Bis zum 4. Mai sind beim Bamberger Literaturfestival auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl bekannter Autorinnen und Autoren zu Gast. Wir haben im Vorfeld die Autorin und Mitorganisatorin Tanja Kinkel getroffen und mit ihr über das Festival, ihre eigenen Lesungen und ihr neues Buch gesprochen.
Unter dem Titel „Jüdisches Bamberg – Stimmen aus Jahrhunderten“ fand am 21. Januar die Eröffnungsveranstaltung der 9. Ausgabe des Bamberger Literaturfestivals statt. „Diese Themenwahl war angesichts der aktuellen Ereignisse natürlich kein Zufall“, sagt Tanja Kinkel. „Durch die Auswahl der Literatur wollten wir zeigen, wie lange jüdische Geschichte auch hier in Bamberg besteht.“
Im Gespräch, mit Lesungen und Musik führten Tanja Kinkel, Nevfel Cumart, die Bamberger Rabbinerin Antje Yael Deusel, Rolf Bernhard Essig, Franz Tröger und Karin Dengler-Schreiber durch mehr als ein Jahrtausend jüdischer Geschichte und Gegenwart in Bamberg.
Erzählt wurden spannende, aber auch tieftraurige Geschichten über jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, zumeist in Briefwechseln. Etwa die Brautbriefe eines fränkischen Liebespaares aus Zeiten des Rokoko Mitte des 18. Jahrhunderts, das in seinen Briefen in blumiger Sprache umeinander warb und in Vorfreude auf eine Liebesehe in letzter Minute doch einen anderen Ort für die Hochzeit wählte, um in Sicherheit feiern zu können. Oder die Briefe der ehemaligen koscheren Metzgerei der Familie Kuhn in der Luitpoldstraße, die seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten immer stärkere Diskriminierung erlebte.
Auch von einem Rabbi, der sich bereits im 12. Jahrhundert auf die Seite der Frauenrechte stellte, gab es allerhand Interessantes zu berichten sowie von Dr. Adalbert Friedrich Marcus, dem zum Christentum konvertierten jüdischen Leibarzt des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal, nach dem später unter anderem die heutige Markusbrücke benannt wurde. In dem nahegelegenen ehemaligen Krankenhaus hatte er erstmals die Pockenschutzimpfung eingeführt, mit E.T.A. Hoffmann in einem Lese- und Konzertverein zusammengearbeitet und schließlich die Altenburg gerettet, indem er sie damals kaufte und sanierte.
Im Gespräch mit Antje Yael Deusel konnten die Besucherinnen und Besucher zum Auftakt des Bamberger Literaturfestivals zudem mehr über die Aufgaben einer Rabbinerin und die Gegenwart der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erfahren. „Es war ein wichtiger Vormittag, emotionsgeladen und gefüllt mit spannenden Personen aus der jüdischen Stadtgeschichte“, resümiert Tanja Kinkel.
Neuer Band zum May’schen Orient „Tochter der Wüste“
Mit der Lesung der Titelgeschichte des Buchs „Tochter der Wüste“ ist die Autorin, Essayistin und promovierte Germanistin Tanja Kinkel am 9. Februar unterdessen selbst zu sehen. An dem Band über den Orient, wie ihn Karl May sich in seinen Romanen vorstellte, haben insgesamt sieben zeitgenössische Autorinnen und Autoren mitgewirkt. Unter Verwendung seiner Schauplätze und Figuren entstanden zehn neue Geschichten.
„Tochter der Wüste“ von Tanja Kinkel, nach der das Buch benannt ist, ist eine davon. In der Geschichte geht es um die Beduinenkriegerin Amscha, eine von Karl Mays eindrucksvollen Nebenfiguren, die jedoch nur ein einziges Mal in seinen Romanen auftaucht.
Tanja Kinkel, selbst ein großer Fan von Karl May, hat sich auf die Spuren des Geheimnisses von Amscha begeben. „Es ist schon etwas Besonderes, zumal wir den Karl-May-Verlag hier in Bamberg haben“, sagt sie. „Der Verlag macht seit einigen Jahren Projekte, in denen Autorinnen und Autoren von heute einen Blick auf die Figuren und Szenarien von Karl May werfen und ihren eigenen Beitrag aus ihrer Perspektive dazu erzählen. Die Bücher von Karl May, dem meistgelesenen deutschsprachigen Schriftsteller aller Zeiten, habe ich schon als Kind gerne gelesen. Mit den Figuren, seien es die der in Amerika spielenden Geschichten oder die des Orient-Zyklus, bin ich aufgewachsen und habe sie auch lieb gewonnen. Die Romane aus dem 19. und 20. Jahrhundert haben so viele interessante und spannende Geschichten in sich, dass es schön sein kann, mit eigenen kleinen Beiträgen einen Schlüssel zu liefern, der neugierig auf dieses Universum macht.“
Über wen sie innerhalb des Orient-Zyklus schreiben wollte, war Tanja Kinkel ziemlich schnell klar. „Die Figur der Amscha tritt eigentlich nur in dem Roman „Durch die Wüste“ auf, ist aber eine der spannendsten Figuren von Karl May“, sagt Kinkel. „Da habe ich mir als Leserin oft die Frage gestellt, warum die Frau, die so interessant ist, nicht weiter vorkommt.“ Als sie vom Herausgeber Thomas Le Blanc gefragt wurde, ob sie bei dem Buchprojekt mitmachen möchte, war die Chance gekommen, die Geschichte von Amscha weiterzuschreiben. „Und ich kann auch jetzt schon verraten, dass sie, anders als in Karl Mays Geschichten, nicht umgebracht wird“, sagt sie und lacht. An dem Buch mitzuarbeiten, habe ihr sehr viel Freude bereitet. „Zudem hatte Karl May einen, wenn auch auf Grund seiner eigenen Geschichte leider nicht typischen, aber bemerkenswerten Humanismus, der es Wert macht, seine Geschichten weiterzuschreiben“, so die Autorin.
Programm mit Bandbreite und Fränkischer Autorennacht
Schon seit der Gründung des Bamberger Literaturfestivals ist die gebürtige Bambergerin und Wahl-Münchnerin Tanja Kinkel dabei, führt als Moderatorin durch die Eröffnung, stellt namhafte Autorinnen und Autoren vor, die beim Festival jährlich zu Gast sind, und liest auch aus ihren eigenen Büchern.
„Es ist eine Bereicherung, beim Literaturfestival dabei zu sein und Personen der Zeitgeschichte zu moderieren“, sagt sie. „Und es ist immer wieder schön, Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, sie durch die Stadt zu führen und ihnen Bamberg zu zeigen, ihre Eindrücke zu hören und sie dann später beim Vortrag zu erleben. Als Leserin war ich auch vorher schon immer sehr angetan von Lesungen. Aber wenn man mitverantwortlich ist, dass es ein Abend wird, der der Autorin oder des Autors des Buches auch würdig ist, das ist sehr aufregend und noch mal etwas anderes, als im Publikum zu sitzen. Wir hatten schon sehr namhafte Gäste hier, etwa Donna Leon, die ich gleich beim ersten Literaturfestival als Weltstar moderieren durfte oder die Nobelpreisträgerinnen Hertha Müller und Swetiana Alexeijewitsch.“
In diesem Jahr lesen unter anderem Tommy Jaud, Ursula Poznanski, Michael Nast und Gisela Schneeberger, die bereits zweimal den Grimme- und den Deutschen Fernsehpreis gewonnen hat. Jetzt im Februar werden der Schauspieler und Kabarettist Rainald Grebe und der Philosoph Julian Nida-Rümelin zu Gast sein. Darüber hinaus präsentieren Volker Heißmann und Martin Rassau ihre komödiantischen Erinnerungen, außerdem gibt es einen Abend zur Fränkischen Mundart und ein „Best of Poetry Slam“.
„Mit unserem Programm möchten wir eine große Bandbreite abbilden und auch Personen aus der Sportszene und regionale Autorinnen und Autoren mit einbinden. Neben dem Poetry-Slam gibt es daher auch die Fränkische Autorennacht“, erklärt Kinkel. Konnten über zwei Jahre hinweg in der Pandemie nur kleinere Ausgaben des BamLit stattfinden, präsentiert sich das Festival nun wieder in größerem Umfang. Dennoch musste man sich in den ersten Jahren keine Sorgen um die Sponsoren machen. Heute gestaltet sich die Suche nach finanzieller Unterstützung jedoch deutlich schwieriger. „In den ersten Jahren hat uns noch die Oberfranken-Stiftung unterstützt. Jetzt ist es jedes Jahr ein Kampf um die Sponsoren, um allein das Minimalbudget, das für die Veranstaltung benötigt wird, zu sichern. Der Etat kommt oftmals erst in letzter Minute zustande, weshalb man Autorinnen und Autoren vorher auch nicht fragen kann. Das wirkt sich leider auch auf das Programm aus, da manche dann schon ausgebucht sind.“
Bestsellerautorinnen und ‑autoren und Buchpremieren auch in diesem Jahr
Dennoch sind beim diesjährigen Literaturfestival auch wieder Bestsellerautorinnen und ‑autoren zu Gast. „Wir freuen uns sehr, dass in diesem Jahr etwa das Autoren-Ehepaar Lorenz mit dabei ist oder auch Axel Hacke und Pfarrer Schießler aus München, der zudem über den bayerischen Raum hinaus bekannt ist“, sagt Tanja Kinkel.
Buch-Premieren stehen darüber hinaus ebenfalls auf dem Programm. So stellt der Bamberger Autor Paul Maar im Februar sein neues Kinderbuch „Die Tochter der Zauberin“ vor. Zu der Lesung gibt es live den „Sams-Marsch“ und andere fränkische Kinderlieder, die Paul Maar mit David Saam und der Band Boxgalopp für die Aufnahme „Hobbädihö“ aufgenommen hat.
Auch Tanja Kinkel stellt ein weiteres neues Buch vor, das unter ihrer Beteiligung entstand. An „Reichenau – Insel der Geheimnisse“, das sie beim Literaturfestival am 18. März präsentiert, haben wie bei dem Karl-May-Band mehrere Autorinnen und Autoren mitgewirkt und Kurzgeschichten geschrieben. Diese erzählen von den Anfängen, der Blütezeit und der Endzeit der Insel im Bodensee und einem Kloster, das sich auf ihr befindet. „Auf Basis wahrer Begebenheiten geht es um Äbte, Bäuerinnen, Fischer, Kaiserinnen, Nonnen und andere Menschen, die sowohl die kulturellen Höhepunkte als auch die Schattenseiten des Lebens auf der Insel erlebt haben.“
Historische Romane und die kaum verlässliche KI
Historische Romane sind ohnehin Tanja Kinkels Markenzeichen. 20 Romane von ihr entstanden so in jeweils rund eineinhalbjähriger Vorarbeit, bis sich die Figuren annäherten, die sie über den Grundgedanken entwickelte. „Was mir noch fehlt, ist ein Buch zu schreiben, das nicht in einem Band erzählt ist“, sagt sie. „Etwa eine Trilogie.“
Dass künftig Künstliche Intelligenz, um ein Thema aufzugreifen, dass in so gut wie allen Gesellschaftsteilen für Änderungen sorgen könnte, einen Teil ihrer Arbeit übernehmen könnte, glaubt sie aber nicht. „Ich nutze KI beispielsweise für Übersetzungen, stelle dann aber immer wieder fest, dass ich mich auf den mechanischen Algorithmus nicht verlassen kann, da er oft sinnenentstellend arbeitet und frage dann doch lieber meinen Übersetzer“, sagt sie. „Demnach halte ich KI für nützlich, aber nicht für verlässlich.“
Dass die Verlage dies ähnlich sehen und trotz der rasenden Entwicklung zukünftig nicht einfach Texte von Autorinnen und Autoren der KI einfüttern, bei dem dann ebenfalls ein Misch-Masch herauskommt, vor allem, ohne vorher die Rechte geklärt zu haben, bleibe daher auch über das Literaturfestival hinaus zu hoffen, sagt Tanja Kinkel.