Der Wirtschaftsstandort Oberfranken ist laut den wirtschaftlichen Interessenvertretungen vbw und IHK in nichts weniger als Gefahr. Die Unternehmen der Region stünden nicht nur vor konjunkturellen, sondern auch vor strukturellen Herausforderungen.
„Immer mehr Betriebe stellen sich die Frage, ob sie hier noch eine wettbewerbsfähige Zukunft haben“, vermeldete Thomas Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Bezirksgruppe Oberfranken der vbw (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft) am Mittwoch (25. Oktober). Mit einer Arbeitslosenquote von nur 3,8 Prozent und einem Bruttoinlandsprodukt von rund 38.500 Euro pro Kopf gehe es dem Wirtschaftsstandort Oberfranken im Moment zwar noch recht gut. Gleichzeitig hätten zuletzt aber mehr als die Hälfte der zum Beispiel oberfränkischen Metall- und Elektro-Betriebe angegeben, dass sich die Standortbedingungen für sie in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschlechtert haben. „Statt hierzulande investieren die Betriebe etwa in anderen mitteleuropäischen Ländern, in Osteuropa, Nordamerika und Asien“, sagte Kaeser und mutmaßte zusätzlich: „Wir erleben eine schleichende De-Industrialisierung. Denn wo heute Investitionen ausbleiben, fehlt es morgen an Wertschöpfung und übermorgen an Know-how.“
Damit Oberfranken ein zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort bleibt, braucht es aus Sicht der vbw eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. „Wenn wir das bayerische Klimaziel bis 2040 erreichen wollen, muss sich die installierte Leistung bei Wind- und Solarenergie in Oberfranken mehr als verfünffachen“,so Kaeser.
Auch der Mangel an Fach- und Arbeitskräften sei ein Standortnachteil für die Unternehmen in der Region. „In Oberfranken werden im Jahr 2035 rund 78.000 Arbeitskräfte fehlen.“ Deshalb müssten alle verfügbaren Arbeits- und Fachkräftepotenziale ausgeschöpft werden. Dazu gehöre es etwa, weiter in Bildung zu investieren und für Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland zu sorgen.
Zu den zentralen Standortfaktoren zählt laut vbw auch eine zukunftsfähige Mobilität. „Hier müssen wir kräftig investieren und insbesondere die Bedürfnisse im ländlichen Raum berücksichtigen. Gleichzeitig ist Oberfranken Transitregion. Darum haben wir im Bahnverkehr Nachholbedarf bei der Ost-Westverbindung“, sagte Kaeser.
Trendauswertung IHK
Auch die IHK für Oberfranken Bayreuth findet, dass der Wirtschaftsstandort Oberfranken gefährdet ist. Die Stimmung der Bamberger Wirtschaft sei laut einer Wirtschaftsumfrage der IHK zu Beginn des Winterhalbjahres eher verhalten, die Erwartungen negativ.
Allerdings beurteilten auch in der Umfrage der IHK die befragten Unternehmen aus der Stadt und dem Landkreis Bamberg ihre aktuelle Geschäftslage noch positiv. Für einen Rückgang beim Konjunkturklimaindex für die Region um 15 Punkte auf 97 Zähler sorgen laut IHK allerdings die deutlich pessimistischeren Einschätzungen für die weitere Geschäftsentwicklung. „Die Herausforderungen sind bereits jetzt immens. Dazu gesellt sich nun auch eine Abkühlung auf den internationalen Märkten. Da ist eine gedämpfte Stimmung gut nachvollziehbar”, sagte Herbert Grimmer, Vizepräsident der IHK für Oberfranken Bayreuth.
Auf die anstehenden Wintermonate blicken die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer zudem pessimistischer als noch in der Frühjahrsumfrage. Nur noch 20 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der eigenen Geschäftslage. Eine Verschlechterung prognostizieren hingegen 36 Prozent. Zwar räumt Grimmer auch ein, dass die Bamberger Wirtschaft seit mehr als einem Jahrzehnt einen Beschäftigtenzuwachs verzeichnet. „Geht man nach den Beschäftigtenerwartungen der Bamberger Unternehmen, scheint es mit dieser Entwicklung aber zunächst vorbei zu sein“, mutmaßt er.
Ob Energiepreise, Fachkräftemangel oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen: Unter den meistgenannten Risiken für die weitere Entwicklung im Wirtschaftsstandort Oberfranken befinden sich für die IHK viele, die vor allem von der Politik beeinflusst werden könnten. „EU, Bund und Land müssen endlich eine Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen angehen“, sagte Grimmer. Er nennt hier vor allem verlässliche und bezahlbare Energie, eine längst überfällige Digitalisierung der Verwaltung und einen klaren Fahrplan für die Energiewende.