Vom 17. bis 25. Juni finden in Berlin die Special Olympics World Games statt. Um die
Delegationen der teilnehmenden Nationen unter- und ihnen das Gastgeberland näherzubringen, wurden deutschlandweit Kommunen als Host-Towns ausgewählt. Bamberg ist eine davon und wird ab 12. Juni vier Tage lang Gastgeberstadt für Athletinnen und Athleten aus Bahrain sein.
Matthias Pfeufer ist als Bambergs Sportreferent für die städtische Seite der Organisation von Host Town zuständig. Robert Bartsch (hier im Stadtecho-Fragebogen) bringt als Gründer des Förderkreises goolkids Inklusions-Expertise ein. Und Athletensprecher Maximilian Ley, Silbermedaillengewinner über 10.000 Meter bei den Nationalen Sommerspielen der Special Olympics Deutschland in Berlin 2022 und derzeit in Vorbereitung auf die Paralympics 2024 in Paris, fungiert als Ansprechpartner für die Wünsche und Belange der Athletinnen und Athleten. Wir haben die drei zum Gespräch über den aktuellen Stand der Vorbereitungen auf die Ankunft der Delegation aus Bahrain getroffen.
Was ist bis 12. Juni, wenn die Delegation in Bamberg eintrifft, noch alles zu tun? Könnte es morgen schon losgehen?
Matthias Pfeufer: Nein, definitiv noch nicht. Das liegt aber auch daran, dass selbst in Bahrain noch nicht ganz klar ist, wer Mitglied der Delegation sein wird. Wir warten noch auf die Bestätigung, aber wir gehen davon aus, dass es bei der angekündigten Personenzahl von 44 bleibt.
Haben Sie zumindest einige davon schon kennenlernen können oder treffen Sie am 12. Juni Unbekannte?
Matthias Pfeufer: Wir kennen bereits die Delegationsleiterin Wafeeqa Jamal Jarragh und ihren Stellvertreter. Zum Neujahrsempfang der Stadt Bamberg haben wir sogar eine nette Grußbotschaft von ihr zugeschickt bekommen. In den nächsten Wochen, wenn es dann so langsam um konkrete Wünsche geht, werden wird den Kontakt intensivieren.
Bahrain startet in Berlin in Leichtathletik, Badminton, Boccia, Bowling, Radfahren, Segeln, Schwimmen und Tischtennis. Wo kann man in Bamberg Segeln trainieren?
Robert Bartsch: Das geht in der Gegend tatsächlich kaum. Es ist den Veranstaltern der Special Olympics World Games aber auch bewusst, dass nicht in jeder Host Town jede Sportart machbar oder trainierbar ist oder sein muss. Entsprechend hat Bamberg trotzdem den Zuschlag als Host für eine Delegation, die im Segeln antritt erhalten, weil alles andere gepasst hat. Und es wollen auch nicht alle bahrainischen Sportler während der Tage ihres Aufenthalts in Bamberg unbedingt ihre Sportart trainieren. Sie wissen, dass sie hier zum Beispiel nicht segeln können und möchten ein Sportprogramm, das eher in Richtung Fitnesstraining geht.
Wo ist Boccia-Training möglich?
Matthias Pfeufer: Wir haben eine mobile Boccia-Anlage angeschafft. Die wird demnächst im Volkspark aufgebaut, dann kann auch trainiert werden.
Robert Bartsch: Kurz gesagt: Wir sind auf alles vorbereitet. Die Region Bamberg hat eine sehr breite Sportlandschaft mit unterschiedlichsten Vereinen, die uns nach Bedarf ihre Anlagen zur Verfügung stellen. Wer sich außerdem tiefer mit Inklusionssport beschäftigt, weiß und spürt, dass nicht der Leistungsdruck im Vordergrund steht, oder dass alles perfekt sein muss. Die Kooperation untereinander, das Aufeinander-Zugehen von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung ist wesentlicher Bestandteil und manchmal wichtiger.
Im Gegensatz zu den Nationalen Sommerspielen der Special Olympics Deutschland in Berlin im letzten Jahr, bei denen Bamberger Athletinnen und Athleten 44 Medaillen gewannen, ist für die World Games niemand aus Bamberg qualifiziert. Was war los?
Maximilian Ley: Ich habe zum Beispiel im entscheidenden Rennen nicht gewonnen und mich nicht qualifiziert und die Fußballer vom FV1912 goolkids Bamberg auch nicht. Lena Zürl, Goldmedaillengewinnerin in Berlin, hätte sich qualifiziert. Aber ausgerechnet ihre Disziplin, den Rollstuhlsprint, gibt es bei den World Games nicht, weil ihn weltweit nur fünf Nationen machen. Schade.
Welche sportlichen Chancen wird Bahrain in Berlin haben?
Matthias Pfeufer: Schaut man sich die Ergebnisse der letzten World Games an, zeigt sich, dass Bahrain vor allem im genannten Segeln und Reiten besonders gut ist. Das sind ihre Paradedisziplinen, da haben sie eine sehr schlagkräftige Truppe am Start. Wir gehen davon aus, dass sie in diesen Bereichen auch heuer wieder etwas reißen.
Welche Aufgaben könnten auf Sie als Athletensprecher in den Host Town-Tagen zukommen, Herr Ley?
Maximilian Ley: Genau kann man das noch nicht sagen, wir haben die Funktion erst neu geschaffen. Aber ich bringe die Perspektive und Wünsche der Sportler in die Organisation ein. Wir wollen ja nicht nur über die Athleten reden, sondern mit ihnen. Wenn es Probleme oder Fragen gibt, zum Beispiel zur Unterkunft oder dem Transport, kann man sich an mich wenden. Ich gebe dann an die Organisation weiter, was besser gemacht werden könnte.
Herr Pfeufer, Sie haben letztes Jahr im Stadtrat gesagt, dass Bamberg mit kultur- und religionssensibler Unterstützung gerüstet sein will, Gäste aus einem muslimischen Land zu beherbergen. Was meinten Sie damit?
Matthias Pfeufer: Als letztes Jahr klar war, dass wir Gastgeber sein werden für eine internationale Delegation, auch wenn wir noch nicht wussten welche, haben wir sofort an ein schönes gemeinsames Essen mit Schäuferla, Bratwurst und Bier gedacht. Aber mit Bahrain ist das natürlich jetzt ein bisschen schwierig. Um dahingehende Missverständnisse zu vermeiden und besser für solche und andere kulturelle und religiöse Besonderheiten dieses Landes aufmerksam zu werden, stehen wir in Kontakt mit dem Lehrstuhl für Arabistik der Universität Bamberg. Außerdem holen wir uns Unterstützung von städtischen Organisationen wie dem Migrantinnen- und Migrantenbeirat.
Gibt es ähnlich wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar Kritik an Bahrain, wo auch immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung verzeichnet werden?
Robert Bartsch: Ja, vor allem während der WM gab es solche Stimmen und Bedenken. Aber wir haben verhältnismäßig Glück, dass es Bahrain ist. Zum Beispiel Bambergs Antisemitismusbeauftragter Patrick Nitzsche freut sich, weil es die israel-freundlichste Nation am Golf ist. Und die Delegationsleiterin ist immerhin eine Frau.
Matthias Pfeufer: Bei der Zuweisung einer Delegation an eine Stadt prüfen die Veranstalter der Special Olympics sehr genau die Ressourcen der jeweiligen Stadt. Und wenn festgestellt wird, dass es, wie im Fall von Bamberg, große Unterstützung aus der Zivilgesellschaft gibt, von Vereinen oder wie gesagt von der Universität, ergibt sich der Vorteil, dass dieser Stadt auch ein anspruchsvolleres Gastland als sagen wir mal das kulturell nahe Österreich zugemutet werden kann. Es ist eine Herausforderung, aber wir sind bereit.
Wo wird die mehr als 40-köpfige Delegation unterkommen?
Matthias Pfeufer: Im Welcome Hotel. Vorher musste das Haus allerdings überprüft werden, ob bestimmte Standards in Sachen Barrierefreiheit erfüllt sind.
Robert Bartsch: Zwar gibt es in der Delegation aus Bahrain niemanden, der im Rollstuhl unterwegs ist, aber ich möchte trotzdem auf den Unterschied zwischen barrierefrei und rollstuhlgeeignet hinweisen. Das bedeutet, das zum Beispiel Türen breiter sein müssen oder man mit dem Rollstuhl in die Dusche fahren kann. Letztes Jahr im Hotel in Berlin gab es das nicht, obwohl es uns anders versichert wurde.
Wie viel wird das Host Town-Projekt die Stadt Bamberg kosten?
Matthias Pfeufer: Was die Kostenkalkulation angeht, ist heute, Anfang Februar, noch keine klare Aussage möglich. Aber ich denke, wenn man Hotel- und Transportkosten, Kosten für Logistik und Organisation zusammenrechnet, kommt man bei einem mittleren fünfstelligen Betrag raus. Wobei die Stadt davon aber nicht alles selbst trägt. Es gibt Sponsoren und Unterstützer – und es wird auch viel auf ehrenamtliches Engagement ankommen.
Sieht die städtische Kämmerei das Projekt eher als finanzielle Belastung oder Investition?
Matthias Pfeufer: Schon als wir im Stadtrat den Antrag gestellt haben, die Bewerbung als Host Town abzugeben, wurde das Ausmaß der Zustimmung deutlich. Einstimmig hat die Vollsitzung dafür gestimmt. Und auch als es darum ging, die entsprechenden Gelder freizugeben, gab es keine Diskussionen. Genauso wenig gab es Stimmen, das von uns vorgeschlagene Budget zu kürzen. Wir planen zunächst einmal mit der aus unserer Sicht maximal erforderlichen Summe und wenn wir am Ende weniger gebraucht haben – umso besser.
Robert Bartsch: Es sollte ohnehin nie gefragt werden, was Inklusion kostet, sondern immer, was sie bringt. In dem Moment, wo man Inklusion über ihre Kosten definiert, bewegt man sich in die falsche Richtung, denn Inklusion ist ein Menschenrecht. Normalerweise sieht die politische Reaktion auf Inklusionsprojekte auch so aus. Aber der Bamberger Stadtrat hat sich zuerst klar für Inklusion entschieden und erst viel später gefragt, was denn in etwa finanziell auf die Stadt zukommt.
Lässt sich schon sagen, wie die Tagesabläufe der bahrainischen Delegation in Bamberg aussehen werden?
Maximilian Ley: Trainieren, trainieren, trainieren und ein bisschen Freizeitprogramm.
Das heißt?
Matthias Pfeufer: Die Idee hinter dem Host Town Program ist, dass die Delegation in diesen wenigen Tagen in der Region Bamberg Land und Leute ein wenig kennenlernt. Wir möchten der Delegation einen Einblick geben in die Stadt, den Landkreis und die hiesige Kultur. Entsprechend haben wir Programmpunkte wie eine kleine Stadtführung oder ein Besuch im Zentrum Welterbe zusammengestellt. Am wichtigsten ist aber fast, Begegnungen mit der Bevölkerung zu ermöglichen und zwar nicht nur zwischen beeinträchtigten Menschen, sondern auch mit Nicht-Beeinträchtigten.
Besteht seitens der Bevölkerung Interesse an Begegnungen mit der Delegation?
Robert Bartsch: Das sehen wir schon so. Es laufen zum Beispiel schon die ersten Bewerbungen als Helfer ein. Aber auch in vielen Gesprächen spüre ich Neugierde und Interesse.
Wie weit ist das Host Town-Projekt schon bei der Bevölkerung bekannt?
Matthias Pfeufer: Das fängt jetzt an, denke ich. Wir haben es beim Neujahrsempfang der Stadt gemerkt, bei dem das Thema Inklusion im Vordergrund stand. An unserem Stand gab es großes Interesse und uns wurden viele Fragen gestellt. Host Town als Begriff kennen schon etliche – was sich dahinter verbirgt, aber noch nicht so viele. Das müssen wir in den nächsten Monaten intensiv weiter bespielen, auch bei Veranstaltungen wie dem Inklusionstag am 18. März.
Robert Bartsch: An dem wir zum Beispiel auch die angesprochene mobile Boccia-Anlage aufbauen.
Welche Begegnungsmöglichkeiten wird es zwischen Bevölkerung und Delegation geben?
Maximilian Ley: Es kann sein, dass die Athleten aus Bahrain ein bisschen in der Stadt unterwegs sind und man sie da antreffen kann. Ansonsten laden wir die Bevölkerung zum Beispiel zu offenen Trainingseinheiten ein.
Robert Bartsch: Wir haben es schon in Berlin erlebt: Zwischen Inklusionsportlern gibt es ein sofortiges offenes Miteinander. Ich hoffe, dass wir diesen Geist, diese Gemeinschaftlichkeit in den vier Tagen des Besuchs aus Bahrain den Bamberger Bürgern näherbringen können.
Aber so einen Geist kann man nicht erzwingen.
Robert Bartsch: Nein, natürlich nicht. Aber ich verspreche, dass er entstehen wird.
Zuträglich könnte der Fackellauf sein, den Sie planen.
Matthias Pfeufer: Ja, die Fackel ist bestellt, bald kommt sie an. Der Fackellauf soll dann am 13. Juni in der Stadtmitte am Rathaus starten, Richtung Bahnhof gehen und dann über die Pfisterbergbrücke Richtung Bamberg Ost. Ziel soll die KUFA sein, wo es am selben Abend ein inklusives Begegnungsfest für Stadtgesellschaft und Delegation gibt. Tragen sollen die Fackel verschiedene Läufergruppen und für das letzte Stück zur KUFA vielleicht auch Athleten aus Bahrain.
Robert Bartsch: Wir träumen davon, dass der Oberbürgermeister die Fackel vom Rathaus bis zum Landratsamt trägt. Dort übernimmt der Landrat und dann läuft eine Kombination aus Bamberger Athleten und bahrainischen.
Was wird bleiben, wenn die Delegation Bamberg wieder verlassen hat?
Matthias Pfeufer: Inklusion auf höherem Level. Das Host Town Program soll keine punktuelle Geschichte sein, nach der wieder alles vorbei ist. Wir wollen auf dem Weg zu mehr Teilhabe diese längerfristig in der Breite der Gesellschaft halten. Host Town soll ein Sprungbrett sein für eine breitere Bekanntheit und tiefere Verankerung des Themas.
Robert Bartsch: Wir wollen Lust darauf machen und es erleichtern, im Sport, und auch in anderen Bereichen, unvoreingenommener miteinander Zeit zu verbringen und gemeinsamen Aktivitäten nachzugehen. Inklusion soll aktiver und vor allem normaler in die Gesellschaft vordringen.