DFB plä­diert für Locke­run­gen im Amateursport

Offe­ner Brief von Kel­ler und Dr. Koch: „Kin­der zurück auf den Platz“

4 Min. zu lesen
Foto: Pixabay
Der Lock­down im Ama­teur­be­reich bleibt wei­ter­hin bestehen, Locke­run­gen sind nicht abseh­bar. Der Prä­si­dent des Deut­schen Fuß­ball­bun­des (DFB), Fritz Kel­ler, und der 1. DFB-Vize­prä­si­dent, Dr. Rai­ner Koch, gleich­zei­tig Prä­si­dent des Baye­ri­schen Fuß­ball-Ver­ban­des, wen­den sich in einem gemein­sa­men Offe­nen Brief an die knapp 24.500 Fuß­ball­ver­ei­ne und die im Ama­teur­be­reich Täti­gen in Deutsch­land, neh­men Stel­lung zur aktu­el­len Situa­ti­on im Brei­ten­sport und set­zen sich für Locke­run­gen ein.

Der offe­ne Brief im Wortlaut

Lie­be Fußballfamilie,

nur zu ger­ne hät­ten wir Euch heu­te zuge­ru­fen: Macht die Sport­plät­ze wie­der auf, knipst das Flut­licht an und geht end­lich wie­der raus, geht kicken. Unter Beach­tung aller Vor­sichts­maß­nah­men und Hygie­ne­kon­zep­te. So, wie wir es im ver­gan­ge­nen Som­mer bereits mit gro­ßer Sorg­falt getan haben. So, wie es bereits ein­mal von Euch allen her­vor­ra­gend und mit unfass­bar viel Herz­blut umge­setzt wor­den ist. So, wie es anschlie­ßend in Mil­lio­nen von Trai­nings­ein­hei­ten und Hun­dert­tau­sen­den von Spie­len im gan­zen Land bes­tens funk­tio­niert hat.

Wir – Ver­ei­ne, DFB, Regio­nal- und Lan­des­ver­bän­de – tra­gen ver­ant­wor­tungs­voll die von Bund und Län­dern ver­län­ger­ten Ein­schrän­kun­gen zur Ein­däm­mung der Coro­na-Pan­de­mie zuver­läs­sig mit. Doch dies darf nicht zum Dau­er­zu­stand wer­den. Wir wis­sen, was Euch in die­sen Tagen umtreibt. Wir wis­sen, dass die jetzt sin­ken­den Infek­ti­ons­zah­len Eure Unge­duld wei­ter wach­sen lässt. Uns geht es nicht anders.

Wir wün­schen uns eben­so wie alle Präsidentenkolleg*innen in den Lan­des­ver­bän­den und ande­ren Sport­ar­ten, eben­so wie Mil­lio­nen Amateursportler*innen bun­des­weit, dass der Sport als Teil der Lösung begrif­fen wird. Nicht um des Sports Wil­len, nein, im Sin­ne der Gesund­heits­för­de­rung und sozia­ler Bezie­hun­gen. Wir alle, spe­zi­ell unse­re Kin­der und Jugend­li­chen, benö­ti­gen die Mög­lich­keit zur sport­li­chen Bewe­gung, sie ist gut für Kör­per und Geist – und das nachhaltig.


„Wer über Locke­run­gen dis­ku­tiert, muss zwangs­wei­se über den Ama­teur­sport sprechen“

Die Pan­de­mie­la­ge bleibt kom­plex und dyna­misch. Was vor weni­gen Wochen noch sinn­voll schien, ist heu­te in Tei­len schon wie­der über­holt. Aber gera­de der Fuß­ball kann in der Kri­se Gro­ßes leis­ten, ver­läss­li­cher Part­ner sein. Er bie­tet Zusam­men­halt und Unter­stüt­zung, Gemein­schaft und Aus­tausch, Zie­le und Per­spek­ti­ven und er stärkt die Gesund­heit. Gro­ßer Wunsch ist es, dass der Brei­ten­sport vor die­sem Hin­ter­grund von allen in Deutsch­land in die­ser Wich­tig­keit begrif­fen, wahr­ge­nom­men und schluss­end­lich akzep­tiert wird.

Der Sport und sei­ne ein­zig­ar­ti­ge Ver­eins­land­schaft in Deutsch­land müs­sen in allen Ent­schei­dun­gen Berück­sich­ti­gung fin­den, dür­fen nicht ver­ges­sen, nicht abge­hängt wer­den. Denn unser Land braucht den Sport – der Fuß­ball als welt­wei­te Sport­art Num­mer eins muss vor­an­ge­hen. Wer über Locke­run­gen dis­ku­tiert, muss zwangs­wei­se über den Ama­teur­sport spre­chen. Dafür wird sich der DFB wei­ter mit aller Kraft, aber auch mit Rea­li­täts­sinn für die Situa­ti­on einsetzen.

Denn: Fuß­ball ist viel mehr als die Bun­des­li­ga oder die Natio­nal­mann­schaft. Fuß­ball, das sind mehr als zwei Mil­lio­nen akti­ve Spie­le­rin­nen und Spie­ler in 145.000 Mann­schaf­ten in Deutsch­land, die der­zeit nicht zusam­men­kom­men dür­fen. Rund 0,07 Pro­zent aller Teams in Deutsch­land dür­fen aktu­ell spie­len. Weil Pro­fis dort ihrem Beruf nach­ge­hen. Weil sie damit ihren Lebens­un­ter­halt bestrei­ten und Arbeits­plät­ze in ihren Ver­ei­nen und den mit ihnen ver­bun­de­nen Fir­men und Bran­chen ret­ten. Dafür sind wir sehr dank­bar, das ist auch ein Privileg.

Der Fuß­ball ist eine Ein­heit, ein gemein­sa­mes Öko­sys­tem, in dem alle Berei­che mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Ver­schie­de­ne Inter­es­sen, unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven, kri­ti­scher Dis­kurs – all das ist nor­mal und auch wich­tig. Doch dabei müs­sen wir uns alle – Pro­fis und Ama­teu­re, Ver­ei­ne und Ver­bän­de –immer wie­der das Wich­tigs­te ver­ge­gen­wär­ti­gen: Es gibt nur einen Fuß­ball. Und gemein­sam sind wir am stärksten.

Der Pro­fi­fuß­ball erwirt­schaf­tet Gel­der, die dem Ama­teur­fuß­ball zugu­te­kom­men, auf die der Ama­teur­fuß­ball nicht ver­zich­ten kann. Umge­kehrt kom­men die Pro­fi­ver­ei­ne nicht ohne die rie­si­ge Ama­teur­ba­sis aus. Der Fuß­ball fußt auf einem star­ken Fun­da­ment, das unse­re fast 25.000 Ver­ei­ne und ihre mehr als sie­ben Mil­lio­nen Mit­glie­der bil­den. Bre­chen sie weg, bricht alles zusammen.

Wer Fuß­ball spielt, kann kämp­fen. Ohne Ein­satz gibt es kei­nen Erfolg. Des­halb wer­den wir auch die­se schwe­re Zeit über­ste­hen. Wir wis­sen, welch gra­vie­ren­de Ein­schnit­te unse­re Spieler*innen, Schiedsrichter*innen, Trainer*innen, unse­re vie­len ehren­amt­lich Enga­gier­ten hin­neh­men müs­sen. Den­noch las­sen sie den Kon­takt zuein­an­der nicht abrei­ßen und sind wei­ter­hin für­ein­an­der da. Ob durch gemein­sa­mes Online-Trai­ning, Ver­eins­tref­fen via Video­kon­fe­renz, Ein­zel­trai­ning oder auch als Ein­kaufs­hel­fer – auch die­se Sei­te haben wir gezeigt, wir haben mit vie­len Aktio­nen ange­packt, schwä­che­ren Mit­men­schen aus Risi­ko­grup­pen wie selbst­ver­ständ­lich unter die Arme gegrif­fen. Dafür möch­ten wir Ihnen und Euch allen aus­drück­lich dan­ken. Euer Enga­ge­ment ver­dient die höchs­te Wert­schät­zung, dar­auf dürft Ihr mäch­tig stolz sein!

Zusam­men mit wei­te­ren Ver­bän­den nicht nur aus dem Sport, son­dern auch aus den Berei­chen Kul­tur und Gas­tro­no­mie prü­fen wir aktu­ell tech­ni­sche Lösun­gen für die Rück­kehr von Besucher*innen. Wir arbei­ten inten­siv an ver­schie­de­nen Kon­zep­ten, unter ande­rem an einer App zur Besucher*innensteuerung und ‑nach­ver­fol­gung für unse­re Amateurvereine.

Wir möch­ten Euch auch bit­ten, bei der gera­de gestar­te­ten Umfra­ge zur aktu­el­len Situa­ti­on des Ama­teur­fuß­balls und sei­ner Spieler*innen und Ehren­amt­ler mit­zu­ma­chen. Damit wir ein mög­lichst umfas­sen­des Bild bekom­men, um die wei­te­ren Schrit­te ange­hen zu können.


„In unse­ren Ver­ei­nen wer­den nicht nur Talen­te, Pro­fis und Natio­nal­spie­ler von mor­gen aus­ge­bil­det, son­dern vor allem Menschen“

Die gesam­te Gesell­schaft, alle Bran­chen seh­nen der­zeit Locke­run­gen her­bei. Sobald die­se im Fal­le wei­ter sin­ken­der Infek­ti­ons­zah­len und anlau­fen­der Imp­fun­gen mög­lich sind, müs­sen vor allem unse­re Kin­der und Jugend­li­chen auf die Plät­ze an der fri­schen Luft zurück­keh­ren dür­fen, zunächst zum Trai­ning, spä­ter wie­der im Spiel­be­trieb. Sie lei­den der­zeit beson­ders stark unter den aktu­el­len Ein­schrän­kun­gen, und die Fol­gen des Bewe­gungs­man­gels sind noch gar nicht abseh­bar. Freun­de beim Fuß­ball tref­fen, Spaß mit­ein­an­der haben – auch das fehlt, gera­de in Zei­ten von Wech­sel- und Distanz­un­ter­richt, was für vie­le Schüler*innen ein ech­ter Stress­fak­tor ist.

So, wie wir sonst kein Spiel trotz Rück­stand in der 90. Minu­te auf­ge­ben, so geben wir kein Kind und kei­nen Jugend­li­chen ver­lo­ren. Sie sind nicht nur die Zukunft des Fuß­balls, sie sind die Zukunft unse­rer Gesell­schaft. In unse­ren Ver­ei­nen wer­den nicht nur Talen­te, Pro­fis und Natio­nal­spie­ler von mor­gen aus­ge­bil­det, son­dern vor allem Men­schen. Die Gemein­schaft im Ver­ein prägt sie ein Leben lang, ver­mit­telt ihnen Wer­te, baut Vor­ur­tei­le ab, hält sie fit und gesund und gibt ihnen eine Heimat.

Die­se Hei­mat ist der­zeit vor allem Erin­ne­rung – und Sehn­sucht. Lasst uns wei­ter zusam­men durch­hal­ten, damit wir bald wie­der zusam­men­spie­len dür­fen. Lasst uns die Hoff­nung und vor allem die Chan­cen in den Mit­tel­punkt rücken: Sobald Sport mög­lich ist, kann der Fuß­ball, kön­nen wir gemein­sam wie­der Begeis­te­rung schaf­fen und damit ein Signal des Auf­bruchs setzen.

Herz­li­che Grüße,

Fritz Kel­ler

Dr. Rai­ner Koch

Weiterer Artikel

Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben zur Obe­ren Sand­stra­ße 20

Nächster Artikel

Die Suche beginnt

Ober­frän­ki­sches Wort des Jah­res 2021