Seit 1992 versorgt die Bamberger Tafel Menschen, die sich in wirtschaftlich schwieriger Lage befinden, mit Lebensmitteln. Zweimal in der Woche geben die Betreiber Michaela Revelant und Wilhelm Dorsch und ihr Team aus etwa 60 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Lebensmittel in der Hohmannstraße aus.
Zur Beschaffung der Lebensmittel kooperiert die Bamberger Tafel mit über 70 Firmen der Region. So stellen beispielsweise Supermärkte der Hilfsinitiative Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf der Mindesthaltbarkeitszeit stehen und sonst weggeworfen werden würden, zur Verfügung.
Finanziert wird die Organisation durch Spenden. Durch Kürzungen im Sozialbereich sind es immer mehr ältere Menschen und Familien, die sich an die Bamberger Tafel wenden.
Wir haben mit Wilhelm Dorsch gesprochen.
Herr Dorsch, warum haben Sie 1992 die Bamberger Tafel gegründet?
Wilhelm Dorsch: Die Bamberger Tafel ist aus der Essensausgabe des St. Vinzenzvereins Bamberg hervorgegangen, dessen Vorsitzender ich war. Meine Frau und ich sind damals auf die Idee gekommen, den Verein zu einer Tafel zu erweitern, als wir in einem Supermarkt gesehen haben, wieviele Lebensmittele dort weggeworfen wurden. Wir fragten den Marktleiter, ob wir die Lebensmittel haben könnten und haben dann angefangen, einige Familien mit Essen zu beliefern. Anfangs mussten wir bei Supermärkten oder ähnlichem sozusagen noch um die Waren betteln. Aber langsam sprach sich die Arbeit unserer Initiative rum und wir haben Helfer, Ausrüstung und Räumlichkeiten dazugewonnen. Zuerst waren wir in der Dieselstraße, als es da aber zu eng wurde
zogen wir um. Heute haben wir ausreichend Platz in der Hohmannstraße und es ist nach wie vor ein sehr gutes Gefühl, wenn man Menschen helfen kann. Und mittlerweile haben wir sicherlich schon einem mittleren Fußballstadion an Menschen helfen können.
Wie viele Leute nehmen zurzeit Ihr Angebot in Anspruch?
Wilhelm Dorsch: Zweimal die Woche bedienen wir zwischen 80 und 110 Menschen.
Könnten Sie noch mehr versorgen oder müssten Sie Wartelisten erstellen?
Wilhelm Dorsch: Die Zahlen unserer Kundschaft pendeln sich immer ein bisschen ein. Einige Leute kommen schon seit zehn Jahren zu uns. Da die Bamberger Tafel aber auch eine Hilfe zur Selbsthilfe ist, kommen manche oft nur einmal zu uns und sind danach wieder weg. Das ist gut. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir versuchen, allen zu helfen, die kommen. Es geht ja auch darum, dass die Leute uns vertrauen. Zumal es auch ein bisschen Mut braucht, zur Tafel zu gehen.
Warum braucht es Mut?
Wilhelm Dorsch: Viele Leute schämen sich, zur Tafel zu gehen – vor allem ältere. Aber wir sehen auch immer wieder Jüngere, die bei der Essensausgabe mit Tränen in der Augen in der Schlange stehen. Es braucht eine gewisse Überwindung und oft passiert es auch, dass sich die Leute zu spät an uns wenden, wenn die Psyche unter ihren Lebensumständen bereits leidet.
Wie sieht bei der Bamberger Tafel ein typischer Arbeitstag aus?
Wilhelm Dorsch: Wir sind Frühaufsteher. Um halb sieben fahren unsere Fahrer los und steuern die etwa 75 Märkte in der Region an, mit denen wir zusammenarbeiten und die uns Lebensmittel zur Verfügung stellen. Zurück in der Hohmannstraße kontrolliert unser Team die Ware und sortiert Abfall aus. Da sind wir sehr vorsichtig und genau. Dann richten wir die Lebensmittel in unseren Räumen her und öffnen die Türen zur Essensausgabe. Außerdem bestücken wir unseren Tafelladen mit materiellen Spenden aus der Bevölkerung, wie zum Beispiel Spielzeug.
Gibt es neben der Möglichkeit, sich bei der Bamberger Tafel mit Lebensmitteln zu versorgen, noch weitere Hilfestellung, die Sie den Leuten bieten?
Wilhelm Dorsch: Viele, die zu uns kommen, haben auch seelische Not und suchen ein Gespräch. Wir sind weit mehr als nur eine Lebensmittelausgabestelle und versuchen in solchen Fällen, ein bisschen in die Leute reinzuhören, um die Ursachen der Probleme zu erfahren. Manches lässt sich im Gespräch mit unseren Mitarbeitern lösen. Bei schwerwiegenderen Dingen, wie drohender Verlust der Wohnung zum Beispiel oder den Strom abgestellt zu bekommen, suchen wir das Gespräch mit den Stadtwerken.
Mitte letzter Woche begann der zweite Lockdown. Können Sie Ihr Angebot über die Weihnachstage trotzdem aufrechterhalten?
Wilhelm Dorsch: Unseren Tafel-Laden werden wir leider bis voraussichtlich 10. Januar geschlossen lassen müssen. Die Essensausgabe findet bis zum 23. Dezember statt. Die erste Ausgabe im neuen Jahr ist am 9. Januar. Allerdings können wir die Leute nur etappenweise reinlassen und nur fertiggepackte Pakete ausgeben. Davon haben wir aber sehr viele. In anderen Tafel gibt es nur ein kleines Päckchen, aber wir haben großzügige Märkte als Partner und bei uns bekommen die Leute prallgefüllte Taschen. Was wir teilweise auch anbieten, ist ein Lieferservice. Wir haben unter unserer Kundschaft zum Beispiel eine 92-jährige Frau. Es ist zwar ein Armutszeugnis für das Land, dass eine 92-Jährige zur Tafel gehen muss, aber wir haben ihr gesagt, sie soll in diesen Tagen zuhause bleiben, wir bringen ihr die Lebensmittel vorbei.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um das Angebot der Tafel in Anspruch nehmen zu können?
Wilhelm Dorsch: Die Bamberger Tafel unterstützt mit der Ausgabe von Lebensmitteln Menschen, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Lebenslage befinden. Über diese Lebenslage brauchen wir allerdings eigentlich Auskunft, also gültige Dokumente wie zum Beispiel zu Hartz IV, Wohngeldzuschuss, Sozialhilfeleistungen, Grundsicherung, niedriger Rente oder geringem Einkommen. Aber wenn uns jemand anruft und beispielsweise sagt “Wir haben nichts zu essen, meine Kinder sind hungrig”, dann können wir auch mal schnell und unbürokratisch reagieren und der Person etwas zum Essen vorbeibringen.