In seiner neuen Stadtecho-Kolumne macht sich Florian Herrnleben Gedanken über Sprache. Es geht um die verschiedenen sprachlichen Fälle und denen ihr Erscheinungsbild in der hiesigen Umgangssprache.
Dass im fränkischen Dialekt gerne auch mal Dativ, also der Wem-Fall, und Akkusativ, der Wen-Fall, im gemütlichen Alltagssprech verwechselt werden, ist nichts Neues. „Des ghört mich“ hört man nicht selten, wenn man nur weit genug aus Bamberg hinausfährt. Es sollen umgekehrt im fränkischen Hinterland auch schon Aussagen wie „Mir foähn nei dä Stood“ zu hören gewesen sein, damit sich – womöglich fairnessbedingt – der Dativ am Ende nicht überflüssig vorkommt. Dennoch scheint mir der Akkusativ generell beliebter, denn nicht selten trifft man auch den sogenannten doppelten Akkusativ: „Gib mich moll den Hammer!“
Auch schön heimatlich in meinen Ohren klingt es, wenn der gemeine Franke nicht weiß, ob er „Du“ sagen darf oder lieber Siezen soll. Dann wechselt er gerne höchstdiplomatisch auf eine Form des guten, alten Pluralis Majestatis, den ich regelmäßig beim Paketzusteller meines Vertrauens bewundern durfte. Man kennt sich ewig, man sympathisiert füreinander, aber für ein „Du“ reicht es trotzdem noch nicht. Und so lautete seine fast tägliche Ansage, wenn ich – natürlich allein – in der Wohnungstür stand, um Pakete entgegenzunehmen: „Doh müsst ihr bitte unnerschreibn.“ Ein verwirrter Blick links und rechts und hinter mich konnte ihn nicht abhalten, mich weiterhin – so heißt es quasi offiziell – zu „ihrzen“.
Noch wohliger in den Ohren klingt es nur, wenn bei der persönlichen Ansprache statt des „ihr“ die dritte Person Singular zum Einsatz kommt, also „er“ oder „sie“. Laut einschlägigen Informationen in diesem Internet galt es ganz ursprünglich als die höflichste Form der Anrede, wurde aber mit der allgemeinen Verbreitung des pluralen „Sie“ eher zu einer Kommunikationsform zwischen Standeshöheren und Standesniederen. Das passt bis heute. Beispiel aus Franken gefällig, wo man sich auch 2024 gern mal noch so anspricht? – Bis heute werde ich in der Stammwirtschaft meines Vertrauens gefragt: „Mooch er aah ann Sempft zu die Wöschd?!“ (Auch hier, Sie haben es gemerkt, wieder eine sehr liberale Akkusativ-Verwendung). Über die Rangordnung in der Wirtschaft brauchen wir nicht weiter reden.
Was beim Sprechen nie auffiel, aber auch nicht nur in Franken – sagen wir – defizitär zum Einsatz kommt, ist der Apostroph, im Speziellen der sogenannte Deppenapostroph. Dieser wurde nun – die Freunde des Rechtschreibrats dürften es mitbekommen haben – abgeschafft. Also teilweise. Wenn man es allerdings genau nimmt, wurde er optional zugelassen. In anderen Worten: Der Rechtschreibrat hat sich der Menschheit gebeugt. Es ist den hohen Herren der Richtigschreibkunst – sagen wir es, wie es ist – künftig egal, was man über seine Tür schreibt. Nun werden einige zu Recht feststellen, dass es dem Rechtschreibrat schon immer herzlich egal hätte sein müssen, was man über seine Tür schreibt. War es aber nicht. Erst jetzt darf Hans-Jörg ganz offiziell „Hans-Jörg’s Fahrschule“ an seine Fassade dübeln, ohne dass ein alter Deutschlehrer mit dem Rotpinsel korrigieren darf.
Einfacher wurde es dadurch aber beruhigenderweise nicht, denn während bislang jener Deppenapostroph zur Besitzanzeigung beim Genitiv (dem Wessen-Fall) grundsätzlich nicht zulässig war, lässt der Rechtschreib-
rat künftig Eigennamen Eigennamen sein und regelt nur noch alles, was nicht auf Türschildern und Visitenkarten ganz oben steht. Im fließenden Text darf jener Apostroph also weiterhin nicht stehen. Der Satz „Hans-Jörg’s Fahrschule heißt ‚Hans-Jörg’s Fahrschule‘“ ist also falsch.
Dem Franken ist das alles zum Glück herzlich egal. „Dem Hans-Jörg seine Fahrschule“ klingt ja auch schön. Und der Dativ freut sich über diesen ganz besonderen Einsatz zur Besitzanzeige.