„Die Arbeit geht mir nicht aus”, sagt Dr. Andreas Dornheim. Ende März hat der Kultursenat der Stadt Bamberg die Bestellung des Historikers als Stadtheimatpfleger um sechs Jahre verlängert. An aktuellen Projekten mangelt es tatsächlich nicht.
Die Aufgaben des Stadtheimatpflegers sind vielfältig. Andreas Dornheim berät die Stadt bei Bauvorhaben an denkmalgeschützten Gebäuden oder hilft, Brauchtümer zu erhalten. In seiner Amtszeit hat sich der geborene Würzburger aber auch immer wieder meinungsstark für die Aufarbeitung von Verbindungen verschiedener Institutionen, Personen oder Firmen in den Nationalsozialismus eingesetzt. Vor allem die Anprangerung des NS-Hintergrunds des Malers Fritz Beyerlein, von welchem bis vor Kurzem ein Gemälde im Bamberger Rathaus hing, und die der ähnlich verstrickten Personalie Max Broses, nach dem in Coburg eine Straße benannt wurde, waren öffentlichkeitswirksame Stellungsnahmen.
Mit dem Webecho hat Andreas Dornheim über seine Aufgabe als Stadtheimatpfleger gesprochen.
Herr Dornheim, Sie werden die Stelle des Stadtheimatpflegers für weitere sechs Jahre innehaben. Worin werden die Hauptaufgaben dieser Zeit bestehen?
Andreas Dornheim: Eine große Aufgabe wird in der Auswertung und Aufarbeitung der Entwicklungen rund um den Bamberger Maler und das NSDAP-Mitglied Fritz Bayerlein bestehen. Im kommenden Semester halte ich zusammen mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Wolfgang Brassatauch ein Seminar an der Universität zur Kunst im Nationalsozialismus. Eine weitere Langzeitbaustelle ist das Troppau-Zimmer. Das ist eine in der Hauptwachstraße untergebrachte Sammlung von Schriftstücken, Grafiken und Bilddokumenten der Vertriebenenvereinigung Heimatkreisgemeinschaft Troppau e.V. Die Frage, die es dabei zu klären gilt, ist, ob die Sammlung in städtische Sammlungen eingegliedert wird oder in den Händen der Troppau-Leute bleibt. Auf jeden Fall wollen Stadtheimatpflege und die Vereinigung eine Ausstellung zusammen organisieren.
Was verbinden Sie mit dem Begriff “Heimat”? Was mit Heimatpflege?
Andreas Dornheim: Heimat ist Raum, in dem wir leben, den wir gut kennen und mit dem wir Gefühle der Verwurzelung verbinden. Ein Raum, von dem wir der Meinung sind, es lohnt sich, ihn zu erhalten. Die Heimatpflege hingegen ist für mich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit architektonischen oder geschichtlichen Problemen oder Fragestellungen. Die Heimatpflege gibt der Stadt und dem Denkmalschutz Ratschläge im Umgang damit. Wir werden bei Bauvorhaben an denkmalgeschützter Bausubstanz hinzugezogen und geben Empfehlungen ab, ob diese mit dem Denkmalschutz vereinbar sind.
Womit beschäftigen Sie sich zurzeit?
Andreas Dornheim: Zurzeit beschäftige ich mich sehr stark mit der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Reckendorfs, wozu ich vom örtlichen Gemeinderat beauftragt worden bin. Im Rahmen des 1700-jährigen Jubiläums von jüdischem Leben in Reckendorf soll es im Juli eine Ausstellung geben. Eine interessante Figur dabei ist Isidor Schmidt, der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde in Reckendorf war. Zusammen mit seinem Bruder wurde er 1938 vom NSDAP-Ortsgruppenleiter gezwungen, die Synagoge zu demolieren. Später wurden beide ins KZ Dachau gebracht. Da Schmidt aber Frontkämpfer im 1. Weltkrieg gewesen war, hatte die Gestapo einen gewissen Respekt vor ihm und ließ in bald wieder frei. Dann emmigrierte er in die USA. Sein Bruder wurde im Konzentrationslager aber ermordet.
Heimatpflege bezieht sich auch auf die Pflege von Brauchtum. Ist Lokalkolorit in Gefahr?
Andreas Dornheim: Dadurch, dass die Franken ein bisschen konservativer sind und nicht immer gleich den neuesten Trends folgen, eigentlich nicht. Man schaue sich nur einmal die Brauereien in der Wunderburg an.
Deutschland und Franken sind in den letzten Jahren, vor allem aufgrund der Flüchtlingsbewegungen ab 2015, vielfältiger und multikultureller geworden. Hat sich der Heimatbegriff dem angepasst?
Andreas Dornheim: Zuzug gab es schon immer, das ist kein neues Phänomen und man muss aufpassen, das Heimat nicht instrumentalisiert wird. Der Heimatbegriff ist nicht statisch oder in Stein gemeißelt, er verändert sich ständig. Auf der anderen Seite ist er aber auch dem Risiko ausgesetzt, ins Völkische abzurutschen beziehungsweise birgt in sich Anschlussmöglichkeiten für eine Vereinnahmung von rechts. Heimat ist auch die Heimat der Zugezogenen.
Vor einigen Jahren haben Sie sich in die Debatte um die Umbenennung der Coburger Von-Schultes-Straße in Max-Brose-Straße eingemischt und dem Coburger Stadtrat mangelnde geschichtliche Aufarbeitung vorgeworfen. Wie sahen damals die Reaktionen auf Ihre Haltung aus?
Andreas Dornheim: Es gab ziemlich viel Unverständnis. Michael Stoschek ist ja nicht gerade für Selbstkritik bekannt und hat, glaube ich, überhaupt nicht kapiert, worin das Problem mit Max Brose besteht. Ich habe versucht, ihm klar zu machen, dass Max Brose der Abwehrbeauftragte des Unternehmens war. Und dieser hatte per Definition die Aufgabe, mit der Gestapo zusammenzuarbeiten.
Gibt es entsprechende Projekte in Bamberg?
Andreas Dornheim: Der genannte Fritz Beyerlein ist ein Beispiel. Zusätzlich gibt es einige Unternehmen, ich nenne die Namen nicht, die ähnlich Fälle waren und wo es Untersuchungen geben sollte.
Was passiert nach den sechs Jahren ihrer Amtszeit als Stadtheimatpfleger. Möchten Sie auch darüber hinaus in dieser Position weitermachen?
Andreas Dornheim: Ich könnte mir das schon vorstellen, aber nach den sechs Jahren bin 69. Man muss dann schauen, ob nicht Jüngere den Job machen sollten.