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Villa Dessauer

Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Oberfranken

BBK-Aus­stel­lung „Die Grenze“

Der Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Ober­fran­ken wid­met sich in sei­ner Jah­res­aus­stel­lung „Die Gren­ze“ in der Vil­la Des­sau­er ab 30. Novem­ber der Gren­ze als gesell­schaft­li­chem und künst­le­ri­schem Phä­no­men. 32 Künstler:innen aus dem gesam­ten Regie­rungs­be­zirk bear­bei­ten das The­ma auf indi­vi­du­el­le Weise.

Mensch­li­ches Zusam­men­le­ben ist ohne Gren­zen nicht mög­lich, je enger es ver­meint­lich wird, des­to wich­ti­ger schei­nen sie zu wer­den, schreibt der BBK Ober­fran­ken in einer aktu­el­len Mit­tei­lung zur Aus­stel­lung „Die Gren­ze“. Gren­zen wer­den wei­ter oder enger gezo­gen. Sie wer­den defi­niert, um aus­zu­gren­zen und im Gegen­zug Iden­ti­tät zu stif­ten. Sie wer­den ein­ge­hal­ten oder überschritten.

Nicht­ein­hal­tung von Gren­zen füh­re hin­ge­gen oft zu Kon­flik­ten. Das sug­ge­rie­re, dass Gren­zen erst durch ihre Über­schrei­tung oder Ein­hal­tung real wer­den. Was wie­der­um die Fra­ge auf­wer­fe: Exis­tie­ren Gren­zen als objek­ti­ve Rea­li­tät in Natur und Kos­mos oder gibt es sie nur im Han­deln zwi­schen Menschen?

Gren­zen spie­len unter­des­sen auch in der Kunst und Ästhe­tik eine bedeu­ten­de Rol­le: Die Gren­zen des For­ma­tes, die Ober­flä­che der Lein­wand als Gren­ze zwi­schen ima­gi­nä­rem Bild­raum und rea­lem Betrach­ter­raum und deren Durch­drin­gung in bei­de Rich­tun­gen sind stän­di­ge Sub­the­men bild­ne­ri­schen Schaf­fens. Künstler:innen bege­hen dem­entspre­chend geziel­te Grenz­über­schrei­tun­gen über Gat­tun­gen oder mora­li­sche Gren­zen hin­weg, um die kon­kre­ten sozia­len und poli­ti­schen Fra­gen der Welt­ge­sell­schaft auf­zu­grei­fen, um Fra­gen zu stel­len wie: Wo ist die Gren­ze zwi­schen Kunst und Nicht-Kunst? Gibt es eine Gren­ze zwi­schen Kunst und Leben?

Phi­lo­so­phi­sche, poli­ti­sche, sozia­le oder per­sön­li­che Dimen­sio­nen von Grenzen

Auch die 32 ober­frän­ki­schen Künstler:innen, die der BBK in die­sem Win­ter in sei­ner Jah­res­aus­stel­lung in der Vil­la Des­sau­er in Bam­berg zeigt, set­zen sich mit den phi­lo­so­phi­schen, poli­ti­schen, sozia­len oder per­sön­li­chen Dimen­sio­nen von Gren­zen aus­ein­an­der. Die gezeig­ten Wer­ke sind das Resul­tat eines Ent­ste­hungs­pro­zes­ses, bei dem die Betei­lig­ten in Dia­log tre­ten mit per­sön­li­chen Mit­teln und Tech­ni­ken und dabei oft neue Wege ein­schla­gen, um das The­ma auszudrücken.

Die­ses Jahr ist eine Aus­stel­lung laut BBK-Mit­tei­lung mit einer beson­ders gro­ßen Zahl an über­ra­schen­den und berüh­ren­den Wer­ken ent­stan­den. Füh­run­gen und Ver­an­stal­tun­gen beglei­ten die Schau.

Es stel­len aus: Judith Bau­er-Born­emann, Doris Bocka, Tho­mas Brix, Chris­ti­ne Engels, Fran­zis­ka Erb-Bibo, Rein­hard Feld­rapp, Hen­ri­ke Franz, Frie­de­mann, Gott­schald, Tho­mas Gröh­ling, Chris­ti­ne Gru­ber, Ger­hard Hagen, Jani­na Hec­tor, Nina Hein­lein, Kath­rin Hubl, Lucie Kaz­da, Rüdi­ger Klein, Georg Köst­ner, Ruth Loibl, Alex­and­re Madu­rei­ra, Tho­mas Michel, Ger­hard Nerow­ski, Vero­ni­ka Riedl, Kat­rin Schin­ner, Har­riet Schmid, Gud­run Schü­ler, Michae­la Schwarz­mann, Chris­tia­na Sie­ben, Hubert Sowa, Lisa Stöhr, Wer­ner Tögel, Cor­du­la Uter­möh­len und Ute Westien.

Einen aus­führ­li­chen Bericht zur Aus­stel­lung „Die Gren­ze“ kön­nen Sie dem­nächst im Stadt­echo Bam­berg und auch hier auf dem Web­echo lesen.

Kunst über Kunst

„All over“: Sven Drühl in der Vil­la Dessauer

Der Ber­li­ner Künst­ler Sven Drühl hat sich der Dar­stel­lung von Natur­an­sich­ten ver­schrie­ben, vor­nehm­lich zei­gen sei­ne Wer­ke Ber­ge, Was­ser­mo­ti­ve und Wald. Zur Motiv­su­che für sei­ne Gemäl­de aus unge­wöhn­li­chen Werk­stof­fen wie Öl, Lack und Sili­kon begibt er sich aber nicht ins Gebir­ge. Bereits bestehen­de Abbil­dun­gen von Natur, wie die euro­päi­sche oder japa­ni­sche Land­schafts­ma­le­rei des 19. Jahr­hun­derts, die­nen ihm als Vor­la­ge. Im Inter­view haben wir mit ihm über sei­ne Aus­stel­lung in der Vil­la Des­sau­er (bis 27. Okto­ber), sei­ne Tech­nik, Aneig­nung, die Abwe­sen­heit von Men­schen, die Spu­ren der Roman­tik und Com­pu­ter­spiel­wel­ten gesprochen.
Herr Drühl, was bedeu­tet der Aus­stel­lungs-Titel „All Over“? Han­delt es sich um einen Abschluss oder eine Retrospektive?

Sven Drühl: Ich ken­ne die Vil­la Des­sau­er bereits von einer Aus­stel­lung aus dem Jahr 2013. Damals wur­de aller­dings nur das unte­re Stock­werk bespielt und als ich dem Bam­ber­ger Kunst­ver­ein für mei­ne aktu­el­le Aus­stel­lung zusag­te, habe ich mich ein biss­chen ver­schätzt. Ich dach­te näm­lich, mir stün­de auch nur die unte­re Eta­ge zur Ver­fü­gung. Dies­mal geht die Aus­stel­lung aber über zwei Stock­wer­ke – in die­sem sehr gro­ßen Haus. Also haben wir beschlos­sen, nicht nur aktu­el­le Arbei­ten zu zei­gen, son­dern Arbei­ten aus mei­nen unter­schied­li­chen Werk­pha­sen. Der Titel bezieht sich also auf eine Überblickausstellung.

Was wird ent­spre­chend zu sehen sein?

Sven Drühl: Ich zei­ge unter­schied­li­che Seri­en. Es gibt zum Bei­spiel die Shin Han­ga-Serie, bei der ich mich auf japa­ni­sche Holz­schnit­te aus dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert bezie­he. In einem Raum zei­ge ich zudem erst­mals alle mei­ne Litho­gra­fien, also auch sol­che, die ich noch nie muse­al gezeigt habe. Und eini­ge älte­re Archi­tek­tur­ar­bei­ten, die ich mit nach Bam­berg brin­ge, habe ich auch schon acht Jah­re nicht mehr ausgestellt.

War­um haben Sie sich für Ihre Land­schafts­dar­stel­lun­gen für das Vor­ge­hen des Abma­lens entschieden?

Sven Drühl: Abma­len ist der fal­sche Begriff. Es geht um Remi­xe. Ähn­lich wie DJs in den Clubs der 1990er Jah­re anfin­gen, Remi­xe von bestehen­den Songs anzu­fer­ti­gen, und oft­mals Din­ge zusam­men­brach­ten, die vor­her so nicht zusam­men­ge­hör­ten, gehe auch ich vor. Zum Bei­spiel basiert ein fünf Meter brei­tes Tri­pty­chon auf drei unter­schied­li­chen Holz­schnit­ten des japa­ni­schen Künst­lers Kawa­se Hasui. Von die­sen Wer­ken neh­me ich mir Tei­le und kom­pi­lie­re sie male­risch zu einem neu­en Bild.

Sie bil­den die Vor­la­gen aller­dings nicht in Gän­ze ab. Nach wel­chen Gesichts­punk­ten wäh­len Sie Aus­schnit­te aus, die sie zitieren?

Sven Drühl: Bis vor vier oder fünf Jah­ren habe ich in der Regel Kom­po­si­tio­nen mit Vor­der­grund, Hin­ter­grund, Him­mel und so wei­ter gesetzt, um die Gemäl­de prä­zi­se als Land­schafts­an­sich­ten zu mar­kie­ren. Dann habe ich aber zum Teil ange­fan­gen, so weit rein­zu­zoo­men, dass es kei­ne Him­mel-Linie mehr gab. Dar­an reizt mich, dass das Motiv nicht mehr auf den ers­ten Blick ein­deu­tig zum Bei­spiel als Berg erkenn­bar ist, son­dern eher ein abs­trak­tes Mus­ter von einem Berg ent­steht. 20 Jah­re lang war bei mei­nen Gemäl­den sofort klar: Das ist Was­ser, das ein Berg. Nun habe ich die­se Ein­deu­tig­keit manch­mal auf­ge­löst und die Leu­te ste­hen davor und fra­gen: Du machst jetzt Abs­trak­tes? Dann sage ich Ihnen, dass sie näher hin­schau­en sol­len und meist ver­ste­hen sie.

Sven Drühl
Sven Drühl, Foto: Sebas­ti­an Quenzer
Wor­in besteht der Reiz, abzu­bil­den, was bereits abge­bil­det wurde?

Sven Drühl: Auch in frü­he­ren Zei­ten nah­men Künst­ler bereits Bezug auf Gemäl­de, die es schon gab. Das tue ich auch – ich bezie­he mich auf Wer­ke, die schon exis­tie­ren, um den Blick auf sie zu erwei­tern. Und durch mei­ne Mate­ria­li­en wie Sili­kon, Lack und Öl wird es sowie­so immer etwas ganz ande­res. Es ist ein Neu­durch­spie­len und Neu-in-Kon­text-Set­zen. Auch reiz­voll dabei ist, dass ich Din­ge aus unter­schied­li­chen kul­tu­rel­len Kon­tex­ten zusam­men­brin­gen kann. Ich kann ein Gemäl­de des Mat­ter­horns aus dem 19. Jahr­hun­dert mit einem japa­ni­schen Holz­schnitt der 1930 Jah­re ver­bin­den und so etwas Neu­es her­stel­len. Im Zuge mei­ner Shin Han­ga-Serie habe ich das kul­tu­rel­les Ping­pong genannt, weil dabei über­haupt nicht mehr klar ist, wor­um es sich bei den Ori­gi­na­len han­delt. Hin­zu kommt, dass die Künst­ler der Shin Han­ga-Kunst­rich­tung ihren Wer­ken bereits Zita­te west­li­cher Kunst bei­gemischt hat­ten. Sie kann­ten das Licht des Impres­sio­nis­mus und der Roman­tik. Gleich­zei­tig gab es in der west­li­chen Kunst den Japo­nis­mus, etwa bei Gus­tav Klimt oder Egon Schie­le. Die Bäl­le flie­gen hin und her und man kann nicht mehr auf­lö­sen, wo was herkommt.

Geht das nicht in Rich­tung des­sen, was man heu­te kul­tu­rel­le Aneig­nung nennt?

Sven Drühl: Als ich in den frü­hen 2000er Jah­ren mit die­sem Ansatz anfing, gab es den Begriff und die dazu­ge­hö­ri­ge Debat­te noch nicht. Damals wur­de das, was man heu­te Aneig­nung nennt unter dem Begriff „Zitat“ gefei­ert. Da ging es dar­um, dass man die Vor­la­gen auf- und stark macht. Man ver­stand das Zitat nicht als Aus­nut­zen von etwas, son­dern als Hom­mage. Und in der Bil­den­den Kunst oder der Male­rei hat es den Rück­griff auf bestehen­de Moti­vik wie gesagt eigent­lich immer schon gege­ben. Die­ser Blick hat sich natür­lich mitt­ler­wei­le gewan­delt, aber ich wur­de mit die­ser Debat­te bis­her nicht kon­fron­tiert, weil sie für mei­ne Wer­ke auch nicht wirk­lich greift.

Wie­so haben Sie sich für Land­schafts­ma­le­rei und spe­zi­ell Gebirgs­an­sich­ten als Vor­la­gen für Ihre Gemäl­de entschieden?

Sven Drühl: Das Remi­xen wür­de tat­säch­lich auch mit ande­ren Vor­la­gen funk­tio­nie­ren, aber ich woll­te so wenig Nar­ra­ti­on in den Arbei­ten haben, wie mög­lich. Sobald man Men­schen mit abbil­det oder Archi­tek­tur hat man eine Erzäh­lung drin. Ich woll­te alles erzäh­lungs­frei hal­ten, offen, sodass jeder in dem Gemäl­de etwas erbli­cken und es mit eige­nen Emo­tio­nen fül­len kann. Die­se Moti­ve stel­len ein­fach ein sehr neu­tra­les Feld dar.

Was für ein Men­schen­bild steckt dahinter?

Sven Drühl: Es ist mir wich­ti­ger, kei­ne Nar­ra­ti­on zu haben, als kei­ne Men­schen. Wenn ich einen Men­schen in der Land­schaft habe, fragt man sich sofort, was der da macht, wo er hin­geht und so wei­ter. Das will ich nicht. Ich will, dass man über Land­schaft nach­denkt, nicht über den Men­schen. Sonst ist man wie­der in die­sem Roman­tik-Ding: Der klei­ne Mensch in der erha­be­nen Land­schaft und so wei­ter. Ich will einen rei­nen Blick, wes­we­gen das Land­schafts­the­ma auch so gut geeig­net ist. Als ich damit anfing, war Land­schaft das uncools­te The­ma, das man machen konn­te. Alles in der Kunst war zyni­sche und iro­ni­sche Pro­vo­ka­ti­on oder es domi­nier­ten Foto­gra­fie und Video. Das mit der pro­vo­ka­ti­ven Male­rei wie bei Mar­tin Kip­pen­ber­ger und Co. war mir aber irgend­wann zu kin­disch und ich voll­zog einen Schwenk, redu­zier­te alles, auch die Pro­vo­ka­ti­on, und bin in das Land­schafts­the­ma eingestiegen.

Wol­len Sie ent­spre­chend auch ver­hin­dern, dass in Ihren Wer­ken die­se roman­ti­schen Natur­dar­stel­lun­gen und ihre Erha­ben­heit erkannt wird?

Sven Drühl: Ich will sie ver­hin­dern, bedie­ne sie aber gleich­zei­tig. Es ist so ein Inbet­ween. Ich will kei­ne Erzäh­lung, weiß aber, dass sobald man ein Drei­eck malt mit einer blau­en Flä­che dar­über, das Publi­kum einen Berg zu erken­nen meint. Dabei kön­nen natür­lich auch die­se gro­ßen Gefüh­le auf­tau­chen, wie sie viel­leicht im Ange­sicht eines Gemäl­des aus der Roman­tik ent­ste­hen. Ich ver­ste­he mich als kon­zep­tu­el­ler Maler. Kon­zept­kunst ist aller­dings oft sehr sprö­de und bie­tet nicht so viel an, außer den Theo­rie-Über­bau. Dar­um möch­te ich in mei­nen Wer­ken, neben der theo­re­ti­schen Ebe­ne, die ich durch­aus auch ein­zie­he, mit dem, was abge­bil­det ist, eben­so eine Art Ver­füh­rungs­qua­li­tät haben. Dabei stört es mich nicht, wenn die Leu­te sagen: Was für ein wun­der­schö­nes Berg­bild, das macht mich ganz ruhig – ein Kom­men­tar, bei dem vie­le zeit­ge­nös­si­sche Künst­ler übri­gens eine Kri­se krie­gen wür­den. Und wer sich tie­fer mit mei­nen Gemäl­den aus­ein­an­der­set­zen möch­te, bekommt auf einer zwei­ten Ebe­ne, auf der ich die jewei­li­ge Vor­la­ge zitie­re und zum Bei­spiel Fra­gen nach kul­tu­rel­ler Zusam­men­set­zung stel­le, Theo­rie dazu geliefert.

Vor fast genau 250 Jah­ren (5. Sep­tem­ber 1774) wur­de Cas­par David Fried­rich gebo­ren. Im gan­zen Land gibt es der­zeit sehr erfolg­rei­che Aus­stel­lun­gen mit sei­nen Gemäl­den. Bedeu­tet das nicht, dass es im Publi­kum nach wie vor ein Bedürf­nis nach den guten alten Dar­stel­lun­gen von natür­li­cher Erha­ben­heit oder Natur als See­len­land­schaft gibt?

Sven Drühl: Ja, natür­lich, so eine Sehn­sucht besteht, aber eine Roman­tik-Renais­sance gab es auch schon in den 1990ern. Mit den Impres­sio­nis­ten und Expres­sio­nis­ten funk­tio­niert es genau­so. Das sind Block­bus­ter-Schau­en. Mir geht es aber nicht um die Roman­ti­ker, ich zitie­re nicht nur Fried­rich oder ande­re Gro­ße die­ser Zeit. Ich zitie­re auch Maler des 19. Jahr­hun­derts, die kei­ner kennt. Ich möch­te nicht so ein Muse­um­shigh­light oder einen Best-of-Kata­log der Roman­tik erstellen.

Aus der Aus­stel­lung „All over“: Im Vor­der­gund eine Gebirgs­skulp­tur, an der Wand das Land­schaft­bild „SDETWT“ und hin­ten Archi­tek­tur­ar­bei­ten, Foto: Sebas­ti­an Quenzer
Legen Sie dabei auch den eige­nen Gefühls­haus­halt hinein?

Sven Drühl: Ja, manch­mal. Also nicht die eige­nen Gefüh­le im Sin­ne von, mir ist gera­de nach der und der Stim­mung. Bei den Lack­ge­mäl­den habe ich meis­tens zuerst den Unter­bau eines Ber­ges fer­tig, dann füge ich noch den Him­mel hin­zu. Dabei den­ke ich sehr lan­ge über die Farb­ge­bung nach. Denn mit Far­ben las­sen sich Emo­tio­nen trans­por­tie­ren. Mache ich den Him­mel blau, wirkt er anders, als wenn ich ihn oran­ge fär­be. Wobei ich ger­ne Far­ben wäh­le, die eine eher unter­kühl­te Aus­strah­lung habe. So holen die Gemäl­de das Publi­kum nicht all­zu sehr rein. Des­halb muss ich mir zwar öfter Vor­wür­fe anhö­ren, bei mir sei Vie­les so unter­kühlt, aber das ist eine bewuss­te Setzung.

Fügen Sie auch selbst gestal­te­te Tei­le hinzu?

Sven Drühl: Ganz sel­ten. Von mei­nen etwa 400 Gemäl­den habe ich viel­leicht in fünf Eige­nes eingearbeitet.

Gibt es bei Ihnen dann trotz­dem so etwas wie eine künst­le­ri­sche Handschrift?

Sven Drühl: Ja natür­lich, eine ganz Deut­li­che. Es ist in der zeit­ge­nös­si­schen Male­rei zwar schwer, einen erkenn­ba­ren Stil zu eta­blie­ren. Aber ich den­ke, mei­ne Hand­schrift ist ganz klar mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se: Land­schafts­dar­stel­lun­gen aus Sili­kon, ÖL und Lack. Das sind kei­ne klas­si­schen Ver­fah­ren der Male­rei, sol­che Mate­ria­li­en ver­wen­det sonst nie­mand. Die­ses Vor­ge­hen habe ich qua­si erfun­den und damit ein so star­kes Allein­stel­lungs­merk­mal erreicht, dass die Leu­te schon vor 20 Jah­ren mei­ne Bil­der erkannt haben. Auch mei­ne neue­ren Wer­ke der zwei­ten gro­ßen Serie der Lack­bil­der – ent­stan­den in den letz­ten acht Jah­ren –, die ohne Sili­kon aus­kom­men und kei­ne kunst­his­to­ri­schen Zita­te ver­wen­den, haben eine spe­zi­el­le Tech­nik, die sich kaum nach­ma­chen lässt. Bei die­sen Gemäl­den bezie­he ich mich auf Hin­ter­grün­de aus Computerspielwelten.

Wie kam der Schritt weg von his­to­ri­schen Gemäl­den hin zu Com­pu­ter­spiel­wel­ten als Vorlage?

Sven Drühl: Ich frag­te mich nach so vie­len Jah­ren mit Land­schaf­ten, wo es noch Poten­zi­al für Inno­va­ti­on im künst­le­ri­schen Zugriff auf die­se Moti­ve gibt. In der zeit­ge­nös­si­schen Kunst gibt es die­sen mei­ner Mei­nung nach aber schon lan­ge nicht mehr. Wenn in einem Com­pu­ter­la­bor aber 50 Nerds sit­zen und für ein Com­pu­ter­spiel Land­schaf­ten pro­gram­mie­ren, führt das dazu, dass ein völ­lig neu­es Bild von Land­schaft gene­riert wird.

Woher bekom­men Sie die­se Hintergründe?

Sven Drühl: Ich arbei­te mit zwei Fir­men aus den USA zusam­men, die mir Zugriff auf Zwi­schen­schrit­te ihrer Vek­tor­da­tei­en geben. Wenn in so einem Spiel zum Bei­spiel ein Hub­schrau­ber durch eine Land­schaft fliegt, muss die­se natür­lich gene­riert wer­den. Das geschieht, indem tau­sen­de Land­schafts­fo­tos ein­ge­speist wer­den. Aus einem dann gene­rier­ten Fun­dus rein vir­tu­el­ler Vor­la­gen über­set­ze ich Frag­men­te in Male­rei. Der Witz dabei ist, dass die­se Land­schafts­ge­mäl­de rea­lis­ti­scher schei­nen als die, die ich aus his­to­ri­schen Gemäl­den gemixt habe, die also eine rea­le Vor­la­ge hat­ten. Aber die­se vir­tu­el­len Land­schaf­ten, die ich jetzt ver­wen­de, gibt es nicht. Die Vor­la­gen mei­ner vor­he­ri­gen Arbei­ten waren Abs­trak­tio­nen von Rea­li­tät, die ich ein zwei­tes Mal abs­tra­hiert habe. Eine Abs­trak­ti­on zwei­ter Ord­nung könn­te man sagen. Nun gibt es kei­ne Vor­la­gen mit rea­lem Vor­bild mehr, son­dern nur noch vir­tu­el­le. Die­se male ich aber so, als wür­de die Land­schaft existieren.

Sind Sie also der Ret­ter der Landschaftsmalerei?

Sven Drühl: Nein, so sehe ich mich gar nicht, ich bin kein Ret­ter und will auch kei­ner sein. Es macht mir aber unglaub­lich Spaß, Land­schaf­ten zu malen. Ich gehe immer noch sehr ger­ne ins Ate­lier und den­ke dar­über nach, wie ich das Kon­zept vor­an­trei­ben und wie ich Vor­la­gen erneu­ern kann. Denn Land­schafts­dar­stel­lun­gen haben immer noch eine Rele­vanz, wenn auch nicht mehr mit den alten Mit­teln. Ich kann mich heu­te nicht mehr in die Land­schaft set­zen und los­ma­len, das ging im 19. Jahr­hun­dert bes­ser. Also gehe ich neu ran und mache Kunst über Kunst.

Ihre jüngs­ten Schöp­fun­gen sind drei­di­men­sio­na­le Dar­stel­lun­gen von Gebirgs­zü­gen. Was hat es damit auf sich?

Sven Drühl: Oft hat man rie­si­ge Aus­stel­lungs­räu­me, kann sei­ne Gemäl­de aber nur flach an die Wand hän­gen. Das ist als Maler oft frus­trie­rend. Dar­um habe ich die­sen Schritt hin zum Drei­di­men­sio­na­len unter­nom­men, um den Raum bes­ser in den Griff zu bekom­men und das Kon­zept der Land­schafts­ma­le­rei erneut zu erwei­tern. Dafür erschaf­fe ich Bronz­wer­ke nach Gips­re­li­efs. Die­se Gip­se wer­den mir von einem Geo­lo­gen ange­fer­tigt, der Ähn­li­ches zum Bei­spiel auch für gro­ße Alpin-Muse­en macht. Sind die Reli­efs fer­tig, kom­me ich mit Frä­se, Ham­mer und Mei­ßel und ver­frem­de bezie­hungs­wei­se zer­stö­re Tei­le davon, um den Ein­druck zu erwe­cken, dass ein Blick in die Zukunft gezeigt wird: Alles Eis und Hän­ge sind abge­rutscht und der Berg durch den Kli­ma­wan­del ero­diert. Für die­se Arbei­ten gehe ich aller­dings von rea­len Ber­gen aus und nicht von kunst­ge­schicht­li­chen Darstellungen.

Betrei­ben Sie Bergsteigen?

Sven Drühl: Das kann ich nicht behaup­ten. Ich bin schon ger­ne in den Ber­gen unter­wegs, bin aber kein Berg­stei­ger oder Berg­wan­de­rer. Das macht mein Knie nicht mit.

His­to­ri­sches Muse­um, Samm­lung Lud­wig, Vil­la Dessauer

Posi­ti­ve Bilanz: Kul­tu­rel­le Bil­dung bei den Muse­en der Stadt Bamberg

Die Publi­kums-Bilanz der Muse­en der Stadt Bam­berg des letz­ten Jah­res ist posi­tiv. Immer mehr Per­so­nen besu­chen die Aus­stel­lun­gen im His­to­ri­schen Muse­um, in der Samm­lung Lud­wig und der Vil­la Des­sau­er, immer mehr Schul­klas­sen buchen Mit­mach-Füh­run­gen und Museumswerkstätten.

Anfang Dezem­ber eröff­ne­ten die Muse­en der Stadt Bam­berg ihre letz­te Aus­stel­lung des Jah­res 2023. Noch bis 28. Janu­ar zeigt das His­to­ri­sche Muse­um die Weih­nachts­aus­stel­lung „Eine run­de Sache? Wie Lauscha die Weih­nachts­ku­gel erfand“. Die Schau bil­det den Abschluss „eines anspruchs­vol­len Aus­stel­lungs­jahrs“, wie die Muse­en mit­teil­ten. Unter dem Jahr lie­fen unter ande­rem auch „Die magi­sche Nuss Kra­ka­tuk“, „Fake Food – Essen zwi­schen Schein und Sein“, „Instant Para­di­se – Swa­ant­je Günt­zel“ und „Feld­for­schung“ von Rosa Brun­ner. „Unse­re Bemü­hung wur­den mit sehr guten Besuchs­zah­len belohnt“, sagt Muse­ums­di­rek­to­rin Kris­tin Kne­bel. „Schon jetzt ist die Zahl der Muse­ums­be­su­che aus dem Jah­re 2022 über­trof­fen wor­den. Und wir freu­en uns, dass wir so vie­le Men­schen, dar­un­ter vie­le Bam­ber­ge­rin­nen und Bam­ber­ger, und vor allem auch Kin­der und Jugend­li­che errei­chen kön­nen. Denn letzt­lich lebt ein Muse­um ja genau von ihnen, ohne ihr Inter­es­se wäre unse­re Arbeit nutzlos.“

Zuspruch auch bei Kul­tu­rel­ler Bildung

Die Muse­en der Stadt Bam­berg begrei­fen bei jeder Aus­stel­lung laut Selbst­be­schrei­bung Bil­dung und Ver­mitt­lung als ele­men­ta­re Auf­ga­be. Ihre kul­tu­rel­len Bil­dungs­an­ge­bo­te sol­len sich an den unter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Bedürf­nis­sen, Moti­va­tio­nen und Erwar­tun­gen des Publi­kums ori­en­tie­ren. Auch sol­len Besu­che­rin­nen und Besu­cher ein­be­zo­gen wer­den, um einen ein­la­den­den und anre­gen­den Bil­dungs­ort zu schaf­fen. Mit unter­schied­li­chen, ziel­grup­pen­spe­zi­fi­schen und inklu­si­ven Metho­den und For­ma­ten sol­len auch Kin­der und Jugend­li­che die Mög­lich­keit haben, kul­tur- und kunst­ge­schicht­li­che The­men spie­le­risch zu ent­de­cken und zu ver­tie­fen, selbst aktiv zu wer­den und ihr kri­ti­sches Den­ken zu entwickeln.

„Wir sind sehr zufrie­den mit der Ent­wick­lung in den Muse­en, ins­be­son­de­re was die jun­gen Besu­che­rin­nen und Besu­cher betrifft“, sagt Eleo­no­ra Cagol, wis­sen­schaft­li­che Volon­tä­rin und zustän­dig für die Kul­tu­rel­le Bil­dung der Muse­en der Stadt Bam­berg. „Die neu­en Kin­der­gar­ten- und Schul­pro­gram­me, die wir seit Sep­tem­ber 2022 anbie­ten, wer­den von Lehr­kräf­ten und Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit gro­ßer Begeis­te­rung auf­ge­nom­men. Vom 10. Dezem­ber 2022 bis zum 10. Dezem­ber 2023 haben wir für mehr als 75 Klas­sen mit ins­ge­samt mehr als 1.500 Schü­le­rin­nen und Schü­lern Mit­mach-Füh­run­gen und Muse­ums­werk­stät­ten orga­ni­siert. Hin­zu kom­men die Klas­sen, die unse­re Muse­en und Aus­stel­lun­gen selbst­stän­dig besucht haben.“

„Ich war nicht absicht­lich radi­kal, ich habe nur auf Pro­ble­me hingewiesen“

Swa­ant­je Günt­zel: Werk­schau von in der Vil­la Dessauer

In ihrer bis­her größ­ten Ein­zel­aus­stel­lung zeigt die Ham­bur­ger Kon­zept­künst­le­rin Swa­ant­je Günt­zel Wer­ke aus 20 Jah­ren ihrer Arbeit in der Vil­la Des­sau­er. Haupt­the­men der Schau „INSTANT PARADISE“ sind das gestör­te Ver­hält­nis von Men­schen und Natur und die Publi­kums-Reak­tio­nen auf Kunst, die es sich zu eigen macht. Wir haben mit Swa­ant­je Günt­zel über Haus­tier­hal­tung gespro­chen, über Ver­drän­gung und dar­über, war­um sie sich man­che ihrer Wer­ke von künst­li­cher Intel­li­genz schaf­fen lässt.
Frau Günt­zel, was hat es mit dem Aus­stel­lungs­ti­tel „INSTANT PARADISE“ auf sich?

Swa­ant­je Günt­zel: Die Idee ist, die Welt, die wir geschaf­fen haben, zu sezie­ren und künst­le­risch her­aus­zu­ar­bei­ten, wie stark gleich­zei­tig der Wunsch ist, sich von dem All­tag, der die­se Welt bedingt, zu dis­so­zi­ie­ren. Ich habe ver­sucht, die Klam­mer so zu set­zen, dass man merkt, wie nah wir eigent­lich an der Rea­li­tät sind, mit der wir im Moment zu tun haben, wäh­rend wir aber eigent­lich hof­fen, uns nicht mit ihr aus­ein­an­der­zu­set­zen zu müs­sen. Gleich­zei­tig erlie­gen wir der Illu­si­on, dass die Welt, die wir gestal­tet haben, para­die­sisch ist, uns auf dem Weg dahin aber selbst schaden.

Was heißt das genau?

Swa­ant­je Günt­zel: Sieht man sich unser Ver­hält­nis zur Natur an, sieht man, dass wir stark von der Illu­si­on getrie­ben sind, etwas zu suchen, das wir roman­ti­sie­ren kön­nen. Aber eigent­lich haken wir nur Instan­zen ab, wäh­rend uns egal ist, was wir am Schluss fin­den. Um es pla­ka­tiv zu sagen: Wenn wir auf Insta­gram Natur betrach­ten, erlie­gen wir schnell der Annah­me, wir hät­ten Natur auch erlebt, wäh­rend es eigent­lich ein tech­ni­scher Vor­gang war.

Swaantje Güntzel
Swa­ant­je Günt­zel, Foto: Tobi­as Hübel, VG Bild-Kunst Bonn

Die Fra­ge, war­um wir nicht mer­ken, dass das, was wir der Natur antun, wir uns letzt­lich selbst antun, ist etwas, das mich seit Jah­ren beschäf­tigt. Dar­um scheint es uns auch so schwer zu fal­len, Lösun­gen zu fin­den. Wir haben eine Rea­li­tät kre­iert, die aus zwei par­al­le­len Uni­ver­sen besteht: einem, in dem wis­sen­schaft­lich nach­weis­bar ganz viel pas­siert zu dem wir uns eigent­lich ver­hal­ten müss­ten. Und ein Uni­ver­sum, das wir abge­spal­ten haben, in dem wir wei­ter so tun, als ob alles in Ord­nung wäre und die Din­ge igno­rie­ren, die wir eigent­lich wahr­neh­men müss­ten. Dar­in schaf­fen wir immer neue künst­li­che Bil­der dar­über, was zum Bei­spiel Umgang mit Natur ist. Es geht in der Aus­stel­lung ent­spre­chend nicht zuletzt sehr viel um unser Ver­hält­nis zur Kreatur.

Ein Werk heißt „Para­di­se dis­sec­ted“ und zeigt eine Instal­la­ti­on mit ver­schie­de­nen Käfig-Sys­te­men zur Klein­tier­hal­tung. Was sagt es über unser Ver­hält­nis zu die­sen Tieren?

Swa­ant­je Günt­zel: In der Instal­la­ti­on wird die Fra­ge auf­ge­wor­fen, wie weit Men­schen gehen, um sich vom Tier unter­hal­ten zu las­sen. Der Hams­ter selbst spielt dabei letzt­end­lich nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Das­sel­be gilt für die Din­ge, die in der Klein­tier­hal­tung als Spiel­zeu­ge oder Acces­soires ange­bo­ten wer­den, sie wer­den genutzt damit der Mensch auf sei­ne Kos­ten kommt, nicht das Tier. Hier ist es mir wich­tig so zu über­zeich­nen, dass das gan­ze Sys­tem fast schon sati­risch wirkt und der­art in sei­ner Bedeu­tung kippt, dass man sich fragt, ob so etwas nicht viel mehr über uns aus­sagt als über das Tier. Auch wenn ich lei­der oft viel näher an der Rea­li­tät dran bin als mir lieb wäre.

Für die Aus­stel­lung haben Sie Wer­ke aus 20 Jah­ren Ihres Schaf­fens aus­ge­wählt. Unter wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie die Wahl getroffen?

Swa­ant­je Günt­zel: Das wich­tigs­te war, dass ich noch vor der Aus­wahl ent­schie­den habe, brand­ak­tu­el­le neue Arbei­ten und älte­ren Arbei­ten gemein­sam zu zei­gen. Dies vor allem vor dem Hin­ter­grund, dass vie­le mei­ner Wer­ke jetzt eine grö­ße­re Aktua­li­tät haben als zum Zeit­punkt ihres Ent­ste­hens und zudem vie­le The­men, wie zum Bei­spiel die Kli­ma­kri­se erst jetzt die ange­mes­se­ne öffent­li­che Auf­merk­sam­keit bekommen.

War­um bespie­len Sie seit 20 Jah­ren das The­ma des Ver­hält­nis­ses zur Natur?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich glau­be, das ist das The­ma, das mich in mei­nem Leben am meis­ten beschäf­tigt hat. Schon als ich klein war, habe ich gemerkt, dass es eine gro­ße Dis­kre­panz gibt zwi­schen Erkennt­nis und Han­deln, auch wenn ich das als Kind nicht for­mu­lie­ren konn­te. Ich habe mich damals im Rah­men mei­ner Mög­lich­kei­ten enga­giert und bin zum Bei­spiel von Tür zu Tür gegan­gen, um Unter­schrif­ten gegen Rob­ben­schlach­ten zu sam­meln. Spä­ter habe ich klei­ne Skulp­tu­ren ver­kauft und das Geld an Green­peace gespen­det. Als ich mich dann ent­schied, ganz in die Kunst zu gehen, frag­te ich mich, mit wel­chen The­men ich mich inten­siv beschäf­ti­gen möch­te. Da war klar, wel­ches ich wäh­le. Und wenn man sich fragt, wie unse­re öko­lo­gi­sche Rea­li­tät aus­sieht, was sie über uns aus­sagt und wor­auf sie hin­aus­läuft, ist man vollzeitbeschäftigt.

Wel­che Wer­ke sind aktu­el­ler geworden?

Swa­ant­je Günt­zel: Über unse­ren Umgang mit Tie­ren habe ich schon vor 15 Jah­ren gear­bei­tet, wie zum Bei­spiel im Kon­text des Werks „Para­di­se dis­sec­ted“. Die Fra­ge war immer, in wel­che Bezie­hung wir uns zum Tier set­zen und wie viel Wil­le dem Tier eigent­lich gelas­sen wird. Die­se Fra­gen sind heu­te aktu­el­ler denn je. In der Aus­stel­lung beschäf­ti­ge ich mich zum Bei­spiel mit der Dar­stel­lung der Krea­tur auf Social Media wie Tik-Tok und Insta­gram. Es gibt ein gan­zes Gen­re über Haus- und Wild­tie­re, die in bestimm­ten Vide­os mit Acces­soires geschmückt oder mit Din­gen ange­zo­gen wer­den, die man ganz sicher so nicht in frei­er Wild­bahn fin­det. Hams­ter tra­gen Krön­chen und Pan­tof­feln, Otter einen Pyja­ma und Hun­de Popstar-Outfits. 

Zudem gibt es die Kate­go­rie der soge­nann­ten Res­cue Vide­os. Dar­in fil­men sich Men­schen, wie sie Tie­re, meist Hun­de und Kat­zen, die sie am Stra­ßen­rand oder im Wald fin­den mit nach Hau­se neh­men und sie so aus ihrer Sicht ret­ten. Die Aus­sa­ge dahin­ter ist immer: Das Tier hat nur eine Chan­ce zu über­le­ben, weil es vom Mensch geret­tet wird. In der Dra­ma­tur­gie des Vide­os wird das Tier dann, um in die ver­meint­lich bes­se­re, gute Welt beim Men­schen auf­ge­nom­men zu wer­den, geba­det. Die­ser Akt gleicht oft einer Art Tau­fe, fast wie ein rite de pas­sa­ge. Dazu wird es in der Aus­stel­lung auch eine eige­ne neue Serie geben.

Gibt es auch Wer­ke, die schlecht geal­tert sind?

Swa­ant­je Günt­zel: Nein. Es war tat­säch­lich so, dass ich mich kaum ent­schei­den konn­te, was ich alles mit nach Bam­berg neh­me, weil alles gepasst hätte.

„When are we fuck­ing done rai­sing awa­re­ness?“, 2023, Acryl auf Lein­wand, Foto: S. Quenzer
Schlägt sich in der Aus­stel­lung auch nie­der, dass das Ver­hält­nis zwi­schen Mensch und Natur immer schlech­ter gewor­den ist?

Swa­ant­je Günt­zel: Ja. Es wird tat­säch­lich immer über­dreh­ter. Mei­ne Beschäf­ti­gung mit den Käfig- und Tun­nel­sys­te­men aus der Klein­tier­hal­tung waren damals so etwas wie ein Anlauf und eine Bestands­auf­nah­me. Den Grad der Ver­mensch­li­chung des Tiers in der Insze­nie­rung auf Social Media emp­fin­de ich inzwi­schen als sehr bedenk­lich. Inter­es­sant ist dabei sicher­lich auch zu sehen, wie Betrach­te­rIn­nen auf mei­ne Arbei­ten, in denen ich die­se The­men auf­grei­fe, reagie­ren. Viel­leicht war ich, ohne dass es mir klar war, immer schon einen klei­nen Schritt schnel­ler, weil ich das alles so absurd fand, wäh­rend in mei­nem Umfeld oft noch gedacht wur­de, sol­che Din­ge sei­en in Ord­nung. Am Ende sind wir ja alle umge­ben von ein­ge­sperr­ten Meer­schwein­chen und Kanin­chen aufgewachsen.

Eines Ihrer Wer­ke heißt „Kön­nen Sie nicht mal was Schö­nes machen“. Ist es eine Fort­füh­rung sol­cher Diskussionen?

Swa­ant­je Günt­zel: Ja. Es ist eine Werk­rei­he, die ich als Ant­wort auf die Reak­ti­on des Publi­kums auf mei­ne Kunst begon­nen habe. Dafür habe ich Bild­ma­te­ri­al benutzt, das ver­meint­lich auf­wüh­len­de The­men zeigt, wie zum Bei­spiel eine Ansicht des Braun­koh­le­ta­ge­baus, und habe dann kit­schi­ge Auf­kle­ber von Din­gen, die wir als schön emp­fin­den, wie von Ein­hör­ner, Regen­bö­gen und so wei­ter dar­auf geklebt. Mir wur­de von Beginn mei­ner künst­le­ri­schen Tätig­keit an vor­ge­wor­fen, dass die Arbei­ten, die sich mit unse­rer öko­lo­gi­schen Rea­li­tät und unse­rer Bezie­hung zum Tier befas­sen, zu ver­stö­rend sei­en. In Tei­len fand ich das nur schwer nach­voll­zieh­bar, weil ich ja letzt­end­lich nur die von uns gemach­te Rea­li­tät abbilde. 

Ich bin ja auch nicht die ers­te Künst­le­rin, die sich mit die­sen The­men beschäf­tigt. Als ich aller­dings vor 20 Jah­ren damit anfing, hin­gen die hedo­nis­ti­schen Neun­zi­ger viel­leicht noch zu sehr in der Luft und man muss­te erst mal rea­li­sie­ren, dass wir auf dem Weg in etwas sehr Ungu­tes sind. Ver­mut­lich sind die Reak­tio­nen auf mei­ne Arbeit des­we­gen oft so ableh­nend und immer wie­der mit dem Vor­wurf ver­bun­den, es sei zu ver­stö­rend und radi­kal, flan­kiert von Sät­zen wie: Kön­nen Sie nicht mal was Schö­nes machen? Am Ende ist es jedoch auf zwei Ebe­nen ent­lar­vend: Ein­mal – was soll Kunst eigent­lich, was glaubt man, von ihr ein­for­dern zu dür­fen? Und was sagen sol­che Sät­ze dar­über aus, wie wir uns mit der Rea­li­tät beschäf­ti­gen? Wir leis­ten uns den Luxus, ihr aus­wei­chen zu können.

Wur­de also das Werk als radi­kal ange­se­hen oder sein The­ma der Umweltzerstörung?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich war nicht absicht­lich radi­kal, ich habe nur auf Pro­ble­me hin­ge­wie­sen. Zu den Ver­mei­dungs­stra­te­gien des­sen, wor­auf ich hin­wei­se, gehör­te es aber wohl, mei­ne Wer­ke radi­kal zu nen­nen. Das ist luxu­ri­ös und bil­det ab, wo wir im Dis­kurs ste­hen und wie wir uns erlau­ben, uns mit Umwelt­zer­stö­rung nicht aus­ein­an­der­set­zen zu müs­sen oder zu kön­nen. Ich habe mich dabei eigent­lich immer nur als eine Art Chro­nis­tin gese­hen, die die Din­ge festhält.

Haben sich die­se Reak­tio­nen im Lauf der Zeit geän­dert? Herrscht immer noch Ver­stö­rung oder mitt­ler­wei­le eher Genervt­heit vom Thema?

Swa­ant­je Günt­zel: Die Ableh­nung der Anfän­ge wur­de zwi­schen­zeit­lich abge­löst von einem ver­meint­li­chen Inter­es­se. Ein paar Jah­re lang kamen die Leu­te mit einer gro­ßen Auf­ge­schlos­sen­heit und woll­ten ver­ste­hen, wor­um es geht. Je kla­rer dann aber wur­de, dass Kli­ma­wan­del nicht nur ein Phä­no­men am ande­ren Ende der Welt ist, son­dern dass man sich auch selbst bewe­gen muss und sein eige­nes Selbst­ver­ständ­nis hin­ter­fra­gen muss, fing es an zu kip­pen. Da wur­den die Reak­tio­nen wie­der aggressiver.

Bie­ten Ihre Wer­ke Lösun­gen der Pro­ble­ma­tik des The­mas an?

Swa­ant­je Günt­zel: Ich habe mich als Künst­le­rin eigent­lich nie in der didak­ti­schen oder päd­ago­gi­schen Rol­le gese­hen. Weil ich mich aber schon so lan­ge mit dem The­ma beschäf­ti­ge, bin ich ein wenig in die­ser Rol­le gelan­det. Ich glau­be aber nicht, dass Auf­klä­rung mei­ne pri­mä­re Auf­ga­be ist. Ich ver­su­che, über die Mög­lich­kei­ten, die ich als Künst­le­rin habe, wenn es auch in einer für vie­le unbe­que­men Form ist, Din­ge so auf­zu­be­rei­ten, dass ich mich sub­jek­tiv dazu äußern kann. Ein wich­ti­ger Teil ist dabei, künst­le­risch zu hin­ter­fra­gen, in wel­cher Wei­se wir der Ver­ant­wor­tung für unser Han­deln aus­wei­chen. Das möch­te ich in mei­nen Wer­ken spie­geln – genau wie ich auch die öko­lo­gi­sche Rea­li­tät spie­ge­le. Das eine bedingt das andere.

Für die Gra­fik­rei­he „Space Hero­i­nes“ haben Sie Dar­stel­lun­gen von Super­hel­din­nen von einer künst­li­chen Intel­li­genz anfer­ti­gen las­sen. Ist es nicht ein Aus­wei­chen vor Ihrer eige­nen, in die­sem Fall künst­le­ri­schen Natur, wenn man einen Algo­rith­mus arbei­ten lässt?

Swant­je Günt­zel: Nein. Als Kon­zept­künst­le­rin ist das für mich kein Wider­spruch. 2022 habe ich ich eine Artist-in-Sci­ence Resi­dence bei der Euro­pean Space Agen­cy in Darm­stadt absol­viert. In die­ser Zeit wur­de mir immer kla­rer, dass der Welt­raum sehr stark von männ­li­chen Hel­den­ge­schich­ten und einem männ­li­chen Selbst­ver­ständ­nis der Raum­ero­be­rung geprägt ist. Der ers­te Teil der Arbeit „Space Hero­i­nes“ bestand ent­spre­chend dar­in, eine weib­li­che Super­hel­din zu ent­wer­fen, die dem etwas ent­ge­gen­zu­set­zen hat­te und sich im All für das Gute ein­setzt und Welt­raum­schrott besei­tigt. Dafür schrieb ich meh­re­re Gra­fi­ke­rIn­nen an, und frag­te, ob sie mir eine Hel­din ent­wi­ckeln kön­nen. Dabei stand ich aber unter gro­ßem Zeit­druck und bin im Ver­lauf mei­ner Anfra­ge zu kei­nem Ergeb­nis gekom­men. Ich muss­te dann ent­schei­den, wie ich die­se Hel­din anders ent­wi­ckeln kann, also ohne die Hil­fe von anderen.

War­um haben Sie sie nicht selbst gezeichnet?

Swa­ant­je Günt­zel: Weil ich kei­ne Zeich­ne­rin bin. In gewis­ser Wei­se habe ich sie dann aber doch selbst erschaf­fen, indem ich eine KI benutzt habe. Als Kon­zept­künst­le­rin grei­fe ich sowie­so sehr viel auf sol­che aus­ge­la­ger­ten Mög­lich­kei­ten zurück. Das ist ja die Idee des kon­zep­tu­el­len Arbei­tens. Die Idee steht im Vor­der­grund und man sucht sich Wege, sie zu übersetzen.

Soll­te man als Künst­le­rin oder Künst­ler aber nicht Wert dar­auf legen, dass es in der Kunst etwas gibt, ein mensch­li­cher Fun­ke viel­leicht, das eine KI nicht erschaf­fen oder kopie­ren kann und sich ent­spre­chend von ihr fernhalten?

Swa­ant­je Günt­zel: Wenn man die KI bedient und ver­sucht, sie zu steu­ern, gibt man ihr durch­aus etwas ein. Die­se Ein­ga­be war sogar das eigent­lich Span­nen­de. Zuerst gab ich Schlag­wör­ter wie „Hel­din“, „Comic­stil“ und „Welt­raum“ ein. Dabei stell­te ich aber sofort fest, und hier tat sich eine zwei­te Ebe­ne der Arbeit auf, dass die KI unter „Hel­din“ immer eine blon­de, wei­ße, jun­ge schlan­ke, über­se­xua­li­sier­te Figur ver­steht. Um diver­se Figu­ren zu errei­chen, muss­te ich die KI immer um das Gegen­teil des­sen bit­ten, was sie als Stan­dard für das Kon­zept „Hel­din“ fest­legt. Die­se zwei­te Ebe­ne bestand also dar­in, die KI so zu bedie­nen, dass ein diver­se­res und kein sexis­ti­sches Ergeb­nis rauskommt.

„INSTANT PARADISE“ wirft einen Blick in die Ver­gan­gen­heit. Wel­che The­men wol­len Sie in Zukunft angehen?

Swa­ant­je Günt­zel: Was mich der­zeit sehr beschäf­tigt, sind die erwähn­ten Aus­weich­we­ge, die Schlupf­lö­cher, mit denen wir uns erlau­ben, der Umwelt­zer­stö­rung und ihrer Hand­lungs­not­wen­dig­keit zu ent­ge­hen. Mein Werk „When are we fuck­ing done rai­sing awa­re­ness?“ ist eine Reak­ti­on dar­auf. Man kann immer einen Grund fin­den, war­um bestimm­te Din­ge für einen selbst nicht zutref­fen. Das geht aber nur, wenn man durch eine Meta-Ebe­ne geschützt ist, wie zum Bei­spiel die­je­ni­ge, die die Poli­tik vor­lebt. Sie han­delt nicht so kon­se­quent, wie sie müss­te oder könn­te, wie man an der aktu­el­len Ver­hand­lung um das Pari­ser 1,5 Grad-Abkom­men sieht. 

Der Rest hat sich in eine Rich­tung ent­wi­ckelt, in der die Aus­ein­an­der­set­zung mit unse­rer öko­lo­gi­schen Rea­li­tät ein Kul­tur­kampf gewor­den ist. Ich sehe da eine unfass­ba­re Ent­wick­lung rück­wärts, die aber immer salon­fä­hi­ger wird. In Zukunft, den­ke ich, wer­de ich mich also noch mehr damit beschäf­ti­gen, wie sehr wir die Ver­mei­dung der Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rea­li­tät zu einer Kunst gemacht haben.

Swaantje Güntzel
Eine Space Heroi­ne von Swa­ant­je Günz­tel, Foto: S. Günt­zel, VG Bild-Kunst Bonn 2023

BBK-Jah­res­aus­stel­lung zum 200. Todes­tag von E.T.A. Hoffmann

„unheim­lich fan­tas­tisch oder total real“

Vor 200 Jah­ren starb E.T.A. Hoff­mann – ein Anlass, dem nun auch der Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Ober­fran­ken, der BBK, eine Aus­stel­lung wid­met. Für „unheim­lich fan­tas­tisch oder total real“ sind noch bis 27. Novem­ber die Wer­ke von 24 Mit­glie­dern des Ver­bands in der Vil­la Des­sau­er zu sehen. The­ma­tisch gibt es das E.T.A.-Übliche, inhalt­lich zeigt die Schau aber abwechs­lungs­rei­che und neu­ar­ti­ge Inter­pre­ta­tio­nen davon.

Eini­gen Wer­ken der Aus­stel­lung „unheim­lich fan­tas­tisch oder total real“ sieht man an, dass sie nicht spe­zi­ell für das E.T.A. Hoff­mann-The­ma ange­fer­tigt, vom BBK aber für die Aus­stel­lung aus­ge­wählt wur­den, weil sie zufäl­lig gut dazu pas­sen. Tho­mas Brixs Zeich­nung „Heil-Land“ aus dem Jahr 2021 ist ein Bei­spiel dafür, Chris­ti­ne Gru­bers „Flo­ria Tos­ca“, 2005, ein ande­res. Ers­te­res kann im Sin­ne der Auto­ma­ten­the­ma­tik aus Hoff­manns „Der Sand­mann“ aus­ge­legt wer­den; in Zwei­te­rem hat der BBK das Unheim­lich-Fan­tas­ti­sche, das vie­le Wer­ke E.T.A.s durch­dringt, ausgemacht.

Ande­re Wer­ke, wie Ger­hard Hagens „Bergan­za Rel­oa­ded“ (2022) oder Ute Westi­ens „Ele­xie­re des Teu­fels“, wur­den unter­des­sen eigens für die Schau in der Vil­la Des­sau­er ange­fer­tigt. Ins­ge­samt 24 Künst­le­rin­nen und Künst­ler zeigt die Aus­stel­lung, nament­lich: Kers­tin Amend-Poh­lig, Mathi­as Bör­ner, Chris Engels, Hen­ri­ke Franz, Bar­ba­ra Grö­ne-Trux, Andrea Land­wehr-Rat­ka, Ruth Loibl, Cor­ne­lia Morsch, Wolf­gang Mül­ler, Ste­phan Pfeif­fer, Gert Res­sel, Vero­ni­ka Riedl, Wal­traud Schei­del, Nel­ly Schrott, Maria Söll­ner, Hubert Sowa und Cor­du­la Utermöhlen.

Auch Wal­li Bau­er und Tho­mas Michel haben Neu­ge­schaf­fe­nes bei­gesteu­ert. Wir haben die bei­den zum Gespräch über „unheim­lich fan­tas­tisch oder total real“ getroffen.

unheimlich fantastisch oder total real
Tho­mas Michel und Wal­li Bauer
Frau Bau­er, Herr Michel, war­um hat sich auch der BBK Ober­fran­ken für sei­ne Jah­res­aus­stel­lung dem The­ma des 200. Todes­ta­ges von E.T.A. Hoff­mann angeschlossen?

Tho­mas Michel: Das war für den BBK die Chan­ce, auch ein­mal auf einen grö­ße­ren the­ma­ti­schen Zug auf­zu­sprin­gen und außer­dem einen Wie­der­erken­nungs­wert zu erzeu­gen, mit der Aus­stel­lung „Unheim­lich fan­tas­tisch“, die in der Staats­bi­blio­thek zu sehen war.

Wal­li Bau­er: Wir woll­ten uns mit der Aus­stel­lung einer­seits anhän­gen an das gro­ße Bam­ber­ger Kul­tur­the­ma 2022, den 200. Todes­tag von E.T.A. Hoff­mann. Ande­rer­seits soll­te es aber auch die Mög­lich­keit bie­ten, künst­le­risch frei­er dar­über zu den­ken und damit zu arbeiten.

Im Ange­sicht die­ser Frei­heit, die der BBK im Umgang mit dem The­ma gege­ben hat, haben sich die 24 Künst­le­ri­In­nen dann aber doch an den übli­chen E.T.A. Hoff­mann-Moti­ven wie gespal­te­ne Per­sön­lich­keit, Uni­ver­sal­ge­nie, Auto­mat und dem Hund abge­ar­bei­tet. Was zeigt die Aus­stel­lung, was ande­re noch nicht gezeigt haben?

Tho­mas Michel: Ich den­ke, das sieht man an den Wer­ken und ihren ver­schie­de­nen Gen­res. 24 Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die sich dem The­ma wid­men, war noch nicht da. Es gibt eini­ge Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die sich inten­siv und neu­ar­tig mit E.T.A. Hoff­mann aus­ein­an­der­ge­setzt haben.

Wal­li Bau­er: Der BBK hat­te das The­ma aus­ge­schrie­ben, das heißt, man konn­te sich bewer­ben und sich auf das The­ma ein­las­sen oder eben nicht. Was mich an Hoff­mann inter­es­siert hat, war, mich auf den Mann ein­zu­las­sen, um nach­zu­gra­ben, wer er war, was er fühl­te und was er dach­te. Hoff­mann war ein mehr­fach begab­ter Künst­ler, so gese­hen eben anders als ande­re. Auf jeden Fall war er ein emp­find­sa­mer Mensch, der sich von sei­ner Umwelt sehr oft nicht ver­stan­den fühl­te und oft aneck­te, was man in sei­ner Bam­ber­ger Zeit sehr gut beob­ach­ten kann. Heu­te wür­de man viel­leicht sagen, er war sozi­al nicht ange­passt. Das ist The­ma mei­ner Holzschnitte.

Haben es 24 Künst­le­rin­nen und Künst­ler geschafft, in „unheim­lich fan­tas­tisch oder total real“ ein voll­stän­di­ges Bild von E.T.A. Hoff­mann zu zeichnen?

Tho­mas Michel: E.T.A. Hoff­mann ist schon ein spe­zi­el­les The­ma, mit dem man sich schon umfang­reich aus­ein­an­der­set­zen kann. Aber das The­ma konn­te ja sehr frei ange­gan­gen wer­den, man muss­te sich nicht all­zu deut­lich an Hoff­mann abar­bei­ten oder ein voll­stän­di­ges Bild schaf­fen. Es ging eher dar­um zu schau­en, dass man in den Rah­men des The­mas einen Ansatz inte­griert, der wei­ter geht.

Auf eine Facet­te von Hoff­manns Schaf­fen geht die Aus­stel­lung aller­dings nicht ein, näm­lich auf sein Schaf­fen als Kari­ka­tu­rist. Wie­so ver­kennt ihn die Aus­stel­lung in die­ser Richtung?

Tho­mas Michel: Jede Künst­le­rin, jeder Künst­ler hat Hoff­mann anders auf­ge­grif­fen. Ich glau­be auch, dass man Kari­ka­tur sehr zeit­ge­nös­sisch auf­grei­fen kann, wie zum Bei­spiel in der Man­ga-Com­mu­ni­ty. Kari­ka­tur ist aber ein sehr spe­zi­el­les Metier, und selbst her­aus­ra­gen­de Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die gegen­ständ­lich arbei­ten, sind nicht unbe­dingt gute Kari­ka­tu­ris­tin­nen und Kari­ka­tu­ris­ten. Auch umge­kehrt muss es nicht zwangs­läu­fig so sein. Wil­helm Busch und Lori­ot kamen auch nicht aus der Kunst­sze­ne. Des­halb bit­te ich in die­sem Punkt für die BBK-Künst­le­rin­nen und ‑Künst­ler um gewis­se Nach­sicht. Außer­dem haben wir Gert Res­sel mit sei­nem Gemäl­de „Der Viel­sei­ti­ge“. Des­sen ent­frem­de­te Figu­ren gehen schon in die Rich­tung der Karikatur.

unheimlich fantastisch oder total real
Gert Res­sel: „Der Vielseitige“
Kann man für sei­ne Kunst heu­te noch Ärger bekom­men so wie E.T.A. Hoff­mann für sei­ne Karikaturen?

Tho­mas Michel: Es ist schwie­rig. Es gibt ja in der Kunst nur noch ganz weni­ge Tabus, die man noch bre­chen könn­te. Es sei denn, man kommt aus dem glo­ba­len Süden und stellt auf der Docu­men­ta aus.

Wal­li Bau­er: Es gibt wohl wenig, das noch kri­ti­sche, poli­ti­sche Grenz­gän­ge zeigt. Arbei­ten, die sich mit poli­ti­schen The­men aus­ein­an­der­set­zen, soll­ten sen­si­bel umge­setzt werden.

Herr Michel, Sie haben zur Aus­stel­lung unter ande­rem das Gemäl­de „Olim­pia“, das das Dop­pel­gän­ger­the­ma aus „Der Sand­mann“ auf­greift, bei­gesteu­ert. Was sprach Sie dar­an an?

Tho­mas Michel: Was ich beim Sand­mann total fas­zi­nie­rend fin­de, ist das The­ma mit den Auto­ma­ten. Die Men­schen im 18. und 19. Jahr­hun­dert waren, was das angeht, schon ziem­lich weit ent­wi­ckelt – es gab Musik­au­to­ma­ten oder Schreib­au­to­ma­ten. Hin­zu kam für mich das Urthe­ma oder die Urangst der unbe­leb­ten Mate­rie oder Pup­pe, die zum Leben erweckt wird. Dann habe ich mir über­legt, was die Ent­spre­chung zu den Auto­ma­ten im 21. Jahr­hun­dert ist. Das sind für mich huma­no­ide Robo­ter oder künst­li­che Intel­li­genz. Des­we­gen habe ich die Vor­la­ge, die­ses Frau­en­ge­sicht, das das Gemäl­de zeigt, einer bio­me­tri­schen Daten­bank ent­nom­men, die mit einem Algo­rith­mus aus Mil­lio­nen von Gesich­tern neue erschafft und die­se per Zufalls­ge­nera­tor dem Betrach­ter zeigt, der sich durch die­se Daten­bank scrollt. So gese­hen spielt der Zufall auch bei der Aus­wahl eine gro­ße Rol­le. Aber egal, wel­che Vor­la­gen ich ver­wen­de, es geht dabei immer um einen Transformationsprozess. 

Das Span­nen­de dar­an ist zu beob­ach­ten, was pas­siert, wenn man ein glat­tes vir­tu­el­les Digi­tal­bild in rea­le phy­si­sche Farb­ma­te­rie in Öl auf Lein­wand über­setzt. Das Bild bekommt dann etwas wesent­lich Authen­ti­sche­res. Vie­les an der vom Algo­rith­mus erzeug­ten Vor­la­ge muss­te ich noch kor­ri­gie­ren oder ergän­zen, zum Bei­spiel die Brust­par­tie unter­halb des Hal­ses oder den obe­ren Haar­be­reich. Auch die Far­ben sind kom­po­si­to­risch und psy­cho­lo­gisch bewusst gewählt. Weiß steht für Rein­heit, rot für die Lie­be bezie­hungs­wei­se das Begeh­ren und rückt das Gemäl­de far­ben­psy­cho­lo­gisch näher an den Betrach­ter heran.

Was hat es mit den Text­blö­cken unter­halb der Gemäl­de auf sich, die sagen: She sto­le my memo­ries. Belie­ve me, she is a trans­hu­man fake?

Tho­mas Michel: Die Text­blö­cke set­zen ein Drei­er­ge­spräch zwi­schen den bei­den Bild­nis­sen und dem Betrach­ter in Gang. Die bei­den Por­träts bezich­ti­gen sich gegen­sei­tig, ein Fake zu sein und der Betrach­ter muss dazu irgend­wie einen Stand­punkt fin­den. Es geht um Ori­gi­nal und Fäl­schung und die Mani­pu­lier­bar­keit des Betrach­ters. Das Wort „trans­hu­man“ spielt auf die phi­lo­so­phi­sche Bewe­gung des Trans­hu­ma­nis­mus an, wo dis­ku­tiert wird, wie zum Bei­spiel künst­li­che Intel­li­genz in Bezug auf die mensch­li­che Zukunft ange­wandt wird, das Klo­nen, so wie die bei­den Bil­der geklont sind, spielt dabei eine wich­ti­ge Rolle.

Wie­so mutet das Gesicht, das die­ser Algo­rith­mus aus­ge­rech­net hat, asia­tisch an?

Tho­mas Michel: Letzt­end­lich habe ich das Gesicht aus­ge­wählt, das mir am aus­drucks­stärks­ten erschien. Haut­far­be und Her­kunft und so wei­ter haben dabei aber kei­ne Rol­le gespielt. Dass eine Asia­tin den Ide­al­vor­stel­lun­gen der inter­na­tio­na­len Män­ner­welt ent­spricht, kann man durch­aus so ste­hen las­sen, das war mir wäh­rend des Aus­wahl­pro­zes­ses aber gar nicht bewusst.

unheimlich fantastisch oder total real
Tho­mas Michel: „Olim­pia“
Frau Bau­er mit ihrem Holz­schnitt „E.T.A. Hoff­mann tritt neben sich“ haben auch Sie sich des The­mas des Dop­pel­gän­gers angenommen.

Wal­li Bau­er: Ich woll­te damit näher auf den Men­schen E.T.A. Hoff­mann ein­ge­hen, auf den unver­stan­de­nen E.T.A. oder den trau­ri­gen eigent­lich. Man sieht sei­nen Umriss hin­ter sei­nen ver­grö­ßer­ten Schat­ten in einer ande­ren Far­be. Hoff­mann ist hier in ver­schie­de­nen Stim­mungs­la­gen zu sehen. Er exis­tier­te sozu­sa­gen wie eine zwei­te Per­son neben sich. Nicht nur als Ehe­mann und Jurist und Künst­ler, son­dern auch jemand, der, wie eine gespal­te­ne Per­sön­lich­keit, sei­ne wahn­haf­ten oder uto­pi­schen Geschich­ten wäh­rend er sie schrieb viel­leicht auch durch­lebt hat. Ein Mensch, der neben sich steht.

unheimlich fantastisch oder total real
Wal­li Bau­er: „E.T.A. Hoff­mann tritt neben sich“

Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plastik

Aus­stel­lung Die­ter Froelich

Im Mai kehrt der Plas­ti­ker Die­ter Froelich, bis März die­sen Jah­res Sti­pen­di­at der Vil­la Con­cor­dia, mit der Aus­stel­lung „Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plas­tik (1989–2022)“ nach Bam­berg zurück. In Koope­ra­ti­on mit dem Kunst­ver­ein zeigt er ab 21. Mai in der Vil­la Des­sau­er Arbei­ten aus 30 Jah­ren Schaf­fens­zeit. Wir haben mit ihm über die Vor­tei­le der Plas­tik gegen­über der Male­rei, Gemein­sam­kei­ten von Kochen und Kunst, sei­ne Zeit in Bam­berg und das Unaus­sprech­li­che in sei­nen Wer­ken gesprochen.
Dieter Froelich
Die­ter Froelich, Foto: Maria Svidryk 
Herr Froelich, der Titel Ihrer Aus­stel­lung lau­tet „Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plas­tik“. Was bedeu­tet in die­sem Zusam­men­hang „not­wen­dig“?

Die­ter Froelich: Damit ist eine sub­jek­ti­ve Not­wen­dig­keit gemeint. Ich arbei­te jetzt seit mehr als 30 Jah­ren als Plas­ti­ker. Dabei haben sich bestimm­te Hand­lungs­ma­xi­men her­aus­ge­ar­bei­tet und sind gereift. Es gibt für mich bestimm­te, ich will nicht sagen, Zwangs­läu­fig­kei­ten – ich könn­te auch anders – Schrit­te, die auf­ein­an­der fol­gen müs­sen, sobald man beim Arbei­ten einen bestimm­ten Weg ein­ge­schla­gen hat. Die­se Schrit­te bestimmt man aber nicht immer sel­ber. Frü­her, in den 1980ern, im Stu­di­um hieß es immer „was will das Mate­ri­al“, aber die­se Auf­fas­sung ist ein wenig anti­quiert. Das Mate­ri­al will natür­lich über­haupt nichts. Es ist immer der Geist, der dahin­ter­steht, der etwas will. „Not­wen­di­ge Plas­tik“ heißt dar­um für mich, dass es bestimm­te, und das ist eigent­lich eine roman­ti­sche Hal­tung, Din­ge gibt, die ich machen will oder machen muss. Hin­zu kom­men Not­wen­dig­kei­ten von Schön­heit oder Wahr­heit, wenn man so will.

Wel­che Hand­lungs­ma­xi­men mei­nen Sie?

Die­ter Froelich: Es ist schwie­rig, das in Wor­te zu fas­sen. Je älter ich wer­de, je län­ger ich es mache, des­to schwe­rer fällt es mir. Hand­lungs­ma­xi­men bil­den sich her­aus. Ich behand­le sowohl in der Plas­tik als auch beim Kochen, das ich auch als plas­ti­sche Hand­lung ver­ste­he, Arche­ty­pen. In der Plas­tik ist es eigent­lich immer so, dass man die Din­ge zu ken­nen meint. Ich bin kein gro­ßer Anhän­ger von Ori­gi­na­li­tät, der Künst­ler muss etwas schaf­fen, das vor­her noch nie zu sehen war. Das hal­te ich für gro­ßen Non­sen­se. Wenn man Glück hat, pas­siert es zwar, dass es ori­gi­nell wird. Aber mei­ne Hand­lungs­wei­se ist eher, dass ich mir die Din­ge mei­ner Umge­bung aneig­ne, indem ich sie plas­tisch nachvollziehe.

Das heißt?

Die­ter Froelich: Zum Bei­spiel das „Gro­ße Bam­ber­ger Gewölk“ hat die Dar­stel­lung klei­ner Wölk­chen in der Obe­ren Pfar­re als Vor­bild. Die­se Wölk­chen haben mich sehr fas­zi­niert und ich habe sie plas­tisch nach­voll­zo­gen und so ent­stand das „Gro­ße Bam­ber­ger Gewölk“. Bezie­hungs­wei­se es ent­steht noch.

Das titel­ge­ben­de Werk der Aus­stel­lung ist noch nicht fertig?

Die­ter Froelich: Nein, bis­her, Anfang April, ist es noch nicht ganz fer­tig. Ich habe das unter­schätzt. Es ist ein 20-teil­i­ger Wol­ken­hau­fen, den ich auf eine Stel­la­ge mon­tie­re. Und dann müs­sen die ein­zel­nen Wol­ken noch ver­gol­det wer­den. Schon die letz­ten Wochen in Bam­berg habe ich fast nichts ande­res getan, als am Gewölk zu arbei­ten und seit mei­ner Rück­kehr nach Han­no­ver bin ich aus­schließ­lich damit beschäf­tigt. Jedes Ding hat halt sei­ne Zeit.

Wir spre­chen Anfang April, die Aus­stel­lung beginnt am 21. Mai. Wird das Werk bis dahin fer­tig werden?

Die­ter Froelich: Das wol­len wir hof­fen (lacht)! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es fer­tig wird, aber ich wer­de es auf jeden Fall zei­gen – auch wenn es nicht fer­tig wer­den soll­te. Denn, wo die klas­si­sche Plas­tik frü­her noch einen sozu­sa­gen End­punkt hat­te, ist es ja heut­zu­ta­ge eher so, dass durch­aus auch pro­zes­su­al aus­ge­stellt wird. Zwar ent­spricht dies eigent­lich nicht mei­ner Hand­lungs­wei­se, aber ein Frag­ment ver­weist ja auf ein Gan­zes. Und das Gewölk muss unbe­dingt in Bam­berg gezeigt wer­den, denn hier hat es sei­nen Ursprung.

Neben dem „Bam­ber­ger Gewölk“ zei­gen Sie in der Aus­stel­lung wei­te­re Plas­ti­ken der letz­ten 30 Jah­re. Wie vie­le sind in die­ser Zeit ent­stan­den? Hun­der­te, tausende?

Die­ter Froelich: Das weiß ich nicht. Aber eines ist sicher: der Aus­stel­lungs­raum, die Vil­la Des­sau­er, so schön er ist, bringt schon viel mit. Er ist für eine Aus­stel­lung nicht ganz so schwer zu erobern wie das Kes­sel­haus in Bam­berg. Das hat eine extrem star­ke archi­tek­to­ni­sche Spra­che mit sei­nem Inte­ri­eur. Eine glei­che Last herrscht im Grun­de in der Vil­la Des­sau­er – wenn auch nicht so bru­tal wie im Kes­sel­haus, son­dern eher groß­bür­ger­lich ver­fei­nert. Von daher muss man sehr behut­sam vor­ge­hen. Ich wer­de dar­um auch spar­sam und akzen­tu­iert handeln.

Sie haben in den 1980er zuerst mit Male­rei ange­fan­gen und wech­sel­ten dann zur Plas­tik. War­um unter­nah­men Sie damals die­sen Schritt?

Die­ter Froelich: Der Grund dafür war, dass ich mit der Male­rei, die ich damals hier in Han­no­ver stu­dier­te, sehr unzu­frie­den war. Dann wech­sel­te ich an die Stä­del­schu­le in Frank­furt. Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums dort wuchs mei­ne Unzu­frie­den­heit mit der Male­rei in ihrer Abs­trakt­heit und ich wech­sel­te in die Bild­hau­er­klas­se von Micha­el Croissant.

Was ist ent­spre­chend mit Plas­tik aus­drück­bar, das mit Male­rei nicht geht?

Die­ter Froelich: Ich drü­cke nichts aus. Das ist das alte Kli­sche, dass sich der Künst­ler etwas aus­denkt und die ande­ren müs­sen erra­ten, was er meint. Das gibt es zwar heu­te wie­der mit die­sen gan­zen unsäg­li­chen Arbei­ten, die für oder gegen etwas sind. Malen für den Frie­den zum Bei­spiel, den wir zwar drin­gend brau­chen, aber als Künst­ler ist man da völ­lig macht­los. Ich hal­te das für gelin­de gesagt nicht mög­lich, um nicht zu sagen gro­ben Unfug. Es lässt sich aus dem Mate­ri­al nicht able­sen, ob es für etwas oder gegen etwas ist. Man kann das text­lich machen, zum Bei­spiel indem man sagt „das gro­ße Bam­ber­ger Gewölk wid­me ich dem ukrai­ni­schen Volk, weil es sich so tap­fer schlägt“, aber man muss auf­pas­sen, dass man nicht in den Kitsch ver­fällt. Wirk­lich Kunst hat immer einen frei­heit­li­chen Impe­tus und erfüllt das auch, ohne dass man noch eine Mei­nung draufsetzt.

Dann fra­ge ich so her­um: War­um liegt Ihnen die Plas­tik näher am Herzen?

Die­ter Froelich: Es ist ein­fach die Aus­deh­nung der Plas­tik. Ich glau­be, ich habe eine extrem star­ke Affi­ni­tät zu Din­gen. Ich den­ke, nein ich füh­le, dass eine Plas­tik von rea­ler und sinn­li­cher Gegen­wart ist, wäh­rend Male­rei immer ein extrem abs­trak­tes Moment in sich trägt. Die­se Gegen­wart ist mir sehr nahe. Des­we­gen bin ich zur Plas­tik gekom­men. Außer­dem hat sie durch die rea­le Gegen­wart eine gewis­se Transzendenz.

Was mei­nen Sie mit Transzendenz?

Die­ter Froelich: Das ist etwas, das über das Werk hin­aus­weist. Wenn einem Werk die­se Kom­pen­en­te fehlt, ist es kei­ne Kunst. Kunst ist immer etwas, das auch über sich hin­aus­weist, auf etwas ande­res, auf etwas bes­se­res viel­leicht, in mei­nem Ver­ständ­nis jeden­falls. Aber viel­leicht bin ich da kon­ser­va­tiv. Ich mei­ne näm­lich auch, dass Kunst die Funk­ti­on hat, durch Schön­heit Wahr­heit zu zei­gen. Aber das ist im Moment nicht ganz so en vogue.

Wel­che Wahr­hei­ten kön­nen das sein?

Die­ter Froelich: Wenn man die mit Wor­ten aus­drü­cken könn­te, müss­te ich kei­ne Kunst machen. Wir spre­chen hier, und das ist das Absur­de, über den nicht­sprach­li­chen Bereich. Von da könn­te man übri­gens einen Bogen span­nen in den Glau­ben und die Kir­che. Glau­ben wäre ja nicht zu ver­ste­hen, ohne das Unaus­sprech­li­che. Bei der Kunst ist das genau­so. Kunst und Kir­che ste­cken im Grun­de zur­zeit ähn­lich in der Kri­se. Die Leu­te lau­fen ihnen weg. Vie­le Men­schen brau­chen kei­nen Gott mehr, genau wie sie kei­ne Kunst mehr brau­chen. Sie sind ihre eige­ne Kunst – man schaue sich nur mal Tat­toos an. Die Selbst­in­sze­nie­rung ist im Grun­de anstel­le des Künst­lers getre­ten. Was frü­her auf Künst­ler pro­je­ziert wur­de – sei anders, sei krea­tiv, erfin­de dich selbst – ist heu­te an jeden gerich­tet. Man muss auf jeden Fall krea­tiv sein, sonst ist man nie­mand. Mit dem Glau­ben ist es ähn­lich. Vie­le haben sich ihren eige­nen Gott geschaffen.

Für Ihre Plas­ti­ken emp­fin­den Sie oft Gegen­stän­de des All­tags nach, wie Geschirr, Möbel­stü­cke oder Madon­nen­fi­gu­ren. Wodurch qua­li­fi­zie­ren sich Gegen­stän­de für Ihre Arbeit?

Die­ter Froelich: Auch das ist sehr schwer zu beschrei­ben, weil dann könn­te ich ja gezielt auf die Suche danach gehen. Ich den­ke, es ist eher so eine Bezie­hung, die sich auf­baut. In der Regel, ich den­ke, das kann ich so ver­all­ge­mei­nern, sind es aber recht ein­fa­che Gegen­stän­de, bei denen es, wie gesagt, zum Arche­ty­pi­schen hin­geht. Um bei der Obe­ren Pfar­re zu blei­ben: Es ist doch schön zu sehen, wie jemand so etwas Grund­sätz­li­ches wie eine Wol­ke abbil­det und wel­che Vor­stel­lun­gen er von der Wol­ke hat. Ver­glei­chen Sie ein­mal die Wol­ken aus dem Barock mit wel­chen aus dem Roko­ko, wie wir sie in Vier­zehn­hei­li­gen fin­den. An bei­den For­men läßt sich die dahin­ter ste­hen­de Auf­fas­sung von Welt able­sen. Hin­ter jeder Form steht eine Idee.

In der Vil­la Des­sau­er wer­den Sie auch eine Ver­si­on der Mas­ke des Bam­ber­ger Rei­ters zei­gen – aller­dings far­big gefasst. Was hat es damit auf sich?

Die­ter Froelich: Ähn­lich wie die Skulp­tu­ren der grie­chi­schen Anti­ke waren auch die Plas­ti­ken der Bam­ber­ger Kathe­dra­le far­big gefasst. Es gibt eine Dis­ser­ta­ti­on von Wal­ter Hart­leit­ner, „Zur Poly­chro­mie der Bam­ber­ger Dom­skulp­tur“, die 2011 in der Uni­ver­si­ty Press of Bam­berg erschien. Nach die­sen Erkennt­nis­sen habe ich ver­sucht, die Far­big­keit des Rei­ter­kop­fes nach­zu­voll­zie­hen, mit ver­gol­de­ter Kro­ne, kas­ta­ni­en­brau­nen Haa­ren, leicht rosi­ger Gesichts­far­be und roten, wie geschmink­ten, Lip­pen. Er sieht schon ganz sexy aus.

Dieter Froelich
„Bam­ber­ger Rei­ter“, Gips, Acryl­far­be, Poli­ment­ver­gol­dung, Foto: Die­ter Froelich VG Bild-Kunst
Wel­che Erin­ne­run­gen haben Sie an Bamberg?

Die­ter Froelich: Das sind in ers­ter Linie Erin­ne­run­gen an die wun­der­ba­re Vil­la Con­cor­dia, wo man als Sti­pen­di­at mona­te­lang unge­stört arbei­ten kann. Das gan­ze Team war sehr bemüht, uns Sti­pen­dia­ten den Auf­ent­halt so ange­nehm wie mög­lich zu gestal­ten. Und was ich an Bam­berg wirk­lich schät­ze, sind die freund­li­chen Leute.

Dafür sind Fran­ken aller­dings nicht über­all bekannt.

Die­ter Froelich: Ich weiß, die Fran­ken freu­en sich eher nach innen. Viel­leicht waren es auch Zuge­zo­ge­ne. Aber ich habe gera­de in der Con­cor­dia­stra­ße rela­tiv vie­le Leu­te ange­spro­chen und mich vor­ge­stellt und da ist so etwas wie Nach­bar­schaft ent­stan­den. In der Groß­stadt, auch wenn Han­no­ver nicht all­zu groß ist, bekommt man das nicht ganz so ein­fach. Was aber wirk­lich eine Zumu­tung ist, sind die gan­zen Tou­ris­ten. Ich fin­de es erstaun­lich, dass sich eine Stadt wie Bam­berg im Stadt­mar­ke­ting mehr oder weni­ger nur auf das Bier kapri­ziert. Denn wenn man mit Bier wirbt, muss man sich nicht wun­dern, wenn Bier­trin­ker kom­men und die Stadt bevöl­kern. Die reich­li­chen Kul­tur­schät­ze, die Bam­berg hat, könn­te man ein biss­chen bes­ser her­aus­stel­len. Allein die Samm­lung des Diö­ze­san­mu­se­ums ist von unglaub­li­cher Qua­li­tät, um nur einen Ort von vie­len zu nennen.

Am 30. Juni hal­ten Sie einen Vor­trag zum The­ma „Kochen als Kunst­gat­tung“. Was erwar­tet das Publi­kum hierbei?

Die­ter Froelich: Ich wer­de einen Über­blick geben über das Kochen als Kunst­gat­tung, bebil­dert, von den Römern bis heu­te, und dar­über spre­chen, wie sich das Gen­re ent­wi­ckelt hat. Und danach gibt es etwas zu essen.

Was wer­den Sie servieren?

Die­ter Froelich: Das ver­ra­te ich nicht. Die Hand­lungs­ma­xi­me hier ist: Beim Kochen liegt mein Herz eher auf der Sei­te der ein­fa­chen Spei­sen. Prin­zi­pi­ell koche ich immer ger­ne Din­ge, die den Leu­ten erst­mal viel­leicht fremd sind. Aber damit mei­ne ich nicht Heu­schre­cken oder so. Ich koche das Frem­de im Eige­nen. Din­ge, für die man gar nicht weit weg gehen braucht. Man kann inner­halb der eige­nen Spei­sen­kul­tur viel entdecken.

War­um ist Kochen Kunst?

Die­ter Froelich: Sie ist es nicht grund­sätz­lich. Wie alles kann sich auch das Kochen, wenn es über sich selbst hin­aus­geht, wenn es auf ein Ande­res ver­weist, zu Kunst werden.

Nach 22 Jah­ren als Direk­to­rin der Muse­en der Stadt Bamberg

Dr. Regi­na Hane­mann nimmt Abschied

Am 1. Sep­tem­ber 1999 trat sie die Stel­le an, am 1. Janu­ar 2022 ging sie in den Ruhe­stand. Als Direk­to­rin der Muse­en der Stadt Bam­berg, nament­lich His­to­ri­sches Muse­um, Vil­la Des­sau­er und Samm­lung Lud­wig, hat Dr. Regi­na Hane­mann die Geschi­cke der ört­li­chen Kul­tur­sze­ne 22 Jah­re lang mit­be­stimmt. Im Inter­view erzählt die gebo­re­ne Ober­baye­rin, war­um sie die Stel­le anfangs eigent­lich nicht woll­te, von Macho-Reak­tio­nen aus der Bevöl­ke­rung und war­um man immer alles anders machen soll­te als die Vorgänger.
Frau Dr. Hane­mann, 1999 haben Sie die Stel­le der Direk­to­rin der Muse­en der Stadt Bam­berg ange­tre­ten. War­um hat­ten Sie sich damals in Bam­berg beworben?

Regi­na Hane­mann: Ich hat­te in Bam­berg stu­diert und danach eigent­lich gedacht, dass ich an einen Ort, in dem ich bereits zum Stu­di­um so lan­ge Jah­re war, nicht zurück­keh­ren möch­te, son­dern ande­re Orte ken­nen­ler­nen. Eine Freun­din schick­te mir die dama­li­ge Stel­len­aus­schrei­bung zur Lei­tung der Muse­en der Stadt Bam­berg zu. Mir war damals aller­dings bekannt, in was für einem schlech­tem Zustand zum Bei­spiel das His­to­ri­sche Muse­um war, eine ewi­ge Bau­stel­le. Die­sen Augi­as­stall, dach­te ich mir, soll jemand anders aus­mis­ten und woll­te mich nicht bewer­ben. Aber mein Mann, der auch hier stu­diert hat und gro­ßer Bam­berg­fan war und ist, hat mich dann über­re­det, mich doch zu bewer­ben. Ich tat es und wie es scheint, gefiel dem Stadt­rat mei­ne Bewer­bung. Was ihm im Lauf der Jah­re aber nicht gefiel, war, dass ich immer direkt dar­auf hin­ge­wie­sen habe, was im Muse­um alles im Argen lag.

Wie wur­de die­ses Miss­fal­len zum Aus­druck gebracht?

Regi­na Hane­mann: Zuwei­len wur­de gelacht, wenn ich mit einem neu­en Antrag ankam und zum Bei­spiel neue Vitri­nen brauch­te. Ich wur­de ange­stellt, um die Muse­en zu ver­bes­sern, aber wenn ich kon­kre­te Vor­schlä­ge unter­brei­te­te, war so gut wie nie genug Geld da. Das wird auch mei­ner Nach­fol­ge­rin so gehen. Auch sie soll Ber­ge ver­set­zen, aber ohne Geld. Wie man die­sen Wider­spruch auf­lö­sen kann, weiß ich bis heu­te nicht. Das heißt, eigent­lich wüss­te ich es schon, aber dazu bräuch­te es auf der poli­ti­schen Ebe­ne eine kla­re Linie und eine kla­re Idee zum Stel­len­wert des kul­tu­rel­len Erbes.

Es wur­de gelacht? Fühlt man sich da in sei­ner Arbeit gewürdigt?

Regi­na Hane­mann: Ach, na ja. Man hat schon Respekt vor dem Stadt­rat, weil da Vol­kes Stim­me spricht und man es mit 44 ver­schie­de­nen Mei­nun­gen und 44 Rück­mel­dun­gen zu tun hat. Man sieht es ja zur­zeit wäh­rend Coro­na: Die Kul­tur steht bei der Bud­get­pla­nung nicht an ers­ter Stel­le und auch in Muse­en ist die Arbeit schon sehr müh­se­lig gewor­den. Ich habe über die Zeit gelernt, dass man nicht immer das Gan­ze for­dern kann. Am Anfang bin ich ange­tre­ten und habe Sachen gesagt wie „ich brau­che eins-kom­ma-soviel Mil­lio­nen für all das, was ich machen will“. Aber so geht das natür­lich nicht. Da habe ich ein­fach die Abläu­fe der Poli­tik nicht so gut verstanden.

Änder­te sich das im Lauf der Zeit?

Regi­na Hane­mann: Zusam­men mit Wer­ner Hipe­li­us, dem dama­li­gen Bam­ber­ger Bür­ger­meis­ter und Kul­tur­re­fe­rent, habe ich es dann so aus­ge­macht, dass wir die Finan­zie­rung in klei­nen Schrit­ten ange­hen. Die Aus­stel­lun­gen „Das Jüdi­sche in Bam­berg“ und „Die Lebens­ader Reg­nitz“ haben wir als Dau­er­aus­stel­lun­gen dekla­riert, was die Finan­zie­rung und die Ein­rich­tung der Aus­stel­lun­gen ver­ein­facht. Ich muss aller­dings sagen, dass die­se Anstren­gun­gen und das Fast-Fer­tig­stel­len des His­to­ri­schen Muse­um den Bam­ber­ge­rin­nen und Bam­ber­gern in den 22 Jah­ren mei­ner Amts­zeit kaum auf­ge­fal­len sind – im Gegen­satz zu den Tou­ris­ten. Nur zehn Pro­zent unse­res Publi­kums kom­men aus Bamberg.

Caro­la Schmidt, die neue Direk­to­rin des Diö­ze­san­mu­se­ums, hat im Stadt­echo-Inter­view einen ähn­li­chen Ein­druck geschil­dert. Sie sag­te, dass sich die Bam­ber­ge­rin­nen und Bam­ber­ger nicht beson­ders bewusst zu sein schei­nen, wel­che kul­tu­rel­len Schät­ze die Muse­en am Dom­berg beher­ber­gen. Sehen Sie das für die Muse­en der Stadt auch so?

Regi­na Hane­mann: Ja, aber so etwas ist nicht unge­wöhn­lich. Das ken­ne ich als Kla­ge von eigent­lich allen Muse­en und das The­ma „Nicht-Besu­cher“ wird auf vie­len Muse­ums­ta­gun­gen dis­ku­tiert. Viel­leicht ist das sys­tem­im­ma­nent und eine Geis­tes­hal­tung heut­zu­ta­ge. Vor 100 Jah­ren waren die Leu­te noch stol­zer auf ihre Muse­en. Sie hat­ten ein Gefühl dafür, dass das ihre eige­ne Geschich­te und ihr eige­ner Besitz ist, der da vor­ge­zeigt wird. Das scheint ver­lo­ren­ge­gan­gen zu sein.

Wenn Sie Ihre 22 Jah­re als Direk­to­rin der Muse­en der Stadt Bam­berg mit eini­gen Adjek­ti­ven zusam­men­fas­sen müss­ten, was wür­den Sie sagen?

Regi­na Hane­mann: Das ers­te, was mir ein­fällt, ist jetzt kein Adjek­tiv, aber ich war immer unter Voll­dampf. Man rennt immer wie im Galopp auf das nächs­te Pro­jekt zu. Adjek­ti­ve wären, auch wenn es ein biss­chen platt ist, schön, zufrie­den und erfüllend.

Was aus den 22 Jah­ren bereu­en Sie?

Regi­na Hane­mann: Es hat mir immer leid getan, wenn ich ein­mal sehr streng mit den Mit­ar­bei­tern sein muss­te. Aber so rich­tig bereu­en tue ich nichts. Oder ich habe es vergessen.

Hat die Stel­le Sie verändert?

Regi­na Hane­mann: In gewis­ser Wei­se. Man arbei­tet 22 Jah­re im Team mit Men­schen, die einem nahe ste­hen, von denen man aber die Che­fin ist. Dar­an muss­te ich mich gewöh­nen. Und ich habe ler­nen müs­sen, Vor­wür­fe und Kri­tik zu ertra­gen. Man kann es nicht allen recht machen, das muss­te ich auch erst­mal begrei­fen. Obwohl, teil­wei­se gab es wirk­lich völ­lig unge­recht­fer­tig­te per­sön­li­che Kri­tik – „mit Ihnen wird das nichts“ oder „Sie haben die fal­schen Kla­mot­ten an“ und so weiter.

Kön­nen sol­che Vor­wür­fe dar­an gele­gen haben, dass Sie die ers­te Frau im Amt der Direk­to­rin waren?

Regi­na Hane­mann: Das kann gut sein. Das ist schon lan­ge her und ich habe das damals nicht so emp­fun­den, weil ich es mir nicht vor­stel­len konn­te, dass die Vor­wür­fe dar­an lie­gen könn­ten. Das war vor „metoo“. Aber ich glau­be, einem Mann wäre das nicht passiert.

Wofür haben Sie jetzt Zeit, was vor­her nicht drin war?

Regi­na Hane­mann: Ich freue mich sehr dar­auf, jetzt mehr Zeit für ande­re Muse­en zu haben. Ich wür­de zum Bei­spiel ger­ne ein­fach mal zwei Wochen im Ruhr­pott rum­fah­ren und mir die gan­zen Muse­en anschau­en, die es dort gibt. Und was ich auch wahn­sin­nig gern tue, ist in Urlaub zu fah­ren, um zwei Wochen nur zu lesen. Das ist für mich der schöns­te Urlaub. Aber das erlaubt mein Mann nicht. Er will im Urlaub auch irgend­wel­che Akti­vi­tä­ten machen, wie wan­dern zu gehen.

Sie spie­len Bari­ton-Horn im Posau­nen­chor der Erlö­ser­ge­mein­de Bam­berg und in der Big­band der städ­ti­schen Musik­schu­le. Kann man Sie da jetzt öfter hören?

Regi­na Hane­mann: Das konn­te man vor­her schon. Die Big Band muss­te in letz­ter Zeit zwar vie­le Auf­trit­te aus­fal­len las­sen, aber im Posau­nen­chor konn­te man mich schon vie­le Sonn­ta­ge im Got­tes­dienst mit­spie­len hören.

Was wer­den Sie an den drei Muse­en, His­to­ri­sches Muse­um, Vil­la Des­sau­er, Samm­lung Lud­wig, am meis­ten vermissen?

Regi­na Hane­mann: Ich wer­de es schon ver­mis­sen, jetzt kei­nen Zugriff mehr zu haben auf die Bestän­de der Muse­en. Ich gehe zum Bei­spiel Inven­tar­lis­ten durch, die für die eine oder ande­re Abtei­lung viel­leicht noch lücken­haft sind. Dabei sehe ein ums ande­re Mal, was wir für tol­le Objek­te in den Bestän­den haben und kann gleich­zei­tig die­se Lücken schlie­ßen. Toll!

Was wer­den Sie nicht vermissen?

Regi­na Hane­mann: Ich wer­de es nicht ver­mis­sen, eine Che­fin zu sein, also die eine Per­son, die ande­re anschie­ben und ihnen sagen muss „macht dies oder das, so oder so“. Und was ich auch ganz sicher nicht ver­mis­sen wer­de, sind nächt­li­che Tele­fon­an­ru­fe aus dem Muse­um, dass es einen Was­ser­scha­den im Depot gibt, wie mehr­mals geschehen.

Sie haben es schon ange­spro­chen: Das His­to­ri­sche Muse­um war 1999 in kei­nem guten Zustand. Was hieß das genau?

Regi­na Hane­mann: Es war in einem furcht­ba­ren. Mein Vor­gän­ger hat sich in ers­ter Linie mit Aus­stel­lun­gen beschäf­tigt und das Muse­um damit zuge­ge­be­ner­ma­ßen im Anse­hen geho­ben. Die Pfle­ge des Bestands und des Depots hat er aber zurück­fal­len las­sen. Es gab neun sehr schlech­te Depots, in man­che hat es rein­ge­reg­net und es gab Inven­ta­re ohne Stand­or­te der Objek­te. Als ich das in mei­ner ers­ten Woche gese­hen habe, war ich kurz davor, gleich wie­der alles hin­zu­schmei­ßen. Aber zusam­men mit einer tap­fe­ren Volon­tä­rin, die heu­te mei­ne Stell­ver­tre­te­rin ist, habe ich ein­fach ange­fan­gen, die­sen Sau­stall aufzuräumen.

In wel­chem Zustand über­ge­ben Sie das Museum?

Regi­na Hane­mann: In 500 Pro­zent bes­se­rem Zustand als es war.

Haben Sie Tipps für Ihre Nach­fol­ge­rin Kris­tin Knebel?

Regi­na Hane­mann: Sie braucht einen lan­gen Atem. Der lan­ge Atem lohnt sich hier. Ich habe dicke Bret­ter vor­ge­bohrt in Rich­tung, was man noch alles bräuch­te. Sie muss schau­en, dass sie wei­ter bohrt und darf wahr­schein­lich auch nicht gleich zu gro­ße Geld­sum­men zur Finan­zie­rung verlangen.

Frau Kne­bel hat eine inhalt­li­che Neu­aus­rich­tung der Muse­en ange­kün­digt. Was hal­ten Sie davon?

Regi­na Hane­mann: So etwas muss man sagen, wenn man neu anfängt. Man muss sagen „ich mache alles anders“. Alle zehn oder 20 Jah­re muss sowie­so alles umge­krem­pelt wer­den. Eine Insti­tu­ti­on, die so weni­ge Mit­ar­bei­ter hat, wird außer­dem ganz stark geprägt von der Per­son, die die Insti­tu­ti­on führt. Ich ken­ne Frau Kne­bels genaue Plä­ne nicht, aber ich wün­sche ihr alles Gute. Ich habe auch fast alles anders gemacht als alle mei­ne Vor­gän­ger seit 1838.

Aber könn­ten Sie eine sol­che Aus­sa­ge nicht auch inso­fern auf­fas­sen, als dass da jemand vor­hat, Ihr Ver­mächt­nis umzuwerfen?

Regi­na Hane­mann: Nein. Es han­delt sich ja vor allem nicht um mein per­sön­li­ches Ver­mächt­nis, son­dern ich habe es für die Stadt und das Muse­um getan. Was ich mei­ner Nach­fol­ge­rin auf kei­nen Fall antun wer­de, ist, was mein Vor­gän­ger mir ange­tan hat, näm­lich rein­zu­pfu­schen. Mir wur­den ja Hin­der­nis­se in den Weg gelegt, ich konn­te gar nicht so hoch springen.

Auf wel­che Aus­stel­lung der 22 Jah­re sind Sie am stolzesten?

Regi­na Hane­mann: Es gibt das Sprich­wort „Dumm­heit und Stolz wach­sen auf einem Holz“. Stolz ist nicht so sehr meins, aber wor­über ich doch froh bin, sind die bei­den schon genann­ten Dau­er­aus­stel­lun­gen, die wir im Muse­um haben, also „Das Jüdi­sche in Bam­berg“ und „Lebens­ader Reg­nitz“. Wor­über ich mich auch freue, ist die Aus­stel­lung „100 Meis­ter­wer­ke“, mit der wir den Bam­ber­ge­rin­nen und Bam­ber­gern in einer klei­nen, aber fei­nen Aus­wahl zei­gen konn­ten, was sie in und mit die­sem Muse­um haben. Mit die­ser Aus­stel­lung haben wir das His­to­ri­sche Muse­um außer­dem sozu­sa­gen zu sei­nem Ursprung zurück­füh­ren kön­nen. Es wur­de 1838 als städ­ti­sche Kunst­samm­lung mit eige­nen Bestän­den gegründet.

Was oder wen hät­ten Sie ger­ne ein­mal ausgestellt?

Regi­na Hane­mann: Ich hät­te ger­ne mal eine Aus­stel­lung zu den Treus gemacht, die­ser gro­ßen Bam­ber­ger Maler-Fami­lie aus dem 18. Jahr­hun­dert. Aber deren Gemäl­de hät­ten wir uns von ande­ren Samm­lun­gen aus­lei­hen müs­sen. Dazu muss ich aller­dings gene­rell sagen, dass wir Gemäl­de­aus­stel­lun­gen nur aus den Bestän­den des His­to­ri­schen Muse­ums zusam­men­set­zen kön­nen. Unse­re Gebäu­de sind näm­lich nach wie vor in einem so bedenk­li­chen Zustand, dass uns ande­re Muse­en wegen der kli­ma­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen kaum etwas lei­hen wür­den. Von daher kann ich mir für Aus­stel­lun­gen wün­schen, was ich will, ich bekom­me es nicht.

Wie hat sich die Bam­ber­ger Muse­ums­land­schaft in Ihrer Zeit verändert?

Regi­na Hane­mann: Es hat sich eini­ges ver­än­dert. Als ich anfing, gab es noch ein Muse­um für Büro­ma­schi­nen und eines für Holo­gram­me. Neu ist aber zum Bei­spiel die Ver­net­zung der Muse­en am Dom­berg, die soge­nann­te Dom­berg-Koope­ra­ti­on. Die­se fin­de ich eine tol­le Ent­wick­lung. Auch wenn man viel­leicht noch ein biss­chen mehr Geld und Per­so­nal rein­ste­cken könn­te, um die Bam­ber­ger Akro­po­lis noch mehr ins Licht zu rücken.

Haben Sie Spu­ren in der Bam­ber­ger Kul­tur­sze­ne hinterlassen?

Regi­na Hane­mann: Das möch­te ich hof­fen. Und wenn sie nur dar­in lie­gen, den Leu­ten ver­deut­licht und gezeigt zu haben, was wir in unse­ren Bestän­den alles haben.

Gibt es eine Abschiedsausstellung?

Regi­na Hane­mann: Ja, sogar zwei. Das ist ein­mal die Aus­stel­lung „Geschenkt! Geschen­ke aus 22 Jah­ren an die Muse­en der Stadt Bam­berg“. Und seit 19. Dezem­ber die Aus­stel­lung zu Paul Maar.

Wel­chen Rat haben Sie an all die Stu­die­ren­den der Kunst­ge­schich­te, ein Fach, des­sen kar­rie­re­mä­ßi­ge Umset­zung oft nicht von Erfolg gekrönt ist? Es wird nicht allen gelin­gen, eine Stel­le wie die Ihre zu bekommen.

Regi­na Hane­mann: Damals in der Stu­di­en­be­ra­tung woll­te man mich mit dem Kli­schee des taxi­fah­ren­den Kunst­wis­sen­schaft­lers von die­sem Stu­di­en­gang abbrin­gen, aber ich sehe das ganz anders. Viel­leicht bekom­men tat­säch­lich nicht alle so eine Stel­le wie ich, aber die Kunst­ge­schich­te ist ein Fach, in dem man das Den­ken in einer Art und Wei­se lernt, dass es an sehr vie­len Stel­len sehr gut ein­ge­setzt wer­den kann. In mei­ner Stu­di­en­zeit gab es zu den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten den Spruch „mit Kant und Kaf­ka in die Wirt­schaft“. Das gilt auch für die Kunst­ge­schich­te. Wer Kunst­ge­schich­te stu­diert, kann, mei­ner Mei­nung nach, fast über­all, in sehr vie­len Berei­chen unter­kom­men. Wer grip­sig genug ist, wird etwas finden.

Wenn Sie zu Ihrem Abschied einen Zap­fen­streich inklu­si­ve Musik­aus­wahl bekä­men, wel­che Stü­cke soll­ten gespielt werden?

Ich wür­de einen mili­tä­ri­schen Zap­fen­streich ganz sicher ableh­nen, aber über ein Abschieds­fest mit einem Auf­tritt von Box­ga­lopp oder der Grup­pe Feder­spiel oder einem Solo­auf­tritt von Den­nis Cham­bers wäre ich höchst erfreut!

Aus­stel­lung „Paul Maar. Mehr als das Sams“

Rund­gang durch die Vil­la Dessauer

Die Aus­stel­lung „Paul Maar. Mehr als das Sams“, die seit dem 19. Dezem­ber 2021 in der Stadt­ga­le­rie Vil­la Des­sau­er zu sehen ist, zeigt rund 470 Zeich­nun­gen, Illus­tra­tio­nen, Aqua­rel­le, Druck­gra­fi­ken und Foto­gra­fien des Bam­ber­ger Kin­der­buch­au­tors Paul Maar. Vie­le davon sind bis­her unbe­kann­te Wer­ke, deren Zusam­men­stel­lung dem Publi­kum einen neu­en Blick­win­kel auf Paul Maar eröffnen.

„In den Aus­stel­lungs­räu­men sind immer meh­re­re Illus­tra­tio­nen in einem Rah­men zu sehen, mit denen jeweils eine Geschich­te erzählt wird“, sagt die Kura­to­rin der Aus­stel­lung Danie­la Gäbisch in der Vil­la Des­sau­er. Jeder Raum umfasst mit zehn bis 18 Rah­men dabei ein eige­nes The­ma – egin­nend mit „Paul Maar“ frei nach sei­nem Buch „Wie alles kam“, einer der ers­ten Räu­me im Erdgeschoss.

In ihm wer­den mit eini­gen Zeich­nun­gen Sta­tio­nen aus Maars Leben wie­der­ge­ge­ben. In „Wald und Wie­se“ begeg­nen den Besu­chern bekann­te Figu­ren aus Paul Maars Büchern wie den Opo­del­doks und den Wald­leu­ten oder dem klei­nen Troll Tojok und den Kobol­den Wupps und Wan­da. Im Raum „Tie­re“ sind die Tie­re aus Maars Illus­tra­tio­nen ver­sam­melt, die er oft als Freun­de, wich­ti­ge Weg­be­glei­ter oder lus­ti­ge Gefähr­ten darstellt.

Zwei Räu­me für das Sams

Dann kommt das Sams, Paul Maars bekann­tes­te Figur, eben­falls im Erd­ge­schoss. Das Sams führt heim­lich selbst durch sei­ne Räu­me. Mit sie­ben Haupt- und drei Zusatz­bän­den sowie fünf Erst­le­se­bü­chern gibt es hier jede Men­ge Illus­tra­tio­nen zu sehen, die nicht nur für Sams-Fans inter­es­sant sein dürf­ten. Da das Sams mitt­ler­wei­le aus Bam­berg kaum mehr weg­zu­den­ken ist, wur­de auch dem The­ma „Das Sams und Bam­berg“ ein eige­ner Raum gewidmet.

Fer­ne Län­der, Mär­chen und Träume

Im Ober­ge­schoss der Vil­la Des­sau­er sind die Bil­der unter­ge­bracht, die doku­men­tie­ren und reflek­tie­ren, wie viel­fäl­tig Paul Maars künst­le­ri­sches Schaf­fen ist. So führt die Aus­stel­lung mit ori­en­ta­lisch anmu­ten­den Illus­tra­tio­nen aus Maars Geschich­ten „Lip­pels Traum“ und „Tür­me“ in „Fer­ne Län­der“. „Der ver­hex­te Knö­del­topf“, den der Autor gleich drei­mal illus­trier­te, zeigt er im Raum „Mär­chen und Sagen“. Ob rea­le Welt oder Traum­welt wie in „Lip­pels Traum“ oder auch Meta­mor­pho­sen von Men­schen, Tie­ren und Gegen­stän­den – mit „Traum und Meta­mor­pho­se“ ist die­sem The­ma in Paul Maars Büchern eben­falls ein eige­ner Raum gewidmet.

In „Mehr als das Sams“ gibt es tat­säch­lich mehr zu sehen. „Die Feder­zeich­nun­gen sind künst­le­risch sehr wert­voll, wie sie der Künst­ler dem Lauf der Zeit ange­passt hat“, sagt Kura­to­rin Danie­la Gäbisch. Paul Maar muss­te immer wie­der nach­il­lus­trie­ren, so haben sich sei­ne Wer­ke und Figu­ren wei­ter­ent­wi­ckelt. Ein­mal sogar das Sams.

13 bespiel­te Räume

Ins­ge­samt 13 bespiel­te Räu­me sind es, die jeweils ein The­ma auf­zei­gen, das in Paul Maars Leben oder in sei­nen Büchern eine Rol­le spielt. Dass er ein beken­nen­der Hun­de­freund ist, zeigt nicht zuletzt sein neu­es­tes Buch „Möp­se, Dackel, Hüte­hun­de: Das fabel­haf­te Hun­de­buch“ im Raum „Hun­de“, bevor sein Wer­de­gang bei „Musik, Thea­ter, Film“ noch­mals zeich­ne­risch und foto­gra­fisch ver­an­schau­licht wird. So ent­warf er in sei­ner Zeit am Thea­ter auch Büh­nen­bil­der und Kos­tü­me am Frän­ki­schen Thea­ter Schloss Maß­bach, das der Fami­lie sei­ner Ehe­frau Nele gehört und heu­te von Toch­ter Anne geführt wird. Bereits in den 1970er Jah­ren pro­du­zier­te er zusam­men mit sei­nem Schwa­ger, dem Kame­ra­mann Micha­el Ball­haus, den Doku­men­tar­film „Fass­bin­der pro­du­ziert: Film Nr. 8“ und wirk­te als Kame­ra- und Ton­as­sis­tent bei diver­sen Film­pro­jek­ten mit. Berühm­te Jazz­mu­si­ker wie Keith Jar­rett, Jan Gar­ba­rek oder Dave Hol­land hat er zudem getrof­fen und foto­gra­fiert. Die so ent­stan­de­nen Kos­tüm­ent­wür­fe und Foto­gra­fien sind kaum bekannt.

Humor und Rät­sel am Ende

Bekann­ter ist hin­ge­gen Paul Maars Umgang mit Illu­si­on und Wort­witz. Im Raum „Gra­phi­sche Spie­le“ wer­den Illus­tra­tio­nen mit gra­phi­schen Ele­men­ten, unter ande­rem aus dem Buch „Lau­ter Strei­fen“ aus­ge­stellt, die für die eine oder ande­re Augen­täu­schung sor­gen. In „Humor“ sind Wort und Bild aus aus­ge­wähl­ten Illus­tra­tio­nen von Paul Maar in beson­de­rer Wei­se verbunden.

Im letz­ten Raum mit dem The­ma „Rät­sel“ ler­nen die Besu­che­rin­nen und Besu­cher – inzwi­schen am Ende der Bil­der­rei­se ange­kom­men – den Autor ein­mal mehr auch als einen Erfin­der kniff­li­ger Denk­sport­auf­ga­ben kennen.

Die Aus­stel­lung „Paul Maar. Mehr als das Sams“ ver­sam­melt in den Räu­men der Vil­la Des­sau­er tie­ri­sche, samsi­ge, mär­chen­haf­te, wit­zi­ge und rät­sel­haf­te Wer­ke des Bam­ber­ger Künst­lers. Vor allem auch für Sams-Fans eine gute Gele­gen­heit, noch mehr über den Autor und eine sei­ner und ihre Lieb­lings­fi­gur zu erfahren.

Im Unter­schied zu der Aus­stel­lung über das Sams in der Stadt­bü­che­rei im Jahr 2017 gibt es zudem Neue­run­gen: „Das Sams fei­ert Weih­nach­ten war bei­spiels­wei­se noch nicht aus­ge­stellt“, sagt Gäbisch, selbst beken­nen­der Sams-Fan, „ich bin mit den Sams-Büchern auf­ge­wach­sen, von daher ist es für mich schon beson­ders, die­se Aus­stel­lung zu kuratieren.“

Kul­tur auch vir­tu­ell erleben

Die Bam­ber­ger Muse­en laden zum Museumstag

Am 16. Mai ist Inter­na­tio­na­ler Muse­ums­tag, der die­ses Jahr bereits zum 44. Mal began­gen wird. So auch in Bam­berg. Nach­dem die Inzi­denz in der Stadt Bam­berg unter 100 fiel, sind seit Don­ners­tag auch die Muse­en wie­der geöff­net. Auch am kom­men­den Sonn­tag, sofern das Infek­ti­ons­ge­sche­hen unter die­sem Wert bleibt. Unab­hän­gig von einer mög­li­chen Öff­nung wird der Muse­ums­tag auf alle Fäl­le vom aus­rich­ten­den Zusam­men­schluss der Muse­en, „Dom­berg – Muse­en um den Bam­ber­ger Dom“, vir­tu­ell begangen.

Ziel des Akti­ons­ta­ges ist es, auf die Viel­falt der mehr als 6.500 Muse­en in Deutsch­land sowie der Muse­en welt­weit auf­merk­sam zu machen. Die Leit­li­nie des Muse­ums­ta­ges lau­tet in die­sem Jahr „Muse­en mit Freu­de entdecken“.

Da vie­les der­zeit von der Inzi­denz abhängt und bis­lang noch völ­lig unklar ist, ob Bam­bergs Muse­en an die­sem Tag öff­nen dür­fen, um ihre Schät­ze zu prä­sen­tie­ren, wur­de ein gro­ßer Teil der Vor­be­rei­tungs­zeit in digi­ta­le Ange­bo­te und Ent­de­ckun­gen investiert.


Vir­tu­el­ler Stick-Work­shop und vir­tu­el­le Führungen 

„Abge­se­hen davon, dass wir trotz der­zeit sin­ken­der Inzi­denz nicht mit Sicher­heit sagen kön­nen, ob die Muse­en geöff­net wer­den dür­fen, gibt es eini­ge Neue­run­gen, die sich die Ver­ant­wort­li­chen der Häu­ser haben ein­fal­len las­sen“, so Dom­berg­ko­or­di­na­to­rin Chris­tia­ne Wendenburg.

Selbst­re­dend sieht das Hygie­ne­kon­zept vor, dass FFP2-Mas­ken getra­gen und Abstän­de ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Des­in­fek­ti­ons­spen­der sind in sämt­li­chen Muse­en aufgestellt.

In den Vor­jah­ren war der Andrang bei den Füh­run­gen groß, in die­sem Jahr kön­nen lei­der kei­ne Füh­run­gen ange­bo­ten werden.

„Die Besu­cher wer­den in Form eines Ein­bahn­stra­ßen­sys­tems durch die Häu­ser gelei­tet. Es wird kein gro­ßes Gedrän­ge geben bedingt durch die Abstands­re­ge­lung. Wir kön­nen lei­der kein klas­si­sches Pro­gramm wie in den Vor­jah­ren bie­ten, weder Bas­tel­work­shops für Kin­der noch Füh­run­gen für Erwach­se­ne. Doch wird haben uns etwas neu­es ein­fal­len las­sen, so die Dom­berg­ko­or­di­na­to­rin weiter.“

„Apos­tel­ab­schied, Umkreis Wolf­gang Katz­hei­mer, Misch­tech­nik auf Holz; nach 1483/​vor 1487“. Foto: Muse­en der Stadt Bamberg

Neu beim dies­jäh­ri­gen Muse­ums­tag sind vir­tu­el­le Füh­run­gen. Nach­dem die Coro­na-Pan­de­mie zum Schlie­ßen von Kul­tur­ein­rich­tun­gen geführt hat­te, lie­ßen sich Frau Wen­den­burg und Kol­le­gIn­nen Alter­na­ti­ven ein­fal­len. „Jost Loh­mann von „AGIL –Bam­berg erle­ben“ bie­tet schon seit Jah­ren Füh­run­gen in unse­ren Häu­sern an, unter ande­rem auch vie­le Schul­pro­gram­me. Im Zuge der Pan­de­mie kam die Idee auf, Füh­run­gen auch vir­tu­ell durch­zu­füh­ren. Die „High­light-Füh­rung“ durch die Dom­berg­mu­se­en fei­ert am Muse­ums­tag Pre­mie­re.“ Wäh­rend ansons­ten Grup­pen­bu­chun­gen nötig sind, kann sich im Zuge des Muse­ums­ta­ges jede Besu­che­rin und jeder Besu­cher vir­tu­ell zuschalten.

Mor­gens um 9.30 Uhr beginnt Jost Loh­mann mit der erwähn­ten High­light-Füh­rung, die den Titel „Göt­zen, Papst und Kai­ser“ trägt und am Nach­mit­tag um 14.30 Uhr ein zwei­tes Mal statt­fin­det. Aus­ge­wähl­te Kunst­ob­jek­te, welt­be­rühm­te Expo­na­te und geheim­nis­vol­le Schät­ze, die eng ver­knüpft sind mit der Geschich­te Bam­bergs, sind hier im Live­stream zu ent­de­cken. „Der Vor­teil an den vir­tu­el­len Füh­run­gen ist, dass man auch als Besu­cher Details in Bil­dern ent­de­cken kann, die man so nicht sehen würde.

Jost Loh­mann bie­tet am Muse­ums­tag vir­tu­el­le Füh­run­gen an. Foto: AGIL-Bam­berg erleben

Dadurch dass im Live­stream rein­ge­zoomt wer­den kann, hat man das Gefühl, näher dran zu sein.“ Die Besu­che­rIn­nen erfah­ren bei­spiels­wei­se, wel­ches Kunst­werk im Diö­ze­san­mu­se­um 600 Kilo­gramm schwer ist und kön­nen die „Alle­go­rie des Guten Regi­ments“ im frisch reno­vier­ten Kai­ser­saal der Neu­en Resi­denz bestaunen.

Im His­to­ri­schen Muse­um ist die Aus­stel­lung „Jüdi­sches in Bam­berg“ auf­ge­baut. Sie möch­te den Gäs­ten die Geschich­te der jüdi­schen Bevöl­ke­rung in Bam­berg vor Augen füh­ren. Um die­se Aus­stel­lung dreht sich auch Herrn Loh­manns zwei­tes Füh­rungs­the­ma, die­ser Live­stream beginnt um 11.30 Uhr.

Der Ein­tritt am Muse­ums­tag ist in allen Häu­sern frei, eben­so kön­nen dank der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung durch den “Freun­des­kreis der Muse­en um den Bam­ber­ger Dom” die Live­streams am Muse­ums­tag kos­ten­frei ange­bo­ten werden.


Ein Hauch von Kuni­gun­den­man­tel für Zuhause

Bei der High­light-Füh­rung wird auch der blaue Kuni­gun­den­man­tel mit sei­nen kunst­vol­len Gold­sti­cke­rei­en vor­ge­stellt. Für die­je­ni­gen, die selbst sti­cken möch­ten, hat sich die neue Lei­te­rin des Diö­ze­san­mu­se­ums, Caro­la Schmidt etwas ganz Beson­de­res aus­ge­dacht. „Wer ger­ne sti­cken möch­te wie am Hofe Kai­ser Hein­richs“, so Frau Wen­den­burg, „soll­te sich zum Online-Work­shop via Zoom im Diö­ze­san­mu­se­um anmel­den. Frau Schmidt hat dazu eine Exper­tin gewin­nen kön­nen, unter deren fach­kun­di­ger Anlei­tung ein „Stern­chen“ vom blau­en Kuni­gun­den­man­tel ent­steht – mit ver­gol­de­ten Fäden in Anle­ge­tech­nik auf Sei­de, genau­so wie im 11. Jahrhundert!“

Das Diö­ze­san­mu­se­um bie­tet einen online-Stick-Work­shop an. Foto: Diö­ze­san­mu­se­um Bamberg

Die Anmel­dung unter dioezesanmuseum@erzbistum-bamberg.de soll­te früh­zei­tig erfol­gen, damit das kos­ten­lo­se Mate­ri­al­pa­ket, das vom Diö­ze­san­mu­se­um zur Ver­fü­gung gestellt wird, zei­tig zuge­sen­det wer­den kann.

Die Staats­bi­blio­thek hat lei­der nicht geöff­net, weil der­zeit kei­ne Aus­stel­lun­gen statt­fin­den kön­nen. „Aller­dings ist die Sta­Bi digi­tal her­vor­ra­gend auf­ge­stellt“, wie Frau Wen­den­burg betont, „des­halb wird sie einen vir­tu­el­len Blick in ihre Schatz­kam­mer ermöglichen.“

Nicht weit vom Dom­berg ent­fernt, hat – vor­be­halt­lich des Infek­ti­ons­ge­sche­hens – die Samm­lung Lud­wig Bam­berg im Alten Rat­haus geöff­net und prä­sen­tiert auch am Muse­ums­tag in ihrer stän­di­ge Schau „Glanz des Barock – Fay­ence und Por­zel­lan“ ihre prunk­vol­len Kost­bar­kei­ten, außer­dem „Lud­wig unter der Lupe – 25 Jah­re Samm­lung Lud­wig in Bamberg“.

In der Vil­la Des­sau­er kann end­lich auch die brand­neue Aus­stel­lung „Papier“ des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins live und in Far­be besich­tigt wer­den. In die­ser Aus­stel­lung zei­gen die Künst­le­rin­nen und Künst­ler, was Papier an gestal­te­ri­schen Mög­lich­kei­ten bie­tet. Die Aus­stel­lung wird dar­über­hin­aus unab­hän­gig von den Öff­nungs­per­spek­ti­ven auch digi­tal beglei­tet, bei­spiels­wei­se durch Inter­views mit den aus­stel­len­den Künstlern.

Andre­as von Weiz­sä­ckers Löwen­köp­fe. Foto: Sebas­ti­an Quenzer
Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen und Links


Live­streams mit „Agil“ am Museumstag 

https://www.agil-bamberg.de/museumstagL.php


„Bam­ber­ger Schät­ze“ in der Staats­bi­blio­thek Bamberg

https://www.staatsbibliothek-bamberg.de/digitale-sammlungen/bamberger-schaetze/


Aus­stel­lun­gen der Staats­bi­blio­thek auf Goog­le Arts & Culture

https://artsandculture.google.com/partner/staatsbibliothek-bamberg?hl=de


Online-Aus­stel­lun­gen und vir­tu­el­le Spa­zier­gän­ge durch die Prunk­räu­me der Neu­en Residenz

https://www.residenz-bamberg.de/deutsch/digital/index.htm

https://schloesserblog.bayern.de/tag/residenz-bamberg


Aus­stel­lung „Papier“ in der Vil­la Des­sau­er mit vir­tu­el­lem Begleitprogramm

https://www.kunstverein-bamberg.de/


Orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­weis der Stadt Bamberg

Liegt der Coro­na-Inzi­denz­wert in Bam­berg zwi­schen 50 und 100, ist eine vor­he­ri­ge Anmel­dung per Tele­fon (0951 87–1140 Kas­se His­to­ri­sches Muse­um, 0951 87–1871 Kas­se Samm­lung Lud­wig, 0951 87–1861 Kas­se Stadt­ga­le­rie Bam­berg – Vil­la Des­sau­er und Mik­we: 0151–16971088 wäh­rend der Öff­nungs­zei­ten) erfor­der­lich. Zu einer even­tu­ell nöti­gen Rück­ver­fol­gung muss ein Kon­takt hin­ter­legt wer­den. Die Besucher:innen sind zum Tra­gen einer FFP2-Mas­ke ver­pflich­tet, der Min­dest­ab­stand von 1,5 m zuein­an­der ist ein­zu­hal­ten. Die Ver­ant­wort­li­chen bit­ten, die vor­ge­schrie­be­nen Hygie­ne­maß­nah­men zu beher­zi­gen. Die Besu­cher­zahl wird begrenzt, so dass die gel­ten­den Abstands­re­geln ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Die Belüf­tung mit Frisch­luft wird in den Aus­stel­lungs­räu­men erhöht. Aus­ge­schil­der­te Rund­we­ge hel­fen bei der Ver­mei­dung von Kon­tak­ten. Es gibt die Mög­lich­keit zur Des­in­fek­ti­on der Hände.