„Ich bin gewissermaßen dazu verpflichtet, zu laufen. Denn seitdem ich das tue, ist mein Asthma immer weniger geworden. Die Ärzte haben mir unlängst einmal wieder bestätigt, dass das Laufen meiner Gesundheit guttut. ‚Unbedingt weitermachen!‘ hieß die Diagnose.“ – Das ist Heribert Hofmanns Ansporn, aber nicht sein einziger. Denn die Laufleidenschaft hat ihn irgendwann einfach gepackt. Sie begleitet ihn nunmehr seit 42 Jahren.
Läufer und Lauftrainer
Heribert ist Läufer und Lauftrainer. Er war Coach von Joey Kelly und Sigrid Eichner. Ersterer, auch bekannt aus der Folkband The Kelly Family, ist Extremsportler und Unternehmer US-amerikanisch-irischer Abstammung. Sigrid Eichner, die erst mit 40 Jahren anfing zu joggen, ist die Weltrekordhalterin im Marathon und läuft jetzt, mit stolzen 80 Jahren, noch immer.
Obwohl Heribert solch berühmte Größen protegiert hat, ist ihm eine ganz andere Sache wichtig: Er möchte durch sein Beispiel Mut machen, auch mit einem Handicap – das kann eine Krankheit oder ‚einfach nur‘ Übergewicht sein – Sport zu treiben.
Und er bricht für alle Menschen eine Lanze, die neben ihrem Sport mitten im Berufsleben stehen und sich trotzdem die Zeit nehmen, zu trainieren. „Manchmal werde ich etwas angefeindet“, berichtet der Elektrotechniker, der eine kleine Firma in Frensdorf leitet. „Leicht provozierend sagt manch einer zu mir: ‚Du musst aber Zeit haben!‘ Dabei hat doch jeder gleichviel Zeit. Der eine verbringt sie im Biergarten, der andere nutzt sie zum Laufen. Beides ist aber genau dieselbe Zeit. Trainieren zu können und zu wollen, ist nie eine Frage der Zeit, sondern der Prioritätensetzung“, philosophiert Heribert.
Die Hemmschwelle überwinden
Wenn man dem durchtrainierten Heribert gegenübersitzt, glaubt man es ihm kaum. Er, der Asthmatiker, hatte als Kind eine schwächliche Gestalt. Er durfte in der Grundschule nicht am Sportunterricht teilnehmen, wurde auf Kuren geschickt und eher geschont. Als er dann irgendwann doch beim Fach Sport mitmachen konnte, wurde er bei Gruppenaktivitäten immer als Letzter gewählt, besaß er doch wenige Muskeln, keine Ausdauer und hatte einfach kein Sportpotenzial.
Es waren die unterschiedlichen Menschen, die Heribert während seines Lebens kennenlernte und die ihn scheinbar zufällig dazu brachten, sportive Wege einzuschlagen. Und natürlich sein Wille samt seiner Fähigkeit, die Weichen für sich selbst zu stellen. So kam er zunächst zum Fußball, stand hier aber als Ersatzspieler meist außerhalb des Feldes. Trotzdem – der erste Schritt war getan!
Da ihm das Fußball-Nicht-Spielen nicht so sehr taugte, wandte der gebürtige Aschaffenburger sich dem Ringen zu. Aschaffenburg war damals eine Hochburg des Ringens. Angespornt durch seinen Bruder, testete sich Heribert in dieser Disziplin und fuhr, mit mäßigem Erfolg, zu Wettkämpfen. Beim Training während eines Zeltlagers entdeckte er etwas Besonderes an sich: Nicht die schnellen Sportarten, in denen es auf eine Höchstleistung in möglichst kurzer Zeit ankommt, lagen ihm, sondern der Ausdauersport war es, bei dem er sich wohlfühlte und Leistung erbrachte. Also widmete sich der 1961 geborene Unterfranke dieser Disziplin und kämpfte sich – seinem Asthma zum Trotze – vorwärts. Im Alter von 18 Jahren nahm er schließlich an seinem ersten öffentlichen Lauf teil, dem Sandkerwa-Lauf. Auch hier waren es wieder Mitstreiter, die ihn weiterbringen sollten. Er lernte Teilnehmer kennen, die im Laufverein DJK SC Vorra aktiv waren. Sie inspirierten ihn dazu, für einen Wettkampf in Erlangen zu trainieren. Dem Verein in Vorra ist Heribert bis heute treu geblieben.
Erst 25 Kilometer, dann Marathon und schließlich Ultra-Läufe
„Wettkämpfe und ich…?“ So recht konnte er sich das mit seiner eingeschränkten Lungenfunktion zunächst nicht vorstellen. Und dann, drüber nachgedacht und schließlich Feuer gefangen, wurde es zu seinem Ziel: „Einmal 25 Kilometer laufen… Mensch! Das ist ein Traum“, dachte er plötzlich.
Die Strecke schaffte er schließlich ganz passabel. Heribert merkte schnell, dass das Konzept ‚Trainieren – Laufen – hochkarätige Laufziele ansteuern und damit sein Handicap ausgleichen‘ funktionierte. Dieses sportive Lebenskonzept tat ihm einfach gut. Also auf zu neuen Zielen! Ein Marathon musste her. Und zwar, noch bevor er seinen dreißigsten Geburtstag feiern sollte. Und so realisierte er seinen nächsten Traum. Er absolvierte am letzten Tag seiner 29er Jahre die 42,2 Kilometer in drei Stunden und 15 Minuten.
„Wenn du das Ziel vor Augen siehst und nach dieser langen Strecke in das Münchener Olympia-stadion einläufst, ist das ein äußerst emotionales Erlebnis. Da fließen schon einmal ein paar Tränen“, erinnert sich Heribert an seinen ersten Marathon-Zieleinlauf. Seitdem er die Marathon-Luft geschnuppert hatte, nahm er jedes Jahr an einem solchen teil. Im Laufe der Zeit steigerte er sich auf vier bis fünfzehn Marathon-Läufe im Jahr. Nur dieses Jahr hat es aufgrund der Verbote durch die Corona-Pandemie nicht geklappt.
Doch auch die Marathons waren ihm eines Tages zu wenig. Parallel zu ihnen trainierte er also für Ultra-Läufe. In diese Disziplin stieg er 2004 mit dem Rennsteiglauf ein. Er erkannte bald seine Stärke, hervorragend gleichmäßig lange Strecken laufen zu können. Generell verbesserte er im Laufe der Jahre immer wieder seine Technik. So wurde er in der Schweiz beim Bieler Nachtlauf 89. von 2.500 Teilnehmern. Beim Europacup der Ultraläufer errang er den vierten Platz, ebenso bei den Deutschen Meisterschaften im 24 Stunden-Lauf mit 190 gelaufenen Kilometern. Schließlich sicherte er sich bei den Bayerischen Marathon Meisterschaften 2016 in der Altersklasse M55 den ersten Platz.
Als ein besonderes Erlebnis hat Heribert den Transalpin Run 2014 in Erinnerung. Wie der Name schon sagt, geht es bei diesem Event quer über die Alpen von Nord nach Süd. Acht Tage laufen Sportler aus der ganzen Welt etwa 50 Kilometer und 2.000 Höhenmeter pro Tag von Ruhpolding nach Sexten in Südtirol. „Man macht nichts anderes: laufen, essen, schlafen und wieder laufen, essen, schlafen. Insbesondere auf den Höhen gibt es Regen, Schnee und alle Widrigkeiten, die durchkämpft werden müssen. Auch dem Asthma ist das unwirtliche Klima nicht sehr zuträglich. Aber spätestens am vierten Tag ist man im Flow.“ Heribert hat mit seinem Tandemkollegen den 22. Platz von 89 Teams belegt. „So eine tolle Platzierung ist ungewöhnlich für uns Flachländler, denn normalerweise nehmen an diesem Lauf eher Sportler teil, die ohnehin schon im Gebirge aufgewachsen sind und hier dann auch gut trainiert sind.“
Die Lauftechnik macht‘s
Wie eingangs erwähnt, coachte Heribert unter anderem Sigrid Eichner für Badwater, den härtesten Ultramarathon der Welt. Eigentlich wollte er selbst bei diesem 218 Kilometer langen Ultramarathon mitmachen, ist aber von der Jury abgelehnt worden. Er erfuhr, dass Sigrid Eichner, damals 65 Jahre, einen Betreuer für diesen Lauf suchte. Tatsächlich entschied sie sich für Heribert. „Das war ein wirkliches Abenteuer“, rekapituliert er. Sigrid Eichner hat den Ultra-Lauf schließlich in 52 Stunden geschafft. Und ihn, Heribert, hat diese Tätigkeit beflügelt.
Seine Mission, Menschen zu zeigen, wie man mit der richtigen Technik effektiver läuft, ist über die Jahre immer mehr gewachsen. Heribert findet es schade, dass viele Teilnehmer ihre Energie verschwenden, weil sie falsch laufen. „Ich bin Anhänger des guten Laufstils. Und: Ich möchte Menschen motivieren“, sagt der 59-Jährige lächelnd. Für ihn sind es keine Werte, ob man 200 Meter oder 10 Kilometer läuft. Hauptsache, man tut es und tut sich damit etwas Gutes. Aus diesem Erlebnis ist der Funke entsprungen, Läufer anleiten zu wollen. Zweimal jährlich gibt er deshalb Lauftechnik-Kurse im Bamberger Hain.
„Der Mensch ist zum Laufen ausgelegt“
Heribert Hofmann hat, um nur einige wenige Stationen zu nennen, Berlin, Hamburg, Wien und Frankfurt, New York und London, die Alpen und die Fränkische Schweiz laufend erlebt. Seit zehn Jahren bevorzugt er eher die Landschaftsläufe. Er hat 130 Marathons und 35 Ultras gelaufen. Sein Ziel ist es, die Marke von 150 Marathons zu schaffen. Er hält Vorträge und leitet Menschen an. Seine Devise dabei ist: „Der Mensch ist zum Laufen ausgelegt.“ Was er in seinen über vierzig Lauf-Dekaden erlebt hat, möchte er nicht missen: Die Menschen, die ihn begleitet und angespornt haben, die Krankheit, die er eindämmen konnte, und die Welt, die er bereist hat. Neben der Aufrundung seiner Marathon-Anzahl hat er ein weiteres Ziel: Er hat die Alpen wandernd überquert, er hat sie im Laufschritt überwunden. „Jetzt fehlt nur noch das Fahrrad.“ So dynamisch, wie der Leistungssportler wirkt, wird dieser Traum nicht lange auf seine Erfüllung warten müssen.