Das Theater im Gärtnerviertel wird 2023 zehn Jahre alt. Relativ gut ist es durch die Coronakrise gekommen und weiß die dauerangespannte finanzielle Lage immer wieder zu meistern. Zum Jubiläum und zum Saisonbeginn im Oktober hat sich Nina Lorenz, die künstlerische Leiterin des TiG, nun einen persönlichen Wunsch erfüllt und bringt das Musical „Der kleine Horrorladen“ auf die Bühne.
Standing Ovations an einem Sommerabend in der Gärtnerei Hohe bei der letzten Vorstellung vor der Sommerpause im August: Die Aufführung und Interpretation des Theaterstücks „Cyrano de Bergerac“ das Theaters im Gärtnerviertel löste Begeisterung aus und animierte das Publikum zum Mitfiebern, Staunen und teilweise sogar zum Mitsingen.
Es ist eben kein Laientheater, das da am Werke war, sondern ein Profibetrieb mit ausgebildeten SchauspielerInnen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Theaters ist dabei sein Konzept der unterschiedlichen Spielorte: Ob bei Betten Friedrich, verschiedenen Gärtnereien in und um die Nürnberger Straße oder der Handwerkskammer. „Die unterschiedlichen Räume sind unsere Inspiration. Entweder suchen wir den Raum nach dem jeweiligen Stück aus oder wir schauen uns umgekehrt einen Ort an und überlegen, welches Stück da hineinpasst“, sagt Regisseurin Nina Lorenz.
Zusammen mit ihrem Mann, Werner Lorenz, und dem Sprecher und Schauspieler Stephan Bach kam sie im Herbst 2013 auf die Idee der Theatergründung. „Die Initialzündung kam während des Besuchs der Veranstaltung Lichthöfe in der Bamberger Innenstadt um die Königstraße herum. „Die beleuchteten Innenhöfe regten unsere Phantasie an, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen“, sagt Stephan Bach. Ein knappes halbes Jahr später wurde der Verein „Theater im Gärtnerviertel“ gegründet. „Wir kamen alle aus verschiedenen Projekten und hatten viel Berufserfahrung gesammelt. Und Bamberg war mit seiner kulturellen Vielfalt einfach prädestiniert, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, bei dem wir selbstbestimmt arbeiten und entwickeln können. Das war und ist unser Ziel.“
Theater auf Tuchfühlung
Eine weitere Absicht der TiG-Gründer war es, das Theater zu den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern Bambergs, zu bringen, an Orten, die sie sonst nicht sehen oder höchstens als Ladenraum oder Lagerhalle kennen. „Das Gute dabei ist auch“, sagt Nina Lorenz, „dass wir mietfrei spielen können und gleichzeitig auch Werbung für die Läden oder die Orte machen, an denen unsere Stücke spielen. Und wir können auf Tuchfüllung mit dem Publikum gehen. Denn nach den Vorführungen stehen wir am Ausgang, verabschieden uns von den Leuten und erfahren dabei Resonanz zum gerade erlebten Stück.“ Ein Theater mit Bodenhaftung und dem Novum, mittels wechselnder Spielorte neue Perspektiven auf dieselben zu schaffen, lautet die Devise.
Die Premiere des TiG bildete das Stück „Dreier“ im Bettenhaus Friedrich, das in einem Bett spielt. „Das TiG war von Anfang an eine Erfolgsstory und von Anfang an ausverkauft“, sagen Nina Lorenz und Stephan Bach. „Ich persönlich war überrascht von den BambergerInnen, wie offen und hilfsbereit und warmherzig sie uns von Anfang an begegnet sind. Es gab nie Skepsis. Selbst zu Corona-Zeiten kam nie der Gedanke an Aufhören.“
Acht Mitglieder hatte das TiG-Ensemble am Anfang, mittlerweile sind es 20 SchauspielerInnen, MusikerInnen und BühnenbauerInnen. Proben und Kulissenbau finden in der Dr.-von-Schmitt-Straße in den Räumen eines ehemaligen Autoteile-Händlers statt. Die Verwaltungsräume sind in der Josephstraße.
Und damit sind wir beim Thema Finanzen. „Es ist immer schwierig“, sagt Nina Lorenz. Und Stephan Bach fügt an: „Die jährliche institutionelle Förderung in Höhe von 5.500 Euro ist marginal. Das muss einfach mehr sein beziehungsweise der Etat für Kulturschaffende der Stadt muss anders aufgeteilt werden.“
Des Weiteren stellt das TiG Unterstützungsanträge bei Stiftungen und hat auch Zuwendung durch den etwa 200 Mitglieder zählenden TiG-Freunde-Verein. „Den Großteil unserer Finanzen machen die Einnahmen aus“, sagt Nina Lorenz. „Aber mit den Finanzen ist und bleibt es immer eine Gratwanderung.“ Dabei sei das TiG längst etabliert und anerkannt in der Stadt. „Wir haben einen Spielplan mit sechs bis acht Aufführungen pro Spielzeit und erreichen während einer Saison bis zu 10.000 BesucherInnen.“
Pandemie-Schock
Die Pandemie war für das Theater aber trotzdem ein Schock. „Zwar gab es finanzielle Überbrückungshilfen von Land und Bund, aber wir haben uns schnell Gedanken darüber gemacht, wie wir zeigen können, dass es uns immer noch gibt und dass wir fürs Publikum weiterhin da sind“, sagt Nina Lorenz.
So entwickelte das TiG den Audio-Weg „Orte-Worte“, einen Städterundgang als MP3-Download mit Stopps an bestimmten Orten der Stadt, an dem Geschichten und Literatur zu Gehör kommen oder ein Musikstück abgespielt wird. Oder – da die damals geplante Aufführung der „Dreigroschenoper“ während der Pandemie ausfallen musste – die Dreigroschen-Happen mit online anschaubaren Szenen aus dem Stück.
Nach Ende der Beschränkungen dauerte es aber trotzdem lange, bis sich das Publikum zurück in die Vorstellungsräume wagte. Auch die nachfolgenden Krisen wie der russische Angriffskrieg oder der Anstieg der Energiekosten sind und waren nicht einfach für das Theater im Gärtnerviertel.
Die Mischung macht´s
Aber auch im zehnten Jahr des Bestehens des Theaters muss die Show weitergehen. Dabei ist nach wie vor eine gewisse Mischung bei der Auswahl der Stücke des Spielplans wichtig. In erster Linie stehen Klassiker und leichte, bekannte Werke auf dem Programm. „Die Leute wollen in schwierigen Zeiten nichts allzu Ernstes und weniger Experimentelles auf den Bühnen sehen“, sagt Nina Lorenz. „Und da wir uns selbst finanzieren, sollen die bekannten Titel die Besucherinnen und Besucher anlocken“, sagt Nina Lorenz. Das heißt aber nicht, dass man sich beim TiG dem Experimentellen oder Abgründigen ganz und gar verschließt. So führte das Theater zum Beispiel 2019 die Endzeitgeschichte „Dosenfleisch“ auf, oder 2022 eine Adaption des Stephen King-Thrillers „Mysery“. Und beide Stücke haben nach den Worten Stephan Bachs keine bösen, sondern wohlwollende und konstruktive Diskussionen bei Kritikern und Publikum ausgelöst.
Mit „Der kleine Horrorladen“ geht es in der Spielzeit 2023 //2024 nun ähnlich weiter. Mit der Horrorsatire um eine riesige sprechende und vor allem fleischfressende Pflanze steht zum ersten Mal ein Musical auf dem Spielplan des TiG. „Schon lange reizt es mich“, sagt Nina Lorenz, „ein Musical zu inszenieren und zum Auftakt unseres zehnjährigen Jubiläums war die passende Gelegenheit dazu.
„Der kleine Horrorladen“ ist eine gelungene Mischung aus Schauspiel, Gesang, Tanz und Musik und deshalb sehr geeignet für ein Schauspielensemble, das über sehr gute Sänger*innen verfügt, wie es in unserem Ensemble der Fall ist. Und zusätzlich haben wir eine hervorragenden Live-Band unter der musikalischen Leitung von Konrad Buschhüter und Sebastian Strempel in Kooperation mit der Städtischen Musikschule.“
Zudem hat die Thematik aktuelle Anklänge. „Eine Pflanze, die die Weltherrschaft übernehmen will und alles dafür tut, um diesen Plan umzusetzen – ihr erstes Ziel ist, sich die Menschen untertan zu machen. Dies gelingt ihr, indem sie denjenigen, der sie pflegt, süchtig macht nach Reichtum, Berühmtheit, Aufmerksamkeit und öffentlicher Wahrnehmung. Die Pflanze macht die menschliche Gier nach immer mehr, egal was dabei alles zerstört wird, deutlich sichtbar und zeigt die Egoismen und das Gewinnstreben auf, die unsere Umwelt zerstören.“