Browse Tag

Marathon

Wan­dern mit Fami­lie, Lau­fen für sich

Extrem­sport­ler Bernd Deschauer

Zwei sport­li­che Lei­den­schaf­ten, die in der Gesamt­sum­me in eine ähn­li­che Rich­tung gehen und auch eine gemein­sa­me Schnitt­men­ge auf­wei­sen, prä­gen Bernd Deschau­ers All­tag: Sein Fami­li­en­le­ben und sei­ne per­sön­li­che Zeit mit sich. Denn sei­ne Freu­de am Wan­dern und am Lau­fen bedin­gen und befruch­ten sich und rei­chen in die ver­schie­de­nen Lebens­mo­men­te hinein.

Wenn es nach dem Zeit­ma­nage­ment von Bernd Deschau­er gin­ge, hät­te die Woche acht Tage. So scheint es im Ange­sicht sei­nes voll­ge­pack­ten Akti­vi­tä­ten­plans zumin­dest. „Ich weiß auch nicht genau, wie das kommt, aber mein Tag scheint 27 Stun­den zu haben“, meint er und staunt dabei selbst ein bisschen.

Hört man sich sei­ne Geschich­te an, darf man getrost noch ein paar vir­tu­el­le Stun­den dazu zäh­len – so viel­schich­tig und zeit­in­ten­siv erschei­nen die ver­schie­de­nen Wan­der- und Lauf­ak­tio­nen. Sein Geheim­nis dahin­ter? Viel­leicht ist es das Zusam­men­spiel von einer guten Orga­ni­sa­ti­on, einer schier uner­schöpf­li­chen Aus­dau­er und dem Wil­len, etwas vor­an­zu­trei­ben. Und, das strahlt der Sport­ler und Fami­li­en­va­ter unbe­dingt aus, er emp­fin­det an all sei­nem Tun Freu­de und Spaß.

Wan­dern mit dem „Wan­der­zwerg“

Da gibt es den „Wan­der­zwerg“, der 2011 ent­stan­den ist. Online prä­sen­tiert Bernd Deschau­er auf sei­nem Por­tal Fami­li­en­wan­de­run­gen und Rad­tou­ren. Dazu gibt es Tipps für das Drum­her­um. Alles ist natür­lich mit sei­ner Fami­lie, das sind Ehe­frau Sabi­ne und die Söh­ne Leo­pold und Lorenz, erprobt und getestet.

Gehen wir zwölf Jah­re zurück. Das ers­te Kind der Deschau­ers wird gebo­ren. Die jun­ge Fami­lie möch­te wei­ter­hin wan­dernd die Natur genie­ßen, aber mit Baby ver­än­dert sich in punc­to Akti­vi­tä­ten eini­ges. Aus­flü­ge mit Klein­kin­dern zu machen, ist ein biss­chen kom­ple­xer als allein als Paar unter­wegs zu sein.

Bernd Deschau­er fällt auf, dass man kaum Wan­de­run­gen für Fami­li­en fin­det und wenn, dann sto­ßen sie oft an ihre prak­ti­schen Gren­zen. Was zum Bei­spiel ist beim Wan­dern mit einem Kin­der­wa­gen mög­lich, wel­che Gegen­den kann man sich so erschlie­ßen? Wie ist die Beschaf­fen­heit der Wege? Gibt es pas­sen­de Ein­kehr­mög­lich­kei­ten, wo man zum Bei­spiel auch wickeln kann, und auch Spiel­mög­lich­kei­ten zwi­schen­durch, damit Kin­der und Eltern kurz ver­schnau­fen kön­nen? Wel­che Stei­gun­gen müs­sen unter­wegs genom­men wer­den? Macht man sich mit Kin­dern auf den Weg, sind das Fra­gen, die für jun­ge Fami­li­en wich­tig sind.

„Das Kind mit sei­nem Tem­po und sei­ner Sicht auf die Din­ge steht bei Wan­de­run­gen im Fokus. Wenn dann die Umrah­mun­gen am Weges­rand stim­men, trägt das zur Freu­de und Zufrie­den­heit der gesam­ten Fami­li­en bei“, weiß Deschau­er aus eige­nen Erfahrungen.

Weil es ihm aber all­mäh­lich lang­wei­lig wur­de, in Bam­berg immer die glei­chen Wege im Hain, auf der Erba und am Kanal ent­lang­zu­ge­hen und es nichts Pas­sen­des in Rich­tung Fami­li­en­wan­de­run­gen in Fran­ken gab, ent­stand schnell die Idee, selbst etwas Brauch­ba­res zu schaf­fen: eine Wan­der-Web­sei­te für Fami­li­en­tou­ren. Das Logo und der Titel „Wan­der­zwerg“ waren bald gefun­den. Nun hieß es, die Sei­te mit Inhal­ten zu füt­tern. „Alle Tou­ren, die ich auf „Wan­der­zwerg“ stel­le, haben wir als Fami­lie selbst gemacht.“

Ange­fan­gen hat es mit rela­tiv typi­schen Zie­len, wie zum Staf­fel­berg, dem Kir­schen­weg um Pretz­feld oder dem Wal­ber­la. Dann kamen Wan­de­run­gen im Baye­ri­schen Wald dazu – ein Muss, denn Bernd Deschau­er ist dort aufgewachsen.

Nach und nach fan­den sich auch wei­te­re Zie­le im Reper­toire, zum Bei­spiel Wan­de­run­gen im All­gäu oder in Süd­ti­rol, dazu Urlaubs­tipps für die Nord­see oder das Erz­ge­bir­ge. „Der Ser­vice bei den Tou­ren war mir dabei immer wich­tig. Zum Bei­spiel gibt es eine detail­lier­te Anfahrts­be­schrei­bung zur Wan­der­rou­te und auch Ein­kehr­tipps. Außer­dem kön­nen die Rou­ten als gpx-Datei für das Han­dy her­un­ter­ge­la­den werden.“

Sein Gedächt­nis, um sich bei­spiels­wei­se Weg­punk­te zu mer­ken, und digi­ta­le Hilfs­mit­tel sind dabei Deschau­ers Hand­werks­zeug. So zeich­net er bei der Erst­wan­de­rung die Stre­cke auf – sowohl digi­tal als auch men­tal – und er macht Fotos.

Über die Web­sei­te wur­de auch ein Ver­lag auf Bernd auf­merk­sam und frag­te ihn an, ob er nicht ein Kin­der­wa­gen-Wan­der­buch schrei­ben wol­le. Aber wel­che Rich­tung könn­te in so einem Buch ein­ge­schla­gen werden?

Vor die­sem Hin­ter­grund über­leg­te sich der 48-Jäh­ri­ge, was auf den zahl­rei­chen Tou­ren, die sei­ne Fami­lie unter­nom­men hat­te, beson­ders viel Spaß gemacht hat und an was sei­ne Kin­der den größ­ten Gefal­len gefun­den haben. So war es schließ­lich nahe­lie­gend, erst ein­mal in die nähe­re Umge­bung zu gehen.

Das Wan­der­buch „Kin­der­wa­gen- & Tra­ge­tou­ren Frän­ki­sche Schweiz | Bam­berg“ erschien 2013. 2016 folg­te ein zwei­ter Wan­der­füh­rer: „Fami­li­en­tou­ren in Ober- und Unter­fran­ken.“ War das erst­ge­nann­te Buch für Fami­li­en mit Kin­dern im Kin­der­wa­gen- und Kin­der­gar­ten­al­ter gedacht, soll zwei­tes eher Fami­li­en mit Kin­dern ab dem Grund­schul­al­ter anspre­chen. Der­zeit arbei­tet Bernd Deschau­er an einem drit­ten Gui­de – „Genuss­tou­ren“.

Das Resul­tat bis jetzt: Auf sei­ner Web­sei­te gibt es inzwi­schen mehr als hun­dert Zie­le, dazu kom­men die bei­den genann­ten Bücher. Been­det ist das Pro­jekt aber noch lan­ge nicht. Je nach Urlaubs- oder Aus­flugs­ort der Deschau­ers wird Bernd die Wan­der- und Rad­tou­ren ergänzen.

Run­ning Bernd

Neben den Akti­vi­tä­ten als wan­dern­der Fami­li­en­va­ter braucht Bernd Deschau­er aber auch Zeit für sich. Die­se fin­det er beim Lau­fen, bes­ser gesagt beim Mara­thon und Ultra­ma­ra­thon, des­sen Stre­cke noch län­ger ist als beim Mara­thon, sowie auf dem Fahrrad.

Im Ange­sicht des schlan­ken und durch­trai­nier­ten Man­nes könn­te man auf die Idee kom­men, dass er schon von Kin­des­bei­nen an Sport gemacht hat. Tat­säch­lich ent­deck­te Bernd Deschau­er aber erst mit 30 Jah­ren, dank des Bam­ber­ger Welt­erbelaufs, das Jog­gen. „Eigent­lich hat­te ich die Ein­stel­lung, dass Lau­fen der lang­wei­ligs­te Sport der Welt ist“, erin­nert er sich. Aber als sich ein paar Freun­de und er 2005 zum Welt­erbelauf anmel­de­ten und die Distanz von 4,4 Kilo­me­tern meis­ter­ten, leck­te Bernd Blut. Zäh und ziel­stre­big blieb er an die­ser Sport­art dran und woll­te mehr.

2007 kam dann der ers­te Halb­ma­ra­thon in Mün­chen, den er mit einer Zeit von 2 Stun­den und 11 Sekun­den absol­vier­te, also mit ärger­li­chen 11 Sekun­den über der Zwei­stun­den-Mar­ke. „Seit­dem fix­te mich das Lau­fen immer mehr an. Ich lief anfangs etwa 1.000 Kilo­me­ter pro Jahr, inzwi­schen sind es weit über 3.000 mit etwa fünf bis sie­ben Mara­thons, 30 bis 40 Halb­ma­ra­thons und eini­gen Ultras jähr­lich. So sind mitt­ler­wei­le etwa 80 Mara­thons und Ultras zusammengekommen.“

Bis dahin aber war es ein lan­ger Weg. 2008 war Deschau­er für den ers­ten Mara­thon fit. So berei­te­te er sich auf Deutsch­lands größ­ten Mara­thon vor, den Ber­lin-Mara­thon. „Ich muss zuge­ben, dass das schon eine har­te Num­mer war, dar­auf zu trai­nie­ren. Aber, es war mein ers­ter Mara­thon. So etwas ist sowohl in der Vor­be­rei­tung als auch im Nach­hin­ein groß­ar­tig. Im Ziel glück­lich ange­kom­men war ich fix und fer­tig, aber ich hat­te es geschafft.“ Er lief eine Zeit von 4 Stun­den und 38 Minuten.

Seit­dem ist die Rei­he der Mara­thons, spä­ter auch der Ultra-Mara­thons, unge­bro­chen. Um nur eini­ge davon zu nen­nen: der Vien­na City Mara­thon in Öster­reich, der Jung­frau-Mara­thon in der Schweiz mit 1.800 Höhen­me­tern Unter­schied zwi­schen Start und Ziel, den Bri­xen Dolo­mi­ten Mara­thon in Süd­ti­rol und 2016 der ers­te Ultra mit mehr als 54 Kilo­me­tern Län­ge und 2.700 Höhen­me­tern im Baye­ri­schen Wald.

2017 erziel­te Bernd Deschau­er beim Frank­furt Mara­thon sei­ne bis­he­ri­ge Best­zeit von 3 Stun­den und 27 Minu­ten. Sport­lich kann man die­se Rei­he immer wei­ter auf­sto­cken. Aber, ähn­lich wie beim „Wan­der­zwerg“ fehl­te ihm noch etwas, das er Lauf­wil­li­gen ger­ne an die Hand geben woll­te, ein Lauf-Buch. Mitt­ler­wei­le, im Herbst 2020, ist auch ein sol­ches erschie­nen. Dar­in gibt er Tipps für Ein­stei­ger und Fort­ge­schrit­te­ne und beschreibt Lauf­stre­cken in und um Bamberg.

„Die Turn­schu­he zu schnü­ren, gehört für mich zur Normalität“

Wie bekommt Bernd Deschau­er das alles unter einen Hut: Lau­fen, Wan­dern, Bücher schrei­ben, drei bis fünf­mal pro Woche trai­nie­ren, Zeit mit sei­ner Fami­lie ver­brin­gen und sei­ner Arbeit an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät im Bereich Stu­di­en­gangs­mar­ke­ting nachgehen?

„Am Tag arbei­te ich, am Wochen­en­de machen wir Aus­flü­ge und abends schrei­be ich Bücher. Ach ja, und fast täg­lich die Turn­schu­he zu schnü­ren, gehört für mich zur Nor­ma­li­tät. Hier­für ste­he ich am Wochen­en­de schon mal gegen 5 Uhr auf, lau­fe los und um 8 Uhr bin ich mit Sem­meln wie­der zu Hau­se. Als die Kin­der noch klei­ner waren, nahm ich sie im Jog­ger mit.“

Deschau­er liebt die kla­re, kal­te Luft im Win­ter. Sein mar­kan­ter Bart ver­wan­delt sich dann zuwei­len in einen Eis­zap­fen. Und im Som­mer genießt er den Son­nen­auf­gang, bevor die Hit­ze den Tag ver­ein­nahmt. Sei­ne Stre­cken füh­ren durch den Hain, den Michels­ber­ger und den Bru­der­wald oder Rich­tung Baunach.

Nach sei­nen letz­ten Wett­be­wer­ben gefragt, wirkt er etwas nach­denk­lich. Im Juni die­ses Jah­res trat er beim Lavare­do Ultrat­rail auf der 80 Kilo­me­ter lan­gen Stre­cke mit 4.600 Höhen­me­tern inmit­ten des Dolo­mi­ten UNESCO Welt­na­tur­er­bes an. Etwas zer­knirscht resü­miert er: „Nach 70 Kilo­me­tern, etwa zehn Kilo­me­ter vor dem Ziel, muss­te ich auf den Rat der Sani­tä­ter hören und den Lauf been­den. Das ist für einen Läu­fer ärger­lich und nur schwer zu akzep­tie­ren, aber natür­lich geht die Gesund­heit vor.“

Und wie sieht die nähe­re Lauf­zu­kunft aus? „Ich kon­zen­trie­re mich immer mehr auf das Ultra­l­au­fen, aber erst ein­mal freue ich mich auf den Mün­chen Mara­thon und auf den Welt­erbelauf im kom­men­den Jahr.“ Deschau­er plant dabei, an allen drei Läu­fen, also am Wie­land-Lauf mit 4,4, am Bro­se-Lauf mit 10,9 und am Spar­kas­sen-Lauf mit 21,1 Kilo­me­tern, teilzunehmen.

Bernd Deschauer
Bernd Deschau­er beim Frank­furt Mara­thon 2017

Im Por­trät

Heri­bert Hof­mann: Sich gesund lau­fen aus Leidenschaft

„Ich bin gewis­ser­ma­ßen dazu ver­pflich­tet, zu lau­fen. Denn seit­dem ich das tue, ist mein Asth­ma immer weni­ger gewor­den. Die Ärz­te haben mir unlängst ein­mal wie­der bestä­tigt, dass das Lau­fen mei­ner Gesund­heit gut­tut. ‚Unbe­dingt wei­ter­ma­chen!‘ hieß die Dia­gno­se.“ – Das ist Heri­bert Hof­manns Ansporn, aber nicht sein ein­zi­ger. Denn die Lauf­lei­den­schaft hat ihn irgend­wann ein­fach gepackt. Sie beglei­tet ihn nun­mehr seit 42 Jahren.

Läu­fer und Lauftrainer

Heri­bert ist Läu­fer und Lauf­trai­ner. Er war Coach von Joey Kel­ly und Sig­rid Eich­ner. Ers­te­rer, auch bekannt aus der Folk­band The Kel­ly Fami­ly, ist Extrem­sport­ler und Unter­neh­mer US-ame­ri­ka­nisch-iri­scher Abstam­mung. Sig­rid Eich­ner, die erst mit 40 Jah­ren anfing zu jog­gen, ist die Welt­re­kord­hal­te­rin im Mara­thon und läuft jetzt, mit stol­zen 80 Jah­ren, noch immer.
Obwohl Heri­bert solch berühm­te Grö­ßen pro­te­giert hat, ist ihm eine ganz ande­re Sache wich­tig: Er möch­te durch sein Bei­spiel Mut machen, auch mit einem Han­di­cap – das kann eine Krank­heit oder ‚ein­fach nur‘ Über­ge­wicht sein – Sport zu treiben.

Und er bricht für alle Men­schen eine Lan­ze, die neben ihrem Sport mit­ten im Berufs­le­ben ste­hen und sich trotz­dem die Zeit neh­men, zu trai­nie­ren. „Manch­mal wer­de ich etwas ange­fein­det“, berich­tet der Elek­tro­tech­ni­ker, der eine klei­ne Fir­ma in Frens­dorf lei­tet. „Leicht pro­vo­zie­rend sagt manch einer zu mir: ‚Du musst aber Zeit haben!‘ Dabei hat doch jeder gleich­viel Zeit. Der eine ver­bringt sie im Bier­gar­ten, der ande­re nutzt sie zum Lau­fen. Bei­des ist aber genau die­sel­be Zeit. Trai­nie­ren zu kön­nen und zu wol­len, ist nie eine Fra­ge der Zeit, son­dern der Prio­ri­tä­ten­set­zung“, phi­lo­so­phiert Heribert.

Die Hemm­schwel­le überwinden

Wenn man dem durch­trai­nier­ten Heri­bert gegen­über­sitzt, glaubt man es ihm kaum. Er, der Asth­ma­ti­ker, hat­te als Kind eine schwäch­li­che Gestalt. Er durf­te in der Grund­schu­le nicht am Sport­un­ter­richt teil­neh­men, wur­de auf Kuren geschickt und eher geschont. Als er dann irgend­wann doch beim Fach Sport mit­ma­chen konn­te, wur­de er bei Grup­pen­ak­ti­vi­tä­ten immer als Letz­ter gewählt, besaß er doch weni­ge Mus­keln, kei­ne Aus­dau­er und hat­te ein­fach kein Sportpotenzial.

Es waren die unter­schied­li­chen Men­schen, die Heri­bert wäh­rend sei­nes Lebens ken­nen­lern­te und die ihn schein­bar zufäl­lig dazu brach­ten, spor­ti­ve Wege ein­zu­schla­gen. Und natür­lich sein Wil­le samt sei­ner Fähig­keit, die Wei­chen für sich selbst zu stel­len. So kam er zunächst zum Fuß­ball, stand hier aber als Ersatz­spie­ler meist außer­halb des Fel­des. Trotz­dem – der ers­te Schritt war getan!

Da ihm das Fuß­ball-Nicht-Spie­len nicht so sehr taug­te, wand­te der gebür­ti­ge Aschaf­fen­bur­ger sich dem Rin­gen zu. Aschaf­fen­burg war damals eine Hoch­burg des Rin­gens. Ange­spornt durch sei­nen Bru­der, tes­te­te sich Heri­bert in die­ser Dis­zi­plin und fuhr, mit mäßi­gem Erfolg, zu Wett­kämp­fen. Beim Trai­ning wäh­rend eines Zelt­la­gers ent­deck­te er etwas Beson­de­res an sich: Nicht die schnel­len Sport­ar­ten, in denen es auf eine Höchst­leis­tung in mög­lichst kur­zer Zeit ankommt, lagen ihm, son­dern der Aus­dau­er­sport war es, bei dem er sich wohl­fühl­te und Leis­tung erbrach­te. Also wid­me­te sich der 1961 gebo­re­ne Unter­fran­ke die­ser Dis­zi­plin und kämpf­te sich – sei­nem Asth­ma zum Trot­ze – vor­wärts. Im Alter von 18 Jah­ren nahm er schließ­lich an sei­nem ers­ten öffent­li­chen Lauf teil, dem Sand­ker­wa-Lauf. Auch hier waren es wie­der Mit­strei­ter, die ihn wei­ter­brin­gen soll­ten. Er lern­te Teil­neh­mer ken­nen, die im Lauf­ver­ein DJK SC Vor­ra aktiv waren. Sie inspi­rier­ten ihn dazu, für einen Wett­kampf in Erlan­gen zu trai­nie­ren. Dem Ver­ein in Vor­ra ist Heri­bert bis heu­te treu geblieben.

Erst 25 Kilo­me­ter, dann Mara­thon und schließ­lich Ultra-Läufe

„Wett­kämp­fe und ich…?“ So recht konn­te er sich das mit sei­ner ein­ge­schränk­ten Lun­gen­funk­ti­on zunächst nicht vor­stel­len. Und dann, drü­ber nach­ge­dacht und schließ­lich Feu­er gefan­gen, wur­de es zu sei­nem Ziel: „Ein­mal 25 Kilo­me­ter lau­fen… Mensch! Das ist ein Traum“, dach­te er plötzlich.

Die Stre­cke schaff­te er schließ­lich ganz pas­sa­bel. Heri­bert merk­te schnell, dass das Kon­zept ‚Trai­nie­ren – Lau­fen – hoch­ka­rä­ti­ge Lauf­zie­le ansteu­ern und damit sein Han­di­cap aus­glei­chen‘ funk­tio­nier­te. Die­ses spor­ti­ve Lebens­kon­zept tat ihm ein­fach gut. Also auf zu neu­en Zie­len! Ein Mara­thon muss­te her. Und zwar, noch bevor er sei­nen drei­ßigs­ten Geburts­tag fei­ern soll­te. Und so rea­li­sier­te er sei­nen nächs­ten Traum. Er absol­vier­te am letz­ten Tag sei­ner 29er Jah­re die 42,2 Kilo­me­ter in drei Stun­den und 15 Minuten.

Heri­bert Hof­mann (rechts) als Coach von Joey Kelly

„Wenn du das Ziel vor Augen siehst und nach die­ser lan­gen Stre­cke in das Mün­che­ner Olym­pia-sta­di­on ein­läufst, ist das ein äußerst emo­tio­na­les Erleb­nis. Da flie­ßen schon ein­mal ein paar Trä­nen“, erin­nert sich Heri­bert an sei­nen ers­ten Mara­thon-Ziel­ein­lauf. Seit­dem er die Mara­thon-Luft geschnup­pert hat­te, nahm er jedes Jahr an einem sol­chen teil. Im Lau­fe der Zeit stei­ger­te er sich auf vier bis fünf­zehn Mara­thon-Läu­fe im Jahr. Nur die­ses Jahr hat es auf­grund der Ver­bo­te durch die Coro­na-Pan­de­mie nicht geklappt.

Doch auch die Mara­thons waren ihm eines Tages zu wenig. Par­al­lel zu ihnen trai­nier­te er also für Ultra-Läu­fe. In die­se Dis­zi­plin stieg er 2004 mit dem Renn­steig­lauf ein. Er erkann­te bald sei­ne Stär­ke, her­vor­ra­gend gleich­mä­ßig lan­ge Stre­cken lau­fen zu kön­nen. Gene­rell ver­bes­ser­te er im Lau­fe der Jah­re immer wie­der sei­ne Tech­nik. So wur­de er in der Schweiz beim Bie­ler Nacht­lauf 89. von 2.500 Teil­neh­mern. Beim Euro­pa­cup der Ultra­l­äu­fer errang er den vier­ten Platz, eben­so bei den Deut­schen Meis­ter­schaf­ten im 24 Stun­den-Lauf mit 190 gelau­fe­nen Kilo­me­tern. Schließ­lich sicher­te er sich bei den Baye­ri­schen Mara­thon Meis­ter­schaf­ten 2016 in der Alters­klas­se M55 den ers­ten Platz.

Als ein beson­de­res Erleb­nis hat Heri­bert den Tran­sal­pin Run 2014 in Erin­ne­rung. Wie der Name schon sagt, geht es bei die­sem Event quer über die Alpen von Nord nach Süd. Acht Tage lau­fen Sport­ler aus der gan­zen Welt etwa 50 Kilo­me­ter und 2.000 Höhen­me­ter pro Tag von Ruh­pol­ding nach Sex­ten in Süd­ti­rol. „Man macht nichts ande­res: lau­fen, essen, schla­fen und wie­der lau­fen, essen, schla­fen. Ins­be­son­de­re auf den Höhen gibt es Regen, Schnee und alle Wid­rig­kei­ten, die durch­kämpft wer­den müs­sen. Auch dem Asth­ma ist das unwirt­li­che Kli­ma nicht sehr zuträg­lich. Aber spä­tes­tens am vier­ten Tag ist man im Flow.“ Heri­bert hat mit sei­nem Tan­dem­kol­le­gen den 22. Platz von 89 Teams belegt. „So eine tol­le Plat­zie­rung ist unge­wöhn­lich für uns Flach­länd­ler, denn nor­ma­ler­wei­se neh­men an die­sem Lauf eher Sport­ler teil, die ohne­hin schon im Gebir­ge auf­ge­wach­sen sind und hier dann auch gut trai­niert sind.“

Die Lauf­tech­nik macht‘s

Wie ein­gangs erwähnt, coach­te Heri­bert unter ande­rem Sig­rid Eich­ner für Bad­wa­ter, den här­tes­ten Ultra­ma­ra­thon der Welt. Eigent­lich woll­te er selbst bei die­sem 218 Kilo­me­ter lan­gen Ultra­ma­ra­thon mit­ma­chen, ist aber von der Jury abge­lehnt wor­den. Er erfuhr, dass Sig­rid Eich­ner, damals 65 Jah­re, einen Betreu­er für die­sen Lauf such­te. Tat­säch­lich ent­schied sie sich für Heri­bert. „Das war ein wirk­li­ches Aben­teu­er“, reka­pi­tu­liert er. Sig­rid Eich­ner hat den Ultra-Lauf schließ­lich in 52 Stun­den geschafft. Und ihn, Heri­bert, hat die­se Tätig­keit beflügelt.

Sei­ne Mis­si­on, Men­schen zu zei­gen, wie man mit der rich­ti­gen Tech­nik effek­ti­ver läuft, ist über die Jah­re immer mehr gewach­sen. Heri­bert fin­det es scha­de, dass vie­le Teil­neh­mer ihre Ener­gie ver­schwen­den, weil sie falsch lau­fen. „Ich bin Anhän­ger des guten Lauf­stils. Und: Ich möch­te Men­schen moti­vie­ren“, sagt der 59-Jäh­ri­ge lächelnd. Für ihn sind es kei­ne Wer­te, ob man 200 Meter oder 10 Kilo­me­ter läuft. Haupt­sa­che, man tut es und tut sich damit etwas Gutes. Aus die­sem Erleb­nis ist der Fun­ke ent­sprun­gen, Läu­fer anlei­ten zu wol­len. Zwei­mal jähr­lich gibt er des­halb Lauf­tech­nik-Kur­se im Bam­ber­ger Hain.

„Der Mensch ist zum Lau­fen ausgelegt“

Heri­bert Hof­mann hat, um nur eini­ge weni­ge Sta­tio­nen zu nen­nen, Ber­lin, Ham­burg, Wien und Frank­furt, New York und Lon­don, die Alpen und die Frän­ki­sche Schweiz lau­fend erlebt. Seit zehn Jah­ren bevor­zugt er eher die Land­schafts­läu­fe. Er hat 130 Mara­thons und 35 Ultras gelau­fen. Sein Ziel ist es, die Mar­ke von 150 Mara­thons zu schaf­fen. Er hält Vor­trä­ge und lei­tet Men­schen an. Sei­ne Devi­se dabei ist: „Der Mensch ist zum Lau­fen aus­ge­legt.“ Was er in sei­nen über vier­zig Lauf-Deka­den erlebt hat, möch­te er nicht mis­sen: Die Men­schen, die ihn beglei­tet und ange­spornt haben, die Krank­heit, die er ein­däm­men konn­te, und die Welt, die er bereist hat. Neben der Auf­run­dung sei­ner Mara­thon-Anzahl hat er ein wei­te­res Ziel: Er hat die Alpen wan­dernd über­quert, er hat sie im Lauf­schritt über­wun­den. „Jetzt fehlt nur noch das Fahr­rad.“ So dyna­misch, wie der Leis­tungs­sport­ler wirkt, wird die­ser Traum nicht lan­ge auf sei­ne Erfül­lung war­ten müssen.