Seit 1. Oktober ist Simona von Eyb die neue Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg. Wir haben sie zum Interview getroffen und mit ihr über den Zustand des Bamberger Welterbes, das knappe Budget, neue Formen von Tourismus und ein vielteiliges
Schaubild gesprochen.
Simona von Eyb, gebürtig aus Rumänien und studierte Kulturmanagerin, hat einige Jahre an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg zum Thema Welterbemanagement gelehrt und war unter anderem als Beraterin für Kulturerbe an der Europäischen Exekutivagentur für Bildung und Kultur in Brüssel tätig. Außerdem wirkte sie an der Shanghai University of Finance and Economics und beim UNESCO-Welterbezentrum in Paris.
Nach Bamberg hatte sie bereits vor ihrem Dienstantritt als neue Leiterin des Zentrums Welterbe Verbindungen. So war die Familie von Eyb bereits vor 500 Jahren in der Stadt ansässig. „Albrecht von Eyb“, sagt sie, „war hier Domherr und einen Bischof gab es später mit unserem Namen auch.“ Am ehemaligen Domherrenhof am Domplatz hängt zudem heute noch das Familienwappen. „Schon damals haben sich die von Eybs um das Geistige in der Stadt gekümmert. Es ist sehr schön zu denken, dass meine Arbeit heute, auch wenn unter anderen Umständen und mit anderen Mitteln, sehr ähnlich ist.“
Frau von Eyb, haben Sie sich in Bamberg bereits eingelebt?
Simona von Eyb: Ja, total. Es ist eine tolle Stadt. Bamberg hat eine Magie und eine gewisse Anziehungskraft. Auch meine Kinder mögen sie und gehen hier schon auf die Schule. Ich habe außerdem bisher keine einzige Person kennengelernt, die etwas Negatives über Bamberg gesagt hätte.
Warum haben Sie sich für die Stelle der Leiterin des Zentrums Welterbe beworben?
Simona von Eyb: Ich habe vorher in Berlin gewohnt und hatte ehrlich gesagt nicht vor, noch einmal umzuziehen. Aber dann wurde die Stelle in Bamberg frei. Das Zentrum hat in Deutschland einen herausragenden Ruf und gilt als ein sogenanntes Best Practice- Beispiel in Sachen Welterbevermittlung und ‑management.
Womit konnten Sie sich im Bewerbungsverfahren durchsetzen?
Simona von Eyb: Es wurde Fachwissen, Erfahrung und vor allem würde ich sagen Leidenschaft verlangt. Also eine Mischung aus Theorie, Praxis und persönlichem Engagement. Ich glaube, ich konnte mit drei Themen überzeugen. Da war einmal das Welterbemanagement, das ich studiert und in Cottbus gelehrt habe. Auch habe ich bereits praktische Erfahrungen aus Projekten, die ich an anderen Welterbestätten entwickelt habe, oder aus der langjährigen Zusammenarbeit mit dem UNESCO-Welterbezentrum, wie zum Beispiel die Mitwirkung an den Richtlinien zur Einbeziehung einer Perspektive der nachhaltigen Entwicklung in die Prozesse der Welterbe-Konventionen, die das Welterbekomitee in Paris 2016 verabschiedet hat. Hinzu kommt der Bereich der Bildung und der Vermittlung des Welterbes und der Tourismus. Dazu habe ich promoviert und über kollaborative Wirtschaftsmodelle für die Entwicklung alternativer Tourismusmodelle als Gegenmodell zu Massentourismus geschrieben.
Wären solche Modelle in Bamberg mit seinen zahlreichen Touristengruppen möglich?
Simona von Eyb: Ich kenne natürlich die vielen Touristen-Busse, die täglich in die Stadt kommen. Das ist keine optimale Form von Tourismus. Aber man kann den Tourismus natürlich nicht vermeiden. Es ist in gewisser Weise auch für jeden Menschen enorm wichtig, die Erfahrung der Begegnungen einer Reise zu machen, das sind formative Erlebnisse und ein grundlegendes Menschenrecht. Es ist sehr schön zu sehen, dass sich die Menschen für Bamberg und seine Geschichte interessieren und Tourismus bringt sehr viele Vorteile für die lokale Wirtschaft. Andererseits muss man sich überlegen, wie die negativen soziokulturellen Auswirkungen von Tourismus, oder wie die großen Gruppen in der Stadt besser gelenkt werden können. Da gibt es Ideen zu themabezogenen Erlebnissen, die es den Touristen ermöglichen, Bambergs lokale Kultur und abgelegene Orte und Traditionen von innen zu erkunden. Die Leute haben immer spezifischere Interessen und wünschen sich personalisierte Reiseoptionen, sie wollen etwas erleben und nicht nur etwas passiv sehen.
Nach Bamberg kommen auch viele Leute, um zu feiern. Ist das eine Gruppe, die Sie mit dem Welterbe ansprechen wollen?
Simona von Eyb: Jede Gruppe ist eine Zielgruppe für uns. Unsere Arbeit ist noch wichtiger dort, wo die Menschen nicht genug sensibilisiert sind. Ich sehe solche Junggesellenabschiede oder dergleichen öfter auf der Straße. Na ja, dass man extra nach Bamberg kommt, um zu trinken, anstatt das im Heimatort zu tun, ist mir ein Rätsel. Auch wenn das den vielen Brauereien in der Stadt sicher sehr gut tut. Amsterdam war zum Beispiel lange Zeit mit Touristen unzufrieden, die für ähnliche Zwecke in die Stadt kamen. Also hat man begonnen, eine sehr deutliche Marketingstrategie einzuführen, die Partytourismus eindämmen soll. Dass so etwas auch in Bamberg nötig ist, möchte ich nicht sagen, auch bin ich der Meinung, dass etwas zu verbieten weniger effizient ist als eine Alternative anzubieten.
Könnte man dabei noch neues touristisches Publikum gewinnen oder müsste man beim alten Bambergs Bild als Bierstadt ändern?
Simona von Eyb: Ja, man kann neues Publikum gewinnen, aber dafür braucht man einen strategischen Plan. Bamberg arbeitet bereits an der Entwicklung der Richtlinien für einen nachhaltigen Tourismus in der Stadt. Darum ist das Zentrum Welterbe auch schon in Kontakt mit der Tourismusabteilung und ihrem sehr engagierten Leiter, Herrn Michael Heger.
Was ist nachhaltiger Tourismus?
Simona von Eyb: Da gibt es verschiedene Aspekte: Einmal soll Tourismus ökologisch nachhaltig sein und die Umwelt nicht beeinträchtigen; dann soll er sozial nachhaltig sein, heißt, die Lebensqualität der Einwohner verbessern und die lokale Gemeinschaft einbeziehen. Und auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit spielt hier eine Rolle. Ein Beispiel dafür wäre, lokalen Unternehmern mehr Sichtbarkeit und Unterstützung durch Tourismus zu verschaffen.
Muss dafür auch alte, also touristisch interessante Bausubstanz auf den neuesten energetischen Stand gebracht werden? Und was würde der Denkmalschutz dazu sagen?
Simona von Eyb: Der Fakt, dass manche Gebäude seit 1000 Jahren stehen, spricht für ihre Nachhaltigkeit. Und ich bin auch davon überzeugt, dass das Welterbe insofern viel Inspiration für Nachhaltigkeit bieten kann. Aber was etwa Modernisierungen von Energiesystemen angeht, wie mit Photovoltaikanlagen, arbeiten wir mit dem Denkmalschutz zusammen. Und dieser ist im Prinzip offen für Modernisierungen. Ein klares „Nein“ habe ich noch nicht gehört – es wird von Einzelfall zu Einzelfall entschieden. Vor 50 Jahren wäre das aber tatsächlich noch nicht so gewesen. Heute stehen aber die Menschen im Mittelpunkt. Heute ist es kein Argument mehr zu sagen, dass Steine wichtiger als die Menschen sind.
In welchem Zustand hat Ihre Vorgängerin Patricia Alberth das Zentrum hinterlassen?
Simona von Eyb: Ich kenne Frau Alberth sehr gut, wir haben beide an der Universität in Cottbus studiert und waren bei der UNESCO in Paris. Ich habe ihre Arbeit immer verfolgt und habe bereits erwähnt, welchen guten Ruf das Welterbezentrum hat. Ich habe in Bamberg also eine sehr gute Struktur vorgefunden und bin sehr zufrieden mit meinem persönlichen Erbe von Frau Alberth.
Gibt es trotzdem etwas, das Sie von ihr nicht übernehmen werden?
Simona von Eyb: Man hat natürlich nie irgendwo ein perfektes Konstrukt, aber ich denke, auch die Dinge, die nicht optimal sind, gehören dazu. Sonst gibt es auch keinen Raum für Weiterentwicklung.
Frau Alberth bemängelte zuletzt die knappe finanzielle Ausstattung des Zentrums. Wie sehen Sie die finanzielle Lage?
Simona von Eyb: Das ist im Kulturbereich ein generelles Problem. Ich habe bisher nirgends eine Stadt oder einen Ort gefunden, wo der Kulturbereich mit seinem Etat absolut zufrieden war. Trotzdem besteht eine sehr wichtige finanzielle Unterstützung der Stadt Bamberg – und darüber bin ich sehr froh. Viele andere Welterbestädte sind übrigens neidisch auf solch eine städtische Unterstützung. Also ja, es könnte natürlich mehr Budget sein. Aber ich hoffe, dass wir, wenn wir ein Entwicklungskonzept für das Zentrum haben, mit den angesprochenen Punkten wie Nachhaltigkeit und alternativem Tourismus, damit die Stadt überzeugen können, uns mit mehr finanziellen Mitteln zu unterstützen.
Mussten Sie seit Ihrem Dienstantritt schon Rückschläge oder Frustrationen hinnehmen?
Simona von Eyb: Vor 50 Jahren war Welterbemanegement einfach nur Denkmalschutz. Heute ist die Aufgabe viel komplexer geworden und es sind viel mehr Akteure beteiligt – das kann ein Grund für Frustration sein. Aber das war mir von Anfang bewusst. Ich zeige Ihnen etwas.
(Sie steht auf und holt von ihrem Schreibtisch ein DIN A3-großes Schaubild, das etwa zwei Dutzend städtische Institutionen zeigt, die auf die Entscheidung der Denkmalpflege Einfluss nehmen können.)
Simona von Eyb: Hier haben wir die Denkmalschutzbehörde, das Bauamt, das Stadtplanungsamt, das Umweltamt, das Erzbistum, die Universität, die Staatsbibliothek, die Museen der Stadt, die Vereine und einige mehr. Und das ist nur ein Teil der städtischen
Akteure.
Wenn Sie eine Idee haben, die die alte Bausubstanz betrifft, müssen Sie zu all diesen Institutionen gehen, um zu fragen was diese von der Idee halten?
Simona von Eyb: Ja! (lacht) Und idealerweise sollen sie auch zu mir kommen, wenn sie etwas Neues unternehmen wollen, das das Welterbe betrifft. Sie sehen, es ist nicht einfach. Aber ich arbeite schon immer in dem Glauben, dass man nur durch Zusammenarbeit mit so vielen Akteuren wie möglich etwas erreichen kann. Das heißt, dass man viel kommunizieren muss. Auch wenn es verschiedene Interessen gibt – irgendwo gibt es immer eine Möglichkeit, sich zu einigen.
Sie haben das Zentrum Welterbe im Jahr des 30-jährigen Jubiläums des Bamberger Welterbes übernommen. Hatten Sie das Gefühl, mit der Organisation des großen Jahresprogramms gleich ins kalte Wasser geworfen worden zu sein?
Simona von Eyb: Ja, schon etwas, aber ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das Team hat das ganze Jahr über zahlreiche Veranstaltungen, Vorträge, spezielle Führungen und so weiter organisiert und die Krönung war der Festtag am 11. Dezember in der Konzerthalle. Da herrschte eine so gute Stimmung und ein Gefühl von Gemeinschaft. Für mich war es ohnehin eine Feier dieser Gemeinschaft, des kollektiven Akts des Jubiläumsjahres und des Welterebemanagements. Und man kann es nur, wie gesagt, gemeinsam mit anderen managen.
Konnten Sie sich bereits einen Eindruck darüber verschaffen, wie weit sich die Menschen in Bamberg ihres Welterbes und seiner Qualität bewusst sind?
Simona von Eyb: Ich glaube schon, dass sich die Menschen hier der Schönheit ihrer fantastisch erhaltenen Stadt bewusst sind, auch wenn sie vielleicht das nicht automatisch mit dem Begriff „Welterbe“ assoziieren. Aber ich habe den Eindruck, dass wir viel mehr zu Vermittlung und Wahrnehmung machen könnten. Das sehe ich auch als unsere Aufgabe hier im Zentrum, den Menschen zu erklären, was Welterbe bedeutet und warum es wichtig ist.
Was könnte insofern das Jahr 2024 bringen?
Simona von Eyb: Das Entwicklungskonzept für das Zentrum Welterbe zu erarbeiten, ist die große Aufgabe, die ich mir vorgenommen habe. Dazu müssen wir unseren Managementplan überarbeiten, damit er aktiver und effektiver wird. Dann stehen noch zahlreiche internationale Veranstaltungen an, bei denen wir Bamberg vertreten werden, wie die Generalversammlung der Organisation der Welterbestädte in Spanien oder das Welterbemanager-Forum bei der nächsten Sitzung des Welterbekomitees in Indien. Und noch spannender sind die vielfältigen Projekte, die wir dieses Jahr in Bamberg für unsere Bürgerinnen und Bürger vorbereiten. Es ist für uns wichtig, die Freude an dem Welterbe zu vermitteln und die Überzeugungskraft zu schaffen, dass das Welterbe nicht in die Vergangenheit gehört und ein lebendiger Teil der Gesellschaft in Bamberg ist.