Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat am Freitag bei einer Pressekonferenz in München darauf hingewiesen, dass der Bund endlich die offenen
... weiter
Gesundheitsminister Holetschek sieht Bund in der Pflicht, Fragen zum Vollzug zu klären
Einrichtungsbezogene Impfpflicht noch nicht praxistauglich
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat am Freitag bei einer Pressekonferenz in München darauf hingewiesen, dass der Bund endlich die offenen Fragen zum Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht klären müsse. In der derzeitigen Form sei die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch nicht praxistauglich, es fehlten noch klar Vorgaben.
Der Minister betonte, dass Bayern natürlich zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht stehe, die – immer nur als erster Schritt gedacht – in eine allgemeine Impfpflicht münden müsse. „Klar ist aber: Im Vollzug und besonders bei der Kontrolle, selbst bei der Frage der betroffenen Einrichtungen und Personen – hier hat der Bund versagt, uns genaue, nachvollziehbare und vor allem einfache Vorgaben zu machen. In dieser diffusen Form ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht praxistauglich. Schon in der Gesundheitsministerkonferenz im Januar waren sich alle Länder einig, dass es sowohl Umsetzungszeiten als auch klare Antworten des Bundes braucht.“
Der Minister ergänzte, das Bundesverfassungsgericht habe einen Eilantrag zum vorläufigen Aussetzen des Vollzugs der einrichtungsbezogenen Impfpflicht abgelehnt. Es habe aber ausdrücklich auf verfassungsrechtliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) hingewiesen und klar gesagt, dass § 20a IfSG verfassungsrechtliche Schwachstellen aufweist. „Dies betrifft vor allem die Frage, ab wann jemand genesen oder vollständig geimpft ist und der Impfpflicht nach § 20a IfSG unterliegt und ab wann er seinen Impfschutz wieder verliert. Das sind zentrale Fragen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht! Damit bestätigt das Gericht, dass es Mängel beziehungsweise Zweifelsfragen an dem Gesetz gibt. Die Entscheidung zeigt deutlich, was wir in Bayern nunmehr seit Wochen anmahnen: Wir müssen auf ganz festem Grund stehen bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und vor allem auch bei der Umsetzung des Gesetzes. Der Gesetzgeber ist gut beraten, die Zweifel des Bundesverfassungsgerichts auszuräumen und die handwerklichen Fehler zu beseitigen. Und das ist, wie der Ministerpräsident angesprochen hat, nun gemeinsame Aufgabe aller. Unsere Aufgabe ist es, die Zeit zu nutzen, offene Fragen zu adressieren, um das Gesetz wasserdicht und umsetzungsstark zu machen. Ich werde das am kommenden Montag bei der GMK wieder ansprechen.“
Christian Bernreiter, der Präsident des Bayerischen Landkreistags sagte, seit zwei Jahren arbeiteten die Gesundheitsämter am Limit! Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht komme eine weitere massive Belastung auf sie zu. „Die Verfahren dürften sich über Wochen bis in den Sommer hinziehen, zumal es an zusätzlichem qualifizierten Personal für die notwendigen Einzelfallentscheidungen fehlt. Gleichzeitig lässt der Bund die Gesundheitsämter mit den Vollzugsfragen völlig allein. Diese haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ist es besser, eine ungeimpfte Pflegekraft arbeiten zu lassen oder zu riskieren, dass hilfebedürftige Menschen nicht mehr ausreichend versorgt werden? Wir haben unseren Ministerpräsidenten eindringlich um Hilfe gebeten, damit der ungeregelte Vollzug dieses Gesetzes nicht zu Chaos führt.“ Der Bundesgesundheitsminister müsse Farbe bekennen und über Vollzugshinweise schleunigst für eine einheitliche Handhabung sorgen. Der alleinige Verweis auf geltendes Recht löse die massiven Probleme vor Ort nicht! „Wir erwarten von der Bundesregierung umgehend eine Lösung“, so Bernreiter.
Holetschek pocht auf konkrete Vorgaben des Bundes
„Im schlimmsten Fall könnten auf die Ämter 100.000 Einzelfallprüfungen in Bayern zukommen. Natürlich hoffen wir, dass sich noch einige überzeugen lassen oder auf die Impfangebote mit Novavax setzen. Aber klar ist: Wir brauchen einen einfachen und strukturierten Prozess, den der Bund verbindlich vorgeben muss und einen digitalen, einheitlichen Meldeweg an die Gesundheitsämter. Sonst droht den Gesundheitsämtern eine nicht zu bewältigende Flut unstrukturierter Benachrichtigungen“, so Klaus Holetschek.
Der Minister ergänzte, wenn zu den normalen Krankheitsausfällen noch Beschäftigungsverbote kämen, drohten massive Versorgungsengpässe. „Der Bund hat aber nicht klargestellt: Anhand welcher Kriterien sollen die Gesundheitsämter entscheiden, ob und wenn ja, welches ungeimpfte Personal weiterarbeiten darf? Wie sollen sie bewerten, ob die Versorgung weiterhin sichergestellt ist? Man muss sich das ganz plastisch vor Augen führen: Wenn eine freiberufliche Hebamme ausfällt, wer betreut die Schwangeren und Gebärenden an ihrer Stelle? Wie sollen Gesundheitsämter beurteilen, ob bei der drohenden Schließung einer Arztpraxis durch ein Beschäftigungsverbot für ungeimpfte Medizinische Fachangestellte die Versorgungssicherheit vor Ort gefährdet ist? Und ab welchem Grad an Ausfällen sind die Rettungsdienste in ihrer Einsatzfähigkeit gefährdet? All das ist unklar: Daher pochen wir auf ganz konkrete Vorgaben des Bundes.“
Barbara Stamm, Vorsitzende des Landesverbands Bayern der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, betonte: „Es sind noch viel zu viele Fragen ungeklärt. Das schafft große Unruhe in den Lebenshilfe-Einrichtungen vor Ort und verunsichert die Mitarbeitenden ebenso wie die Leitungsebene enorm. Klar ist: Impfen ist der entscheidende Weg aus der Pandemie. Deswegen muss, wie schon von Beginn an von der Lebenshilfe gefordert, auf eine einrichtungsbezogene auch rasch eine allgemeine Impfpflicht folgen.“
„Neben ernstzunehmenden juristischen Bedenken stellen wir auch die Wirkungskraft einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht – jedenfalls für Einrichtungen des Bayerischen Roten Kreuzes – in Frage, wenn nicht eine allgemeine Impfpflicht darauffolgt“, äußerte sich Leonhard Stärk, Landesgeschäftsführer Bayerisches Rotes Kreuz (BRK). „Wir haben in unseren Einrichtungen der Pflege eine Impfquote von knapp unter 90 Prozent. Im Rettungsdienst wiederum eine Impfquote von über 95 Prozent. Selbst dann, wenn wir eine Impfquote von beispielsweise 100 Prozent beim Personal in den Einrichtungen erreichen würden, behandeln dieselben Mitarbeitenden wiederum Bewohner und Patienten, die in nicht unerheblicher Anzahl noch ungeimpft sind. Wir wollen den Schutz aller Beteiligten erhöhen. Pflegeheime sind keine in sich geschlossenen Einrichtungen – vielmehr verkehren in ihnen viele Menschen und das ist auch gut so, denn unsere Einrichtungen sind kein Orte der Vereinsamung.“
Georg Sigl-Lehner, der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, ergänzte: „Schon im November haben wir eindringlich eine allgemeine Impfpflicht gefordert. Es wäre jetzt aber deutlich besser, die praktischen Probleme der Umsetzung in den Fokus zu nehmen und dafür Lösungen zu präsentieren, als eine parteipolitisch geprägte Debatte zu führen. Einem Gesetz mit so einschneidenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen müssten vor Inkrafttreten eindeutige Vollzugsregelungen des Gesetzgebers folgen. Ich sehe selbstverständlich die Gesundheitsberufe durchaus in einer moralischen Verpflichtung, sich impfen zu lassen. Wir gehen aber davon aus, dass allein eine allgemeine Impfpflicht den vielfach beschworenen Schutz der vulnerablen Gruppen effizient gewährleisten könnte, ohne die Versorgung in den Einrichtungen und ambulanten Diensten zu gefährden.“
Corona-Strategie in Bayern
Kurs der Vorsicht mit Augenmaß
Nach Ansicht des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek müssten die Schutzmaßnahmen im Freistaat kontrolliert an die aktuelle Lage angepasst werden. Bayern bleibe weiterhin vorsichtig – aber mit Augenmaß und mit der Entwicklung der Hospitalisierung von COVID-19-Patientinnen und ‑Patienten fest im Blick.
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat am Dienstag virtuell an der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtags teilgenommen. Der Minister berichtete dabei ausführlich über die aktuelle Corona-Lage und die weitere Strategie im Kampf gegen die Pandemie, die mit Augenmaß erfolgen soll.
Holetschek betonte: „Wir stehen heute vor einer anderen Situation als in den letzten Wellen der Pandemie. Die Infektionszahlen steigen zwar rasant, aber: Menschen, die sich mit der Omikron-Variante infiziert haben, müssen seltener stationär und vor allem weniger oft auf der Intensivstation versorgt werden.“
„Die einrichtungsbezogene Impfpflicht darf kein zahnloser Tiger sein“
Der Minister erläuterte, die 7‑Tage-Inzidenz in Bayern liege am heutigen Dienstag bei 1.819,1, gleichzeitig seien in Bayern nur 332 Intensivbetten mit COVID-19-Patientinnen und ‑Patienten belegt. „In der Spitze der Pandemie waren das schon deutlich mehr. Wir hatten zeitweise über 1.000 COVID-19-Patientinnen und ‑Patienten in Intensivbetten am selben Tag.“
An diese Lage müssten auch die Schutzmaßnahmen vorsichtig und kontrolliert angepasst werden. „Wir waren uns von Anfang an einig: Die Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger sollen nur so lange fortdauern, wie unbedingt erforderlich. Der Ministerrat hat daher weitere Anpassungen unter anderem in den Bereichen Gastronomie, Kultur- und Sportveranstaltungen, Messen sowie körpernahe Dienstleistungen beschlossen.“
In vielen Bereichen bleibe 2G wichtig, auch die Maskenpflicht bleibt. „Wir haben den Landtag zudem gebeten, in seiner Sitzung am 15. Februar nächste Woche das weitere Bestehen der epidemischen Lage festzustellen. Wir bleiben weiterhin vorsichtig – aber mit Augenmaß und mit der Entwicklung der Hospitalisierung von COVID-19-Patientinnen und ‑Patienten fest im Blick. Voraussetzung ist eine stabile Lage in den Krankenhäusern. Wir setzen gemeinsam mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf ein enges Monitoring einer Vielzahl an Parametern. Wir passen auf und passen an.“
Im Fokus aller Entscheidungen stehe, die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen und das Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur vor einer Überlastung zu bewahren. Dabei spiele auch die Personalsituation eine zentrale Rolle. Nicht nur beim Klinikpersonal komme es durch die Isolations- und Quarantänemaßnahmen inzwischen vermehrt zu kurzfristigen Ausfällen. Und auch unsere Gesundheitsämter gerieten vielfach an ihre Grenzen.
Bayern wird daher bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit großem Augenmaß vorgehen und der Gewährleistung der Versorgungssicherheit größtmögliche Priorität einräumen. Durch angemessene Umsetzungszeiten soll dem Bestandspersonal der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen nochmals die Gelegenheit gegeben werden, sich intensiv fachlich beraten zu lassen – auch was den neuen proteinbasierten Impfstoff Novavax anbelangt. Gleichzeitig sollen beispielsweise auch die Arbeitgeber von medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen nicht unerwartet mit kurzfristig angeordneten Betretungs- oder Tätigkeitsverboten ihrer ungeimpften Beschäftigten konfrontiert werden.
Holetschek betonte: „Klar ist: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht darf kein zahnloser Tiger sein. Klar ist aber auch: Die Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie der Bewohnerinnen und Bewohner darf nicht gefährdet werden.“
Der Gesundheitsminister bekräftigte seine Forderung an den Bund, für den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht rasch klare, bundesweit einheitliche Vorgaben zu machen: „Nur mit klaren Vorgaben können sich unsere Gesundheitsämter angemessen auf den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorbereiten. Wir brauchen eindeutige Leitlinien zur Gewichtung der Versorgungssicherheit. Und wir brauchen eine digitale Meldeplattform. Der Bund hat mit der Digitalen Einreiseanmeldung (DEA) schon vorgemacht, wie so etwas gehen kann. Wir dürfen die Gesundheitsämter hier nicht alleine lassen.“
Damit es nicht zu vermeidbaren Infektionen bei vulnerablen Personen kommt, müssen sich ungeimpfte Beschäftigte in den betroffenen Versorgungsbereichen auf mögliche weitere Hygieneauflagen einstellen. Für den Gesundheitsminister ist auch klar, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nur ein erster Schritt sein kann: „Warum müssen sich nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen impfen? Nur eine allgemeine Impfpflicht, die auch die von ihnen betreuten und versorgten Personen, deren Angehörige und Besucherinnen und Besucher erreicht, ist eine faire Impfpflicht.“
Holetschek unterstrich dass auch die Impfquote entscheidend bleibe. „Die Impfung ist auch heute noch der einzige Weg aus der Pandemie. Und sie schützt. Für die milderen Verläufe bei Omikron spielt eine wichtige Rolle, dass inzwischen viele – wenn auch noch zu wenige – Menschen vollständig geimpft und sogar geboostert sind. Mehr als 9,6 Millionen – und damit mehr als 83 Prozent der volljährigen Bürgerinnen und Bürger in Bayern sind vollständig geimpft. Insgesamt sind mehr als 73 Prozent grundimmunisiert und mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist bereits geboostert. Klar ist: Insbesondere die Auffrischungsimpfung schützt vor schweren Verläufen.“
„Wir müssen impfen, impfen, impfen“
Um die Impfungen weiter voranzutreiben, hat der Ministerrat am heutigen Dienstag beschlossen, die staatlichen Impfzentren noch bis Ende des Jahres 2022 fortzuführen. Der Minister sagte: „Die Ärztinnen und Ärzte aber auch die Betriebsärztinnen und ‑ärzten bleiben eine tragende Rolle in der Impfkampagne. Auch die Apotheken impfen jetzt. Unser ergänzendes staatliches Angebot bleibt aber unverändert erforderlich. Mit einem Kapazitätskorridor von 1.500 bis 3.000 Impfungen pro Woche pro 100.000 Einwohner können unsere Impfzentren – angepasst an den Bedarf vor Ort – maßgeblich bei der Steigerung der Impfquoten unterstützen.“
Holetschek unterstrich: „Wir bereiten uns damit vorausschauend und frühzeitig auf die Herausforderungen der kommenden Monate vor – seien es weitere Impfstoffe wie Varianten-angepasste Impfstoffe oder Impfstoffe für junge Kinder unter 5 Jahren. Wir müssen impfen, impfen, impfen. Ich werde nicht müde, vor allem an die ungeimpften Erwachsenen zu appellieren: Lassen Sie sich impfen! Impfen ist auch ein Akt der Solidarität.“