In seiner neuen Stadtecho-Kolumne gedenkt Florian Herrnleben einiger städtischer Veränderungen in Bamberg der letzten Jahrzehnte. Und sieht mit Bahnstrecke und Schlachthof Parallelen
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Nix mehr, wie es mal war! Sapperlot!
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne gedenkt Florian Herrnleben einiger städtischer Veränderungen in Bamberg der letzten Jahrzehnte. Und sieht mit Bahnstrecke und Schlachthof Parallelen zu heute.
Wie soll man sich in dieser Stadt noch zurechtfinden, wo sich die Welt schneller um ihren eigenen Nabel dreht als anderswo.
Mit dem Niedergang des Honer ging es in meiner Erinnerung los. Ich denke noch an die Zeiten – es muss Ende der 1980er-Jahre gewesen sein – als man im Untergeschoss noch lebensmitteltechnisch nahversorgt wurde. Der Karstadt hieß damals noch Hertie und war schräg gegenüber, also hinter der Kirche Alt St. Martin, die damals – ich kann mich nicht mehr direkt erinnern – noch auf dem Maxplatz gestanden haben muss, mit Friedhof drumherum. Heute fristet der Maxplatz ein Dasein wie das oberste Parkdeck vom Atrium-Parkhaus, nur noch langweiliger.
Dem Spielwaren Korb an der Promenade hinterließen wir einen nassen Gesichtsmundnasenabdruck am Schaufenster. Rein gegangen sind wir nie, weil man immer sofort entgeistert von überraschten Mitarbeiterinnen angesprochen wurde, die auf uns Kinder wirkten, als würden sie uns am liebsten selbst formalingetränkt ins Puppenregal setzen. Eventuell war der aus dieser Angst potentieller Kundschaft resultierende wirtschaftliche Erfolg des Ladens letzten Endes der Grund, warum es an jener Stelle heute – unternehmerisch erfolgreicher – Granufink und Prostata forte für die inzwischen deutlich gealterten Kinder von damals gibt.
Und wo wir schon an der Promenade sind: Dieses für uns Kinder sonderbar wirkende Kreiswehrersatzamt, das, war man als Junge mit holden 18 Jahren dann zum ersten Mal zu Gast, innen ganz anders aussah, als man es sich vorgestellt hatte. Und mit „anders“ meine ich nicht „besser“. Es erstrahlt heute in etwas weißer und etwas blauer, ansonsten kaum verändert, als bürgerfreundliches Rathaus am ZOB. – Genau, der ZOB! – Den es ja auch noch nicht seit Kaiser Heinrich an der Stelle gab. Die mittelälteren Leser werden sich noch an die Zeit ohne den formschönen Plastikbau erinnern.
Und freilich! Gegenüber! Das Da-am-Eck-da, der Tabak- und Zeitschriftenladen links, dessen Geruch ich zugegebenermaßen schon gern mochte, und ganz hinten – den Gang entlang, dessen Geruch ich zugegebenermaßen nicht so gern mochte – die Frischfleisch‑, Frischfisch- und Frischkäsetheken. Niedergebrezelt von der Abrissbirne und ersetzt durch Nahversorger, die – wie soll man es positiv und in romantisch verblichener Erinnerung ausdrücken – heute definitiv massenkompatibler sind. Zumindest die Erinnerung an den Gang hinterwärts zur Fischtheke hat man in Form des kleinen Tunnels zwischen Promenade und Langer Straße am Leben erhalten. Und hinter der Langen Straße die Theatergassen, die es vor 40 Jahren so noch nicht gab, der Neubau am Stadttheater, der Spielplatz im Harmoniegarten, der damals ein Traum für uns gewesen wäre, ….
In Bamberg hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel verändert, nicht nur mit Blick auf den kleinen Radius, den ich beschrieben habe.
Nun wird halt die Bahn unweigerlich ihre Schneise durch den Bamberger Osten ziehen und das Stadtbild massiv verändern. Über das nette Gefühl hinaus, dass wir ungefähr mitreden durften, wird es weniger Vorteile als Nachteile mit sich bringen. Und auch mit dem Schlachthof wird es bekanntermaßen nicht so weitergehen wie gehabt.
Bamberg verändert sich, mal zum Positiven, mal zum Negativen, aber jedenfalls ständig. Oft weiß man erst Jahre oder Jahrzehnte später, ob es sinnvoll, erfolgreich oder Quark war, aber meist gibt’s jetzt schon Geschrei von den einen, denen es nicht schnell genug geht. Und den anderen, die lieber alles so beibehalten würden. Sapperlot! Nix ist mehr, wie es mal war!
Ihr Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über seine Fastenpredigt
Am 17. Februar fand zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trug sie Florian Herrnleben, alias Bruder Udalrich, vor. In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne zieht er Bilanz seines Auftritts und erklärt, warum es aus seinem Bierkrug dampfte.
Meine Fastenpredigt 2024 ist vorbei. Die Anspannung war immens: Passt der Text? Ist es zu viel oder zu wenig, zünden alle Pointen? Treffen sie die Richtigen? Stimmt die Gewichtung zwischen den einzelnen Figuren auf dem Schachbrett der Lokalpolitik?
Neben all diesen inhaltlichen Fragen geht es für einen Mann der hiesigen Öffentlichkeit, also jemanden wie mich, auf den ganz Bamberg, ach was, Bayern und die Welt, in den Stunden der Predigt schaut, auch um eine zweite Dimension: Der Auftritt als solches in Kutte muss stimmen. Das Zeigen von Schwäche, von jeglicher Unsicherheit muss mit allen Mitteln verhindert werden. Niemand darf im Lauf des Abends an der Souveränität des Fastenpredigers Zweifel hegen: Die Politikerinnen und Politiker, die jedes Wackeln sofort als Bestätigung ihrer eigenen Rechtsauffassung auslegen würde. Und mögliche Anwärterinnen und Anwärter auf den Platz in der Kanzel ebenso, die nur darauf warten, den richtigen Moment abzupassen, um selbst die städtische Meinungshoheit zu erlangen.
Es lief gut an. Das Lied über die Fengshui-Steine der Stadtbau zündete, spätestens beim kleinen Schimpf auf den städtischen Parküberwachungsdienst hatte ich das Publikum auf meiner Seite. Der Bühnenprofi weiß: Das war ein souveräner 2:0‑Vorsprung in der 10. Minute, den man normalerweise gut über die Zeit retten kann, wenn…
Ja, wenn einen nicht plötzlich die Stimme auskontert. Einmal, dann ein zweites Mal. Leichtes Kratzen zuerst, dann kurz mal ein Wegbleiben des Tons beim Sprechen.
Meine mir Getreuen waren – perfekte Vorbereitung ist ja alles – umfassend instruiert für mögliche Notfälle auf der Bühne, die sie diskret zu lösen hätten. Für den Fall von plötzlichen Hals- oder Stimmproblemen hatte ich eine Thermoskanne mit Tee in meiner Garderobe positioniert. Diese über Jahrhunderte und Generationen weitergegebene Spezialmischung würde in solchen brenzligen Situationen zuverlässig und schnell helfen, wusste ich. Und diese brenzlige Situation war nun gekommen, die Helfer reagierten schnell. Aber sie reagierten leider falsch.
Ich meine, ich habe im Vorfeld extra noch belehrt: Nehmt den Steinkrug von meiner Kanzel, geht bitte mit ihm raus, schenkt im Backstage etwas aus meiner geheimen Spezialmischung hinein und bringt ihn mir wieder. Niemand würde es merken, war ich mir sicher. Der Fastenprediger trinkt halt viel Bier, würden alle Zuschauer denken. Das passt ins Image!
Nun. Es ging schief. – Der Moment, wo dir vor den Augen von über 500 Zuschauerinnen und Zuschauern dampfender Tee in deinen vermeintlich mit Bier gefüllten Steinkrug gegossen wird, ist kein schöner. Das über Jahre aufgebaute Image war innerhalb weniger Sekunden zerstört. Aus dem schonungslosen Kabarettisten war ein Salbeiseichtling geworden. Fataler wäre wahrscheinlich nur gewesen, auf der Bühne eine Gemüsebrühe zu schlürfen.
Der stadtbekannte Kabarettist, der bekanntermaßen scharfzüngige Kolumnist: Aus den eigenen Reihen komplett düpiert, und nun auf Ewig gebrandmarkt als derjenige, der dem markanten Hopfen die brave Kamille vorzieht. Wer soll mich jemals wieder ernst nehmen?
Immer und immer wieder wird man jenen 17. Februar 2024 aus dem Gedächtnis kramen, als ich, Bambergs kaum tastbarer Kabarettist, seine Unantastbarkeit verlor, weil es aus dem Steinkrug, aus dem es herausschäumen sollte, minutenlang nur kläglich dämpfelte. Der größte Special-Effekt des Abends: Eine Pyrotechnik des Grauens, gut sichtbar für alle übertragen auf große Leinwand und Fernseher.
Okay, die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, aber nur damit es klar ist: Mein Hals ist wieder top! Das war nur ein kurzes, kleines Kratzen!
Ihr Florian Herrnleben
Florian Herrnleben
Fastenpredigt: Bruder Udalrich kehrt zurück
2024 findet zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trägt sie Bruder Udalrich, alias Florian Herrnleben, vor.
Am 17. Februar wird Florian Herrnleben, Kolumnist, Puppenspieler und schonungsloser Kommentator der Bamberger Politik, als Bruder Udalrich im Welcome Kongress Hotel die politische Klasse auf kabarettistische Art und Weise an ihre Verfehlungen des zurückliegenden Jahres erinnern. Ein Jahr, das erneut einige Inspiration für solch eine Predigt geliefert hat, als Beispiel nennt der Prediger, ohne zu viel zu verraten, die Feng-Shui-Steine bei der Stadtbau, das Haus in der Benzstraße, die Diskussion um die Friedrichstraße und den Schlachthof. Wir haben mit Florian Herrnleben auf sein Debüt zurückgeblickt und über die kommende Predigt gesprochen.
Wie sahen die Rückmeldungen aus der Politik auf deine Predigt 2023 aus: War jemand beleidigt? Beziehungsweise aus welcher Richtung kam das meiste Lob?
Florian Herrnleben: Die Reaktionen der Anwesenden waren durchweg positiv. Oder es hat sich niemand etwas anmerken lassen. Die, die beleidigt gewesen wären, waren schon vorher beleidigt und gar nicht erst da. Wäre aus einer Richtung besonders viel Lob gekommen, hätte ich mir Gedanken machen müssen.
Wie hat der Veranstalter AGIL reagiert?
Florian Herrnleben: Ich war als neuer Prediger und Nachfolger von Arnd Rühlmann sicher ein kleines Überraschungspaket. Für AGIL bedeutet das immer einen gewissen Spannungsmoment. Ich glaube aber, ich hab die Erwartungen einigermaßen erfüllt.
Wie hast du die Predigt empfunden?
Florian Herrnleben: Ich hab das schon öfter gesagt: Es war einer der Top-5-Auftritte meiner Karriere. Vor heimischem Publikum, für viele Zuschauer nach so langer Coronapause die erste Veranstaltung, nach den ganzen Skandalen, für deren Aufploppen ich – mal mehr, mal weniger – mitverantwortlich war. Es war ein Abend, den ich gerne und gut in Erinnerung halte.
Was möchtest du diesmal anders oder besser machen?
Florian Herrnleben: Es gibt in der Nachbetrachtung immer Dinge, die man vielleicht besser hätte machen können. Aber das lässt sich gar nicht vermeiden. Man hat eine Idee, seinen Text, seine Bühnenerfahrung, keine wirkliche Probe oder Vorpremiere, stellt sich vor mehr als 500 Zuschauer und hofft, dass mehr funktioniert als schief geht. Ich freue mich, wenn das im Februar wieder genauso ist.
An welcher Stelle wurde am meisten gelacht? Bei welcher war es eher still im Saal?
Florian Herrnleben: Ich erinnere mich immer wieder gern an zwei Stellen meines Programms: Das war zum einen der erste Zwischenapplaus nach wenigen Sekunden auf der Bühne, als ich meinte, dass wir heute wegen der vielen Skandale leider Überstunden machen müssten. Zum anderen wurde ich im Nachgang auf die Stelle angesprochen, als ich die damaligen CSU-Funktionäre wegen ihrer menschenverachtenden Facebookpostings kritisiert habe. Man hätte mir angeblich meine Wut angemerkt, hieß es. Dem möchte ich nicht widersprechen.
War nach der Predigt 2023 sofort klar, dass du eine zweite machen möchtest beziehungsweise machen darfst?
Florian Herrnleben: Die Veranstalter um AGIL haben mir unmittelbar nach der Fastenpredigt mitgeteilt, dass ich noch mal darf, wenn ich mag. Und für mich war es dann eigentlich auch klar.
Mit welchen Themen wirst du dich in der Predigt 2024 beschäftigen, was waren die größten städtischen Aufreger?
Florian Herrnleben: Es ist so viel passiert, dass ich Sorge habe, den zeitlichen Rahmen wieder komplett zu sprengen. Beim letzten Mal wurden aus 90 Minuten am Ende fast 150. Wer sich das Jahr über für lokalpolitische Geschehnisse interessiert, wird bei den meisten Themen nicht überrascht sein. Natürlich halt ich mir auch gern ein paar Überraschungen bereit.
Wer bekommt warum den größten Anteil in der Predigt?
Florian Herrnleben: Ich versuche es wieder ausgewogen zu gestalten. Beim letzten Mal war ich deshalb so angespannt, dass ich vorher Pointen gezählt habe, damit sich hinterher keiner beschwert. Das spare ich mir dieses Mal in gewisser Selbstsicherheit.
Wer kommt am schlechtesten weg?
Florian Herrnleben: Oft fühlt es sich für Politiker so an, als wären genau sie am schlechtesten weggekommen. Das ist aber Quark. Um keinen Politiker hier dreht sich die Welt derart, dass er es verdient hätte.
Wirst du auf den neuen Bischof eingehen?
Florian Herrnleben: Als ob es an der katholischen Kirche irgendetwas zu kritisieren gäbe…
Wie reagieren Politikerinnen und Politiker, wenn du ihnen zufällig, etwa auf der Straße, begegnest?
Florian Herrnleben: Die Fastenpredigt ist letztlich ein Job, den ich möglichst gut zu erledigen versuche. Genauso wie die Glossen- und Kolumnenschreiberei. Damit eckt man aber naturgemäß an, weil man seinen Job sonst wahrscheinlich auch nicht gut machen würde. Die meisten Politiker können das schon entsprechend einschätzen. Die wenigen Einzelfälle, die mich komplett meiden oder gar torpedieren, halte ich in ihrem Politikerdasein für komplett ungeeignet.
Wer von ihnen wird im Publikum sein?
Florian Herrnleben: Ich hoffe doch, möglichst viele.
Bei Fastenpredigten gilt: Wer nicht vorkommt in der Predigt, ist unwichtig. Wer kommt 2024 nicht vor?
Florian Herrnleben: Vielleicht lasse ich den Stieringer einfach mal komplett raus. Ich hatte das letztes Jahr schon vor und habe seine Eskapaden, über die man auch zwei Stunden hätte reden können, dann als Kompromiss nur in die letzten 15 Minuten gepresst.
In welche Abgründe blickt man, wenn man sich, wie du, jahrelang mit Bamberger Lokalpolitik beschäftigt? Was läuft in der Stadt so richtig falsch?
Florian Herrnleben: Die Politik hier ist sicher nicht abgründiger als woanders. Was mich massiv stört, und das fällt mir in Bamberg extrem auf, ist der Umgang mit Fehlern und Skandalen. Es wird billigst geschwurbelt, kaum jemand steht mal zu Fehlern, üblicherweise und fast schon traditionell schießt man hier lieber gegen Presse und Journalisten.
Was läuft auf der anderen Seite gut?
Florian Herrnleben: Das Amt für Bürgerbeteiligung samt Pressestelle muss hier teils Unmenschliches leisten, um alle Fehlleistungen glatt zu kommunizieren. Dafür größten Respekt.
Ein gesamtgesellschaftliches Gefühl bezüglich der Politik lässt sich derzeit sicherlich als Frustration, Enttäuschung oder Verdruss beschreiben. Kennen du und Bruder Udalrich solche Gefühle oder schafft ihr es, den politischen Betrieb nur unter Gesichtspunkten der kabarettistischen Verwertbarkeit zu sehen?
Florian Herrnleben: Vieles hängt doch zusammen. Themen, die polarisieren, die auch mich aufregen, die frustrieren, taugen oft auch für die Kabarettbühne. Natürlich bin ich immer aber auch auf der Suche nach den vermeintlich kleinen, aber umso mehr absurden Geschichten.
Ist Bruder Udalrich neutral, soll heißen, teilt er gegen alle Parteien gleich gerne aus, oder gibt es eine, bei der es ihm mehr Spaß macht draufzuhauen als bei anderen?
Florian Herrnleben: Besonderen Spaß macht es bei keiner Partei. Ansonsten streue ich schon gern auch einfach immer mal Salz nach.
Kann die Predigt Zustände verändern oder verbessern oder muss sie sich mit einer kommentierenden Rolle begnügen?
Florian Herrnleben: Ich glaube schon, dass solche Veranstaltungen insgesamt verändern können. Direkt oder auch und vor allem indirekt. Es hat ja für Politiker hoffentlich gewissen Lerneffekt. Man darf aber nicht zu viel erwarten, denn man steht ja auch für die zweite Reihe, sprich „fürs Volk“ zur Unterhaltung auf der Bühne.
Denkst du schon an die Predigt 2025? Könnte es eine erneute Rückkehr von Bruder Udalrich geben?
Florian Herrnleben: Eins nach dem anderen. Ich bin im Unterschied zu anderen Fastenpredigern nicht auf Lebenszeit gesetzt. Ich entscheide das frühestens am 17. Februar um 23:30 Uhr.
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über: Hinter den Gleisen
In Bamberg gibt es soziale Unterschiede je nach dem, auf welcher Seite der Bahngleise man lebt. In seiner neuen Stadtecho-Kolumne wünscht sich Florian Herrnleben mehr Wertschätzung für die Stadtteile „Hinter den Gleisen“.
In der Gereuth klirren die Scheiben, im Bamberger Norden riechen die Menschen wahlweise nach Schlachtabfällen oder Müllheizkraftwerk, am Cherbonhof hausen die Ökos in Zelten aus Rupfensäcken, in der Innenstadt, die voll ist mit Studenten, fahren alle nur noch mit Lastenfahrrädern. Und hinter die Gleise, da zieht nur hin, wer komplett geschmacksfrei gar nix auf sich hält. Mit Vorurteilen und Klischees, da sparen wir nicht. Wir kennen uns in unserem Bamberg aus, meinen wir, samt jeweils gepachteter Wahrheit!
Der Sozialstrukturatlas, den das Rathaus seit 2021 jährlich veröffentlicht, gibt einen kleinen Einblick in die unterschiedlichen Stadtteile und versucht – zumindest hinsichtlich der sozialen Struktur –, den gefühlten Wahrheiten fundierte Fakten zu entgegnen. Die Daten aus dem über hundertseitigen Dokument, können – so die wohlklingende Einleitung – für die städtische Pflegebedarfsplanung, die städtische Bedarfsplanung der Jugendsozialarbeit an den Schulen, das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept und für vieles mehr – betont – gewinnbringend genutzt werden.
Können, aber nicht müssen. Niemand dürfte nach Blick ins Zahlenwerk (geht notfalls auch ohne Blick, nur mit den eigenen, gefühlten Wahrheiten) das Bamberger West-Ost-Gefälle verkennen, das so mancher – der Baureferent würde sagen: „privilegierte“ – Mitbürger naserümpfend von Insel und Berg aus als „dort hinterm Bahnhof“ bezeichnet. Die Wahrheit zum Bamberger Osten ist nicht schön. Aber hausgemacht.
Natürlich zielen der Bericht und seine Ergebnisse primär auf Weiterentwicklung im Sozialbereich. Aber hängt nicht alles immer zusammen? Also Kultur- und Sportangebote, vor allem Wertschätzung?
Während Jahr für Jahr Millionen in die so oft zitierten Leuchttürme gepumpt werden, die die Insel mit Theater und Symphoniker und das Berggebiet mit den Museen strahlen lassen, scheut man sich im Osten vor dem großen Wurf. Man malert sogar lieber ein weiteres Mal am schmucken Alten Rathaus herum, bevor man zumindest den kleinen Wurf mit der Reithalle als Kulturzentrum im Osten angeht. Die Bedenkenträger hinsichtlich möglicher Betriebskosten scheinen aktuell am lautesten.
Dabei wäre eben jenes engagierte Angehen von Kultur ein erstes Signal in den Osten der Stadt, der – sagen wir es diplomatisch – vor budgetierten Kultureinrichtungen eher nicht strotzt. Für einen Stadtrat, der auch dem Stadtteil hinter den Gleisen verpflichtet ist, dürfte sich die Frage nach der Notwendigkeit spätestens nach einem Blick auch in den Sozialstrukturatlas auch nicht mehr stellen. Stattdessen hangelt man sich alibimäßig vom Planen einer Machbarkeitsstudie zur nächsten Machbarkeitsstudie und wieder zurück, spielt Hütchen zwischen Post- und Reithalle, und besänftigt so den bevölkerungsreichsten Stadtteil, der kulturell seit Jahrzehnten defacto nicht mehr stattfindet. Und renoviert stattdessen lieber weiter Rathäuser diesseits der Gleise.
Bambergs Teil „Hinter den Gleisen“ ist zu groß, als dass es sich die Volkshochschule im E‑Werk leisten könnte, nur in Richtung Insel zu schauen. Bambergs Teil „Hinter den Gleisen“ ist auch zu groß, um dem Stadttheater zuzugestehen, dass es künstlerisch nur an Wirkungsstätten ergiebig sein kann, wo E.T.A. Hoffmann persönlich schon getobt hat. Und die Symphoniker dürfen gern auch mal mit ihrem Bus auf die Stadionwiese fahren.
Mit aktiver, echter Wertschätzung seitens der Politik ginge es los, Investitionen müssen folgen, die satten städtischen Institutionen dürfen mithelfen und wir alle arbeiten jetzt schon an unseren Vorurteilen, um rechtzeitig zu sagen: „Hinter den Gleisen, da ist die Szene, da wollen wir hin!“
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über den BAMBERG-Schriftzug
Was machte der beliebte BAMBERG-Schriftzug in Hallstadt? Florian Herrnleben gibt in seiner neuen Stadtecho-Kolumne Auskunft.
Es passieren Dinge in unserer Stadt. Geheimnisvolle Dinge. Überstunden, die es nicht gab, aber abgerechnet wurden, linksdrehende Schwingungen in der Stadtbauzentrale, die ohne modischen Fengshui-Steinplattenteller im Keller nun rechtsdrehen, mysteriöse Luftnummern namens Sandmann und Hausdörfer in den sozialen Medien. Über vieles haben wir gesprochen, konnten aber nicht alles aufklären.
Neuestes Geschehnis: Der beliebte BAMBERG-Schriftzug, der tausendfach fotografierte Fotopoint, stand plötzlich nicht mehr am Maxplatz. Auch am Schönleinsplatz, wo er doch groß angekündigt hätte überwintern sollen, war er nicht auffindbar.
War er geflohen aus der öden Tristesse der Maxplatzschen Betonwüste? War es ihm umgekehrt zu voll am Schönleinsplatz, seinem Winterquartier, im Sperrmüllabholungsflair zwischen Reiter, Hexenmahnmal, Schönleinsbüste, Brunnen und Stromkästen? War er gar entführt worden von Schiffstouristen, die inzwischen damit auf und davon den Main runter über alle Berge zu sein drohten?
Nach wenigen Stunden: Erleichtertes Aufatmen. Man hatte ihn wiedergefunden, die Bamberger Facebookwelt überschlug sich vor Freude, aber auch vor Erstaunen. Der BAMBERG-Schriftzug stand bridschäbraad an einem Ort, wo man alles vermuten würde, aber keinen BAMBERG-Schriftzug. An einer Stelle, wo man „Bamberg“ mindestens ungern ausspricht, und wenn man es zu laut ruft, vom Blitz erschlagen wird.
Und zwar (denken Sie sich an dieser Stelle des Textes bitte spannungsgeladene Musik!) in Hallstadt!
Wenige hundert Meter hinter der Stadtgrenze auf dem Parkplatz eines Bodenbelaggeschäfts standen die überdimensionalen Lettern. Friedlich, fast unschuldig, ein wenig versteckt in ihrem urwaldigbunten Tarnfarbenlook vor den Schaufenstern der dortigen Gewerbeansiedlung.
Die Gerüchteküche brodelte, wildeste Spekulationen nahmen ihren Lauf. Hatten die Hallstadter den Schriftzug entwendet und würde ihn Starke persönlich bei Bürgermeister Söder mit einem Kasten Bier auslösen müssen? Oder wollten die Bamberger Fakten schaffen und dem albernen Treiben dieser Zwergensiedlung im Norden unserer wunderschönen und einzig wahren Stadt durch ein klares Statement ein Ende bereiten?
Alles falsch! – Aber zum Glück habt ihr mich, den Oberrecherchewachtmeister über Recht und Ordnung in Bamberg. Aufgepasst! Die Geschichte geht folgendermaßen:
Die Reinigungsfachkraft, die hinten immer übern Maxplatz feudelt, hat den Schriftzug ein wenig auf die Seite geschoben. Halben Meter nur, es war zwischenzeitlich nämlich staubig drunter. Sie kennen das, wie daheim unterm Sofa. Aber vor Weihnachten sollte halt noch mal geputzt werden. Beim Zurückschieben jedenfalls hat sie aber die Buchstaben durcheinandergebracht. Nicht mehr BAMBERG, es stand plötzlich AMGBREB da. Der Reinigungsfachkraft kam zwar irgendetwas komisch vor, aber wie es halt so ist… Feierabend, Überstunden sind nicht drin, eingekauft werden musste auch noch.
Der nächste Morgen. Vögelein zwitscherten, unser Andi – frisch rasiert im Bademantel auf seinem Balkon am Rathaus am Maxplatz – setzte zu seiner täglichen Rede zum Volk an, aber stutzte beim Blick hinunter auf Bambergs Platz der Plätze. „A‑M-G-B-R-E‑B?!“ las er. „A‑M-G-B-R-E‑B…?!?!?“ – „Was soll das denn?! Räumt das weg!“, rief er seinem Hofstaat zu. „Wohin denn?!“, fragte man. „Was weiß ich, parkt das halt irgendwo!“
Parken, Parkplatz… man hat was missverstanden und suchte nach einem freien Parkplatz. Und weil in Bamberg wegen der Grünen gar keine, also absolut gar keine Parkplätze mehr existieren und die Lastenfahrradparkplätze zu klein sind für große Buchstaben, fuhr man stadtauswärts. Und fuhr. Immer weiter gen Norden. Und so landete der Schriftzug auf dem ersten freien Parkplatz, tatsächlich außerhalb der Bamberger Stadtgrenze.
Wer sie dort allerdings wieder richtig zusammengesetzt hat, das bleibt ein Rätsel. Es passieren halt geheimnisvolle Dinge in unserer Stadt.
Ihr Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über die Mitarbeiterbefragung
Jüngst gab es eine Mitarbeiterbefragung im Rathaus. In seiner Stadtecho-Novemberkolumne freut sich Florian Herrnleben über ihr positives Ergebnis.
Brückenneubauten, endgültige Straßenverkehrsmalereien, Maxplatzneugestaltung… Die Aufzählung ließe sich nahezu unendlich fortsetzen, denn in Bamberg dauert vieles sehr lange oder zumindest länger als erwartet.
Seit Mitte Oktober ist nun das Ergebnis der langersehnten Mitarbeiterbefragung da! Endlich! Auch unseren Oberbürgermeister hält es vor Begeisterung kaum auf dem Drehstuhl: „Resonanz und die Ehrlichkeit haben mich sehr beeindruckt“, verkündet er in einer Rundmail an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, verbunden mit dem festen Ziel, „deutlich an der Zufriedenheitsschraube und damit der Motivation, dem Engagement und dem Teamgeist der Mitarbeiter zu drehen.“
Was klingt, wie das zusammengestöpselte Best-of aus dem Buch „Mitarbeitermotivation für Dummys“, entspringt seiner festen Überzeugung, dass nun ein guter – nein, ich zitiere noch mal – „ein sehr guter Zeitpunkt“ war, eine genaue – nein, sorry – eine „ganz genaue Untersuchung“ vorzunehmen.
Die große Erleichterung des OB wird spürbar beim Lesen seiner Mail.
Da hätte so viel schief gehen können, oder noch schiefer. Bei den Fragen, bei den Antworten, allein beim Zeitpunkt der Umfrage. Man stelle sich beispielsweise vor, der Zufriedenheitscheck wäre schon kurz nach dem ersten Antrag durchgeführt worden, also im Jahr 2018, als sich das Mitarbeiterfeld im Rathaus noch teilte in „Mit Überstundenpauschalen“ und „Ohne Überstundenpauschalen“ oder „Mit Boni“ und „Ohne Boni“.
Damals forderte die CSU-Fraktion bereits jene Evaluation im Rathaus, offenkundig wahrscheinlich nicht deshalb, weil man hinterher mit den bestgelauntesten Sonnenscheinchen unter den Rathausmitarbeitern besonders angeben wollte. Man vernahm – deutlich hörbar – eine gewisse Unzufriedenheit.
Dem etwas kleinlichen Hin und Her zwischen Rathaus und CSU-Fraktionen in den damals folgenden Monaten lässt sich vieles entnehmen, aber den Eindruck, dass der OB dringend an dieser oder irgendeiner Zufriedenheitsschraube zu drehen für notwendig befunden hätte, erweckte er nicht.
Und es ist auch nachvollziehbar. Wenn man den Mitarbeitern im engsten Dunstkreis ein paar Überstundenpauschalen pro Monat und Bonis mehr als anderen bezahlt, kann man als Rathauschef schnell der festen Überzeugung sein, dass alle glücklich und zufrieden und Mitarbeiterbefragungen teurer Quatsch sind, deren Kosten man lieber wohin investiert? Richtig! In die Zufriedenheit der Mitarbeiter im eigenen, engsten Umfeld.
Im Sommer 2019 sondierte man zusammen mit dem Personalrat den Markt der Mitarbeiterbefragungsinstitute, summierte mal auf, wieviel Geld so eine Mitarbeiterbefragung kosten könnte und übergab die Anforderung in den Finanzsenat, damit man es dort mal für den Haushalt 2020 einplant. Und weil man – wie der OB nun kundtat – „die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nehmen und wissen“ möchte, tat man im Finanzsenat was? Richtig! Nix.
Und auch 2020, als man seitens des Stadtrats wieder nachfragte, was denn nun Stand der Dinge wäre mit der Mitarbeiterbefragung, zeigte der Finanzreferent, inzwischen sogar staatsanwaltschaftlich dafür bekannt, wie ernst er die Belange der (zumindest von besonderen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genommen hatte, beteuernd nach Bayreuth auf die Regierung, die auf keinen Fall die derartig freiwillige Leistung einer Mitarbeiterbefragung im Haushalt akzeptieren würde.
Im Jahr 2023, nach diversen – sagen wir es diplomatisch – Auffälligkeiten im Personalbereich der Stadt Bamberg und unter einem neuen Personalreferenten konnte die Mitarbeiterbefragung nun endlich angegangen werden. Der OB dankt herzlich, ist ganz beeindruckt von Resonanz und Ehrlichkeit und hat nun – Zeit wird’s! – ganz konkrete Rückmeldungen, um „deutlich an der Zufriedenheitsschraube und damit der Motivation, dem Engagement und dem Teamgeist der Mitarbeiter zu drehen“.
Sind wir mal froh! In Bamberg dauert’s halt manchmal länger.
Ihr Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Auf der Suche nach der Wünschelrute
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne fragt sich Florian Herrnleben, ob man bei all dem Einzelhandel-Sterben bald die Wünschelrute rausholen sollte.
Sommerpause zu Ende, endlich. Für jemanden wie mich, der nicht ruhig schlafen kann, wenn er nicht den nächsten Skandal im Rathaus oder neue Königstraßensandmänner am Horizont sieht, ist der August – inhaltlich üblicherweise auch als Sommerloch bezeichnet – relativ langweilig. War ja nix los in unserem sonst so unterhaltsamen Boni-Rechtsaufassungs-Fakeaccount-Städtchen.
Da flogen plötzlich dank unserer heimischen Presse läppische fünf- oder sechsstellige Verausgabungen der städtischen Stadtbau auf, die man dort für eingeflieste und wenig dekorative Hokus-Pokus-Gadgets sowie Wünschelrutenexperimente in den Büroräumen aus den Fenstern selbiger hinausgeworfen haben soll. Im Personalamt der Stadt lächelt man zwar nur müde über solche Summen und vor allem Methoden, denn für positive Vibes in der Belegschaft brauchte man im Rathaus bekanntlich nur ein Kreativteam für sehr, sehr eigenwillige Tarifrechtsinterpretationen. Aber das ist ein anderes Thema.
Was passiert, wenn keine überdurchschnittlich positiven Vibes am Arbeitsplatz herrschen, die dafür sorgen, dass Work-Life-Balance und Yin und Yang in maximalem Einklang für jeden potentiellen Arbeitnehmer stehen, kann man – auch so ein vermeintlich kleines Sommerlochsthema – in der Königstraße sehen. Eine alteingesessene Bäckerei kündigte das Ende des Ladengeschäfts im Lauf des Herbst an. Und das, obwohl man doch glauben könnte, dass gerade und direkt in unmittelbarer Nähe zum Headquarter des Stadtmarketings der Einzelhandel dank Events ganz besonders nachhaltig gestärkt worden sein müsste.
Aber die Rentabilität scheint auch im traditionsreichen Backwarenbetrieb nicht das primäre Problem zu sein. Wie bereits auch bei anderen Ladenschließungen und Geschäftsaufgaben steht „Personalmangel“ ganz oben auf der Liste der Gründe für das Aus. Ob jüngst in einem Metzger in der Wunderburg oder bereits vor einigen Monaten bei einem anderen in der Innenstadt, es fehlt an Personal oder Nachfolgern. Früh um 4 Uhr aufstehen zu müssen, um Brötchen zu backen, die dann die eine Hälfte der Kundschaft zu klein, die nächste Hälfte zu hart und die dritte Hälfte zu teuer findet, gehört offensichtlich nicht mehr zu den favorisierten Berufsfeldern der Zukunft mit vielversprechend großzügiger Work-Life-Balance.
Das Resultat: In der Sandstraße wirbt ein Metzger bereits wörtlich mit „ungewöhnlichen Geschäftszeiten“. Und am Sonntagnachmittag steht man neuerdings in Bamberg vorm verschlossenen Bierkellertor. Der Anfang vom Ende?
Wenn wir langfristig noch im lokalen Lebensmittelhandwerk einkaufen und unsere Freizeit in der heimischen Gastronomie verbringen möchten, reicht es nicht mehr, nur dort einkaufen oder essen zu gehen. Die dort tätigen Berufsfelder brauchen Anerkennung durch Politik, aber auch durch die Gesellschaft, damit sie wieder in den Fokus rücken und damit wieder interessant werden. Künstliche Intelligenz ist schön und recht, aber sie backt dir keine Hörnla, sie legt dir keine Scheibe Leberkäse aufs Kümmelbrötchen, sie plärrt nicht sympathisch von der anderen Seite der Theke vor, wenn der rheinländische Knaller vor dir in der Schlange zum drölfzigsten Mal nicht versteht, was ein Zwetschgenbames oder ein Ziebeleskäs ist.
Vielleicht sollte man mal bei der Stadtbau anfragen. Unter Umständen wäre so ein Kraftstein, so ein geomantisches Objekt, also ihr wisst schon, die runde Fliese halt, vielleicht wäre das die Lösung gegen den Personalmangel. Bodentief eingelassen hinter der Metzgers- und Bäckertheke? Vielleicht schafft es die notwendige Feel-Good-Aura gegen die Personalnot?
Ansonsten, so befürchte ich, brauchen wir bald auch so eine Wünschelrute und gehen damit im Stadtgebiet auf die wahrscheinlich erfolglose Suche – statt nach elektromagnetischen Wirrungen – nach heimischen traditionsreichen Bäcker- und Metzgereien.
Ihr Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Frohgemut in die Sommerpause
Die einladende Anmut des Brunnens am Obstmarkt und die anstehende Sommerpause haben Florian Herrnleben zu seiner neuen Stadtecho-Kolumne inspiriert.
Der Brunnen am Obstmarkt plätschert nach gefühlt hundert Jahren des Brunnenfachkräftemangels wieder fröhlich vor sich hin, die formschönen Rundbaumbänke am Grünen Markt sind montiert. Die Stadt präsentiert sich einladend, „Eintritt frei!“ ins neue Wellnesserbeparadies Bamberg. Wir können also ganz beruhigt in die Sommerpause schlittern, denn die wichtigsten, die dringlichsten Baustellen sind beseitigt. Oder sagen wir es so: Die größte bauliche Not ist gelindert, der Spaziergang zumindest immer im Kreis um Obstmarktbrunnen bis zum Gabelmann und wieder zurück mach Spaß.
Aber nicht nur aufenthaltsqualitativ hat sich einiges zum Positiven gewendet.
Aus diversen, weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Gründen, war es für mich in jüngster Vergangenheit sicherer, gewisse Gegenden und spezielle Veranstaltungen zu meiden. Insbesondere größeren SPD-Auflauf umschiffte ich großräumig. Das hat mich auch mein kleiner Ausflug zur Kreisversammlung der Bamberger Genossen im Sommer 2022 gelehrt. Die Bamberger SPD und ich, also meine Anwesenheit, wir passen seit den Skandalen (manche sagen: Gänsefüßchen-Skandalen-Gänsefüßchen) so gut zusammen wie Schäuferla und Ketchup. Wir koexistieren schweigend nebeneinanderher, kurzes „Hallo!“ bestenfalls, aber nur von den Ahnungslosesten, mehr war über die letzten Monate nicht drin. Unsere Stimmung war nach den kräftezehrenden Aufarbeitungen im Keller. Umgekehrt hab ich es aber auch nicht darauf angelegt, ausgerechnet in Mitten von im Grunde wahrscheinlich trotz allem ja im tiefsten Inneren liebenswerten Genossinnen und Genossen den Stadtkasperl zu spielen und Friede-Freude-Eierkuchen zu servieren.
Wie schnell es aber gehen kann, wenn man b(e)reit (im Sinne von „Genug Bier im Schädel“) ist, zeigte sich bei einer kleinen Privatveranstaltung der jüngsten Vergangenheit im Bamberger Landkreis. Ich nippte gemütlich an meinem Cola-Mix-Getränk, beobachtete das Geschehen. Dann, plötzlich! Ein kurzes „Komm, Herrnleben, jetzt hock dich zu uns her!“ von der einen, ein wenig Lebensmüdigkeit von der anderen, also meiner Seite, und schon saß ich drei oder vier Stunden lang bis dreiviertel 3 Uhr morgens am Biertisch mit hochrangigsten Stadt‑, Land- und Bundes-SPDlern. Aus dem grummeligen „Der hat mir heut‘ grad noch gefehlt!“ am Tisch wurde im Lauf des Abends ein kurzweiliges Miteinander auf Basis – das lässt sich leider nicht mehr ändern, da sind sie unbelehrbar – unterschiedlichster Rechtsauffassungen. Das Schöne ist nämlich: Diese eben auch sehr unterschiedlichen Rechtsauffassungen kann man dann auch mal Auge in Auge ausdiskutieren, abseits der sozialen Medien, deren größter Fan ich ansonsten ja bekanntermaßen bin. Da hocken links und rechts am Tisch Leute, die gewisse Ahnung haben, und diskutieren mit mir an der Stirnseite des Tisches, der Ahnung, aber gleichzeitig auch noch Recht hat. Das ist spannend, unterhaltsam, vor allem aber auch erhellend für alle Seiten. In den Stunden an jenem Sommerabend sind aus den buchstabigen Namen und eingefrorenen Socialmediaprofilfotos jeweils Gesichter mit Charakter geworden.
Das klingt aus meiner Feder vielleicht alles nun etwas arg aufgesetzt, ich möchte den Abend auch auf keinen Fall zu überschwänglich loben, denn wir haben ja kein neues Zeitalter eingeläutet. Die genossische Rechtsauffassung wurde ja auch nicht richtiger bei jener Festivität. Und ich bin mir auch sicher, es kommen neue Themen nach, die ich in gewohnter Weise abfeiern kann. Aber jetzt ist erstmal Erholung angesagt!
Und so können wir mit sprudelndem Brunnen am Obstmarkt, formschönen Bänken am Grünen Markt und viel, viel Liebe, ach naja, wir übertreiben mal nicht, einigem neuem Respekt zwischen Genossinnen und Genossen und mir in die wohlverdiente Sommerpause gehen.
Ihr Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Ey, Bamberg, was ist los mit dir?
In seiner neuen Stadtecho-Kolumne erkennt Florian Herrnleben sein Bamberg nicht wieder. Nicht ein Skandal in Sicht. Kann das wirklich sein?
Trotz verschiedenster, zumindest rhetorischer Versuche aus diversen Ecken, neue und große Skandale heraufzubeschwören, stehst du aktuell da wie der Gabelmann zu seinen besten Zeiten. Selbst die penetranteste Saatkrähe mit der Verdauung eines Durchlauferhitzers kann dir in deiner Souveränität nichts anhaben. Es läuft rund. Und alles andere wird gekonnt wegmoderiert.
Die Innenstadt, die nach einseitiger Sperrung der Kettenbrücke vom Stadtmarketing bereits dem sicheren Tod geweiht wurde, kann dem Onlinehandel seit Wochen erfolgreich trotzen, weil du den kleinen Umweg perfekt und nahezu für jeden motorisierten Individualverkehrsteilnehmer verständlich ausgeschildert hast.
Als dein Finanzsenat jüngst ein Haus entdeckt hat, das im Eigentum der Stadt größtenteils seit Jahren leer herumsteht, sprachen die ersten Stadträte schon von einem neuen Überstundenskandal. Zum Glück merkte sogar die Presse rechtzeitig, dass du auf dem Stadtgebiet mehr baufällige Immobilien besitzt als alle windigen Investmentpropertygermangroups in Bamberg zusammen. Wie langweilig.
Deine Untere Brücke hat nach rund 60 Jahren endlich ein Geländer angedübelt bekommen. Nicht schön, mittelbequem, sauteuer, man kann auch immer noch runterbollern, wenn man meint, mit 2,7 Promille auf der Brüstung tanzen zu müssen, aber bei Amtshaftungsfragen versteht der gemeine Stadtrat halt keinen Spaß. Und das – und da sind wir schon beim nächsten Punkt – obwohl du relativ gut gegen inhaltlich defizitäre oder juristisch mindestens wackelige Entscheidungen der Rathausoberschicht versichert zu sein scheinst. Man hätte es vielleicht riskieren können auf der Brücke, denn auch der Überstundenskandal hat sich dank Spendierfreudigkeit der Versicherungskammer Bayern – zumindest für den OB und seine Strafbefehlsgenossen – mit der einstimmigen Entscheidung im Personalsenat in Wohlgefallen aufgelöst.
Als mir dann plötzlich die Sitzungsvorlage des Mobilitätssenats vor die Füße flog, wo Pläne für eine Einbahnstraßenregelung der Friedrichstraße hineingeschmuggelt worden sein sollten, war ich mir sicher: Endlich haben wir einen neuen Skandal! Die Bagger würden eines Nachts anrücken wie damals im Hainbad und binnen weniger Stunden (das ist eigentlich der lustigste Witz in der ganzen Kolumne) die komplette Friedrichstraße, ach, was sag ich, die ganze Innenstadt zu Einbahnstraßen umbuddeln. „Heimlich, still und möglichst leise“, fluchte die Bürgerinitiative Bamberg.Gemeinsam.Mobil, bis herauskam, dass „heimlich“ und „öffentliche Sitzungsvorlage“ sowie „leise“ und „FT-Artikel“ eher widersprüchlich sind.
Wieder nix jedenfalls, wieder kein neuer Aufreger.
Ich musste es selbst in die Hand nehmen! Das tun, was mich seit Wochen und Monaten bekannt, berühmt, man möchte fast sagen, berüchtigt hat werden lassen. Aber was? – In diesem Moment schlug eine Pressemitteilung bei mir ein: Anwohnerausweise könnten nun online beantragt werden. Smartcity sei Dank! Online. Bei der Stadt Bamberg. Was so aufregend und unglaublich klang wie „Doppelt-ISDN“ Mitte der 90er, war meine Chance.
Ich klickte mich durch das Onlineformular, immer auf der Suche nach dem kleinen Fehler, der Lücke im System, die den Rathausserver oder wenigstens den Mitarbeiter, der mein ausgefülltes Onlineformular ausdrucken und abheften würde, um dann einen Ausweis zu laminieren, aus dem Konzept bringen und zu einem Fehler – dem verhängnisvollen Fehler 2023 – veranlassen müsste. Aber nix.
Meine letzte Hoffnung war, dass der Ausweis einfach nicht kommt und ich mich lautstark hier in der Kolumne beschweren könnte, natürlich auf Basis großer Verschwörungstheorien von der großen, dunklen Macht im Rathaus gegen den kleinen Herrnleben.
Aber keine drei Tage später lag der Ausweis im Briefkasten. Und das Geld wurde auf den Cent korrekt von meinem Konto abgebucht.
Ey, Bamberg, was ist los mit dir?
Dein Florian Herrnleben
Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben: Großes Lob für den Stadtrat!
Kann das sein? Florian Herrnleben lobt den Stadtrat? Seine neue Stadtecho-Kolumne gibt Aufschluss.
Nach all den städtischen Verfehlungen, herausgekramt durch die Presse und diverse Kleinstadtkabarettisten, ist es doch auch irgendwie mal beruhigend zu sehen, dass es diesmal der Stadtrat selbst war, der nach seinem Wandertag in den Bamberger Norden – fast irritiert und perplex – vom „Bombenalarm im Finanzsenat“ in der Größenordnung des Bonus-Skandals berichtete; völlig irritiert und perplex deshalb, weil man sich bei der Bewertung von Ungereimtheiten und der Einordnung von brisanten Themen auf Seiten unserer in den Stadtrat gesalbten Mitbürgerinnen und Mitbürger normalerweise nicht auf sich selbst, sondern immer eher darauf verlassen hat, ob schon etwas vorgekaut im FT oder wenigstens beim Herrnleben im Blog stand. Dass man ganz ohne externe journalistische Hilfe, … Super!
Ich fasse zusammen: Unsere allerbesten Stadträte haben bekanntermaßen ein vielen persönlich bis dahin doch eher unbekanntes Haus im Bamberger Norden, genauer gesagt in der Benzstraße, erkundet, das sich bei näherer Betrachtung und mit Blick auf die digitale Stadtkarte im Smartphone und das Grundbuch der Stadt plötzlich als städtisches Eigentum herauskristallisierte. Man hatte es – ganz begeistert – vor rund sechs Jahren selbst gekauft und dann…. Wie soll man es diplomatisch sagen? – Naja.…. irgendwie halt vergessen.
Kann passieren, wir kennen das! Da kaufst eine Immobilie mit schäbigen 4000 Quadratmetern Büro- und Lagerfläche und Zack! – Hat das Erinnerungsvermögen zwölf Bockbieranstiche später unter Umständen derart gelitten, dass du vielleicht mit Glück noch grob weißt, wo, aber halt nicht mehr, warum. Und so währte die Begeisterung für den überraschenden Immobilienfund nicht lange, sondern wich schnell dem Entsetzen, weil die 2‑Millionen-Immobilie noch gar nicht – wie 2017 werbewirksam im Sitzungsvortrag gewedelt – zur Entlastung des angespannten Bedarfs an Büroflächen für städtische Verwaltungen beiträgt. Sie wurde zwischenzeitlich auch nicht saniert oder anderweitig vermietet, sie stand schlicht und ergreifend die allermeiste Zeit und größtenteils leer.
Als dann auch noch ein Ratsherr von Google Maps direkt rüber auf die Taschenrechner-App wechselte, um hochzurechnen, was man mit dem Geld durch Vermietung von rund 4000 Quadratmetern Gewerbefläche in sechs Jahren an Grundschultoiletten hätte sanieren können, ist die Stimmung im Ratsgremium komplett gekippt.
Wir, die geneigten Beobachter lokalpolitischer – nennen wir es – „Kreativpolitik“, sind hingegen nach den diversen Stadtverwaltungsmangelproblemen der letzten Jahre nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen. Unsereins kippt nicht vom Stuhl bei solchen Paradoxien: Eine Stadtverwaltung, die jedem Wohnungseigentümer in der dritten Seitenstraße im 2. Obergeschoss bei der Neugestaltung der Holzfenster reinredet, selbst aber hinter hässlichsten Kunststofffenstern in Schlumpfblau haust, und ein Stadtrat, der die Bilder vom Nazibayerlein vor der eigenen Nase abhängt, aber bei der Straße lieber 88 Augen zudrückt, passen natürlich nur konsequent in eine Stadt, wo man dem überlangen Leerstand von privatwirtschaftlichen Immobilien mit Hilfe einer Zweckentfremdungssatzung den Kampf angesagt hat, während man sich selbst verhält wie der hässliche Bruder der German Property Group.
Apropos German Property Group: Beim Blick auf die Liste der leerstehenden städtischen oder stiftischen Immobilien wird wahrscheinlich sogar der ehemalige Geschäftsführer dieser windigen Immobilien-Investmentgesellschaft neidisch. Über 20 Adressen im Stadtgebiet mit mal mehr, mal weniger maroden Wohnungen, Häusern und Lagerhallen sind aufgeführt, natürlich auch die Immobilie in der Benzstraße.
„Ach?“ fragt ihr euch. „Zu diesen städtischen Immobilien, die leer stehen, gibt es eine Liste?“
Jo, klar! – Der Stadtrat hatte die auch. Seit Jahren. Also lieber doch erstmal nicht zu viel Lob…