Neue Spiel­zeit

10 Jah­re Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel: Thea­ter mit Bodenhaftung

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im Gärtnerviertel
Szene aus „Cyrano de Bergerac“, von links: Martin Habermeyer, Benjamin Bochmann, Laura Mann, Foto: Werner Lorenz
Das Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel wird 2023 zehn Jah­re alt. Rela­tiv gut ist es durch die Coro­na­kri­se gekom­men und weiß die dau­er­an­ge­spann­te finan­zi­el­le Lage immer wie­der zu meis­tern. Zum Jubi­lä­um und zum Sai­son­be­ginn im Okto­ber hat sich Nina Lorenz, die künst­le­ri­sche Lei­te­rin des TiG, nun einen per­sön­li­chen Wunsch erfüllt und bringt das Musi­cal „Der klei­ne Hor­ror­la­den“ auf die Bühne.

Stan­ding Ova­tions an einem Som­mer­abend in der Gärt­ne­rei Hohe bei der letz­ten Vor­stel­lung vor der Som­mer­pau­se im August: Die Auf­füh­rung und Inter­pre­ta­ti­on des Thea­ter­stücks „Cyra­no de Ber­ge­rac“ das Thea­ters im Gärt­ner­vier­tel lös­te Begeis­te­rung aus und ani­mier­te das Publi­kum zum Mit­fie­bern, Stau­nen und teil­wei­se sogar zum Mitsingen.

Es ist eben kein Lai­en­thea­ter, das da am Wer­ke war, son­dern ein Pro­fi­be­trieb mit aus­ge­bil­de­ten Schau­spie­le­rIn­nen. Ein Allein­stel­lungs­merk­mal des Thea­ters ist dabei sein Kon­zept der unter­schied­li­chen Spiel­or­te: Ob bei Bet­ten Fried­rich, ver­schie­de­nen Gärt­ne­rei­en in und um die Nürn­ber­ger Stra­ße oder der Hand­werks­kam­mer. „Die unter­schied­li­chen Räu­me sind unse­re Inspi­ra­ti­on. Ent­we­der suchen wir den Raum nach dem jewei­li­gen Stück aus oder wir schau­en uns umge­kehrt einen Ort an und über­le­gen, wel­ches Stück da hin­ein­passt“, sagt Regis­seu­rin Nina Lorenz.

Zusam­men mit ihrem Mann, Wer­ner Lorenz, und dem Spre­cher und Schau­spie­ler Ste­phan Bach kam sie im Herbst 2013 auf die Idee der Thea­ter­grün­dung. „Die Initi­al­zün­dung kam wäh­rend des Besuchs der Ver­an­stal­tung Licht­hö­fe in der Bam­ber­ger Innen­stadt um die König­stra­ße her­um. „Die beleuch­te­ten Innen­hö­fe reg­ten unse­re Phan­ta­sie an, etwas Eige­nes auf die Bei­ne zu stel­len“, sagt Ste­phan Bach. Ein knap­pes hal­bes Jahr spä­ter wur­de der Ver­ein „Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel“ gegrün­det. „Wir kamen alle aus ver­schie­de­nen Pro­jek­ten und hat­ten viel Berufs­er­fah­rung gesam­melt. Und Bam­berg war mit sei­ner kul­tu­rel­len Viel­falt ein­fach prä­de­sti­niert, etwas Eige­nes auf die Bei­ne zu stel­len, bei dem wir selbst­be­stimmt arbei­ten und ent­wi­ckeln kön­nen. Das war und ist unser Ziel.“

Thea­ter auf Tuchfühlung

Eine wei­te­re Absicht der TiG-Grün­der war es, das Thea­ter zu den Men­schen, den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern Bam­bergs, zu brin­gen, an Orten, die sie sonst nicht sehen oder höchs­tens als Laden­raum oder Lager­hal­le ken­nen. „Das Gute dabei ist auch“, sagt Nina Lorenz, „dass wir miet­frei spie­len kön­nen und gleich­zei­tig auch Wer­bung für die Läden oder die Orte machen, an denen unse­re Stü­cke spie­len. Und wir kön­nen auf Tuch­fül­lung mit dem Publi­kum gehen. Denn nach den Vor­füh­run­gen ste­hen wir am Aus­gang, ver­ab­schie­den uns von den Leu­ten und erfah­ren dabei Reso­nanz zum gera­de erleb­ten Stück.“ Ein Thea­ter mit Boden­haf­tung und dem Novum, mit­tels wech­seln­der Spiel­or­te neue Per­spek­ti­ven auf die­sel­ben zu schaf­fen, lau­tet die Devise.

im Gärtnerviertel
Nina Lorenz und Ste­phan Bach, Foto: Karo­li­ne Rübsam

Die Pre­mie­re des TiG bil­de­te das Stück „Drei­er“ im Bet­ten­haus Fried­rich, das in einem Bett spielt. „Das TiG war von Anfang an eine Erfolgs­sto­ry und von Anfang an aus­ver­kauft“, sagen Nina Lorenz und Ste­phan Bach. „Ich per­sön­lich war über­rascht von den Bam­ber­ge­rIn­nen, wie offen und hilfs­be­reit und warm­her­zig sie uns von Anfang an begeg­net sind. Es gab nie Skep­sis. Selbst zu Coro­na-Zei­ten kam nie der Gedan­ke an Aufhören.“

Acht Mit­glie­der hat­te das TiG-Ensem­ble am Anfang, mitt­ler­wei­le sind es 20 Schau­spie­le­rIn­nen, Musi­ke­rIn­nen und Büh­nen­baue­rIn­nen. Pro­ben und Kulis­sen­bau fin­den in der Dr.-von-Schmitt-Straße in den Räu­men eines ehe­ma­li­gen Auto­tei­le-Händ­lers statt. Die Ver­wal­tungs­räu­me sind in der Josephstraße.

Und damit sind wir beim The­ma Finan­zen. „Es ist immer schwie­rig“, sagt Nina Lorenz. Und Ste­phan Bach fügt an: „Die jähr­li­che insti­tu­tio­nel­le För­de­rung in Höhe von 5.500 Euro ist mar­gi­nal. Das muss ein­fach mehr sein bezie­hungs­wei­se der Etat für Kul­tur­schaf­fen­de der Stadt muss anders auf­ge­teilt werden.“

Des Wei­te­ren stellt das TiG Unter­stüt­zungs­an­trä­ge bei Stif­tun­gen und hat auch Zuwen­dung durch den etwa 200 Mit­glie­der zäh­len­den TiG-Freun­de-Ver­ein. „Den Groß­teil unse­rer Finan­zen machen die Ein­nah­men aus“, sagt Nina Lorenz. „Aber mit den Finan­zen ist und bleibt es immer eine Grat­wan­de­rung.“ Dabei sei das TiG längst eta­bliert und aner­kannt in der Stadt. „Wir haben einen Spiel­plan mit sechs bis acht Auf­füh­run­gen pro Spiel­zeit und errei­chen wäh­rend einer Sai­son bis zu 10.000 BesucherInnen.“

Pan­de­mie-Schock

Die Pan­de­mie war für das Thea­ter aber trotz­dem ein Schock. „Zwar gab es finan­zi­el­le Über­brü­ckungs­hil­fen von Land und Bund, aber wir haben uns schnell Gedan­ken dar­über gemacht, wie wir zei­gen kön­nen, dass es uns immer noch gibt und dass wir fürs Publi­kum wei­ter­hin da sind“, sagt Nina Lorenz.

So ent­wi­ckel­te das TiG den Audio-Weg „Orte-Wor­te“, einen Städ­te­rund­gang als MP3-Down­load mit Stopps an bestimm­ten Orten der Stadt, an dem Geschich­ten und Lite­ra­tur zu Gehör kom­men oder ein Musik­stück abge­spielt wird. Oder – da die damals geplan­te Auf­füh­rung der „Drei­gro­schen­oper“ wäh­rend der Pan­de­mie aus­fal­len muss­te – die Drei­gro­schen-Hap­pen mit online anschau­ba­ren Sze­nen aus dem Stück.

Nach Ende der Beschrän­kun­gen dau­er­te es aber trotz­dem lan­ge, bis sich das Publi­kum zurück in die Vor­stel­lungs­räu­me wag­te. Auch die nach­fol­gen­den Kri­sen wie der rus­si­sche Angriffs­krieg oder der Anstieg der Ener­gie­kos­ten sind und waren nicht ein­fach für das Thea­ter im Gärtnerviertel.

Die Mischung macht´s

Aber auch im zehn­ten Jahr des Bestehens des Thea­ters muss die Show wei­ter­ge­hen. Dabei ist nach wie vor eine gewis­se Mischung bei der Aus­wahl der Stü­cke des Spiel­plans wich­tig. In ers­ter Linie ste­hen Klas­si­ker und leich­te, bekann­te Wer­ke auf dem Pro­gramm. „Die Leu­te wol­len in schwie­ri­gen Zei­ten nichts all­zu Erns­tes und weni­ger Expe­ri­men­tel­les auf den Büh­nen sehen“, sagt Nina Lorenz. „Und da wir uns selbst finan­zie­ren, sol­len die bekann­ten Titel die Besu­che­rin­nen und Besu­cher anlo­cken“, sagt Nina Lorenz. Das heißt aber nicht, dass man sich beim TiG dem Expe­ri­men­tel­len oder Abgrün­di­gen ganz und gar ver­schließt. So führ­te das Thea­ter zum Bei­spiel 2019 die End­zeit­ge­schich­te „Dosen­fleisch“ auf, oder 2022 eine Adap­ti­on des Ste­phen King-Thril­lers „Myse­ry“. Und bei­de Stü­cke haben nach den Wor­ten Ste­phan Bachs kei­ne bösen, son­dern wohl­wol­len­de und kon­struk­ti­ve Dis­kus­sio­nen bei Kri­ti­kern und Publi­kum ausgelöst.

Mit „Der klei­ne Hor­ror­la­den“ geht es in der Spiel­zeit 2023 /​/​2024 nun ähn­lich wei­ter. Mit der Hor­ror­sa­ti­re um eine rie­si­ge spre­chen­de und vor allem fleisch­fres­sen­de Pflan­ze steht zum ers­ten Mal ein Musi­cal auf dem Spiel­plan des TiG. „Schon lan­ge reizt es mich“, sagt Nina Lorenz, „ein Musi­cal zu insze­nie­ren und zum Auf­takt unse­res zehn­jäh­ri­gen Jubi­lä­ums war die pas­sen­de Gele­gen­heit dazu.

„Der klei­ne Hor­ror­la­den“ ist eine gelun­ge­ne Mischung aus Schau­spiel, Gesang, Tanz und Musik und des­halb sehr geeig­net für ein Schau­spiel­ensem­ble, das über sehr gute Sänger*innen ver­fügt, wie es in unse­rem Ensem­ble der Fall ist. Und zusätz­lich haben wir eine her­vor­ra­gen­den Live-Band unter der musi­ka­li­schen Lei­tung von Kon­rad Busch­hü­ter und Sebas­ti­an Strem­pel in Koope­ra­ti­on mit der Städ­ti­schen Musikschule.“

Zudem hat die The­ma­tik aktu­el­le Anklän­ge. „Eine Pflan­ze, die die Welt­herr­schaft über­neh­men will und alles dafür tut, um die­sen Plan umzu­set­zen – ihr ers­tes Ziel ist, sich die Men­schen unter­tan zu machen. Dies gelingt ihr, indem sie den­je­ni­gen, der sie pflegt, süch­tig macht nach Reich­tum, Berühmt­heit, Auf­merk­sam­keit und öffent­li­cher Wahr­neh­mung. Die Pflan­ze macht die mensch­li­che Gier nach immer mehr, egal was dabei alles zer­stört wird, deut­lich sicht­bar und zeigt die Ego­is­men und das Gewinn­stre­ben auf, die unse­re Umwelt zerstören.“

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