Belieb­te Kinderfigur

Paul Maar im Inter­view: 50 Jah­re Sams

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Sams
Aus dem Sams-Band „Das Sams feiert Weihnachten“, 2021, Zeichnung: Paul Maar
Seit 50 Jah­ren ist das Sams, das ger­ne fre­che Bemer­kun­gen macht, Teil des Lebens des schüch­ter­nen Herrn Taschen­bier. Und genau­so lan­ge ist die Buch­rei­he von Paul Maar Teil der Fan­ta­sie­welt und der Rega­le von Kin­dern und auch eini­ger Erwach­se­ner. Im Inter­view haben wir mit Paul Maar auf die Anfän­ge zurück­ge­blickt und mit ihm über die Zukunft des Sams gesprochen.

Das Sams hat eine Rüs­sel­na­se, rote Sta­chel­haa­re und geheim­nis­vol­le blaue Wunsch­punk­te im Gesicht. Durch sein lus­ti­ges Äuße­res und sei­ne fre­che und gewitz­te Art sowie durch die Tat­sa­che, dass es sich von nie­man­dem ein­schüch­tern lässt, ist es bei vie­len Kin­dern beliebt.

In den Geschich­ten stellt das Sams aber nicht nur die Welt von Herrn Taschen­bier auf den Kopf, dem es eines Tages begeg­net und ein­fach bei ihm bleibt. 1973 erfand der Kin­der­buch­au­tor und Illus­tra­tor Paul Maar die ers­te Sams-Geschich­te, kurz dar­auf erschien das ers­te Buch der Rei­he. Seit­her ist das Sams aus der Kin­der­buch­welt kaum mehr weg­zu­den­ken und in sei­ner Beliebt­heit im Lau­fe der Jah­re immer wei­ter gestiegen.

Elf Bän­de hat Paul Maar mitt­ler­wei­le geschrie­ben. Band 12 mit dem „Mini-Sams“ ist der­zeit in Arbeit, wie der Autor ver­rät. Dazu gibt es das Sams, das inzwi­schen eben­so mul­ti­me­di­al unter­wegs ist, auch in Hör­spie­len, Thea­ter­stü­cken, Musi­cals, Fil­men und Computerspielen.

Allein im deutsch­spra­chi­gen Raum haben sich die Sams-Bücher mitt­ler­wei­le mehr als sechs Mil­lio­nen Mal ver­kauft und wur­den inzwi­schen in 30 Spra­chen, wie unter ande­rem Chi­ne­sisch, Ara­bisch oder Per­sisch, über­setzt. Auf­grund der vie­len Wort­wit­ze, die der Autor dem Sams immer wie­der in den Mund legt, kei­ne leich­te Aufgabe.

Die Lebens­weis­hei­ten, die das Sams aber eben­so parat hat, funk­tio­nie­ren jedoch in jeder Spra­che. In den Büchern kön­nen Kin­der Din­ge ler­nen, wie: „Ande­re kön­nen dich nicht ändern, ändern musst du dich allein. Du wirst nie die andern ändern, aber du kannst anders sein“, oder „will man etwas ganz stark und fest, geht’s auch ohne Wunsch­ma­schi­ne. Selbst ein Schwein lernt Vio­li­ne, wenn es nur nicht locker lässt.“

Wir haben mit dem Autor Paul Maar zum Jubi­lä­um über die Anfän­ge der Geschich­te, die Ent­wick­lung des Sams und sei­ne Zukunfts­plä­ne für die Figur gesprochen.

Sams
Paul Maar in sei­nem Arbeits­zim­mer, 2018, Foto: Son­ja Och
Herr Maar, das Sams fei­ert die­ses Jahr 50-jäh­ri­ges Jubi­lä­um. Wie kam Ihnen die Idee zu die­ser Figur?

Paul Maar: Mei­ne Haupt­fi­gur war gar nicht das Sams, son­dern der schüch­ter­ne, ange­pass­te Herr Taschen­bier, dem ich eine Fan­ta­sie­fi­gur gegen­über­stel­len woll­te, die genau das Gegen­teil von ihm ist. So kam ich auf den Cha­rak­ter der Figur Sams. Das Äuße­re muss­te ich mir erst nach vie­len Pro­be­zeich­nun­gen erarbeiten.

Das Sams ist frech und vor­laut – wie kam es ent­spre­chend bei den kind­li­chen Lesern bezie­hungs­wei­se bei der erwach­se­nen Kri­tik anfangs an?

Paul Maar: Die Kin­der lieb­ten das Sams gera­de des­we­gen. Die Erwach­se­nen sahen die­se Figur etwas distan­zier­ter, skep­ti­scher. Als in den acht­zi­ger Jah­ren die Schü­ler eines ober­frän­ki­schen Gym­na­si­ums das Sams-Thea­ter­stück in der Aula auf­füh­ren woll­ten, ver­bot die Schul­lei­tung die­ses „auf­müp­fi­ge Stück“, und sie muss­ten in den Saal einer Gast­wirt­schaft ausweichen.

Gab es Kri­ti­ken, die ver­such­ten, das Sams in Rich­tung „fal­sche Vor­bil­der für Kin­der“ zu rücken?

Paul Maar: Das kann sein. Aber mir ist kei­ne in Erin­ne­rung geblieben.

Inwie­weit war das auf­säs­si­ge Sams Pro­dukt sei­ner Ent­ste­hungs­zeit der frü­hen 1970er Jah­re, in denen sich eine rebel­lie­ren­de Jugend­kul­tur immer wei­ter verbreitete?

Paul Maar: Der Zeit­geist fin­det immer Ein­gang in einen Text. Oft ohne dass es dem Autor oder der Autorin bewusst wird.

Was hat das Sams, dass es seit 50 Jah­ren Kin­der anspricht und fasziniert?

Paul Maar: Ganz genau kann ich das auch nicht sagen. Ich ver­mu­te: Der Humor der Geschich­ten, die Rei­me, die das Sams schein­bar aus dem Steg­reif dich­tet, und der heim­li­che Wunsch der Kin­der, auch mal mit den Wunsch­punk­ten alles wün­schen zu dürfen.

Hat­ten Sie schon zu Beginn Geschich­ten für meh­re­re Bän­de im Kopf oder haben sich die inzwi­schen elf Bän­de erst nach und nach entwickelt?

Paul Maar: Geplant war nur der ers­te Band. Dann kamen Dut­zen­de Brie­fe, in denen die Kin­der nach einer Fort­set­zung ver­lang­ten, und ich schrieb den zwei­ten Band. Dar­auf kamen Hun­der­te von Kin­der­brie­fen mit der glei­chen Bit­te. So sind nach und nach immer mehr Bän­de entstanden.

Wie funk­tio­niert es, Geschich­ten immer wei­ter fort­zu­schrei­ben? Woher holen Sie sich die Inspi­ra­ti­on? Steht man mor­gens auf und denkt: „Heu­te ist ein guter Tag für einen neu­en Band?“

Paul Maar: Manch­mal kommt die Inspi­ra­ti­on von außen. Etwa, wenn mei­ne Toch­ter Anne, Inten­dan­tin des Frän­ki­schen Lan­des­thea­ters Schloss Maß­bach, nach einem neu­en Stück für die Weih­nachts­zeit fragt. Dann ent­steht par­al­lel zum Buch „Das Sams und die gro­ße Weih­nachts­su­che“ das gleich­na­mi­ge Stück, das ich zusam­men mit dem Regis­seur Chris­ti­an Schid­low­sky geschrie­ben habe. Die Urauf­füh­rung ist übri­gens im November.

Wann war Ihnen klar, dass das Sams ein Erfolg ist?

Paul Maar: Als mir der Ver­lag das „Gol­de­ne Sams­buch“ über­reich­te, war ich mäch­tig stolz. Anlass war, dass sich die Sams­bü­cher fünf Mil­lio­nen Mal ver­kauft hatten.

Trotz der teils als unüber­setz­bar gel­ten­den Wort­spie­le in den Sams-Büchern wur­den sie mitt­ler­wei­le in 30 Spra­chen über­setzt. In wel­che Spra­che wür­den Sie die Bücher ger­ne noch über­set­zen lassen?

Paul Maar: Ins Eng­li­sche oder Ame­ri­ka­ni­sche. Kei­nes mei­ner Bücher wur­de in die­se Spra­che über­setzt. Nur zwei mei­ner Thea­ter­stü­cke. Auf die­se Wei­se bekom­me ich Tan­tie­men-Dol­lars aus New York überwiesen.

Wel­cher Band ist Ihr Lieblingsband?

Paul Maar: Der erste.

Die Geschich­ten des Sams wur­den auch als Musi­cals insze­niert, im Thea­ter auf­ge­führt und ver­filmt. Inwie­fern heben sich die­se Insze­nie­run­gen und Fil­me von den Büchern ab?

Paul Maar: Ich habe die Bear­bei­tun­gen immer selbst geschrie­ben und mich den Gege­ben­hei­ten ange­passt. Ein Bei­spiel: Im drit­ten Sams­band springt Taschen­bier auf Grund eines Sams-Wun­sches vom Drei­me­ter­brett ins Becken. Als Büh­nen-Ent­spre­chung habe ich erfun­den, dass Taschen­bier auf dem Tisch tan­zen muss.

Wie waren Sie in die Auf­füh­run­gen und Drehs eingebunden?

Paul Maar: Ich habe zusam­men mit dem Pro­du­zen­ten Uli Lim­mer die Dreh­bü­cher für drei Sams-Fil­me ver­fasst und habe gele­gent­lich bei den Dreh­ar­bei­ten zuge­se­hen. Beson­ders beim ers­ten Sams-Film, der qua­si vor mei­ner Haus­tü­re gedreht wurde.

Mit E‑Books, Hör­bü­chern und Com­pu­ter­spie­len geht das Sams heu­te mul­ti­me­dia­le Wege. Sie haben an der Gestal­tung des Com­pu­ter­spiels selbst mit­ge­wirkt. Wie unter­schei­det sich das Sams der Bücher­welt vom mul­ti­me­dia­len Sams?

Paul Maar: Eigent­lich nur, dass es sich bewegt. Sein Cha­rak­ter und sein Aus­se­hen sind gleich geblieben.

Womit soll­ten Kin­der in die Sams-Welt ein­stei­gen und wor­auf Eltern beim Medi­en­kon­sum ihrer Kin­der achten?

Paul Maar: Sie soll­ten mit den Erst­le­se-Büchern anfan­gen. Ansons­ten liegt es mir fern, den Eltern Rat­schlä­ge oder gar Vor­schrif­ten zu machen.

Gab es Zei­ten, in denen das Sams und Sie nicht mit­ein­an­der klar­ka­men? Waren Sie ein­mal kurz davor, die Rei­he zu beenden?

Paul Maar: Eigent­lich nie.

Was unter­schei­det das Sams von den Anfän­gen zum Sams von heute?

Paul Maar: Wie alle Fan­ta­sie­fi­gu­ren, sei­en es Feen, Was­ser­jung­frau­en oder ein Sams, altern die­se Wesen nie und blei­ben immer so, wie sie im Moment agieren.

Wel­che Sams-Geschich­ten und ‑Prot­ago­nis­ten möch­ten Sie noch schreiben?

Paul Maar: Nach­dem ich mal ver­kün­det hat­te, dass es kein neu­es Sams­buch mehr geben wird, zie­he ich mich aus der Schlin­ge, indem ich das Mini-Sams erfun­den habe. Es trägt eine gepunk­te­te Stram­pel­ho­se, hat den Dau­men im Mund, den es nur her­aus­nimmt, um zu sagen: „Ich hät­te da mal eine Fra­ge!“ Das Mini­sams ist die Haupt­fi­gur des Buches, an dem ich gera­de schreibe.

Es heißt, das Sams stam­me aus der Sams-Welt, einem Par­al­lel­uni­ver­sum. Hal­ten Sie so ein Uni­ver­sum in der gedank­li­chen Welt von Kin­dern für wichtig?

Paul Maar: Ich hal­te es nicht nur für Kin­der wich­tig, sich klar zu machen, dass es im All noch ande­re Pla­ne­ten gibt, auf denen Leben mög­lich ist. Das Par­al­lel­uni­ver­sum ist nicht mei­ne Erfin­dung. Davon schrei­ben Wissenschaftler.

Wie schät­zen Sie als Autor die Zukunft in Bezug auf das Hilfs­mit­tel der künst­li­chen Intel­li­genz ein?

Paul Maar: Ich habe eine App der KI auf mei­nem Com­pu­ter und fin­de es inter­es­sant, wenn ich zum Bei­spiel die ers­ten 30 Sei­ten eines neu­en Buches ein­ge­be, und die KI beauf­tra­ge: Schrei­be die Geschich­te wei­ter! Was dabei ent­steht, ent­hält zwar vie­le Kli­schees, ent­hält aber durch­aus brauch­ba­re Anregungen.

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