Kurz vor Jahresende tragen auch die Museen der Stadt Bamberg ihren Teil zum Heinrichsjahr 2024, dem 1000. Todesjahr Kaiser Heinrichs II., bei. Die Ausstellung „Vor 1000 Jahren: Leben am Hof von Kunigunde und Heinrich II.“ konzentriert sich jedoch nicht nur auf den Kaiser. Auch der Kaiserin und vor allem dem Alltag der Bevölkerung räumt sie Platz ein.
Ein gängiges Bild des Mittelalters, der Lebzeit des Kaiserpaars Heinrich und Kunigunde, sieht so aus: Dunkel, dreckig, rückständig. Damit will die Ausstellung „Vor 1000 Jahren: Leben am Hof von Kunigunde und Heinrich II.“, zu sehen im Historischen Museum noch bis April 2025, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Standes aber aufräumen.
Zu sehen sind Darstellungen des Herrscherpaares, ein Bild zeigt etwa einen KI-generierten Heinrich, Insignien, Objekte und Kunstgegenstände aus dem höfischen Leben oder Überreste von Bausubstanz aus dem Jahr 1000. Einen Schwerpunkt legt die Ausstellung aber auch auf das gesellschaftliche Leben, dass sich im Umkreis von Dom und Hofhaltung abspielte.
Mit Kristin Knebel, Direktorin der Museen der Stadt Bamberg, und Cornelia von Heßberg, zusammen mit Arne Schönfeld am Konzept und am Katalog beteiligt, haben wir über die Ausstellung, das Leben vor 1000 Jahren, Mittelalter-Vorurteile und Frau Knebels bevorstehenden Abschied aus Bamberg gesprochen.
Sie kündigen an, dass die Museen der Stadt Bamberg mit der Ausstellung dazu beitragen möchten, ein historisch fundierteres Bild der Zeit um 1000 zu etablieren. War es bisher nicht fundiert?
Kristin Knebel: Beim großen Publikum herrschen sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie das Mittelalter aussah. Vorstellungen, die geprägt sind von Filmen, Serien oder Mittelaltermärkten. Der derzeitige wissenschaftliche Stand, auf den wir uns in der Ausstellung berufen, weicht allerdings oft von diesen Meinungen ab. Wir wollen das Bild eines dunklen, stinkenden, gewalttätigen Mittelalters revidieren und ein anderes Bild zeigen. Wir zeigen einen derzeitigen Wissensstand, der auch von Akteuren der praktischen Archäologie zum Beispiel mitgeprägt wird. Das heißt aber nicht, dass das in allen Punkten der Weisheit letzter Schluss ist. Die Forschung geht immer weiter und Geschichtsbilder ändern sich. Dem können wir uns nicht entziehen.
Wie war das Leben im Bamberg des Jahres 1000 also?
Kristin Knebel: Es handelte sich sicherlich um eine differenziertere Gesellschaft, als man noch vor einiger Zeit annahm. Die landwirtschaftliche Prägung war stark, doch es war eine breitgefächerte Gesellschaft. Auch herrschte ein weit verzweigter Handel. Das Leben der meisten Menschen spielte sich sicherlich zentral in der näheren Umgebung ihres Wohnortes ab, aber es gab auch, und nicht nur bei Königen oder Kaisern, Menschen, die eine sehr große Mobilität hatten. Wir werden in der Ausstellung eine Karte von Handelsrouten zeigen, die bis nach Nordafrika und Asien reichten. Auch gehen wir auf die Frage ein: Gab es um 1000 in Bamberg bereits Handwerk? Es gibt die Auffassung, dass Familien, alles, was sie diesbezüglich brauchten, selbst herstellten. Andere sagen, dass es durchaus bereits Handwerk gab, das sich zudem bereits zu spezialisieren begann. Und dadurch, dass die Stadt ab 1007 Bischofssitz war, entstand ein zusätzlicher Schutz für die Menschen, die sich hier ansiedeln.
Cornelia von Heßberg: Im Vergleich zu heute war das Leben im Mittelalter aber natürlich hart. Wir würden nicht damals leben wollen. Es war kälter und dunkler, Elektrizität oder ausreichend Kerzen waren selbstverständlich nicht vorhanden. Auch zum Beispiel Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit, also etwa die Armen reich zu machen, waren unbekannt.
Heißt das, es gab keine Aufstiegsmöglichkeiten?
Cornelia von Heßberg: Doch. Vor allem im kirchlichen Bereich gab es durchaus soziale Mobilität oder Durchlässigkeit. Kaiser Heinrich hat zum Beispiel die Wahl der beiden Unfreien Gundekar und Walter jeweils zum Bischof von Eichstätt unterstützt. So wurden sie selbst zu Herren und konnten Herrschaft ausüben.
Kannte man Freizeit oder bestand das Leben nur aus Arbeit?
Kristin Knebel: Ich denke nicht, dass die Menschen einen Begriff von Freizeit hatten, wie wir ihn heute kennen. Aber es gab natürlich den Sonntag – ein arbeitsfreier Tag, von der Kirche so festgelegt. Freizeitbeschäftigungen ging man allerdings schon nach. So zeigen wir in der Ausstellung zum Beispiel Spiele aus dieser Zeit, wie ein Schachspiel oder auch Würfel. „Freizeit“ und „Arbeitszeit“ wurden aber nicht klar voneinander unterschieden.
Wie sah es aus in Bamberg?
Kristin Knebel: Darüber geben uns vor allen Dingen archäologische Befunde Aufschluss. Wir wissen, dass es natürlich den Domberg gab, mit dem sogenannten Heinrichsdom und der Kaiserpfalz – heute Alte Hofhaltung genannt. Einige Stellen des Gebäudes stammen sogar noch aus der Zeit von Heinrich. Drumherum befand sich außerdem eine Siedlung mit unterschiedlichen Gebäuden. Auch am Michaelsberg oder bei der Stephanskirche – beide in der Heinrichszeit gegründet – gibt es Hinweise auf weitere Steinbauten. Wobei diese natürlich vornehmlich herrschaftlichen oder kirchlichen Nutzern vorbehalten waren. Private Häuser bestanden kaum aus Stein. In diesem Bereich gab es viele hölzerne Gebäude. Wir zeigen zum Beispiel ein Grubenhaus, bei dem man nach unten steigt und nicht nach oben, wenn man es betreten will.
Welche Kleidung trugen die Menschen?
Kristin Knebel: Da gibt es sehr viel Material. Eine Erkenntnis unserer Expertin ist, dass die Kleidung sehr farbig war und nicht, wie man es sich vorstellt, alles in Braun und Grau. Die Leute waren vielfältig gekleidet. Chemische Färbemittel existierten zwar natürlich noch nicht, aber sehr viele Naturmaterialien konnten zum Färben genutzt werden. In der Ausstellung zeigen wir Nachbildungen solcher Kleidung und etwa auch einen Webstuhl. Als Originalstück haben wir hingegen einen Lederschuh aus dem Jahr 1024. Nach meinem Ermessen etwa in der heutigen Größe 44.
Sie nannten das Wort „stinkendes“ Mittelalter. Wie roch es in den Straßen?
Cornelia von Heßberg: Auch die Menschen im Mittelalter kannten so etwas, was wir heute Hygiene nennen und haben durchaus gebadet. Einen entsprechenden Badezuber zeigen wir in der Ausstellung auch. Außerdem gab es im Mittelalter bereits Badehäuser. Wie die sanitären Zustände auf den Straßen aussahen, lässt sich allerdings nur schwer sagen. Das 10. Jahrhundert wird in der Forschung als quellenarme Zeit betrachtet. Aus späterer Zeit, aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, haben wir aber Kenntnis über sanitäre Anlagen in Klöstern. Da gab es Wasserleitungen und Abwasserleitungen sowie Wasserheizungen. Man hat also nicht nur gefroren. Und wie es roch? Ich würde sagen, natürlicher als heute. Aber ich kann mir auch etwas kräftigere Geruchsnoten vorstellen, wie wir sie heute vielleicht aus dem landwirtschaftlichen Bereich kennen. Schon allein, weil die Nutztiere oft sehr nah dran waren am Menschen. Allerdings kann man eine Siedlung aus der Zeit von Kaiser Heinrich auch nicht einfach mit einer hochverdichteten Stadt aus dem Spätmittelalter wie zum Beispiel Köln oder Paris vergleichen.
Sie kündigen an, in der Ausstellung auch auf die Handlungsräume von Frauen in dieser Zeit einzugehen. Welche Umstände herrschten diesbezüglich?
Kristin Knebel: Einige Herrscherinnen aus der Zeit, nicht nur Kunigunde, waren sogenannte Mitregentinnen, consors regni nannte sich das. Diese hatten mehr Handlungsmöglichkeiten als man früher glaubte, als man sie für nicht mehr als schöne Dekoration hielt, die nichts zu sagen hatten. Bei Kunigunde war es sogar so, dass sie nach Heinrichs Tod die Reichsinsignien innehatte. Somit war sie Interimsregentin, bis mit Konrad ein neuer König den Thron bestieg. Dass damals allerdings in Gender- oder Feminismus-Kategorien gedacht wurde wie heute, würde ich jedoch nicht sagen.
Cornelia von Heßberg: Zum Beispiel aber im 19. Jahrhundert hatten Frauen zum Teil weniger Rechte als im Mittelalter. Die Idee, dass zum Beispiel die Kirche damals die Frauen unterdrückte, muss hinterfragt werden. Frauen waren zwar durchaus den Männern untergeordnet, aber der Stand war wichtiger als das Geschlecht. Eine hochgestellte Frau konnte die Herrin oder Herrscherin über andere sein, auch über Männer.
In der Ausstellung zeigen Sie szenische Inszenierungen von Gesprächen zwischen fiktionalen Zeitzeugen. Wie sieht das genau aus?
Kristin Knebel: In den Räumen wird das Publikum lebensgroßen Figuren auf Bildschirmen begegnen, die ihnen über das Leben im Mittelalter erzählen. Eine dieser szenischen Darstellungen zeigt zum Beispiel, wie die Kaiserin in Bamberg anreist, während sich eine Magd aus der Hofhaltung mit einer Hofdame über diesen Besuch unterhält. Auch gibt es interaktive Stationen, wie eine Urkundenstation, ein mittelalterliches Spiel und Mitmachaktionen für Kinder und Erwachsene.
Wie klingen die fiktionalen Zeitzeugen, wie klang Bamberg damals?
Cornelia von Heßberg: Man sagt, dass sich die älteren Sprachstufen des Deutschen etwa alle 500 Jahre geändert haben. Wenn wir also von heute aus 500 Jahre zurückgehen, könnten wir die Menschen im Jahr 1500 noch ungefähr verstehen. Aber bei allem, was davor gesprochen wurde, hätten wir heute Schwierigkeiten, es zu verstehen. Kaiser Heinrich wird allerdings wohl eher einen bairischen oder süddeutschen Dialekt aus seiner Herkunftssregion um Regensburg gesprochen haben, also keinen Vorläufer des heutigen Fränkischen.
Sie haben eine KI-generierte Darstellung Heinrichs veröffentlicht, die ihn mit langem, leicht schütterem Haar zeigt. Ist das authentisch?
Kristin Knebel: Es gibt kein Porträt von Heinrich, das authentisch ist, denn es gab in seiner Zeit noch kein Verständnis von authentischer Porträtdarstellung. Genau wissen wir also nicht, wie er aussah. Darstellungen von Personen bildeten eher deren Funktion ab. Darum sieht Heinrich auf jeder mittelalterlichen Darstellung auch anders aus. Aber das war überhaupt nicht wichtig. Nur die Insignien – welche Krone und Kleidung trägt er, was hält er in der Hand – waren es. Für die Ausstellung und für unser Bild des Kaisers wollten wir ihn im mittleren Alter darstellen, ohne Krone, aber mit Kreuz und Rüstung, das heißt im Kettenhemd. Vielleicht hat er so ähnlich ausgesehen, wenn er durch sein Reich reiste, vielleicht aber auch ganz anders.
Cornelia von Heßberg: An dieser Stelle können wir auch mit einem weiteren Fehlglauben über das Mittelalter aufräumen. Diese Epoche wird auch aus dem Grund oft verunglimpft, weil man lange Zeit in Wissenschaft und Gesellschaft dachte, die Menschen seien damals kindlich oder naiv gewesen, zum Beispiel weil sie es nicht schafften, ein authentisches Gemälde ihrer Herrscher anzufertigen. Das war aber eben auch nicht beabsichtigt. In der Ausstellung versuchen wir entsprechend zu zeigen, dass die Menschen mit vielem sehr rational umgegangen sind. Für Probleme des Alltags fanden sie immer wieder vernünftige Lösungen, anstatt ungebildet und instinkthaft zu handeln.
Frau Knebel, Sie haben Ihren Abschied als Direktorin der Museen der Stadt zum Jahresende bekanntgegeben. Dann wechseln Sie nach Jena und übernehmen die Leitung der dortigen städtischen Museen. Was hat die neue Stelle, was die in Bamberg nicht hat?
Kristin Knebel: Einfach gesagt, liegt sie direkt vor meiner Haustür, denn meine Familie und Freunde leben in Weimar. Auch bin ich in Thüringen sehr gut vernetzt, weil ich dort sehr lange im Museumsbereich gearbeitet habe. Dort gibt es in der Kulturszene genauso große Aufgaben und Baustellen wie hier. Auch in Jena sind die Verhältnisse nicht rosig und es braucht ein neues Depot und vielleicht einen neuen Museumsbau. Aber das ist genau, was mir Spaß macht. Ich baue gerne etwas auf und versuche, Strukturen zu schaffen.
Hatten die schlechte Finanzlage Bambergs oder die nachlässige Politik gegenüber der freien Kulturszene etwas mit Ihrer Entscheidung, Bamberg zu verlassen, zu tun?
Kristin Knebel: Nein. Die Stelle in Jena war einfach im Angebot, was bei solchen Stellen nicht sehr oft vorkommt. Und ich habe dort, wie gesagt, schon einmal gearbeitet und kenne sehr viele Leute. Außerdem wurde mir sehr bald nach dem Bewerbungsgespräch signalisiert, dass man mich gerne haben möchte. Also entschied ich mich für den Wechsel.
Ist die Ausstellung „Vor 1000 Jahren: Leben am Hof von Kunigunde und Heinrich II.“ Ihr Vermächtnis?
Kristin Knebel: Sie ist durchaus ein Schlusspunkt und außerdem die größte Ausstellung, die mein Team und ich gemacht haben. Aber als mein Vermächtnis sehe ich sie nicht. Wovon ich jedoch hoffe, dass etwas bleibt, ist, dass wir aufgezeigt haben, wie man in den städtischen Museen in Bamberg Ausstellungen modern und interaktiv gestalten und so Publikumszahlen steigern kann – siehe die „Fake Food“-Ausstellung. Die Museen der Stadt haben das Handwerkszeug, wir können das, nur braucht man dafür auch finanzielle Mittel. Auch hoffe ich, dass unser Masterplan, die Museen strukturell zu sanieren, zum Beispiel durch ein neues Depot oder Nachhaltigkeit und klimaneutrale Planung, in der Zukunft fortgeführt wird. Man wäre seitens der Stadt wirklich klug beraten, den Plan fortzusetzen und weiterzuentwickeln, meine ich.