2017 brachte das Wildwuchstheater mit großem Erfolg „William Shakespeares Star Wars“ auf die Bühne. Nun steht die Inszenierung des zweiten Teils an
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Premiere am 26. April
Wildwuchstheater: Johann Wolfgang von Goethes Starr War’s
2017 brachte das Wildwuchstheater mit großem Erfolg „William Shakespeares Star Wars“ auf die Bühne. Nun steht die Inszenierung des zweiten Teils an – wenn auch nicht unter dem Originaltitel „Das Imperium schlägt zurück“. Vielmehr feiert am 26. April „Johann Wolfgang von Goethes Starr War’s – Faust des Imperiums oder der Tragödie fünfter Teil“ Premiere auf dem Metalluk-Gelände. Wir haben Regisseur Frederic Heisig zum Interview getroffen.
Frederic, warum lehnt ihr eure Inszenierung von „Das Imperium schlägt zurück“ an Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ an?
Frederic Heisig: Wir haben geforscht und in einem Brief von Goethes Vertrautem Eckermann festgestellt, dass Goethe parallel zum „Faust“ als Lebenswerk auch an einem Stück namens „Starr War’s“ geschrieben hat. Da konnten wir den Beitrag des deutschen Genies zur Materie unmöglich übergehen und haben keine Kosten und Mühen gescheut, diesen unbekannten Text aufzutreiben. Und es liegt nahe, dass die goethische Handschrift aus dem 18. Jahrhundert auch George Lucas als Vorlage für seine Filmsaga diente.
Was hat es mit dem Titel „Starr War’s“ auf sich?
Frederic Heisig: Es ist, glaube ich, einfach eine altertümliche Schreibweise. Damals war der Gebrauch von Anglizismen wahrscheinlich noch nicht so ausgeprägt.
Zuletzt habt ihr mit „1984“ ein eher politisch-ernstes Stück inszeniert, nun wendet ihr euch wieder einer Komödie zu. Handelt es sich um ein leichtes Frühsommerstück?
Frederic Heisig: „Starr War’s“ lag seit einiger Zeit auf Halde. Eigentlich wollten wir es schon während der Coronazeit inszenieren. Aber wegen der ganzen Beschränkungen und der Unsicherheit konnte ein so großes Ensemblestück, das außerdem einen größeren Aufführungs-Raum braucht, nicht realisiert werden. Darum haben wir „Starr war’s“ damals erstmal auf die Seite gelegt. Heute werden uns keine Beschränkungen mehr ein Bein stellen. Aber was das Politische angeht, bietet das Stück als Anti-Kriegsstück natürlich auch Anknüpfungspunkte. Das ist heute so aktuell wie zu Goethes Zeiten.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen „Faust“ und „Das Imperium schlägt zurück“?
Frederic Heisig: In der europäischen Kulturgeschichte haben sich Archetypen gebildet, die in sehr vielen Erzählungen immer wieder auftauchen und in abgewandelter Form verwendet werden. Beispiele wären der Held, der Mentor oder der Schurke. Diese Typen lassen sich bei Shakespeare genauso finden wie bei Goethes „Faust“ oder in „Star Wars“. Eine weitere Parallele zwischen den beiden Geschichten könnte man auch in Mephisto und der dunklen Seite der Macht beziehungsweise Darth Vader sehen. Und der Pakt, den Mephisto mit Faust schließt, hat seine Parallele in Luke Skywalker, der von der dunklen Seite verführt werden soll, um mit ihr zu paktieren.
Warum habt ihr für euren zweiten Ausflug ins „Star Wars“-Universum erneut einen der alten drei Teile und nicht einen der Teil aus den 2000er Jahren gewählt?
Frederic Heisig: Wir sind mit den alten Teilen aufgewachsen, wir haben sie lieben gelernt und kennen sie auswendig. Die alten drei Teile „Eine neue Hoffnung“, „Das Imperium schlägt zurück“ und die „Rückkehr der Jedi-Ritter“ finden wir auch einfach interessanter als die neuen sechs Teile. Aber was sage ich da, Goethe hat nun mal nur dieses eine „Starr War’s“-Stück geschrieben.
Das Publikum der neuen „Star Wars“-Filmen, also die sechs Teile, die ab 1999 entstanden, bestand zu Großteilen aus Leuten, die die ersten drei Filme, die ab 1977 in den Kinos waren, auch aus ihrer Kindheit oder Jugend kannten. Versteht heutiges Publikum eure Inszenierung des zweiten „Star Wars“-Teils aus dem Jahr 1980?
Frederic Heisig: Ja, es ist immer unser Anspruch, dass das Publikum unsere Stücke auch ohne die Referenzvorlage verstehen kann. Aber es macht natürlich ungleich mehr Spaß, wenn man sich in der Thematik auskennt und die alten Teile gesehen hat.
„Das Imperium schlägt zurück“ endet traurig – Han Solo wird nicht gerettet und Luke verstümmelt. Bleibt ihr der Vorlage dabei treu und entlasst das Publikum mit einem ähnlichen Gefühl aus der Vorstellung?
Frederic Heisig: Wir schreiben im Untertitel zwar „Der Tragödie fünfter Teil“. Aber in klassischer Wildwuchs-Manier wird es wohl eher ein tragikomisches Ende nehmen. Mehr sei hier aber noch nicht verraten.
Eure „Shakespeares Star Wars“-Inszenierung war technisch und personell aufwändig. Werdet ihr euch diese Mühe wieder machen?
Frederic Heisig: Ja, wir werden auch diesmal ein großes Ensemble und einen großen Bühnenaufbau haben. Wir bemühen uns, ein Spektakel zu veranstalten, das in Bamberg seines Gleichen sucht. Musik gibt es auch, nur eine Live-Band wie beim letzten Mal haben wir diesmal nicht, mangels einer entsprechenden Szene wie im ersten Teil mit der Cantina-Band. Wir planen aber auf jeden Fall einen wilden Weltraumritt.
Die Wildwuchs-Shakespeare-Inszenierung war zudem sehr erfolgreich. Die jetzige Inszenierung spielt ihr aber nur sechsmal. Wäre nicht mehr drin gewesen?
Frederic Heisig: Wir würden es gerne öfter spielen oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen, aber das wäre bei einem so großen Ensemble organisatorisch nicht machbar. Wir spielen das Stück allerdings bei Metalluk auf dem KONTAKT-Festival-Gelände, wo wir einen relativ großen Publikumsraum haben – es passen also zumindest einige Leute rein.
Aufführungen im Dezember: „Hänsel & Greta“, „Die Welt im Rücken“, DADA-Krippenspiel
Kim de l’Horizon, Tim Czerwonatis und Wildwuchstheater: Im Dezember bringt das ETA Hoffmann Theater unter anderem eine Wiederaufführung, ein Solostück und ein Monumentaltheaterwerk auf die Bühne.
Ab dem 6. Dezember zeigt das ETA Hoffmann Theater erneut Kim de l’Horizons „Hänsel & Greta & The Big Bad Witch“. Kim de l’Horizon, für den Roman „Blutbuch“ mit dem Deutschen und dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet, verhandelt Fragen der Zeit in einem Märchen-Remix. Mal gereimt, mal in einer Mischung aus Slang und Neuerfundendem machen sich Hänsel und Greta auf die Suche nach Verbündeten im Kampf ums Überleben der Welt. Regie führt Wilke Weermann. Weitere Aufführungs-Termine sind am 8., 9., 14. und die letzte Vorstellung am 17. Dezember.
„Die Welt im Rücken“ von Thomas Melle erzählt vom Umgang des Autors mit seiner bipolaren Störung, von persönlichen Dramen und langsamer Besserung. Das Buch stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2016 und hat Presse und Leserschaft gleichermaßen begeistert. Tim Czerwonatis hat auf Basis des Romans eine Stückfassung erarbeitet, die er am 15. Dezember im ETA Hoffmann Theater aufführt. Die einzige Rolle spielt Marek Egert.
Man könnte es als eine Art Mysterienspiel bezeichnen. Oder: Das DADA- Krippenspiel ist seit 1916 nicht nur das größte Monumentaltheaterwerk, sondern das größte und gewaltigste Theaterstück überhaupt, das jemals von der Theaterindustrie der ganzen Welt geschafften wurde – so das Bamberger Wildwuchstheater in der eigenen Beschreibung seines Weihnachtsstückes. In der Reihe „ETA OFF“ gastiert das Wildwuchs mit dem Stück am 19. Dezember im ETA Hoffmann Theater.
Ein Titanenwerk, aber als Komödie
Wildwuchstheater “Pandora. Ausgebüchst”
Das Wildwuchstheater goes griechische Mythologie: Für die Abschlussinszenierung der Spielzeit 2020/2021 widmet sich das Ensemble mit der Eigenkreation “Pandora. Ausgebüchst” den Legenden von Pandora und Prometheus. Unter freiem Himmel, auf dem Gelände der Eisengießerei Müller, ist am 29. Juli Premiere. Theatrale Verarbeitung von Pandemie-Frust ist dabei aber nicht geplant – eine komödiantische Annäherung an die Thematik soll die Spielzeit beenden.
In den Mythen von Prometheus und Pandora geht es, kurz gesagt, um den Titanen Prometheus, der den Göttern das Feuer stiehlt, um es den Menschen zu überreichen, und um Pandora, die als Teil der göttlichen Rachestrategie für den Diebstahl erschaffen und mit einer Büchse ausgestattet wird, die sämtliches Übel der Welt enthält. An dieser Ausgangslage orientiert sich das Wildwuchstheater für “Pandora. Ausgebüchst”. Die Regie hat Frederic Heisig übernommen. Ihn und Wildwuchs-Vorstandskollegen Sebastian Stahl haben wir zum Interview getroffen.
Wie geht es dem Wildwuchstheater?
Frederic Heisig: Ambivalent. Auf der einen Seite freuen wir uns, dass es wieder losgeht, dass wir wieder proben und planen und auftreten und wieder Publikum sehen können. Auf der anderen Seite ist es organisatorisch gerade schwierig. Wir spielen ja in der Eisengießerei Müller und da gibt es nicht gerade Theaterinfrastruktur. Was wir zum Beispiel nicht auf dem Schirm hatten, ist, wie schwer es ist, zur Zeit Toilettenwagen zu organisieren. Weil alle Welt Veranstaltungen im Freien plant, sind die Wagen vergriffen. Hinzu kommen steigende Inzidenzen und die Delta-Variante, die uns ein bisschen Sorgen macht. Nicht, dass das Ordnungsamt doch nochmal vorbeikommt und sagt, wir müssen unser Hygienekonzept anpassen.
Wie hat sich das Wildwuchstheater in den letzten eineinhalb Jahren verändert?
Frederic Heisig: (lacht) Es ist immer noch ein durch das Triumverat dreier alter Männer autokratisch geführtes Regime. Aber nächsten Jahr haben wir Vorstandswahlen – da kann sich das alles ändern. Allerdings ist die Leitung von so einem Theater ein Moloch. Ich habe nicht den Eindruck, dass es viele Leute gibt, die uns den Job abnehmen möchten.
Habt ihr während der Pandemie Mitglieder verloren?
Sebastian Stahl: Das Theater ist in den letzten eineinhalb Jahren natürlich insgesamt ein wenig eingeschlafen gewesen, weil wir wenig machen konnten. Und auch wenn es beim Wildwuchstheater generell oft ein Kommen und Gehen unter den Ensemblemitgliedern gibt, von denen viele auch in anderen Theatergruppen mitwirken, haben wir keine Mitglieder verloren. Der Kern ist schon geblieben und es kommt erst jetzt wieder alles ins Rollen.
Frederic Heisig: Was zurzeit aber auffält, ist ein Projektstau, der gerade herrscht. Wir haben ja personelle Überschneidungen mit dem ArtEast-Theater. Manchmal müssen sich die Leute also zwischen der Teilnahme an Projekten des einen oder des anderen Theaters entscheiden.
Geht ihr nach wie vor mit der gleichen Überzeugung ans Theatermachen oder seid ihr aufgrund der Pandemie vorsichtiger geworden, weil die Kultur jederzeit wieder stillgelegt werden könnte?
Sebastian Stahl: Wir sind davon überzeugt, was wir machen, und wir machen so weiter, wie wir es bisher gemacht haben. Wir hatten immer wieder massentaugliche Projekte, die darauf angelegt waren, mehr Publikum anzuziehen. Aber eigentlich probieren wir auch in Zukunft, unseren Stiefel durchzuziehen und wollen keine Abstriche machen, um gesellschaftskonformer zu werden. Wir machen, worauf wir Bock haben.
Frederic Heisig: Wir waren in Bamberg vorher schon Grenzgänger des Theatermachens – auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Und es war uns schon immer klar, welchen niedrigen Stellenwert eine gewisse Art von Kultur, auch hier in Bamberg, hat. Wir würden uns einfach freuen, wenn die Leute in der abstinenten Zeit einen Kulturhunger entwickelt haben.
“Pandora. Ausgebüchst” stellt den Abschluss der Spielzeit 2020/2021 dar. Welches Fazit zieht ihr aus dem vergangenen Theaterjahr?
Frederic Heisig: Es war nicht alles schlecht. Ich bin froh, dass wir vom Theater nicht finanziell abhängen, egal, wie die Situation gerade ist. Wir hoffen, dass die Umstände für Kultur irgendwann wieder besser werden. Ich sehe uns nämlich nicht als Theater, das sich an Internet-Formaten abarbeitet.
Wieso habt ihr als Saisonabschluss “Pandora. Ausgebüchst.” gewählt?
Sebastian Stahl: Wir wollten für den Sommer ein Stück auf die Bühne bringen. Dass wir etwas zum Mythos von Prometheus und Pandora machen wollen – mit eigenem Text, denn es gibt ja keine Vorlage –, hat sich erst in Diskussionen und Ideenentwicklung in den letzten Monaten entwickelt.
Frederic Heisig: Wir wollten aus dem Titanenwerk eine Komödie machen.
Ist es eine geworden?
Frederic Heisig: (lacht) Das wird sich zeigen! Ich würde sagen, es ist eine Wildwuchs-Komödie. Wir wollten nicht irgendwelchen Dampf oder Frust ablassen oder Negatives verarbeiten. Wir wollen etwas Druckvolles, bei dem wir ästhetisch Dinge ausprobieren können und bei dem man auch lachen kann. Damit das Ganze aber nicht völlig in der Luft hängt, haben wir uns überlegt, es mit dem Mythos von Prometheus zu unterfüttern – Prometheus als Bringer der Kultur und des Fortschritts. Das Stück sollte als Abschluss der einen Saison und als Übergang zur nächsten passen.
Was bedeutet “druckvoll” in diesem Zusammenhang?
Frederic Heisig: Theater hat immer einen Ereignischarakter. Als ein bisschen Theoriegewichse sei der französische Philosoph Alan Badiou genannt, der ein Ereignis als etwas definiert, das bestehende, wie auch immer geartete Verhältnisse grundlegend verändern kann, als kleines revolutionäres Moment. Theater hat durch seine Liveness und durch die Einmaligkeit jeder Aufführung eine Tendenz zu einem solchen Ereignis. Nicht die Handlung steht dabei im Vordergrund, sondern ein gemeinsames Gefühl, das zwischen Bühne und Publikum entsteht. Das ist zentral in unserem Stück, wir versuchen, damit ein Ereignis zu schaffen, das in dem Moment der Aufführung im Publikum etwas verändert. Und im Idealfall die Welt. (lacht)
Nehmt ihr euch darin der Corona-Thematik an?
Sebastian Stahl: Nein, wir nehmen bewusst Abstand von diesem Fingergezeige “Wir sind von der Pandemie befreit und machen wieder Kultur”. Wir wollen den Leuten etwas Lustiges bieten, etwas, das erfreut und einen versöhnlichen Charakter hat.
Ihr spielt das Stück in der Eisengießerei Müller. Wie kam diese Kooperation zustande?
Sebastian Stahl: Passt doch gut zur Thematik – Prometheus, Feuer, Stahl. Unser Ensemblemitglied Kristina Greif war dort auf der Suche nach einer Feuertonne und hat mit dem Betreiber über die Möglichkeit einer Kulturveranstaltung auf seinem Gelände gesprochen. Kann man machen, hat er gesagt. Das war’s.
Frederic Heisig: Ich bin eigentlich nicht der größte Fan von Open-Air-Theater. Man ist zu sehr abhängig vom Wetter und der Dämmerung. Außerdem verteilt sich die Präsenz und die Energie von der Bühne ganz anders. Aber aufgrund der aktuellen Lage ist es die bestmögliche Art, Theater zu machen, sowohl von der Genehmigung als auch von der Verantwortung gegenüber dem Publikum. Aber die Eisengießerei Müller ist mit ihrer Atmosphäre eines verlassenen Ortes, eines “Lost Place” wie man heute so sagt, ein so spannender Ort, dass es wert ist, es zu versuchen. Wir versuchen auch so wenig wie möglich Theaterbauten aufzustellen, sondern wollen den Ort so gut es geht nutzen. Das Ambiente mit seinen alten rumstehenden Metallsachen ist Teil des Konzepts. Wir versuchen ein homogenes Gebilde daraus zu erschaffen.
Auf den vorab veröffentlichten Probenfotos ist eine Katze zu sehen. Wird sie eine Rolle in dem Stück übernehmen?
Sebastian Stahl: Diese Katze lebt auf dem Gelände der Gießerei. Machmal ist sie da und verfolgt die Proben, manchmal nicht. Als wir die Fotos gemacht haben, war sie da und wir haben sie schnell eingebunden. Mal schauen, ob sie bei der Premiere anwesend sein wird. Und wenn die Leute danach sagen, dass es ein tolles Stück war, weil eine Katze vorkam – dann soll es so sein.
Wildwuchstheater
“Pandora. Ausgebüchst”
29. Juli, 20 Uhr
Eisengießerei Müller, Hallstadter Straße 44
Weitere Informationen unter: