Seit 50 Jahren ist das Sams, das gerne freche Bemerkungen macht, Teil des Lebens des schüchternen Herrn Taschenbier. Und genauso lange ist die Buchreihe von Paul Maar Teil der Fantasiewelt und der Regale von Kindern und auch einiger Erwachsener. Im Interview haben wir mit Paul Maar auf die Anfänge zurückgeblickt und mit ihm über die Zukunft des Sams gesprochen.
Das Sams hat eine Rüsselnase, rote Stachelhaare und geheimnisvolle blaue Wunschpunkte im Gesicht. Durch sein lustiges Äußeres und seine freche und gewitzte Art sowie durch die Tatsache, dass es sich von niemandem einschüchtern lässt, ist es bei vielen Kindern beliebt.
In den Geschichten stellt das Sams aber nicht nur die Welt von Herrn Taschenbier auf den Kopf, dem es eines Tages begegnet und einfach bei ihm bleibt. 1973 erfand der Kinderbuchautor und Illustrator Paul Maar die erste Sams-Geschichte, kurz darauf erschien das erste Buch der Reihe. Seither ist das Sams aus der Kinderbuchwelt kaum mehr wegzudenken und in seiner Beliebtheit im Laufe der Jahre immer weiter gestiegen.
Elf Bände hat Paul Maar mittlerweile geschrieben. Band 12 mit dem „Mini-Sams“ ist derzeit in Arbeit, wie der Autor verrät. Dazu gibt es das Sams, das inzwischen ebenso multimedial unterwegs ist, auch in Hörspielen, Theaterstücken, Musicals, Filmen und Computerspielen.
Allein im deutschsprachigen Raum haben sich die Sams-Bücher mittlerweile mehr als sechs Millionen Mal verkauft und wurden inzwischen in 30 Sprachen, wie unter anderem Chinesisch, Arabisch oder Persisch, übersetzt. Aufgrund der vielen Wortwitze, die der Autor dem Sams immer wieder in den Mund legt, keine leichte Aufgabe.
Die Lebensweisheiten, die das Sams aber ebenso parat hat, funktionieren jedoch in jeder Sprache. In den Büchern können Kinder Dinge lernen, wie: „Andere können dich nicht ändern, ändern musst du dich allein. Du wirst nie die andern ändern, aber du kannst anders sein“, oder „will man etwas ganz stark und fest, geht’s auch ohne Wunschmaschine. Selbst ein Schwein lernt Violine, wenn es nur nicht locker lässt.“
Wir haben mit dem Autor Paul Maar zum Jubiläum über die Anfänge der Geschichte, die Entwicklung des Sams und seine Zukunftspläne für die Figur gesprochen.
Herr Maar, das Sams feiert dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum. Wie kam Ihnen die Idee zu dieser Figur?
Paul Maar: Meine Hauptfigur war gar nicht das Sams, sondern der schüchterne, angepasste Herr Taschenbier, dem ich eine Fantasiefigur gegenüberstellen wollte, die genau das Gegenteil von ihm ist. So kam ich auf den Charakter der Figur Sams. Das Äußere musste ich mir erst nach vielen Probezeichnungen erarbeiten.
Das Sams ist frech und vorlaut – wie kam es entsprechend bei den kindlichen Lesern beziehungsweise bei der erwachsenen Kritik anfangs an?
Paul Maar: Die Kinder liebten das Sams gerade deswegen. Die Erwachsenen sahen diese Figur etwas distanzierter, skeptischer. Als in den achtziger Jahren die Schüler eines oberfränkischen Gymnasiums das Sams-Theaterstück in der Aula aufführen wollten, verbot die Schulleitung dieses „aufmüpfige Stück“, und sie mussten in den Saal einer Gastwirtschaft ausweichen.
Gab es Kritiken, die versuchten, das Sams in Richtung „falsche Vorbilder für Kinder“ zu rücken?
Paul Maar: Das kann sein. Aber mir ist keine in Erinnerung geblieben.
Inwieweit war das aufsässige Sams Produkt seiner Entstehungszeit der frühen 1970er Jahre, in denen sich eine rebellierende Jugendkultur immer weiter verbreitete?
Paul Maar: Der Zeitgeist findet immer Eingang in einen Text. Oft ohne dass es dem Autor oder der Autorin bewusst wird.
Was hat das Sams, dass es seit 50 Jahren Kinder anspricht und fasziniert?
Paul Maar: Ganz genau kann ich das auch nicht sagen. Ich vermute: Der Humor der Geschichten, die Reime, die das Sams scheinbar aus dem Stegreif dichtet, und der heimliche Wunsch der Kinder, auch mal mit den Wunschpunkten alles wünschen zu dürfen.
Hatten Sie schon zu Beginn Geschichten für mehrere Bände im Kopf oder haben sich die inzwischen elf Bände erst nach und nach entwickelt?
Paul Maar: Geplant war nur der erste Band. Dann kamen Dutzende Briefe, in denen die Kinder nach einer Fortsetzung verlangten, und ich schrieb den zweiten Band. Darauf kamen Hunderte von Kinderbriefen mit der gleichen Bitte. So sind nach und nach immer mehr Bände entstanden.
Wie funktioniert es, Geschichten immer weiter fortzuschreiben? Woher holen Sie sich die Inspiration? Steht man morgens auf und denkt: „Heute ist ein guter Tag für einen neuen Band?“
Paul Maar: Manchmal kommt die Inspiration von außen. Etwa, wenn meine Tochter Anne, Intendantin des Fränkischen Landestheaters Schloss Maßbach, nach einem neuen Stück für die Weihnachtszeit fragt. Dann entsteht parallel zum Buch „Das Sams und die große Weihnachtssuche“ das gleichnamige Stück, das ich zusammen mit dem Regisseur Christian Schidlowsky geschrieben habe. Die Uraufführung ist übrigens im November.
Wann war Ihnen klar, dass das Sams ein Erfolg ist?
Paul Maar: Als mir der Verlag das „Goldene Samsbuch“ überreichte, war ich mächtig stolz. Anlass war, dass sich die Samsbücher fünf Millionen Mal verkauft hatten.
Trotz der teils als unübersetzbar geltenden Wortspiele in den Sams-Büchern wurden sie mittlerweile in 30 Sprachen übersetzt. In welche Sprache würden Sie die Bücher gerne noch übersetzen lassen?
Paul Maar: Ins Englische oder Amerikanische. Keines meiner Bücher wurde in diese Sprache übersetzt. Nur zwei meiner Theaterstücke. Auf diese Weise bekomme ich Tantiemen-Dollars aus New York überwiesen.
Welcher Band ist Ihr Lieblingsband?
Paul Maar: Der erste.
Die Geschichten des Sams wurden auch als Musicals inszeniert, im Theater aufgeführt und verfilmt. Inwiefern heben sich diese Inszenierungen und Filme von den Büchern ab?
Paul Maar: Ich habe die Bearbeitungen immer selbst geschrieben und mich den Gegebenheiten angepasst. Ein Beispiel: Im dritten Samsband springt Taschenbier auf Grund eines Sams-Wunsches vom Dreimeterbrett ins Becken. Als Bühnen-Entsprechung habe ich erfunden, dass Taschenbier auf dem Tisch tanzen muss.
Wie waren Sie in die Aufführungen und Drehs eingebunden?
Paul Maar: Ich habe zusammen mit dem Produzenten Uli Limmer die Drehbücher für drei Sams-Filme verfasst und habe gelegentlich bei den Dreharbeiten zugesehen. Besonders beim ersten Sams-Film, der quasi vor meiner Haustüre gedreht wurde.
Mit E‑Books, Hörbüchern und Computerspielen geht das Sams heute multimediale Wege. Sie haben an der Gestaltung des Computerspiels selbst mitgewirkt. Wie unterscheidet sich das Sams der Bücherwelt vom multimedialen Sams?
Paul Maar: Eigentlich nur, dass es sich bewegt. Sein Charakter und sein Aussehen sind gleich geblieben.
Womit sollten Kinder in die Sams-Welt einsteigen und worauf Eltern beim Medienkonsum ihrer Kinder achten?
Paul Maar: Sie sollten mit den Erstlese-Büchern anfangen. Ansonsten liegt es mir fern, den Eltern Ratschläge oder gar Vorschriften zu machen.
Gab es Zeiten, in denen das Sams und Sie nicht miteinander klarkamen? Waren Sie einmal kurz davor, die Reihe zu beenden?
Paul Maar: Eigentlich nie.
Was unterscheidet das Sams von den Anfängen zum Sams von heute?
Paul Maar: Wie alle Fantasiefiguren, seien es Feen, Wasserjungfrauen oder ein Sams, altern diese Wesen nie und bleiben immer so, wie sie im Moment agieren.
Welche Sams-Geschichten und ‑Protagonisten möchten Sie noch schreiben?
Paul Maar: Nachdem ich mal verkündet hatte, dass es kein neues Samsbuch mehr geben wird, ziehe ich mich aus der Schlinge, indem ich das Mini-Sams erfunden habe. Es trägt eine gepunktete Strampelhose, hat den Daumen im Mund, den es nur herausnimmt, um zu sagen: „Ich hätte da mal eine Frage!“ Das Minisams ist die Hauptfigur des Buches, an dem ich gerade schreibe.
Es heißt, das Sams stamme aus der Sams-Welt, einem Paralleluniversum. Halten Sie so ein Universum in der gedanklichen Welt von Kindern für wichtig?
Paul Maar: Ich halte es nicht nur für Kinder wichtig, sich klar zu machen, dass es im All noch andere Planeten gibt, auf denen Leben möglich ist. Das Paralleluniversum ist nicht meine Erfindung. Davon schreiben Wissenschaftler.
Wie schätzen Sie als Autor die Zukunft in Bezug auf das Hilfsmittel der künstlichen Intelligenz ein?
Paul Maar: Ich habe eine App der KI auf meinem Computer und finde es interessant, wenn ich zum Beispiel die ersten 30 Seiten eines neuen Buches eingebe, und die KI beauftrage: Schreibe die Geschichte weiter! Was dabei entsteht, enthält zwar viele Klischees, enthält aber durchaus brauchbare Anregungen.