Stu­die

Uni­ver­si­tät Bam­berg: Wie neh­men wir Sel­fies wahr?

3 Min. zu lesen
Selfies
Die Universität Bamberg am Markusplatz, Foto: S. Quenzer
Bam­ber­ger Wis­sen­schaft­ler haben tau­sen­de Reak­tio­nen auf Sel­fies unter­sucht und ein Kate­go­ri­en­sys­tem erstellt. Ent­stan­den sind fünf Kate­go­rien, in die sich Sel­fies ein­tei­len lassen.

Seit Jahr­hun­der­ten nut­zen Men­schen Selbst­por­träts, um Infor­ma­tio­nen über sich selbst mit­zu­tei­len. Im Zeit­al­ter der Smart­phones ist das ein­fa­cher als je zuvor. Ein Selbst­por­trät mit ande­ren zu tei­len, ist nur noch eine Sache von weni­gen Klicks. Trotz der hohen Popu­la­ri­tät von Sel­fies ist aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht aber noch nicht klar, wie Men­schen sie genau zur Kom­mu­ni­ka­ti­on nut­zen und wie ande­re Per­so­nen die Sel­fies wahrnehmen.

„Der Begriff Sel­fie fei­ert gera­de sei­nen 21. Geburts­tag“, sagt Tobi­as Schnei­der, Dok­to­rand an der Bam­ber­ger Gra­du­ier­ten­schu­le für Affek­ti­ve und Kogni­ti­ve Wis­sen­schaf­ten. „Selbst­por­träts sind in der Kunst­ge­schich­te seit fast 200 Jah­ren in der Foto­gra­fie und seit mehr als 500 Jah­ren in der Male­rei bekannt. Trotz­dem fehlt uns immer noch eine kla­re Klas­si­fi­zie­rung der ver­schie­de­nen Arten von Sel­fies.“ Schnei­der ist Haupt­au­tor einer Stu­die der Uni­ver­si­tät Bam­berg, die jetzt erschie­nen ist, und die die­se For­schungs­lü­cke schlie­ßen soll. Die Wis­sen­schaft­ler haben dafür tau­sen­de von Reak­tio­nen auf 1.001 Sel­fies gesam­melt und kate­go­ri­siert. Ent­stan­den sind dar­aus fünf Kate­go­rien, in die sich Sel­fies ein­tei­len lassen.

Für ihre Stu­die erstell­ten die Wis­sen­schaft­ler einen Sel­fie-Daten­satz. Dabei ver­wen­de­ten sie aus­schließ­lich Selbst­por­träts ohne Text, die mit einer Han­dy­ka­me­ra mit den eige­nen Hän­den oder einem Sel­fie-Stick auf­ge­nom­men wur­den. Die so aus­ge­wähl­te 1.001 Sel­fies wur­den in einer Stan­dard­grö­ße auf einem ein­far­bi­gen grau­en Hin­ter­grund präsentiert.

Anschlie­ßend prä­sen­tier­ten die Wis­sen­schaft­ler den etwa 130 Teil­neh­me­rIn­nen ihrer Erhe­bung, jeweils 15 zufäl­li­ge Sel­fies. Die Teil­neh­me­rIn­nen waren dazu auf­ge­ru­fen, ihre spon­ta­nen Reak­tio­nen zu jedem Bild in fünf Begrif­fen festzuhalten.

Die For­scher ver­ar­bei­te­ten die­se Daten, um die ers­ten Ein­drü­cke der Befrag­ten in 26 fei­ne Kate­go­rien zusam­men­zu­fas­sen. Anschlie­ßend ana­ly­sier­ten die Wis­sen­schaft­ler, wie häu­fig die­se Kate­go­rien in den Ant­wor­ten vor­ka­men und ob sie gemein­sam auftraten.

Fünf Kate­go­rien

Die­se Ana­ly­se ergab fünf ver­schie­de­ne Kate­go­rien, in die sich Sel­fies ein­ord­nen las­sen. Oder wie die Autoren sie nen­nen „seman­ti­sche Profile“.

„Ästhe­tik“: Die größ­te Kate­go­rie ent­hält Bil­der, die bei den Befrag­ten Asso­zia­tio­nen zu Stil oder ästhe­ti­scher Erfah­rung hervorriefen.

Die Kate­go­rie „Ima­gi­na­ti­on“ zeigt Bil­der, die die Befrag­ten dazu ver­lei­te­ten, sich in die Per­son hin­ein­zu­ver­set­zen, um sich vor­zu­stel­len, was die Per­son auf dem Sel­fie gera­de mach­te und wie sie sich dabei fühlte.

In der Kate­go­rie „Cha­rak­ter­zug“ sind Bil­der gesam­melt, die per­sön­lich­keits­be­zo­ge­ne Begrif­fe bei den Befrag­ten hervorriefen.

Die Kate­go­rie „Gemüts­zu­stand“ kommt zwar ins­ge­samt sel­te­ner vor, den­noch lös­ten immer noch beacht­lich häu­fig Bil­der bei den Befrag­ten Asso­zia­tio­nen zum Gemüts­zu­stand der auf dem Sel­fie abge­bil­de­ten Per­son aus.

„Theo­rie des Geis­tes“: Eini­ge Bil­der ver­an­lass­ten die Befrag­ten dazu, Ver­mu­tun­gen über die Moti­ve oder die Iden­ti­tät der gezeig­ten Per­son anzustellen.

„Die seman­ti­schen Pro­fi­le ste­hen jeweils für eine ganz eige­ne Art der Bot­schaft, die mit den Sel­fies ver­bun­den ist“, sagt Tobi­as Schnei­der. „Die Kate­go­rien sind wie Arche­ty­pen der Kom­mu­ni­ka­ti­on im digi­ta­len Zeit­al­ter zu ver­ste­hen.“ Die For­scher hät­ten dadurch nun einen bes­se­ren Ein­blick, wel­che Bedeu­tung Men­schen ver­schie­de­nen Sel­fies zuschreiben.

Die Ergeb­nis­se deu­ten zudem dar­auf hin, dass die Befrag­ten die visu­el­le Spra­che auf­grei­fen, die die Sel­fie-Erstel­ler ver­wen­de­ten, um ver­schie­de­ne Aspek­te von sich selbst zu kom­mu­ni­zie­ren – sei es ihre schlech­te Lau­ne oder ihr tol­les Out­fit. „Das zeigt, dass wir nicht zwin­gend Wor­te brau­chen, um ganz spe­zi­fi­sche Nach­rich­ten über uns selbst an die Außen­welt zu sen­den“, sagt Schneider.

Novum: Mit per­sön­li­chen Berich­ten Sel­fies sys­te­ma­tisch beschreiben

Frü­he­re Stu­di­en beschäf­tig­ten sich haupt­säch­lich mit der Bewer­tung von Sel­fies hin­sicht­lich visu­el­ler Merk­ma­le oder beglei­ten­der Hash­tags auf Social Media-Platt­for­men. Die aktu­el­le Stu­die wech­selt die Per­spek­ti­ve. „Die meis­ten For­schungs­ar­bei­ten ver­nach­läs­si­gen die asso­zia­ti­ven Fak­to­ren, die die Betrach­te­rIn­nen im Kopf haben, wenn sie sich in unse­rer Sel­fie-ori­en­tier­ten Welt umse­hen“, sagt Claus-Chris­ti­an Car­bon, Mit­au­tor der Stu­die und Inha­ber des Lehr­stuhls für All­ge­mei­ne Psy­cho­lo­gie und Metho­den­leh­re an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. „Wir haben unter­sucht, was Sel­fies mit den Betrach­te­rin­nen und Betrach­tern machen und wel­che Absicht sie hin­ter den Sel­fies erkennen.“

Die Wis­sen­schaft­ler wei­sen jedoch auf Ein­schrän­kun­gen hin. Die seman­ti­schen Pro­fi­le könn­ten mög­li­cher­wei­se nicht welt­weit auf die glei­che Wei­se aus­ge­drückt oder ver­stan­den wer­den, sodass wei­te­re For­schung erfor­der­lich ist. „Wir brau­chen in Zukunft auf jeden Fall grö­ße­re, viel­fäl­ti­ge­re und kul­tur­über­grei­fen­de Stich­pro­ben, um ein Bild davon zu bekom­men, wie ver­schie­de­ne Grup­pen und Kul­tu­ren Sel­fies als kom­pak­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form nut­zen“, sind sich die Autoren einig. Zudem pla­nen sie, ihre For­schung so aus­zu­wei­ten, dass sie bei­de Per­spek­ti­ven – die der Sel­fie-Erstel­le­rIn­nen und jene der Betrach­te­rIn­nen – ein­be­zie­hen kön­nen. Damit wol­len sie her­aus­fin­den, ob die beab­sich­tig­te Nach­richt der Per­son auf dem Sel­fie auch in die­ser Wei­se bei den Per­so­nen ankommt, die das Sel­fie betrachten.

Weiterer Artikel

Mit­glie­der wäh­len Geschäfts­füh­rer gegen­sei­tig in den Vorstand

Bam­berg und Forch­heim: Cari­tas­ver­bän­de berei­ten Ver­schmel­zung vor

Nächster Artikel

Belieb­te Kinderfigur

Paul Maar im Inter­view: 50 Jah­re Sams