in gewisser Selbstsicherheit.
Wer kommt am schlechtesten weg?
Florian Herrnleben: Oft fühlt es sich für Politiker so an, als wären genau sie am schlechtesten weggekommen. Das ist aber Quark. Um keinen Politiker hier dreht sich die Welt derart, dass er es verdient hätte.
Wirst du auf den neuen Bischof eingehen?
Florian Herrnleben: Als ob es an der katholischen Kirche irgendetwas zu kritisieren gäbe…
Wie reagieren Politikerinnen und Politiker, wenn du ihnen zufällig, etwa auf der Straße, begegnest?
Florian Herrnleben: Die Fastenpredigt ist letztlich ein Job, den ich möglichst gut zu erledigen versuche. Genauso wie die Glossen- und Kolumnenschreiberei. Damit eckt man aber naturgemäß an, weil man seinen Job sonst wahrscheinlich auch nicht gut machen würde. Die meisten Politiker können das schon entsprechend einschätzen. Die wenigen Einzelfälle, die mich komplett meiden oder gar torpedieren, halte ich in ihrem Politikerdasein für komplett ungeeignet.
Wer von ihnen wird im Publikum sein?
Florian Herrnleben: Ich hoffe doch, möglichst viele.
Bei Fastenpredigten gilt: Wer nicht vorkommt in der Predigt, ist unwichtig. Wer kommt 2024 nicht vor?
Florian Herrnleben: Vielleicht lasse ich den Stieringer einfach mal komplett raus. Ich hatte das letztes Jahr schon vor und habe seine Eskapaden, über die man auch zwei Stunden hätte reden können, dann als Kompromiss nur in die letzten 15 Minuten gepresst.
In welche Abgründe blickt man, wenn man sich, wie du, jahrelang mit Bamberger Lokalpolitik beschäftigt? Was läuft in der Stadt so richtig falsch?
Florian Herrnleben: Die Politik hier ist sicher nicht abgründiger als woanders. Was mich massiv stört, und das fällt mir in Bamberg extrem auf, ist der Umgang mit Fehlern und Skandalen. Es wird billigst geschwurbelt, kaum jemand steht mal zu Fehlern, üblicherweise und fast schon traditionell schießt man hier lieber gegen Presse und Journalisten.
Was läuft auf der anderen Seite gut?
Florian Herrnleben: Das Amt für Bürgerbeteiligung samt Pressestelle muss hier teils Unmenschliches leisten, um alle Fehlleistungen glatt zu kommunizieren. Dafür größten Respekt.
Ein gesamtgesellschaftliches Gefühl bezüglich der Politik lässt sich derzeit sicherlich als Frustration, Enttäuschung oder Verdruss beschreiben. Kennen du und Bruder Udalrich solche Gefühle oder schafft ihr es, den politischen Betrieb nur unter Gesichtspunkten der kabarettistischen Verwertbarkeit zu sehen?
Florian Herrnleben: Vieles hängt doch zusammen. Themen, die polarisieren, die auch mich aufregen, die frustrieren, taugen oft auch für die Kabarettbühne. Natürlich bin ich immer aber auch auf der Suche nach den vermeintlich kleinen, aber umso mehr absurden Geschichten.
Ist Bruder Udalrich neutral, soll heißen, teilt er gegen alle Parteien gleich gerne aus, oder gibt es eine, bei der es ihm mehr Spaß macht draufzuhauen als bei anderen?
Florian Herrnleben: Besonderen Spaß macht es bei keiner Partei. Ansonsten streue ich schon gern auch einfach immer mal Salz nach.
Kann die Predigt Zustände verändern oder verbessern oder muss sie sich mit einer kommentierenden Rolle begnügen?
Florian Herrnleben: Ich glaube schon, dass solche Veranstaltungen insgesamt verändern können. Direkt oder auch und vor allem indirekt. Es hat ja für Politiker hoffentlich gewissen Lerneffekt. Man darf aber nicht zu viel erwarten, denn man steht ja auch für die zweite Reihe, sprich „fürs Volk“ zur Unterhaltung auf der Bühne.
Denkst du schon an die Predigt 2025? Könnte es eine erneute Rückkehr von Bruder Udalrich geben?
Florian Herrnleben: Eins nach dem anderen. Ich bin im Unterschied zu anderen Fastenpredigern nicht auf Lebenszeit gesetzt. Ich entscheide das frühestens am 17. Februar um 23:30 Uhr.