Stadt­echo-Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben über dem Herrn­le­ben sei­ne Meinung

2 Min. zu lesen
Herrnleben
Foto: Florian Herrnleben
In sei­ner neu­en Stadt­echo-Kolum­ne macht sich Flo­ri­an Herrn­le­ben Gedan­ken über Spra­che. Es geht um die ver­schie­de­nen sprach­li­chen Fäl­le und denen ihr Erschei­nungs­bild in der hie­si­gen Umgangssprache.

Dass im frän­ki­schen Dia­lekt ger­ne auch mal Dativ, also der Wem-Fall, und Akku­sa­tiv, der Wen-Fall, im gemüt­li­chen All­tags­sprech ver­wech­selt wer­den, ist nichts Neu­es. „Des ghört mich“ hört man nicht sel­ten, wenn man nur weit genug aus Bam­berg hin­aus­fährt. Es sol­len umge­kehrt im frän­ki­schen Hin­ter­land auch schon Aus­sa­gen wie „Mir foähn nei dä Stood“ zu hören gewe­sen sein, damit sich – womög­lich fair­ness­be­dingt – der Dativ am Ende nicht über­flüs­sig vor­kommt. Den­noch scheint mir der Akku­sa­tiv gene­rell belieb­ter, denn nicht sel­ten trifft man auch den soge­nann­ten dop­pel­ten Akku­sa­tiv: „Gib mich moll den Hammer!“

Auch schön hei­mat­lich in mei­nen Ohren klingt es, wenn der gemei­ne Fran­ke nicht weiß, ob er „Du“ sagen darf oder lie­ber Sie­zen soll. Dann wech­selt er ger­ne höchst­di­plo­ma­tisch auf eine Form des guten, alten Plu­ra­lis Maje­s­ta­tis, den ich regel­mä­ßig beim Paket­zu­stel­ler mei­nes Ver­trau­ens bewun­dern durf­te. Man kennt sich ewig, man sym­pa­thi­siert für­ein­an­der, aber für ein „Du“ reicht es trotz­dem noch nicht. Und so lau­te­te sei­ne fast täg­li­che Ansa­ge, wenn ich – natür­lich allein – in der Woh­nungs­tür stand, um Pake­te ent­ge­gen­zu­neh­men: „Doh müsst ihr bit­te unner­schreibn.“ Ein ver­wirr­ter Blick links und rechts und hin­ter mich konn­te ihn nicht abhal­ten, mich wei­ter­hin – so heißt es qua­si offi­zi­ell – zu „ihr­zen“.

Noch woh­li­ger in den Ohren klingt es nur, wenn bei der per­sön­li­chen Anspra­che statt des „ihr“ die drit­te Per­son Sin­gu­lar zum Ein­satz kommt, also „er“ oder „sie“. Laut ein­schlä­gi­gen Infor­ma­tio­nen in die­sem Inter­net galt es ganz ursprüng­lich als die höf­lichs­te Form der Anre­de, wur­de aber mit der all­ge­mei­nen Ver­brei­tung des plu­ra­len „Sie“ eher zu einer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form zwi­schen Stan­des­hö­he­ren und Stan­des­nie­de­ren. Das passt bis heu­te. Bei­spiel aus Fran­ken gefäl­lig, wo man sich auch 2024 gern mal noch so anspricht? – Bis heu­te wer­de ich in der Stamm­wirt­schaft mei­nes Ver­trau­ens gefragt: „Mooch er aah ann Sempft zu die Wöschd?!“ (Auch hier, Sie haben es gemerkt, wie­der eine sehr libe­ra­le Akku­sa­tiv-Ver­wen­dung). Über die Rang­ord­nung in der Wirt­schaft brau­chen wir nicht wei­ter reden.

Was beim Spre­chen nie auf­fiel, aber auch nicht nur in Fran­ken – sagen wir – defi­zi­tär zum Ein­satz kommt, ist der Apo­stroph, im Spe­zi­el­len der soge­nann­te Dep­pen­apo­stroph. Die­ser wur­de nun – die Freun­de des Recht­schreib­rats dürf­ten es mit­be­kom­men haben – abge­schafft. Also teil­wei­se. Wenn man es aller­dings genau nimmt, wur­de er optio­nal zuge­las­sen. In ande­ren Wor­ten: Der Recht­schreib­rat hat sich der Mensch­heit gebeugt. Es ist den hohen Her­ren der Rich­tig­schreib­kunst – sagen wir es, wie es ist – künf­tig egal, was man über sei­ne Tür schreibt. Nun wer­den eini­ge zu Recht fest­stel­len, dass es dem Recht­schreib­rat schon immer herz­lich egal hät­te sein müs­sen, was man über sei­ne Tür schreibt. War es aber nicht. Erst jetzt darf Hans-Jörg ganz offi­zi­ell „Hans-Jörg’s Fahr­schu­le“ an sei­ne Fas­sa­de dübeln, ohne dass ein alter Deutsch­leh­rer mit dem Rot­pin­sel kor­ri­gie­ren darf.

Ein­fa­cher wur­de es dadurch aber beru­hi­gen­der­wei­se nicht, denn wäh­rend bis­lang jener Dep­pen­apo­stroph zur Besitz­an­zei­gung beim Geni­tiv (dem Wes­sen-Fall) grund­sätz­lich nicht zuläs­sig war, lässt der Recht­schreib-
rat künf­tig Eigen­na­men Eigen­na­men sein und regelt nur noch alles, was nicht auf Tür­schil­dern und Visi­ten­kar­ten ganz oben steht. Im flie­ßen­den Text darf jener Apo­stroph also wei­ter­hin nicht ste­hen. Der Satz „Hans-Jörg’s Fahr­schu­le heißt ‚Hans-Jörg’s Fahr­schu­le‘“ ist also falsch.

Dem Fran­ken ist das alles zum Glück herz­lich egal. „Dem Hans-Jörg sei­ne Fahr­schu­le“ klingt ja auch schön. Und der Dativ freut sich über die­sen ganz beson­de­ren Ein­satz zur Besitzanzeige.

Ihr Flo­ri­an Herrnleben
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