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Pandemiefolgen

Stu­die der Uni­ver­si­tät Bamberg

Pan­de­mie­fol­gen für Abitur­jahr­gän­ge 2020 und 2021

Eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Bam­berg zeigt: Die Lebens­zu­frie­den­heit der Abitur­jahr­gän­ge 2020 und 2021 ist zurück­ge­gan­gen, die men­ta­le Belas­tung gestiegen.

Die Uni­ver­si­tät Bam­berg hat mit­ge­teilt, dass eine Stu­die erst­mals nega­ti­ve Effek­te der Coro­na­pan­de­mie auf Bil­dungs­ent­schei­dun­gen und Kar­rie­re­plä­ne bestimm­ter Abitur­jahr­gän­ge belegt. Die Stu­die war ein Gemein­schafts­pro­jekt der Öko­no­mie und Sozio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bam­berg und des Insti­tuts für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB).

„Die Lebens­zu­frie­den­heit von jun­gen Erwach­se­nen wäh­rend der Pan­de­mie ist auf einer Ska­la von 0 bis 10 um 0,5 gesun­ken“, sagt Pro­jekt­mit­ar­bei­ter Dr. Alex­an­der Patzi­na von der Uni­ver­si­tät Bam­berg. „Wäh­rend die durch­schnitt­li­che Lebens­zu­frie­den­heit in Deutsch­land ins­ge­samt wesent­lich weni­ger stark zurück­ge­gan­gen ist. Die­ser Ein­bruch ist unty­pisch für jun­ge Men­schen. Er ent­spricht zum Bei­spiel dem dras­ti­schen Rück­gang der Lebens­zu­frie­den­heit in Kriegsgebieten.“

Die Erkennt­nis­se der aktu­el­len Ver­öf­fent­li­chung beru­hen auf dem Daten­satz der Stu­die „Beruf­li­che Ori­en­tie­rung: Berufs­wahl und Stu­di­en­wahl“. Der Daten­satz ent­hält Infor­ma­tio­nen von rund 8.000 Abitu­ri­en­tin­nen und Abitu­ri­en­ten der Jahr­gän­ge 2020 und 2021. Sie besuch­ten 217 Schu­len in acht ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern, unter ande­rem Bay­ern und Nord­rhein-West­fa­len. Mit die­sen Daten haben die For­schen­den unter­sucht, wel­chen Ein­fluss die Pan­de­mie auf Bil­dungs­we­ge und Wohl­be­fin­den der soge­nann­ten Coro­na-Abitur­jahr­gän­ge hat.

Nega­ti­ve Effek­te einer Schul­zeit unter Covid-Bedingungen

Wel­che kurz- und lang­fris­ti­gen Fol­gen hat die Pan­de­mie auf Abitur­jahr­gän­ge? „Nach den ers­ten Schul­schlie­ßun­gen im März 2020 zeig­te die men­ta­le Gesund­heit der jun­gen Men­schen der Jahr­gän­ge 2020 und 2021 kurz­fris­tig kei­nen nega­ti­ven Ver­lauf“, sagt Pro­jekt­lei­te­rin Prof. Dr. Sil­ke Anger. „Aller­dings ging ihre Lebens­zu­frie­den­heit und psy­chi­sche Gesund­heit zwi­schen dem ers­ten und zwei­ten Lock­down im Win­ter 2020 /​/​2021 stark zurück.“

Zwi­schen den unter­such­ten Abitur­jahr­gän­gen 2020 und 2021 wür­den sich zudem Unter­schie­de zei­gen. So sei­en im Abitur­jahr­gang 2021 vor allem Angst- und Depres­si­ons­ri­si­ken im Abitur­jahr­gang stark ange­stie­gen. Auch die Lebens­zu­frie­den­heit ging zurück. Erst nach Ende der Schul­zeit habe sich das Wohl­be­fin­den wie­der ver­bes­sert und die Unter­schie­de zwi­schen bei­den unter­such­ten Abitur­jahr­gän­gen verschwanden.

Sil­ke Anger weist auf einen mög­li­chen Erklä­rungs­an­satz für die unter­schied­li­che Ent­wick­lung des Wohl­be­fin­dens hin: „Wäh­rend jun­ge Men­schen des Abitur­jahr­gangs 2020 die Schu­le unmit­tel­bar nach Aus­bruch der Covid-19-Pan­de­mie ver­lie­ßen, absol­vier­te der Abitur­jahr­gang 2021 noch ein gesam­tes wei­te­res Schul­jahr unter Covid-Bedin­gun­gen.“ Bei­de Abitur­jahr­gän­ge hät­ten zudem ihr Vor­pan­de­mie-Niveau men­ta­ler Gesund­heit und Lebens­zu­frie­den­heit im unter­such­ten Zeit­raum bis zum Herbst 2021 nicht wie­der erreicht.

Risi­ko von vor­zei­ti­gen Aus­bil­dungs- oder Stu­di­en­ab­brü­chen gestiegen

Die Schluss­fol­ge­run­gen, die das For­schungs­team aus den Ergeb­nis­sen der Stu­die zieht, fasst Alex­an­der Patzi­na zusam­men. „Die Aus­ge­stal­tung bil­dungs­po­li­ti­scher Maß­nah­men hat kurz- und lang­fris­ti­ge Fol­gen. Wenn Schu­len schlie­ßen oder Distanz­un­ter­richt ein­füh­ren, kann sich das auf die psy­chi­sche Gesund­heit jun­ger Men­schen auswirken.“

Bil­dungs­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen in der Pan­de­mie könn­ten weit­rei­chen­de Fol­gen für indi­vi­du­el­le Lebens­ver­läu­fe haben. Vor allem eine star­ke Ver­schlech­te­rung der psy­chi­schen Gesund­heit ver­än­de­re Bil­dungs­ent­schei­dun­gen und Kar­rie­re­plä­ne jun­ger Men­schen. So stei­ge das Risi­ko von vor­zei­ti­gen Aus­bil­dungs- oder Stu­di­en­ab­brü­chen, weil sie mit ihrer Ent­schei­dung weni­ger zufrie­den sei­en. Die­se poten­ti­el­len indi­vi­du­el­len Fol­gen sei­en wie­der­um mit öko­no­mi­schen Fol­gen ver­bun­den. Denn Bil­dungs­ab­brü­che und ‑wech­sel ver­ur­sa­chen Kos­ten, zum Bei­spiel für Bera­tun­gen und für einen län­ge­ren Zeit­raum im Bildungssystem.

Umfra­ge­er­geb­nis

Pan­de­mie­fol­ge: Man­gel an indi­vi­du­el­ler För­de­rung an Schulen

An vie­len Schu­len herr­schen neben mas­si­vem Lehr­kräf­te­man­gel auch Wis­sens­lü­cken, die vie­le Schü­le­rin­nen und Schü­ler wegen pan­de­mie­be­ding­ter Schul­schlie­ßun­gen immer noch haben. Auch in der Regi­on Bam­berg mel­den vie­le Schu­len erhöh­ten Bedarf an indi­vi­du­el­ler För­de­rung für Kin­der und Jugendliche.

Damit die Kin­der und Jugend­li­chen ihre Wis­sens­lü­cken schnell auf­ar­bei­ten kön­nen, hal­ten 42 Pro­zent der Deut­schen den Ein­satz gut aus­ge­bil­de­ter Ehren­amt­li­cher an Schu­len für die bes­te Maß­nah­me. Die Ehren­amt­li­chen sol­len Schü­le­rin­nen und Schü­ler unter­richts­er­gän­zend ein­zeln För­de­rung zukom­men las­sen. Wie das Land­rats­amt Bam­berg mit­teilt, ergab das eine Online-Umfra­ge von You­Gov Deutsch­land für MENTOR – Die Leselern­hel­fer Bun­des­ver­band e.V. 2067 Per­so­nen wur­den dafür befragt.

Bei der Lese­för­de­rung hal­ten 27 Pro­zent der Befrag­ten mehr ehren­amt­li­chen Ein­satz an Schu­len für das bes­te Mit­tel. Die­se Maß­nah­me befür­wor­ten 29 Pro­zent der Befrag­ten im Wes­ten, 22 Pro­zent im Osten. 30 Pro­zent der Ost­deut­schen hal­ten mehr finan­zi­el­le Mit­tel für die Schu­len für den bes­ten Weg, um Lese­er­fol­ge zu erzielen.

Schon vor Coro­na konn­ten rund 20 Pro­zent der Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht rich­tig lesen. Der häu­fi­ge Wech­sel zwi­schen Distanz- und Prä­senz­un­ter­richt und zuletzt mas­si­ver Unter­richts­aus­fall haben die­se Situa­ti­on zusätz­lich verschärft.

Gefahr, kei­nen Schul­ab­schluss machen zu können

Dr. Chris­ti­an Lorenz ist Vor­stands­mit­glied von MENTOR. Er sagt über die Situa­ti­on im Land­kreis: „Die Nach­fra­ge der Schu­len an uns ist seit eini­ger Zeit Jahr stark gestie­gen. Wir könn­ten noch viel mehr ehren­amt­li­che Lese­men­to­rin­nen und Lese­men­to­ren an die Schu­len ver­mit­teln, damit sie dort Kin­der und Jugend­li­che unter­stüt­zen. Wir sehen, dass auch ein Jahr nach Öff­nung der Schu­len vie­le Schü­le­rin­nen und Schü­ler kei­ne oder zu wenig För­de­rung erhal­ten. Es besteht die Gefahr, dass sie kei­nen Schul­ab­schluss machen kön­nen und in ein Leben ohne Berufs­aus­bil­dung und ohne gesell­schaft­li­che Teil­ha­be abrutschen.“

Unter dem Dach des MEN­TOR-Bun­des­ver­bands unter­stüt­zen 13.000 Men­to­rin­nen und Men­to­ren deutsch­land­weit 16.600 Kin­der und Jugend­li­che. Das 1:1‑Förderprinzip von MENTOR sieht vor, dass eine Lese­men­to­rin oder ein Men­to­ren ein Kind in der Regel ein­mal in der Woche, min­des­tens ein Jahr lang unter­stützt. Um mehr Men­schen für das Ehren­amt als Lese­för­de­rer zu gewin­nen und um eine stär­ke­re Ein­bin­dung aller Les­e­initia­ti­ven in die Schu­len zu errei­chen, wünscht sich der Ver­band wei­te­re Unter­stüt­zung aus Poli­tik und Wirtschaft.