Patrik Lumma betreibt seit 2008 das Figurentheater Theater des Staunens. Nachdem er bisher ausschließlich Kinderstücke inszenierte, bringt er nun das erste Erwachsenenstück auf die Bühne. Am 17. September feiert „Neruda – Marionetten. Poesie. Musik“ Premiere in der KUFA. Ein Stück mit mehreren Handlungs- und Spielebenen.
In „Neruda – Marionetten. Poesie. Musik“, das auf dem Gedichtband “Aufenthalt auf Erden” des chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda basiert, treiben drei Schiffbrüchige auf einem Floß im Meer.
Anhand von Marionetten, die sie aus dem Wasser fischen, beginnen sie zusätzlich zu kommunizieren. Für die Aufführung bedeutet dies, dass sowohl die Puppen als auch diejenigen, die ihre Fäden bedienen, auf der Bühne anwesend sind – eine für das Marionettentheater eher unübliche Darstellungsweise.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln zwischen ihren Puppen- und ihren Menschenrollen hin und her. Hinzu kommt die Musik von Franz Tröger, die auf ihre Weise Einfluss auf die Handlung nimmt.
Therese Frosch ist neu beim Theater des Staunens und wechselt zwischen der Rolle der schiffbrüchigen Erbin und verschiedenen Puppenrollen. Mit ihr und Patrik Lumma haben wir uns zum Gespräch getroffen.
Frau Frosch, Sie sind das neueste Ensemblemitglied des Theaters des Staunens. Wie kam die Zusammenarbeit mit Patrik Lumma zustande?
Therese Frosch: Puppenspiel hat mich sehr interessiert. Als wir uns kennenlernten, hatte Patrik eine Puppe dabei und ich war sofort fasziniert davon, wie man es schafft, diesen Puppen auf der Bühne Leben einzuhauchen. Als er mich eines Tages fragte, ob wir zusammen ein Stück inszenieren wollen, hab ich sofort zugesagt.
Wie belebt man die Puppe?
Therese Frosch: Indem man nicht versucht, die Puppe zu dominieren. Man muss sie spielen lassen, auf sie reagieren und mit den Bewegungen, die ihr Schwerpunkt vorgibt, mitgehen. Diejenigen, die die Puppe spielen, sind keine Dompteure. Es geht darum, eigene innere Vorgänge in die Puppe hineinzugeben. Mir ist aufgefallen, dass mein Spiel, sobald ich die Rolle der Puppe verlasse und die Rolle der Person, die ich zusätzlich spiele, annehme, schlechter wird.
Das klingt als ob die Puppe die Schau stiehlt.
Therese Frosch: Das sollte sie. Die Gefahr ist, dass ich ihr die Schau stehle. Unser Ziel besteht darin, den Puppen derart viel Leben zu geben, dass das Publikum alles drumherum ausblenden kann und fasziniert auf das kleine Wesen schaut.
Kann es dem Publikum wirklich gelingen, sich von den Puppen faszinieren und mitreißen zu lassen, wenn diejenigen, die sie bedienen, auf der Bühne anwesend sind und dadurch die Wirkung der Puppe ständig verfremden?
Patrik Lumma: Das Puppentheater, wie wir es machen, ist eigentlich Episches Theater, ganz nach Bertold Brecht, bei dem die Illusion der Bühnenrealität ständig aufgebrochen wird. Man steigt in die Rolle der Puppen ein, man steigt wieder aus und wechselt in die Spielrolle über. Damit, die Identifikation des Publikums mit den Figuren schwerer zu machen, habe ich nie ein Problem gehabt. Denn, wenn man gut spielt, entwickeln die Puppen einen derartigen Zauber – sie sind, was das betrifft, magische Wesen – dass das Publikum vergisst, dass es eigentlich weiß, dass es ein zappelndes Stück Holz sieht, und stattdessen eine Figur zu sehen beginnt.
Haben Sie in diesem Sinne für den Namen Ihres Theaters das Staunen gewählt? Möchten Sie das Publikum zum Staunen bringen?
Patrik Lumma: Nachdem ich jahrelang mit meinem Kindertheater „Figurentheater Patrik Lumma“ allein unterwegs war, begann ich, ein neues Puppentheater zu planen. Eines, das einem ganzen Ensemble eine Plattform für künstlerische Arbeit bietet und auch einen neuen Namen hat. Eines Tages las ich den Satz „bringe ein Kind zum Staunen und du hast ihm den Weg zum Verstehen geebnet“. Im Moment des Staunens ist auch ein Moment der Erkenntnis angelegt und der Faszination, Freude und die Öffnung neuer Welten. Das finde ich toll.
Warum haben Sie Puppentheater als künstlerische Ausducksform gewählt?
Patrik Lumma: Das Faszinosum der Puppenspielkunst liegt für mich vor allem in seiner Grenzgängigkeit zwischen Bildender und Darstellender Kunst. Wir bauen die Kulissen und Figuren und spielen sie. Dieses Hin- und Herspringen von der einen Kunstform in die andere, das Verlagern vom Aussagen ins Bild, finde ich unglaublich spannend.
Welche Rolle spielt dabei die reduzierte Ausdrucksform der Puppen?
Patrik Lumma: Da muss ich mit Kleist antworten: Die Perfektion liegt entweder in Gott oder in der toten Materie. Ich denke, genau das ist es. Gerade durch die Reduziertheit der Puppen, die man in Bewegungen setzt, um Dinge auszudrücken, findet man eher die Essenz dieser Dinge raus.
Im Unterschied zu anderen Puppentheatern sind die Puppenspielerinnen und ‑spieler bei Ihnen, wie erwähnt, nicht unsichtbar für das Publikum, sondern stehen auf der Bühne, wo sie die Puppen bedienen und als sie selbst untereinander die Dialoge von Rollen führen. Laufen also eigentlich zwei Stücke gleichzeitig ab?
Patrik Lumma: Eigentlich sogar drei. Wir machen ein Stück auf der Schauspiel-Ebene, eines auf der Ebene der Puppen und auf der der Musik. Franz Tröger wird mit einem Klavier und einem Akkordeon eine zentrale Position auf der Bühne einnehmen und Musik spielen. Er ist ein großartiger Theatermusiker, der Musik szenisch denkt und sie szenisch einsetzen kann. Die Musik treibt das Stück an. Und zwischen diesen Ebenen switschen wir hin und her. Teilweise reden die Spielenden auch mit den Puppen.
Warum haben Sie den Gedichtband „Aufenthalt auf Erden“ von Pablo Neruda als Grundlage für Ihr Stück gewählt?
Marionettentheater mit seinen von unsichtbaren Fäden gelenkten Puppen schreit geradezu nach einer Einordnung in größere gesellschaftliche Zusammenhänge. Was sagt das Marionettentheater über die Welt?
Neruda – Marionetten. Poesie. Musik
17. September, KUFA, 20 Uhr
Weitere Aufführungen:
18. und 19. September,
15. und 16. Oktober
Theater des Staunens