„Ich war nicht absicht­lich radi­kal, ich habe nur auf Pro­ble­me hingewiesen“

Swa­ant­je Günt­zel: Werk­schau von in der Vil­la Dessauer

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Swaantje Güntzel
„Paradise dissected“, 2018, Foto: Tobias Hübel, VG Bild-Kunst Bonn
In ihrer bis­her größ­ten Ein­zel­aus­stel­lung zeigt die Ham­bur­ger Kon­zept­künst­le­rin Swa­ant­je Günt­zel Wer­ke aus 20 Jah­ren ihrer Arbeit in der Vil­la Des­sau­er. Haupt­the­men der Schau „INSTANT PARADISE“ sind das gestör­te Ver­hält­nis von Men­schen und Natur und die Publi­kums-Reak­tio­nen auf Kunst, die es sich zu eigen macht. Wir haben mit Swa­ant­je Günt­zel über Haus­tier­hal­tung gespro­chen, über Ver­drän­gung und dar­über, war­um sie sich man­che ihrer Wer­ke von künst­li­cher Intel­li­genz schaf­fen lässt.
Frau Günt­zel, was hat es mit dem Aus­stel­lungs­ti­tel „INSTANT PARADISE“ auf sich?

Swa­ant­je Günt­zel: Die Idee ist, die Welt, die wir geschaf­fen haben, zu sezie­ren und künst­le­risch her­aus­zu­ar­bei­ten, wie stark gleich­zei­tig der Wunsch ist, sich von dem All­tag, der die­se Welt bedingt, zu dis­so­zi­ie­ren. Ich habe ver­sucht, die Klam­mer so zu set­zen, dass man merkt, wie nah wir eigent­lich an der Rea­li­tät sind, mit der wir im Moment zu tun haben, wäh­rend wir aber eigent­lich hof­fen, uns nicht mit ihr aus­ein­an­der­zu­set­zen zu müs­sen. Gleich­zei­tig erlie­gen wir der Illu­si­on, dass die Welt, die wir gestal­tet haben, para­die­sisch ist, uns auf dem Weg dahin aber selbst schaden.

Was heißt das genau?

Swa­ant­je Günt­zel: Sieht man sich unser Ver­hält­nis zur Natur an, sieht man, dass wir stark von der Illu­si­on getrie­ben sind, etwas zu suchen, das wir roman­ti­sie­ren kön­nen. Aber eigent­lich haken wir nur Instan­zen ab, wäh­rend uns egal ist, was wir am Schluss fin­den. Um es pla­ka­tiv zu sagen: Wenn wir auf Insta­gram Natur betrach­ten, erlie­gen wir schnell der Annah­me, wir hät­ten Natur auch erlebt, wäh­rend es eigent­lich ein tech­ni­scher Vor­gang war.

Swaantje Güntzel
Swa­ant­je Günt­zel, Foto: Tobi­as Hübel, VG Bild-Kunst Bonn

Die Fra­ge, war­um wir nicht mer­ken, dass das, was wir der Natur antun, wir uns letzt­lich selbst antun, ist etwas, das mich seit Jah­ren beschäf­tigt. Dar­um scheint es uns auch so schwer zu fal­len, Lösun­gen zu fin­den. Wir haben eine Rea­li­tät kre­iert, die aus zwei par­al­le­len Uni­ver­sen besteht: einem, in dem wis­sen­schaft­lich nach­weis­bar ganz viel pas­siert zu dem wir uns eigent­lich ver­hal­ten müss­ten. Und ein Uni­ver­sum, das wir abge­spal­ten haben, in dem wir wei­ter so tun, als ob alles in Ord­nung wäre und die Din­ge igno­rie­ren, die wir eigent­lich wahr­neh­men müss­ten. Dar­in schaf­fen wir immer neue künst­li­che Bil­der dar­über, was zum Bei­spiel Umgang mit Natur ist. Es geht in der Aus­stel­lung ent­spre­chend nicht zuletzt sehr viel um unser Ver­hält­nis zur Kreatur.

Ein Werk heißt „Para­di­se dis­sec­ted“ und zeigt eine Instal­la­ti­on mit ver­schie­de­nen Käfig-Sys­te­men zur Klein­tier­hal­tung. Was sagt es über unser Ver­hält­nis zu die­sen Tieren?

Swa­ant­je Günt­zel: In der Instal­la­ti­on wird die Fra­ge auf­ge­wor­fen, wie weit Men­schen gehen, um sich vom Tier unter­hal­ten zu las­sen. Der Hams­ter selbst spielt dabei letzt­end­lich nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Das­sel­be gilt für die Din­ge, die in der Klein­tier­hal­tung als Spiel­zeu­ge oder Acces­soires ange­bo­ten wer­den, sie wer­den genutzt damit der Mensch auf sei­ne Kos­ten kommt, nicht das Tier. Hier ist es mir wich­tig so zu über­zeich­nen, dass das gan­ze Sys­tem fast schon sati­risch wirkt und der­art in sei­ner Bedeu­tung kippt, dass man sich fragt, ob so etwas nicht viel mehr über uns aus­sagt als über das Tier. Auch wenn ich lei­der oft viel näher an der Rea­li­tät dran bin als mir lieb wäre.

Für die Aus­stel­lung haben Sie Wer­ke aus 20 Jah­ren Ihres Schaf­fens aus­ge­wählt. Unter wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie die Wahl getroffen?

Swa­ant­je Günt­zel: Das wich­tigs­te war, dass ich noch vor der Aus­wahl ent­schie­den habe, brand­ak­tu­el­le neue Arbei­ten und älte­ren Arbei­ten gemein­sam zu zei­gen. Dies vor allem vor dem Hin­ter­grund, dass vie­le mei­ner Wer­ke jetzt eine grö­ße­re Aktua­li­tät haben als zum Zeit­punkt ihres Ent­ste­hens und zudem vie­le The­men, wie zum Bei­spiel die Kli­ma­kri­se erst jetzt die ange­mes­se­ne öffent­li­che Auf­merk­sam­keit bekommen.

War­um bespie­len Sie seit 20 Jah­ren das The­ma des Ver­hält­nis­ses zur Natur?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich glau­be, das ist das The­ma, das mich in mei­nem Leben am meis­ten beschäf­tigt hat. Schon als ich klein war, habe ich gemerkt, dass es eine gro­ße Dis­kre­panz gibt zwi­schen Erkennt­nis und Han­deln, auch wenn ich das als Kind nicht for­mu­lie­ren konn­te. Ich habe mich damals im Rah­men mei­ner Mög­lich­kei­ten enga­giert und bin zum Bei­spiel von Tür zu Tür gegan­gen, um Unter­schrif­ten gegen Rob­ben­schlach­ten zu sam­meln. Spä­ter habe ich klei­ne Skulp­tu­ren ver­kauft und das Geld an Green­peace gespen­det. Als ich mich dann ent­schied, ganz in die Kunst zu gehen, frag­te ich mich, mit wel­chen The­men ich mich inten­siv beschäf­ti­gen möch­te. Da war klar, wel­ches ich wäh­le. Und wenn man sich fragt, wie unse­re öko­lo­gi­sche Rea­li­tät aus­sieht, was sie über uns aus­sagt und wor­auf sie hin­aus­läuft, ist man vollzeitbeschäftigt.

Wel­che Wer­ke sind aktu­el­ler geworden?

Swa­ant­je Günt­zel: Über unse­ren Umgang mit Tie­ren habe ich schon vor 15 Jah­ren gear­bei­tet, wie zum Bei­spiel im Kon­text des Werks „Para­di­se dis­sec­ted“. Die Fra­ge war immer, in wel­che Bezie­hung wir uns zum Tier set­zen und wie viel Wil­le dem Tier eigent­lich gelas­sen wird. Die­se Fra­gen sind heu­te aktu­el­ler denn je. In der Aus­stel­lung beschäf­ti­ge ich mich zum Bei­spiel mit der Dar­stel­lung der Krea­tur auf Social Media wie Tik-Tok und Insta­gram. Es gibt ein gan­zes Gen­re über Haus- und Wild­tie­re, die in bestimm­ten Vide­os mit Acces­soires geschmückt oder mit Din­gen ange­zo­gen wer­den, die man ganz sicher so nicht in frei­er Wild­bahn fin­det. Hams­ter tra­gen Krön­chen und Pan­tof­feln, Otter einen Pyja­ma und Hun­de Popstar-Outfits. 

Zudem gibt es die Kate­go­rie der soge­nann­ten Res­cue Vide­os. Dar­in fil­men sich Men­schen, wie sie Tie­re, meist Hun­de und Kat­zen, die sie am Stra­ßen­rand oder im Wald fin­den mit nach Hau­se neh­men und sie so aus ihrer Sicht ret­ten. Die Aus­sa­ge dahin­ter ist immer: Das Tier hat nur eine Chan­ce zu über­le­ben, weil es vom Mensch geret­tet wird. In der Dra­ma­tur­gie des Vide­os wird das Tier dann, um in die ver­meint­lich bes­se­re, gute Welt beim Men­schen auf­ge­nom­men zu wer­den, geba­det. Die­ser Akt gleicht oft einer Art Tau­fe, fast wie ein rite de pas­sa­ge. Dazu wird es in der Aus­stel­lung auch eine eige­ne neue Serie geben.

Gibt es auch Wer­ke, die schlecht geal­tert sind?

Swa­ant­je Günt­zel: Nein. Es war tat­säch­lich so, dass ich mich kaum ent­schei­den konn­te, was ich alles mit nach Bam­berg neh­me, weil alles gepasst hätte.

„When are we fuck­ing done rai­sing awa­re­ness?“, 2023, Acryl auf Lein­wand, Foto: S. Quenzer
Schlägt sich in der Aus­stel­lung auch nie­der, dass das Ver­hält­nis zwi­schen Mensch und Natur immer schlech­ter gewor­den ist?

Swa­ant­je Günt­zel: Ja. Es wird tat­säch­lich immer über­dreh­ter. Mei­ne Beschäf­ti­gung mit den Käfig- und Tun­nel­sys­te­men aus der Klein­tier­hal­tung waren damals so etwas wie ein Anlauf und eine Bestands­auf­nah­me. Den Grad der Ver­mensch­li­chung des Tiers in der Insze­nie­rung auf Social Media emp­fin­de ich inzwi­schen als sehr bedenk­lich. Inter­es­sant ist dabei sicher­lich auch zu sehen, wie Betrach­te­rIn­nen auf mei­ne Arbei­ten, in denen ich die­se The­men auf­grei­fe, reagie­ren. Viel­leicht war ich, ohne dass es mir klar war, immer schon einen klei­nen Schritt schnel­ler, weil ich das alles so absurd fand, wäh­rend in mei­nem Umfeld oft noch gedacht wur­de, sol­che Din­ge sei­en in Ord­nung. Am Ende sind wir ja alle umge­ben von ein­ge­sperr­ten Meer­schwein­chen und Kanin­chen aufgewachsen.

Eines Ihrer Wer­ke heißt „Kön­nen Sie nicht mal was Schö­nes machen“. Ist es eine Fort­füh­rung sol­cher Diskussionen?

Swa­ant­je Günt­zel: Ja. Es ist eine Werk­rei­he, die ich als Ant­wort auf die Reak­ti­on des Publi­kums auf mei­ne Kunst begon­nen habe. Dafür habe ich Bild­ma­te­ri­al benutzt, das ver­meint­lich auf­wüh­len­de The­men zeigt, wie zum Bei­spiel eine Ansicht des Braun­koh­le­ta­ge­baus, und habe dann kit­schi­ge Auf­kle­ber von Din­gen, die wir als schön emp­fin­den, wie von Ein­hör­ner, Regen­bö­gen und so wei­ter dar­auf geklebt. Mir wur­de von Beginn mei­ner künst­le­ri­schen Tätig­keit an vor­ge­wor­fen, dass die Arbei­ten, die sich mit unse­rer öko­lo­gi­schen Rea­li­tät und unse­rer Bezie­hung zum Tier befas­sen, zu ver­stö­rend sei­en. In Tei­len fand ich das nur schwer nach­voll­zieh­bar, weil ich ja letzt­end­lich nur die von uns gemach­te Rea­li­tät abbilde. 

Ich bin ja auch nicht die ers­te Künst­le­rin, die sich mit die­sen The­men beschäf­tigt. Als ich aller­dings vor 20 Jah­ren damit anfing, hin­gen die hedo­nis­ti­schen Neun­zi­ger viel­leicht noch zu sehr in der Luft und man muss­te erst mal rea­li­sie­ren, dass wir auf dem Weg in etwas sehr Ungu­tes sind. Ver­mut­lich sind die Reak­tio­nen auf mei­ne Arbeit des­we­gen oft so ableh­nend und immer wie­der mit dem Vor­wurf ver­bun­den, es sei zu ver­stö­rend und radi­kal, flan­kiert von Sät­zen wie: Kön­nen Sie nicht mal was Schö­nes machen? Am Ende ist es jedoch auf zwei Ebe­nen ent­lar­vend: Ein­mal – was soll Kunst eigent­lich, was glaubt man, von ihr ein­for­dern zu dür­fen? Und was sagen sol­che Sät­ze dar­über aus, wie wir uns mit der Rea­li­tät beschäf­ti­gen? Wir leis­ten uns den Luxus, ihr aus­wei­chen zu können.

Wur­de also das Werk als radi­kal ange­se­hen oder sein The­ma der Umweltzerstörung?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich war nicht absicht­lich radi­kal, ich habe nur auf Pro­ble­me hin­ge­wie­sen. Zu den Ver­mei­dungs­stra­te­gien des­sen, wor­auf ich hin­wei­se, gehör­te es aber wohl, mei­ne Wer­ke radi­kal zu nen­nen. Das ist luxu­ri­ös und bil­det ab, wo wir im Dis­kurs ste­hen und wie wir uns erlau­ben, uns mit Umwelt­zer­stö­rung nicht aus­ein­an­der­set­zen zu müs­sen oder zu kön­nen. Ich habe mich dabei eigent­lich immer nur als eine Art Chro­nis­tin gese­hen, die die Din­ge festhält.

Haben sich die­se Reak­tio­nen im Lauf der Zeit geän­dert? Herrscht immer noch Ver­stö­rung oder mitt­ler­wei­le eher Genervt­heit vom Thema?

Swa­ant­je Günt­zel: Die Ableh­nung der Anfän­ge wur­de zwi­schen­zeit­lich abge­löst von einem ver­meint­li­chen Inter­es­se. Ein paar Jah­re lang kamen die Leu­te mit einer gro­ßen Auf­ge­schlos­sen­heit und woll­ten ver­ste­hen, wor­um es geht. Je kla­rer dann aber wur­de, dass Kli­ma­wan­del nicht nur ein Phä­no­men am ande­ren Ende der Welt ist, son­dern dass man sich auch selbst bewe­gen muss und sein eige­nes Selbst­ver­ständ­nis hin­ter­fra­gen muss, fing es an zu kip­pen. Da wur­den die Reak­tio­nen wie­der aggressiver.

Bie­ten Ihre Wer­ke Lösun­gen der Pro­ble­ma­tik des The­mas an?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich habe mich als Künst­le­rin eigent­lich nie in der didak­ti­schen oder päd­ago­gi­schen Rol­le gese­hen. Weil ich mich aber schon so lan­ge mit dem The­ma beschäf­ti­ge, bin ich ein wenig in die­ser Rol­le gelan­det. Ich glau­be aber nicht, dass Auf­klä­rung mei­ne pri­mä­re Auf­ga­be ist. Ich ver­su­che, über die Mög­lich­kei­ten, die ich als Künst­le­rin habe, wenn es auch in einer für vie­le unbe­que­men Form ist, Din­ge so auf­zu­be­rei­ten, dass ich mich sub­jek­tiv dazu äußern kann. Ein wich­ti­ger Teil ist dabei, künst­le­risch zu hin­ter­fra­gen, in wel­cher Wei­se wir der Ver­ant­wor­tung für unser Han­deln aus­wei­chen. Das möch­te ich in mei­nen Wer­ken spie­geln – genau wie ich auch die öko­lo­gi­sche Rea­li­tät spie­ge­le. Das eine bedingt das andere.

Für die Gra­fik­rei­he „Space Hero­i­nes“ haben Sie Dar­stel­lun­gen von Super­hel­din­nen von einer künst­li­chen Intel­li­genz anfer­ti­gen las­sen. Ist es nicht ein Aus­wei­chen vor Ihrer eige­nen, in die­sem Fall künst­le­ri­schen Natur, wenn man einen Algo­rith­mus arbei­ten lässt?

Swant­je Günt­zel: Nein. Als Kon­zept­künst­le­rin ist das für mich kein Wider­spruch. 2022 habe ich ich eine Artist-in-Sci­ence Resi­dence bei der Euro­pean Space Agen­cy in Darm­stadt absol­viert. In die­ser Zeit wur­de mir immer kla­rer, dass der Welt­raum sehr stark von männ­li­chen Hel­den­ge­schich­ten und einem männ­li­chen Selbst­ver­ständ­nis der Raum­ero­be­rung geprägt ist. Der ers­te Teil der Arbeit „Space Hero­i­nes“ bestand ent­spre­chend dar­in, eine weib­li­che Super­hel­din zu ent­wer­fen, die dem etwas ent­ge­gen­zu­set­zen hat­te und sich im All für das Gute ein­setzt und Welt­raum­schrott besei­tigt. Dafür schrieb ich meh­re­re Gra­fi­ke­rIn­nen an, und frag­te, ob sie mir eine Hel­din ent­wi­ckeln kön­nen. Dabei stand ich aber unter gro­ßem Zeit­druck und bin im Ver­lauf mei­ner Anfra­ge zu kei­nem Ergeb­nis gekom­men. Ich muss­te dann ent­schei­den, wie ich die­se Hel­din anders ent­wi­ckeln kann, also ohne die Hil­fe von anderen.

War­um haben Sie sie nicht selbst gezeichnet?

Swa­ant­je Günt­zel: Weil ich kei­ne Zeich­ne­rin bin. In gewis­ser Wei­se habe ich sie dann aber doch selbst erschaf­fen, indem ich eine KI benutzt habe. Als Kon­zept­künst­le­rin grei­fe ich sowie­so sehr viel auf sol­che aus­ge­la­ger­ten Mög­lich­kei­ten zurück. Das ist ja die Idee des kon­zep­tu­el­len Arbei­tens. Die Idee steht im Vor­der­grund und man sucht sich Wege, sie zu übersetzen.

Soll­te man als Künst­le­rin oder Künst­ler aber nicht Wert dar­auf legen, dass es in der Kunst etwas gibt, ein mensch­li­cher Fun­ke viel­leicht, das eine KI nicht erschaf­fen oder kopie­ren kann und sich ent­spre­chend von ihr fernhalten?

Swa­ant­je Günt­zel: Wenn man die KI bedient und ver­sucht, sie zu steu­ern, gibt man ihr durch­aus etwas ein. Die­se Ein­ga­be war sogar das eigent­lich Span­nen­de. Zuerst gab ich Schlag­wör­ter wie „Hel­din“, „Comic­stil“ und „Welt­raum“ ein. Dabei stell­te ich aber sofort fest, und hier tat sich eine zwei­te Ebe­ne der Arbeit auf, dass die KI unter „Hel­din“ immer eine blon­de, wei­ße, jun­ge schlan­ke, über­se­xua­li­sier­te Figur ver­steht. Um diver­se Figu­ren zu errei­chen, muss­te ich die KI immer um das Gegen­teil des­sen bit­ten, was sie als Stan­dard für das Kon­zept „Hel­din“ fest­legt. Die­se zwei­te Ebe­ne bestand also dar­in, die KI so zu bedie­nen, dass ein diver­se­res und kein sexis­ti­sches Ergeb­nis rauskommt.

„INSTANT PARADISE“ wirft einen Blick in die Ver­gan­gen­heit. Wel­che The­men wol­len Sie in Zukunft angehen?

Swa­ant­je Günt­zel: Was mich der­zeit sehr beschäf­tigt, sind die erwähn­ten Aus­weich­we­ge, die Schlupf­lö­cher, mit denen wir uns erlau­ben, der Umwelt­zer­stö­rung und ihrer Hand­lungs­not­wen­dig­keit zu ent­ge­hen. Mein Werk „When are we fuck­ing done rai­sing awa­re­ness?“ ist eine Reak­ti­on dar­auf. Man kann immer einen Grund fin­den, war­um bestimm­te Din­ge für einen selbst nicht zutref­fen. Das geht aber nur, wenn man durch eine Meta-Ebe­ne geschützt ist, wie zum Bei­spiel die­je­ni­ge, die die Poli­tik vor­lebt. Sie han­delt nicht so kon­se­quent, wie sie müss­te oder könn­te, wie man an der aktu­el­len Ver­hand­lung um das Pari­ser 1,5 Grad-Abkom­men sieht. 

Der Rest hat sich in eine Rich­tung ent­wi­ckelt, in der die Aus­ein­an­der­set­zung mit unse­rer öko­lo­gi­schen Rea­li­tät ein Kul­tur­kampf gewor­den ist. Ich sehe da eine unfass­ba­re Ent­wick­lung rück­wärts, die aber immer salon­fä­hi­ger wird. In Zukunft, den­ke ich, wer­de ich mich also noch mehr damit beschäf­ti­gen, wie sehr wir die Ver­mei­dung der Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rea­li­tät zu einer Kunst gemacht haben.

Swaantje Güntzel
Eine Space Heroi­ne von Swa­ant­je Günz­tel, Foto: S. Günt­zel, VG Bild-Kunst Bonn 2023
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