Gestern hat der Bamberger Stadtrat beschlossen, den Schlachthof zu schließen. Wirtschaftlich sei er untragbar geworden. Etwa 170 Mitarbeitende verlieren ihre Arbeitsstelle.
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Ende nach 120 Jahren
Stadtrat beschließt: Schlachthof Bamberg wird geschlossen
Gestern hat der Bamberger Stadtrat beschlossen, den Schlachthof zu schließen. Wirtschaftlich sei er untragbar geworden. Etwa 170 Mitarbeitende verlieren ihre Arbeitsstelle.
Was sich letzte Woche bereits angekündigt hatte, ist nur Realität geworden. Gestern Abend (20. März) beschloss der Stadtrat nach vierstündiger Sitzung und, wie das Rathaus mitteilte, intensiven Beratung mit großer Mehrheit, die Geschäftsführung des Betriebs zu beauftragen, den Bamberger Schlachthof zu schließen. Bis zum 30. Juni soll dies geschehen. Die Entscheidung zur Schließung hätten sich die städtische Verwaltung und der Stadtrat nicht leicht gemacht, so die Mitteilung weiter.
Vorausgegangen war eine über ein Jahr laufende Analyse der wirtschaftlich angeschlagenen Situation, möglicher Zukunftsperspektiven, des Investitionsbedarfs und Fördermöglichkeiten sowie Gespräche mit möglichen Partnern. „Das Ergebnis war eindeutig“, sagte Oberbürgermeister Andreas Starke nach der Stadtratssitzung. „Der Schlachthof trägt sich wirtschaftlich unter den gegebenen Umständen nicht mehr und würde die Stadt als alleinige Gesellschafterin auf nicht absehbare Zeit finanziell erheblich belasten.“
Außerdem habe sich der Stadtrat auf die weitere Vorgehensweise geeinigt. So wurde die Verwaltung beauftragt, zur Prüfung alternativer Nutzungsmöglichkeiten für das Schlachthofareal zeitnah ein Interessensbekundungsverfahren vorzubereiten. Dazu gehöre auch, stadtinterne Lösungen näher zu untersuchen. Das Ziel soll sein, das Interessensbekundungsverfahren möglichst noch vor der Sommerpause 2024 durchzuführen.
Keine Perspektive
Die Diskussion im Stadtrat ging zudem auf weitere Aspekte ein, die mit einer Schließung des Schlachthofs einhergehen. Zum Beispiel die berufliche Zukunft von 165 dort arbeitenden Menschen, das Tierwohl der Schweine und Rinder aus der Region, die nun deutlich längere Anfahrtswege vor der Schlachtung haben, den Anspruch, einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten zu müssen, oder auch die Möglichkeiten, die sich durch ein freiwerdendes Grundstück mit denkmalgeschützten Gebäuden in guter Lage ergeben. „Es wurden alle Möglichkeiten und Optionen ausgelotet, um die seit 120 Jahren bestehende Einrichtung zu retten. Allerdings fehlte dafür eine gesicherte Perspektive, auf die sich für die nächsten Jahre bauen lässt“, fasste OB Starke die Sitzung zusammen.
Wirtschaftsreferent Stefan Goller sagte dazu: „Eine Fortführung des Schlachthofes Bamberg in der bestehenden Form wird unweigerlich zum Aufbau hoher Verluste führen. Zu erwarten sind sie in einer Bandbreite von mindestens 1,8 Millionen bis zu 4,7 Millionen Euro. Dabei sind die anstehenden Investitionen von bis zu zwölf Millionen Euro und die Gefahr, weitere Großkunden zu verlieren, noch gar nicht eingerechnet.“
Anatomie eines Falls
Rückblick: Als der Schlachthof im Jahr 2020 vom städtischen Regiebetrieb zu einer GmbH umgewandelt wurde, haben sich durch das „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ der damaligen Bundesregierung auch die betrieblichen Rahmenbedingungen geändert. Das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in Schlachthöfen ab dem Jahr 2021 bedeutete, dass viele Mitarbeitende, insbesondere die Lohnschlächter, die bislang bei externen Dienstleistern beschäftigt waren, vom Schlachthof Bamberg übernommen werden mussten. Es folgten weitere Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges, die erhebliche finanzielle Schwierigkeiten auslösten. „Schon damals musste die Stadt mit Krediten die Liquidität sichern“, erinnerte Wirtschaftsreferent Stefan Goller.
Im Lauf des Jahres 2022 habe sich der Betrieb, so die städtische Mitteilung weiter, mit Hilfe des neuen Geschäftsführers Julian Müller stabilisiert. Unter anderem wurden höhere Schlachtentgelte bei den Großkunden ausgehandelt und die erforderlichen Schlachtzahlen von rund 6.000 Schweinen und 850 Rindern pro Woche im Schnitt erreicht. Unter diesen Vorzeichen erhielten Stadtverwaltung und GmbH eineinhalb Jahre Zeit, um ein Zukunftskonzept für den Schlachthof zu entwickeln. Dies war bis zum Jahreswechsel 2023 //2024 noch nicht gelungen, als sich zu diesem Zeitpunkt die Lage des Betriebs plötzlich verschlechterte. So habe man die Entscheidung zur Zukunft des Schlachthofes vorziehen müssen.
Was war geschehen? Im Dezember 2023 sei es zu einem nicht vorhersehbaren Zahlungsausfall eines der beiden Großkunden im Rinderbereich gekommen. Damit die GmbH handlungsfähig bleiben konnte, sprang die Stadt ein und gewährte einen sogenannten Kontenkompensationskredit von 400.000 Euro. Durch den Wegfall des Großkunden fehlten in der Folge jedoch 350 bis 400 zu schlachtende Rinder pro Woche, um die Planzahlen zu erreichen. „Der verbleibende Großkunde im Bereich Rind hat uns mehrfach zugesichert, die fehlende Menge schnell zu kompensieren, dies allerdings nicht erfüllt“, sagte Geschäftsführer Müller. Die geringeren Schlachtzahlen bei den Rindern führten seitdem pro Woche zu einem Defizit von rund 40.000 Euro.
Viel Unsicherheit in der Branche
Hinzu kam, dass sich zeitgleich sogenannte Konzentrationsbestrebungen in der Branche bundesweit verschärft haben. Julian Müller sagte: „Eine seriöse Einschätzung über die zukünftige Ausrichtung der Fleisch- und Schlachtbranche in Deutschland ist unter den massiv geänderten Rahmenbedingungen unmöglich. Es besteht sogar das nicht geringe Risiko, dass weitere Großkunden den Schlachthof Bamberg verlassen, um auf eigene Schlachtkapazitäten auszuweichen.“
Vor diesem Hintergrund habe man bei den Verhandlungen mit den Großkunden keine weitere substantielle Erhöhung der Schlachtentgelte erzielen können. Höhere Einnahmen und langfristige Verträge seien jedoch für eine Fortführung des Schlachthofs notwendig und Voraussetzung, um die erforderlichen Investitionen in den nächsten Jahren tätigen zu können. So müssten zur Ertüchtigung der Schlachthof-Infrastruktur innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre rund 5 Millionen Euro investiert werden und perspektivisch weitere bis zu 7 Millionen Euro.
Auch von anderer Stelle blieb die erhoffte finanzielle Unterstützung aus. „Ende Februar 2024 stellten sowohl das bayerische Landwirtschaftsministerium als auch das Wirtschaftsministerium klar, dass eine Förderung des Freistaates für anstehende Investitionen am Schlachthof Bamberg aus bestehenden Programmen nicht möglich sei“, erklärte Stefan Goller. Der Anteil der öffentlichen Hand am Schlachthof dürfte dafür maximal bei 25 Prozent liegen, beträgt jedoch bei der Schlachthof Bamberg GmbH 100 Prozent. Eine Übernahme von 75 Prozent der Gesellschaftsanteile durch einen privaten Betreiber bezeichnete Goller angesichts der Marktlage zudem als „unrealistisch“.
Was geschieht mit der Belegschaft?
Während der Stadtratssitzung wurden auch alternative Betriebsszenarien, wie zum Beispiel eine komplette Aufgabe der Rinderschlachtung oder eine Verkleinerung des Schlachthofes durch einen entsprechenden Um- oder Neubau diskutiert. Müller und Goller machten jedoch deutlich, dass diese Ideen nicht zu wirtschaftlich tragfähigen Lösungen führen werden und mit unabsehbaren Risiken sowie weiteren Investitionen verbunden wären. Völlig utopisch erscheine zudem die Idee eines Neubaus auf der Grünen Wiese, für den es weder Grundstück noch Investoren gebe.
Der Stadtrat teilte am Ende mehrheitlich die Auffassung von Aufsichtsrat, Geschäftsführung und Verwaltung, dass es für eine Fortführung des Betriebes keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive gibt.
Die beschlossene Betriebsschließung trifft nun 165 Personen. 127 Mitarbeitende der GmbH, 12 Mitarbeitende, die von der Stadt Bamberg an die GmbH gestellt werden, und 26 Personen aus dem Sachgebiet Veterinärwesen im Ordnungsamt der Stadt Bamberg verlieren ihre Arbeitsstelle. Mit ihnen sollen nun zeitnah Gespräche geführt werden mit dem Ziel, eine Weiterbeschäftigung individuell auszuloten. Wenngleich wohl nicht allen betroffenen Mitarbeitenden eine weitere Beschäftigung angeboten werden kann, „ist jedoch zu erwarten, dass in der Fleischbranche ein hoher Bedarf an Personal bei den umliegenden fleischverarbeitenden Betrieben besteht“, sagte Müller. Bei der Vermittlung und Ausarbeitung von Angeboten sicherte Müller zudem seine persönliche Unterstützung zu.
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Schlachthof: Aufsichtsrat empfiehlt Schließung
Der Aufsichtsrat des Bamberger Schlachthofs hat dem Stadtrat empfohlen, den Betrieb des Unternehmens zu schließen. Dies sei wirtschaftlich unumgänglich.
Dem Schlachthof Bamberg fehlen seit dem Jahreswechsel rund 350 Rinder pro Woche, was einem wöchentlichen Defizit von rund 40.000 Euro entspricht. Berichte und Analysen über diese jüngsten Entwicklungen, so das Rathaus in einer Mitteilung, haben den Aufsichtsrat der GmbH nun mehrheitlich überzeugt. Demnach bestehe keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive zur Fortführung des Betriebs. Deshalb sah sich das Gremium am Freitag (9. März) veranlasst, dem Stadtrat die Einstellung des Geschäftsbetriebes zu empfehlen.
„Das Gremium hat folgerichtig festgestellt“, sagte Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Starke, „dass nun der Stadtrat als Vertreter des Gesellschafters in der Vollsitzung am 20. März die unvermeidlichen Konsequenzen ziehen muss.“ So soll der Stadtrat am 20. März zur Zukunft des Schlachthofes Bamberg entscheiden. Offen bleibe der Zeitrahmen für die Schließung, der unter anderem von Verträgen mit den Kunden abhängt. Außerdem will man „verantwortungsvoll und sensibel die Interessen der Belegschaft“ in den Blick nehmen, so der Geschäftsführer Julian Müller.
In der zweiten Schlachthof-Aufsichtsratssitzung innerhalb von acht Tagen legten die Mitglieder laut Rathaus-Mitteilung großen Wert auf eine sorgfältige Bewertung der Lage und möglicher Optionen für die Zukunft. Auch hätten sie sich erste Konzepte für einen alternativen Schlachthof-Betrieb und für eine grundsätzlich andere Nutzung des Areals präsentieren lassen. „Ein wirtschaftlicher Betrieb ohne ausreichende Schlachtmengen der Großkunden ist aber nicht darstellbar“, sagte Julian Müller. Wegen der vorhandenen Infrastruktur und der hohen Umbaukosten wäre auch eine Verkleinerung nicht zielführend.
„Höchst unsicheres Marktumfeld“
Bambergs Wirtschaftsreferent Stefan Goller wies zudem darauf hin, dass nicht nur die aktuell fehlende Liquidität problematisch sei. Auch eine Perspektive zur Finanzierung notwendiger Investitionen durch Fördermittel des Freistaates Bayern oder durch eine Beteiligung umliegender Landkreise fehle. „Sollte sich der Stadtrat dennoch dafür entscheiden“, sagte Goller, „diese Investitionen weitgehend alleine zu stemmen, dann muss die Politik wissen, dass man sich über mehrere Jahre in einem höchst unsicheren Marktumfeld bewegt. Das kann ich nicht empfehlen.“
Am Ende seiner Sitzung kam der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass die Einstellung des Geschäftsbetriebes unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unumgänglich ist. Den Aufsichtsräten sei dabei besonders wichtig gewesen, dass die Sorgen der rund 165 Mitarbeitenden am Schlachthof besonders berücksichtigt werden. Sie beauftragten deshalb die Geschäftsführung, im Fall der Schließung „die berechtigten Interessen der Belegschaft zu wahren und gemeinsam mit der Stadtverwaltung alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen und zu unterstützen“.
Auch für Oberbürgermeister Starke sei das ein wichtiges Anliegen. „Wir kommunizieren hier offen und zeitnah mit den Menschen, die den Betrieb aktuell am Laufen halten“, sagte er, „und wollen ihnen nach Möglichkeit auch eine Perspektive für eine Weiterbeschäftigung bei der Stadt bieten.“
Investitionen, Machbarkeit, Alternativen
Schlachthof Bamberg: Stadt prüft mehrere Zukunfts-Varianten
Die Stadt Bamberg prüft derzeit, wie es mit dem wirtschaftlich angeschlagenen Schlachthof Bamberg weitergehen könnte. Im Raum stehen Investitionen, eine Machbarkeitsstudie für den Fall der Schließung und alternative Nutzungsmöglichkeiten.
Welche Zukunft hat der Schlachthof Bamberg? Mit dieser Frage beschäftigen sich laut einer Mitteilung des Rathauses die Geschäftsführung des städtischen Tochterunternehmens und das Wirtschaftsreferat, um dem Stadtrat im Sommer eine Grundlage für eine Entscheidung liefern zu können. „Wir verfolgen dabei mehrere Varianten“, sagte Oberbürgermeister Andreas Starke. „Erstens klären wir, welche Investitionen für eine Fortführung der Einrichtung nötig sind. Zweitens beraten wir eine Machbarkeitsstudie zur alternativen Nutzung des Areals, falls der Betrieb aufgegeben werden muss. Drittens gibt es neuerdings auch sorgfältige Gespräche mit neuen Interessenten für eine mögliche Nachnutzung des Schlachthofgeländes.“
Bereits im vergangenen Jahr haben Schlachthof-Geschäftsführer Julian Müller und Wirtschaftsreferent Stefan Goller erarbeitet, was in die Technik und in die Immobilien investiert werden müsse. Dies wird, so die Mitteilung weiter, momentan aktualisiert.
„Derzeit stehen wir außerdem in intensiven Verhandlungen mit den beiden Großkunden. Diese müssen einen nachhaltigen und wirtschaftlichen Beitrag leisten“, sagte Goller. Auch liefen Gespräche mit der bayerischen Staatsregierung über Fördermittel für die notwendigen Investitionsmaßnahmen. Außerdem wurde eine Arbeitsgruppe zwischen Stadt und Landkreis Bamberg gegründet, um zu klären, ob und in welcher Form sich auch der Landkreis Bamberg künftig am Betrieb des Schlachthofs beteiligen kann.
Parallel dazu schreiten allerdings auch die Überlegungen voran, wie das Gelände und die 14 Einzelbauten bei einer Schließung des Schlachthofs genutzt werden könnten. Eine Machbarkeitsstudie soll es richten und aufzeigen, welche Entwicklungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen für eine alternative Nutzung des Areals bestehen.
„IRODIMA“ und „D+W“ melden Interesse an
Interesse an solche einer alternativen Nutzung haben unterdessen die Firmen „IRODIMA“ und „Denscheilmann + Wellein“ angemeldet. Sie wollen mit einem sogenannten „Food Campus“ Start-ups und Unternehmen ein Umfeld sowie Infrastruktur bieten, neue Lebensmittel zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten.
„Die Transformation des Schlachthofes zu einem Ort, an dem Unternehmen gemeinsam mit regionalen Erzeugern an der Zukunft gesunder Ernährung arbeiten, ist für uns ein zeitgemäßer Beitrag zur Lösung der allgegenwärtigen Problemstellungen bei Landwirtschaft, Gesundheit und Klimaschutz“, sagte Friedrich Büse, Geschäftsführer von „IRODIMA“. „Zudem schaffe ein solcher Campus neue Perspektiven für die regionale Landwirtschaft und die Gärtnerstadt, ergänzte Johannes Weigand, Mitinhaber von „Denscheilmann + Wellein“.
Zwischen der Stadt und den beiden Firmen haben laut Rathaus bereits erste Gespräche stattgefunden. Diese Gespräche sollen weitergeführt werden mit dem Ziel, das Konzept eines „Food Campus“ zu konkretisieren und sie dem Stadtrat im Sommer ebenfalls zu präsentieren.
„Wir freuen uns über das Interesse dieser Unternehmensgruppe aus der zukunftsträchtigen Lebensmittelbranche“, sagte Oberbürgermeister Starke dazu. „Diese Möglichkeit ist eine von mehreren Optionen, die von uns sorgfältig aufgeschlossen und gründlich geprüft wird. Sobald Ergebnisse vorliegen, werden der Aufsichtsrat und der Stadtrat und damit die Öffentlichkeit unverzüglich informiert.“
Zustimmung kam für den Campus kam bereits von Starkes Regierungspartner, den Bamberger Grünen. „Eine Niederlassung aus diesem Bereich mit dem Schwerpunkt Forschung in der sich stark wandelnden Lebensmittelbranche wird die Attraktivität unserer Stadt als zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort beachtlich steigern“, sagte Fraktionsvorsitzender Christian Hader.
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Grüne Stadtratsfraktion
Erlwein-Quartier: Vorschlag erhält Zuspruch
Positive Resonanz erhielt die grüne Stadtratsfraktion für ihren Vorschlag, das Schlachthofgelände zu einem „Erlwein-Quartier“ zu entwickeln. Den Schlachthof von der Firma Tönnies führen zu lassen, kommt für die Fraktion unterdessen nicht in Frage.
Der Bamberger Schlachthof hat wirtschaftliche Probleme und kann nicht mehr so weiterlaufen wie bisher. Die Bamberger Grünen haben gestern in einer Mitteilung bekanntgegeben, die „Realität“ anzuerkennen, dass der Schlachthof keine wirtschaftliche Zukunft hat. Stattdessen solle unter dem Namen „Erlwein-Quartier“ auf dem Areal ein sogenanntes „Urbanes Gebiet“ geplant werden, das ein Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten, Freizeit, kulturellen und sozialen Einrichtungen erlaubt.
„Viele positive Rückmeldungen aus der Zivilgesellschaft haben wir für das „Erlwein-Quartier“ bekommen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Christian Hader einige Tage nach dem Start der Homepage. Auch aus der Bamberger Wirtschaft, die vielfach über Gewerbeflächenmangel klage, sei Zuspruch eingegangen. „Wir haben Rückmeldungen von Betrieben erhalten, die sich an dem Transformationsprozess beteiligen wollen. Nicht zuletzt für den Erhalt von Arbeitsplätzen ist das ein sehr gutes Signal, und wir wollen unsere heimische Wirtschaft hier bestmöglich unterstützen.“
Grünes „Nein“ zu Tönnies
Indessen bekräftigte Haders Kollegin Ulrike Sänger die grüne Position nach der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrats der Schlachthof GmbH, in dem sie ihre Fraktion vertritt. „Ein industrieller Großschlachthof unter der Führung der Firma Tönnies kommt für uns nicht in Frage.“
Entsprechend habe sie sich als Aufsichtsrat, wie alle anderen Aufsichtsräte auch, gegen eine Übernahme durch Tönnies ausgesprochen. Der Einfluss des Konzerns ist laut Sänger und Hader jedoch schon jetzt derart bestimmend geworden, dass die Schlachthof GmbH weit von einem lokal oder regional orientierten Betrieb entfernt ist.
Erschwerend komme aus Ulrike Sängers Sicht hinzu, dass es rund um die Firma Tönnies immer wieder Skandale gäbe. Als Beispiel führte sie die jüngsten Vorwürfe an, Tönnies verarbeite ohne die verpflichtende Kennzeichnung sogenanntes Separatorenfleisch. Dabei handelt es sich um eine breiartige Masse aus Fleischresten.
Für die Grünen sei deshalb auch klar, dass für den Schlachthof kein weiteres Steuergeld verwendet werden dürfe. „Es ist nicht die Aufgabe der Bambergerinnen und Bamberger, die Firma Tönnies mit Steuermitteln zu subventionieren“, so Hader.
Das Ende des Schlachthofs in der jetzigen Form müsse dabei keineswegs zwangsläufig das Ende von Nutztier-Schlachtung im Raum Bamberg bedeuten, betonten Hader und Sänger weiter. Kreative Lösungsvorschläge wurden auch hier in die von den Grünen initiierte Debatte eingebracht. So könne man sich etwa einen genossenschaftlichen Betrieb ansässiger Metzgereien und Bauernhöfe oder einen Zweckverband aus Stadt und Landkreis vorstellen. „Nur wenn wir uns von Tönnies loslösen, können regionale Modelle in den Vordergrund treten“, sagten Sänger und Hader.
Aufsichtsratssitzung
Schlachthof Bamberg: Keine Verpachtung an Großkunden
Der Schlachthof Bamberg hat wirtschaftliche Probleme. Ihn zu deren Lösung an einen Großkunden zu verpachten, hat der Aufsichtsrat aber nun ausgeschlossen.
Der Schlachthof Bamberg soll nicht an einen Großkunden verpachtet werden. Diese Entscheidung des Aufsichtsrats hat die Stadt Bamberg am Mittwoch, 22. Juni, in einer Mitteilung bekanntgegeben. In einer zweieinhalbstündigen Sitzung hatte sich das Gremium mit der aktuellen Situation bei der Schlachthof Bamberg GmbH auseinandergesetzt. „Am Ende hat sich, wie von mir eingefordert, ein klares Meinungsbild ergeben. Daran können sich sowohl die GmbH als auch die Verwaltung der Stadt Bamberg beim weiteren Vorgehen orientieren“, erklärte Aufsichtsratsvorsitzender und Oberbürgermeister Andreas Starke.
Zu Beginn der Sitzung hatten Interims-Geschäftsführer Julian Schulz und Wirtschaftsreferent Dr. Stefan Goller einen Überblick über die aktuelle Situation gegeben. Diese stelle sich in der gesamten Branche als sehr schwierig dar. Die grundsätzlichen Probleme, mit denen der Schlachthof Bamberg zu kämpfen habe, seien vielseitig. Ein verändertes Konsumverhalten, die afrikanische Schweinpest und die Corona-Pandemie hätten genauso Auswirkungen wie der Ukraine-Kriege und Personalkosten bei ausbleibenden Schlachtungen.
„Das sind die wahren Gründe für die Krise“, sagte OB Starke. Zusätzlich würden sich nun auch die öffentlichen Diskussionen um die Zukunft des Betriebs negativ auswirken. So sei es nach dem Bekanntwerden der Situation zu einer höheren Zahl an Kündigungen in den vergangenen sechs Wochen gekommen.
Gespräche mit Großkunden, ja – Verpachtung, nein
Schulz und Goller berichteten in der Aufsichtsratssitzung auch von ersten Gesprächen mit den Großkunden Tönnies und Vion. Diese seien mit dem Ziel geführt worden, den Schlachthof langfristig mit einer „schwarzen Null“ betreiben zu können.
Hier bestehe grundsätzlich die Bereitschaft, weiterhin in Bamberg schlachten zu lassen und dafür bestehende Vereinbarungen anzupassen. Weiteren Modellen, wie etwa eine Verpachtung an Großkunden, erteilte der Aufsichtsrat aber eine klare Absage. „Es ist ganz klar: Wenn der Schlachthof weiter existieren soll, bleibt er in städtischer Hand“, fasst Andreas Starke die Überzeugung aller Aufsichtsräte zusammen.
Zusätzlich beauftrage der Aufsichtsrat einstimmig die Schlachthof-Geschäftsführung damit, die Preisverhandlungen mit den beiden Großkunden in enger Abstimmung mit der Stadt Bamberg zu führen. In die Verhandlungen sei zudem auch die Bamberger Fleischer-Innung einzubinden. Diese habe Interesse an einem eigenen Betrieb des Schlachthofs angemeldet.
Gründe der schwierigen Situation
Wirtschaftliche Probleme im Schlachthof Bamberg
Der Schlachthof Bamberg hat wirtschaftliche Schwierigkeiten. Forderungen nach Schließung wurden zuletzt laut. Seine Geschäftsführung und der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Starke informierten nun das Personal über die derzeitige Situation und ihre Gründe. Mittlerweile wurden auch Verhandlungen mit einem Großkonzern begonnen.
Die schwierige wirtschaftliche Lage der Schlachthof Bamberg GmbH hat unterschiedliche Gründe. Geschäftsführer Jan Werle-Emler fasste die wichtigsten Ursachen bei einer Betriebsversammlung diese Woche zusammen.
Die Corona-Pandemie habe das wirtschaftliche Ergebnis massiv belastet. Im Jahr 2021 hätten Prävention und Bekämpfung der Pandemie zu großen Mehraufwendungen geführt. Nach positiven Tests in der Belegschaft sei es insgesamt mehr als fünf Wochen lang zu personellen Ausfällen an den Schlachtlinien gekommen. Die Zahl der Rinder-Schlachtungen sei entsprechend zurückgegangen. Auch im laufenden Jahr seien die Auswirkungen von Corona noch zu spüren. Diese hohen Einnahmenverluste hätten wesentlich die schlechten Ergebnisse in den Jahren 2020 und 2021 verursacht.
Als zweiten Grund nannte Werle-Emler den Ukraine- Krieg. Dieser habe die Preise für Rohstoffe und Energie in kürzester Zeit enorm steigen lassen. Futtermittel sei teurer geworden und in der Folge hätten sich auch die Einkaufspreise für Schweine und Rinder nahezu verdoppelt. Auf der anderen Seite könne man die vertraglich zugesicherten Lieferpreise für Fleisch nicht mehr einhalten. Somit sei auch für 2022 keine Besserung der wirtschaftlichen Lage im Bamberger Schlachthof in Sicht.
Außerdem verhindere die Afrikanische Schweinepest Exporte. Im September 2020 wurde die Krankheit in Brandenburg erstmals in Deutschland bestätigt. Das Virus befällt und tötet ausschließlich Haus- und Wildscheine. Viele Nicht-EU-Länder haben infolgedessen ein Export-Verbot für deutsches Schweinefleisch ausgesprochen. Dies ließ wiederum die Schlachtzahlen bundesweit sinken. Auch Bamberg sei davon betroffen.
Den vierten Grund für die Situation im Schlachthof machte Jan Werle-Emler im geänderten Konsum-Verhalten, das den Markt schrumpfen lasse, aus. Allgemein sei der Fleischkonsum seit dem Jahr 2018 deutlich rückläufig. Haben die Deutschen in den zwei Jahrzehnten zuvor pro Kopf rund 61 Kilogramm Fleisch im Jahr verzehrt, so sank dieser Wert bis 2021 auf 55 Kilogramm. Es sei davon auszugehen, dass sich dieser Trend, der sich auch in Bamberg niederschlage, weiter anhalte.
Fragen der Belegschaft
Dann konnte die Belegschaft Fragen und Diskussionsbeiträge einbringen. Oberbürgermeister Andreas Starke, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Schlachthof GmbH ist, bedankte sich für die Rückmeldungen und betonte: „Mir ist auch sehr wichtig, den Stimmen der Belegschaft in weiteren Verlauf Gehör zu verschaffen. Jeder Arbeitsplatz ist wichtig. Es ist das Ziel unserer gemeinsamen Anstrengung, auch die Anliegen der Belegschaft im weiteren Verfahren zu berücksichtigen“
Am Ende der Betriebsversammlung sicherte der Oberbürgermeister den Anwesenden zu, den Dialog fortzusetzen und zu einer weiteren Versammlung einzuladen, sobald konkrete Ergebnisse erarbeitet worden seien.
Verhandlungen mit Tönnies
Mittlerweile hat die Stadt Bamberg Verhandlungen über eine Zusammenarbeit mit dem, immer wieder in der Kritik stehenden, Fleisch-Groß-Produzenten Tönnies begonnen. Der Auftakt sei gut gewesen sagte Andreas Starke – in der kommenden Woche wolle man die Verhandlungen fortsetzen.