Gestern hat der Bamberger Stadtrat beschlossen, den Schlachthof zu schließen. Wirtschaftlich sei er untragbar geworden. Etwa 170 Mitarbeitende verlieren ihre Arbeitsstelle.
Was sich letzte Woche bereits angekündigt hatte, ist nur Realität geworden. Gestern Abend (20. März) beschloss der Stadtrat nach vierstündiger Sitzung und, wie das Rathaus mitteilte, intensiven Beratung mit großer Mehrheit, die Geschäftsführung des Betriebs zu beauftragen, den Bamberger Schlachthof zu schließen. Bis zum 30. Juni soll dies geschehen. Die Entscheidung zur Schließung hätten sich die städtische Verwaltung und der Stadtrat nicht leicht gemacht, so die Mitteilung weiter.
Vorausgegangen war eine über ein Jahr laufende Analyse der wirtschaftlich angeschlagenen Situation, möglicher Zukunftsperspektiven, des Investitionsbedarfs und Fördermöglichkeiten sowie Gespräche mit möglichen Partnern. „Das Ergebnis war eindeutig“, sagte Oberbürgermeister Andreas Starke nach der Stadtratssitzung. „Der Schlachthof trägt sich wirtschaftlich unter den gegebenen Umständen nicht mehr und würde die Stadt als alleinige Gesellschafterin auf nicht absehbare Zeit finanziell erheblich belasten.“
Außerdem habe sich der Stadtrat auf die weitere Vorgehensweise geeinigt. So wurde die Verwaltung beauftragt, zur Prüfung alternativer Nutzungsmöglichkeiten für das Schlachthofareal zeitnah ein Interessensbekundungsverfahren vorzubereiten. Dazu gehöre auch, stadtinterne Lösungen näher zu untersuchen. Das Ziel soll sein, das Interessensbekundungsverfahren möglichst noch vor der Sommerpause 2024 durchzuführen.
Keine Perspektive
Die Diskussion im Stadtrat ging zudem auf weitere Aspekte ein, die mit einer Schließung des Schlachthofs einhergehen. Zum Beispiel die berufliche Zukunft von 165 dort arbeitenden Menschen, das Tierwohl der Schweine und Rinder aus der Region, die nun deutlich längere Anfahrtswege vor der Schlachtung haben, den Anspruch, einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten zu müssen, oder auch die Möglichkeiten, die sich durch ein freiwerdendes Grundstück mit denkmalgeschützten Gebäuden in guter Lage ergeben. „Es wurden alle Möglichkeiten und Optionen ausgelotet, um die seit 120 Jahren bestehende Einrichtung zu retten. Allerdings fehlte dafür eine gesicherte Perspektive, auf die sich für die nächsten Jahre bauen lässt“, fasste OB Starke die Sitzung zusammen.
Wirtschaftsreferent Stefan Goller sagte dazu: „Eine Fortführung des Schlachthofes Bamberg in der bestehenden Form wird unweigerlich zum Aufbau hoher Verluste führen. Zu erwarten sind sie in einer Bandbreite von mindestens 1,8 Millionen bis zu 4,7 Millionen Euro. Dabei sind die anstehenden Investitionen von bis zu zwölf Millionen Euro und die Gefahr, weitere Großkunden zu verlieren, noch gar nicht eingerechnet.“
Anatomie eines Falls
Rückblick: Als der Schlachthof im Jahr 2020 vom städtischen Regiebetrieb zu einer GmbH umgewandelt wurde, haben sich durch das „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ der damaligen Bundesregierung auch die betrieblichen Rahmenbedingungen geändert. Das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in Schlachthöfen ab dem Jahr 2021 bedeutete, dass viele Mitarbeitende, insbesondere die Lohnschlächter, die bislang bei externen Dienstleistern beschäftigt waren, vom Schlachthof Bamberg übernommen werden mussten. Es folgten weitere Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges, die erhebliche finanzielle Schwierigkeiten auslösten. „Schon damals musste die Stadt mit Krediten die Liquidität sichern“, erinnerte Wirtschaftsreferent Stefan Goller.
Im Lauf des Jahres 2022 habe sich der Betrieb, so die städtische Mitteilung weiter, mit Hilfe des neuen Geschäftsführers Julian Müller stabilisiert. Unter anderem wurden höhere Schlachtentgelte bei den Großkunden ausgehandelt und die erforderlichen Schlachtzahlen von rund 6.000 Schweinen und 850 Rindern pro Woche im Schnitt erreicht. Unter diesen Vorzeichen erhielten Stadtverwaltung und GmbH eineinhalb Jahre Zeit, um ein Zukunftskonzept für den Schlachthof zu entwickeln. Dies war bis zum Jahreswechsel 2023 //2024 noch nicht gelungen, als sich zu diesem Zeitpunkt die Lage des Betriebs plötzlich verschlechterte. So habe man die Entscheidung zur Zukunft des Schlachthofes vorziehen müssen.
Was war geschehen? Im Dezember 2023 sei es zu einem nicht vorhersehbaren Zahlungsausfall eines der beiden Großkunden im Rinderbereich gekommen. Damit die GmbH handlungsfähig bleiben konnte, sprang die Stadt ein und gewährte einen sogenannten Kontenkompensationskredit von 400.000 Euro. Durch den Wegfall des Großkunden fehlten in der Folge jedoch 350 bis 400 zu schlachtende Rinder pro Woche, um die Planzahlen zu erreichen. „Der verbleibende Großkunde im Bereich Rind hat uns mehrfach zugesichert, die fehlende Menge schnell zu kompensieren, dies allerdings nicht erfüllt“, sagte Geschäftsführer Müller. Die geringeren Schlachtzahlen bei den Rindern führten seitdem pro Woche zu einem Defizit von rund 40.000 Euro.
Viel Unsicherheit in der Branche
Hinzu kam, dass sich zeitgleich sogenannte Konzentrationsbestrebungen in der Branche bundesweit verschärft haben. Julian Müller sagte: „Eine seriöse Einschätzung über die zukünftige Ausrichtung der Fleisch- und Schlachtbranche in Deutschland ist unter den massiv geänderten Rahmenbedingungen unmöglich. Es besteht sogar das nicht geringe Risiko, dass weitere Großkunden den Schlachthof Bamberg verlassen, um auf eigene Schlachtkapazitäten auszuweichen.“
Vor diesem Hintergrund habe man bei den Verhandlungen mit den Großkunden keine weitere substantielle Erhöhung der Schlachtentgelte erzielen können. Höhere Einnahmen und langfristige Verträge seien jedoch für eine Fortführung des Schlachthofs notwendig und Voraussetzung, um die erforderlichen Investitionen in den nächsten Jahren tätigen zu können. So müssten zur Ertüchtigung der Schlachthof-Infrastruktur innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre rund 5 Millionen Euro investiert werden und perspektivisch weitere bis zu 7 Millionen Euro.
Auch von anderer Stelle blieb die erhoffte finanzielle Unterstützung aus. „Ende Februar 2024 stellten sowohl das bayerische Landwirtschaftsministerium als auch das Wirtschaftsministerium klar, dass eine Förderung des Freistaates für anstehende Investitionen am Schlachthof Bamberg aus bestehenden Programmen nicht möglich sei“, erklärte Stefan Goller. Der Anteil der öffentlichen Hand am Schlachthof dürfte dafür maximal bei 25 Prozent liegen, beträgt jedoch bei der Schlachthof Bamberg GmbH 100 Prozent. Eine Übernahme von 75 Prozent der Gesellschaftsanteile durch einen privaten Betreiber bezeichnete Goller angesichts der Marktlage zudem als „unrealistisch“.
Was geschieht mit der Belegschaft?
Während der Stadtratssitzung wurden auch alternative Betriebsszenarien, wie zum Beispiel eine komplette Aufgabe der Rinderschlachtung oder eine Verkleinerung des Schlachthofes durch einen entsprechenden Um- oder Neubau diskutiert. Müller und Goller machten jedoch deutlich, dass diese Ideen nicht zu wirtschaftlich tragfähigen Lösungen führen werden und mit unabsehbaren Risiken sowie weiteren Investitionen verbunden wären. Völlig utopisch erscheine zudem die Idee eines Neubaus auf der Grünen Wiese, für den es weder Grundstück noch Investoren gebe.
Der Stadtrat teilte am Ende mehrheitlich die Auffassung von Aufsichtsrat, Geschäftsführung und Verwaltung, dass es für eine Fortführung des Betriebes keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive gibt.
Die beschlossene Betriebsschließung trifft nun 165 Personen. 127 Mitarbeitende der GmbH, 12 Mitarbeitende, die von der Stadt Bamberg an die GmbH gestellt werden, und 26 Personen aus dem Sachgebiet Veterinärwesen im Ordnungsamt der Stadt Bamberg verlieren ihre Arbeitsstelle. Mit ihnen sollen nun zeitnah Gespräche geführt werden mit dem Ziel, eine Weiterbeschäftigung individuell auszuloten. Wenngleich wohl nicht allen betroffenen Mitarbeitenden eine weitere Beschäftigung angeboten werden kann, „ist jedoch zu erwarten, dass in der Fleischbranche ein hoher Bedarf an Personal bei den umliegenden fleischverarbeitenden Betrieben besteht“, sagte Müller. Bei der Vermittlung und Ausarbeitung von Angeboten sicherte Müller zudem seine persönliche Unterstützung zu.