Das TaM – Theater am Michelsberg beginnt seine letzte Spielzeit. Im Februar endet seine Residenz in der Klosteranlage nach 20 Jahren. Im Interview sprechen wir mit Johanna Wagner-Zangl und Klaus Karl-Kraus über das Ende.
60 Plätze hat das Theater am Michelsberg – seit 2004 ist es in einem Nebengebäude der ehemaligen Klosteranlage St. Michael beheimatet. Nun haben die Verantwortlichen allerdings das Ende des Theaters in dieser Form und an diesem Ort bekanntgegeben. Die Spielzeit 2024/2025 soll die letzte sein.
Zum Abschluss steht ein Best-of vorheriger Produktionen auf dem Programm – „Denn das Glück ist immer da“, „Shirley Valentine 2.0 – Die Heilige Johanna der Einbauküche“, „Und immer lockt das Erbe“ oder „Damenabend“ – und mit der Wiederaufnahme von „Kuni und Kunigunde“ steuert das TaM auch einen Beitrag zum Heinrichsjahr bei. Zum letzten Mal wird dann am 22. Februar 2025 bei „Scho schee – Steno, Laptop, Klapse“ der Bühnenvorhang hoch- und dann fürs Erste runtergehen.
Mit Intendantin Johanna Wagner-Zangl (hier im Stadtecho-Fragebogen) und Schauspieler, Kabarettist und Hausautor Klaus Karl-Kraus haben wir über die Entscheidung aufzuhören und die finale Spielzeit gesprochen.
Frau Wagner-Zangl, Herr Karl-Kraus, warum haben Sie sich entschlossen, mit dem Theater am Michelsberg aufzuhören?
Wagner-Zangl: Gedanken daran, wie lange wir noch weitermachen, hatten wir seit der Corona-Pandemie. Außerdem hatten wir immer noch mit den Nachwirkungen der Einschränkungen zu kämpfen. Hinzu kommt, dass unser Mietvertrag Ende dieses Jahres ausläuft. Eine Verlängerung hätte eine höhere Miete und weitere fünf Jahre Laufzeit bedeutet. Ich bin aber schon 67. Also kam der Gedanke ans Aufhören immer stärker hervor und die Entscheidung fiel in der ersten Jahreshälfte 2024.
Karl-Kraus: Wir hatten aber auch immer eine Unbeständigkeit des Publikums. Wir konnten selten planen, wie viel Auslastung wir haben würden. Am Anfang der Woche hat man zum Beispiel fünf Reservierungen, aber am Wochenende taucht niemand auf oder es stehen spontan 20 unangemeldete Leute vor der Tür.
Aber hat man sich nach 20 Jahren im Geschäft nicht so etwas wie ein Stammpublikum erspielt?
Karl-Kraus: Corona hat da viel zerschossen. Außerdem haben wir zwei große Publikumsblocks. Einmal Touristen, auf die wir immer sehr angewiesen waren, die während Corona aber natürlich ausblieben. Und einmal der Franke. Dieser scheint aber viele Jahre zu brauchen, um überhaupt zu kapieren, dass es hier ein Theater gibt. Wie oft wurde uns von Leuten, die ewig nicht hier waren, gesagt, dass sie jetzt, wo wir bekannt gegeben haben aufzuhören, doch nochmal vorbeikommen wollen. Unsere Besucherzahlen gehen seitdem rauf.
Will man da nicht doch noch einmal um den Erhalt des Theaters kämpfen, das Publikumspotenzial ist offenbar da?
Karl-Kraus: Nein, da bin ich wie Johanna. Ich habe Energie und spüre die Freude auf die letzte Spielzeit. Aber die Entscheidung steht.
Mit welchen weiteren Gefühlen gehen Sie in die letzte Saison: Erleichterung oder Traurigkeit?
Wagner-Zangl: Ich habe zwei erwachsene Kinder, die irgendwann das Haus verlassen haben. Da muss man loslassen können. Und ich denke, darin bin ich ganz gut. Ich kann das eine vom anderen trennen und wenn ich losgelassen habe, habe ich losgelassen. Sollte die Traurigkeit aber doch noch kommen, dann, wenn es schon längst vorbei ist. Das könnte nächstes Jahr so weit sein.
Karl-Kraus: Die Entscheidung selbst war ein Stück weit aber schon eine Befreiung. Seit Corona hatten wir hier ein Hin und Her. Aber ein bisschen wehmütig bin ich dabei auch. Zum Beispiel letztes Wochenende war ich hier während einer Vorstellung. Ich komme rein und rieche, denn ich bin sehr olfaktorisch unterwegs, das Theater, sehe die Einrichtung und die Requisiten. Wenn ich nur davon rede, läuft mir ein Schauer den Rücken runter. Es ist ein Stück Leben, das wir hier haben. Hier ist viel, viel, viel passiert und das wird fehlen. Es gibt nicht umsonst den Spruch: „Im TaM iss fast so schee wie dahaam“. Auf der anderen Seite freuen wir uns wahnsinnig auf den Schlussspurt der letzten Spielzeit. Nach dem letzten Stück und der letzten Aufführung gibt es eine Party und wir zerlegen den Raum.
Was trieb Sie all die Jahre an?
Beide: Die Leidenschaft!
Karl-Kraus: Wie oft sind wir vor Vorstellungen hier raufgefahren und haben nur an das Stück gedacht, das wir gleich spielen werden. Wie wir es machen, wie wir es entstehen lassen, wie wir es spielen. Große oder kleine Zuschauerzahlen, das hat uns nicht so sehr interessiert – nur das Theater selbst.
Seit 2004 sind Sie am Michelsberg, ab 2007 unter dem Namen Theater am Michelsberg. Was waren Höhepunkte aus diesen Jahren?
Wagner-Zangl: Es gab einige unglaublich schöne Aufführungen. Aber einer der Höhepunkte war: Klaus hatte sonntags eine Zeitlang so eine Art kabarettistischen Frühschoppen. Eine Reihe, bei der immer etwa zehn oder 15 Leute da waren. Aber an einem Samstag davor rief mich einmal eine verzweifelte Organisatorin aus Coburg an, die schnell eine Veranstaltung für 120 Rentner brauchte. Also fragte ich Klaus, ob es ihn stört, wenn die Leute auch bei ihm auf der Bühne sitzen – sonst hätten wir so viele nicht untergebracht.
Karl-Kraus: Das war ein Erlebnis – köstlich. Beim Theater muss man schwitzen, auch das Publikum, und an dem Sonntag hat es gebrodelt. Aber solche Aufführungen gab es einige – und was wir einen Spaß dabei hatten. Wir haben selbst eigentlich mehr Spaß gehabt als das Publikum. Doch wenn die Leute auf der Bühne begeistert sind, geht die Begeisterung aufs Publikum über. Und wenn in unserem kleinen Raum Begeisterung herrscht, wenn die Leute hier ausrasten – da will ich in keinem Theater mit 1000 Plätzen spielen.
Was waren Tiefpunkte?
Karl-Kraus: Wir haben ein Stück über Corona geschrieben, das wir aber nur zweimal gespielt haben. Es ist schon viel Arbeit, ein Stück zu schreiben, und zusätzlich haben wir noch monatelang geprobt. Dann kam aber ein weiterer Lockdown und danach wollte kein Mensch mehr ein Coronastück sehen.
Wie verabschieden Sie sich vom Publikum? Werden Sie Anspielungen auf das bevorstehende Ende in die Inszenierungen der letzten Spielzeit einbauen oder werden Sie kommentarlos inszenieren?
Wagner-Zangl: Ich sage seit neuestem zum Ende jeder Inszenierung, dass wir aufhören und wer uns nochmal sehen will, dazu am Michelsberg noch bis Ende Februar die Chance hat. Denn dann werden wir nur noch mobil sein.
Karl-Kraus: Ich selbst werde am 8. Dezember meinen letzten Kabarett-Auftritt am TaM haben mit meinem Soloprogramm „KKK sagt adela“. Den Inhalt werde ich auf unser Theater zuschneiden. Denn ich finde es wichtig, gescheit Abschied zu nehmen. Und vielleicht machen wir bei der dann letzten Vorstellung von „Scho Schee“ im Februar zur Überraschung der beiden Darstellerinnen, Johanna und Gisela, auch noch etwas Besonderes.
Sie haben bereits angekündigt, als mobiles Theater weiterzumachen. Was hat es damit auf sich?
Wagner-Zangl: Wir wissen noch nicht, wie genau das aussehen wird, aber ja, so machen wir weiter. Dafür fragen wir bei anderen Bühnen, Gemeinden und Vereinen an, ob wir auftreten können, oder wir stehen auf Abruf bereit. Dann mieten wir uns mit diesen Auftritten irgendwo ein und spielen eineinhalb Stunden. Auch unsere Angebote für Kinder, wie mit Theaterworkshops oder Ferienprogramm, behalten wir bei.
Ab November zeigen Sie Ihren Beitrag zum Heinrichsjahr „Kuni und Kunigunde“. Um was geht es?
Wagner-Zangl: Das ist ein Streifzug durch Bamberg und seine Geschichte. Von Klaus geschrieben und akribisch recherchiert.
Karl-Kraus: Auf der Bühne werden die Kaiserin und die Marktfrau Humsera zu sehen sein. Es geht so los, dass die Marktfrau am Podest der Kunigundenstatue auf der Unteren Brücke hockt. Plötzlich wird die Statue der Kunigunde lebendig und zusammen machen sich die beiden auf den Weg durch Bamberg. Dabei gehen diese unterschiedlichen Frauen alle möglichen Bamberger und persönlichen Themen an.
Frau Wagner-Zangl, sie spielen Kunigunde. Wie nähert man sich der Kaiserin schauspielerisch?
Wagner-Zangl: Ich komme über das Kostüm und schon ist sie da. Auch habe ich versucht, mich von diesem majestätischen Gehabe her immer mehr, das ist die Pointe des Stücks, der Marktfrau anzunähern. Am Ende steht die Humsera auf dem Podest und die Kaiserin spricht Dialekt und sagt „Hogg di gscheit hi“. An einer anderen Stelle rappe ich auch ein bisschen. Wie dem auch sei, mein Ziel mit meinen Rollen ist es immer, authentisch zu spielen.
Warum lag der Fokus beim Theater am Michelsberg meist auf Komödien?
Wagner-Zangl: Es ist bei uns die leichtere Kost, das stimmt, und klassische, dramatische Stoffe haben wir nicht. Angedacht hatten wir es schon ein paar Mal, dramatischere Stücke zu spielen, aber das haben wir immer wieder fallengelassen. Diese Stoffe bringen die Theater unten in der Stadt auf die Bühne und das ist gut. Bei uns laufen sie aber nicht. Zu uns kommen die Leute eher und sagen: Ich will einen schönen, leichten Theaterabend erleben.
Karl-Kraus: Aber wenn ich mir „Kuni und Kunigunde“ anschaue: Dieses Stück kann man nicht so richtig als Komödie bezeichnen. Es kommt vielleicht als Komödie daher, ist aber auf keinen Fall seicht und hat einige ernste Momente.
Am 22. Februar steht dann mit „Scho Schee – Schee war’s“ die letzte Vorstellung an. Wieso haben Sie dieses Stück zum Abschluss gewählt?
Karl-Kraus: In diesem Stück wird sehr deutlich das Aufeinanderprallen der neuen, digitalen mit der analogen Welt aufgezeigt – anhand von Bürokommunikation. Dieses Stück ist ein wenig autobiografisch. Ich habe lange in einer Bank gearbeitet und dabei den Wandel der Bürokommunikation miterlebt. Ich war zum Beispiel dabei, wie Tippex verschwand.
Was wird ohne Sie in der Stadt fehlen?
Karl-Kraus: Ich glaube, denen, die Theater mögen, wird das Herz bluten. Die Leute, die aus unseren Aufführungen kommen – nach den Vorstellungen stehe ich manchmal am Ausgang – sagen oft Dinge wie: Wir wohnen hier nicht, aber wenn, würden wir immer herkommen. Die Leute, die mal da waren, sind also in gewisser Weise angefixt. Nur der Franke – wenn er denn mal da ist – braucht komischerweise eine gewisse Zeit, um warmzuwerden. Erst wenn man aufhört, kommen sie.
Wagner-Zangl: Ich denke schon, dass den Leuten diese Großfamilie des Theaters am Michelsberg fehlen wird. Und diese Verbundenheit mit dem Publikum wird mir auch fehlen. Wenn wir dann mobil unterwegs sind, wird es auch gut sein – aber anders. Hier oben, das ist unser Wohnzimmer gewesen die letzten 20 Jahre.