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Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

NGG stellt „Bäcke­rei-Moni­tor“ vor

„Ohne Migran­ten wird das Brot­ba­cken schwierig“

Sie machen die Früh­auf­ste­her-Jobs: Rund 1.450 Pro­fis backen und ver­kau­fen in Bam­berg Stadt und Land­kreis Brot, Bröt­chen und But­ter­ku­chen. „Sie müs­sen früh auf den Bei­nen sein. Der Wecker rap­pelt bei vie­len schon mit­ten in der Nacht. Mor­gen­muf­fel haben’s da eher schwer“, sagt Rai­ner Reiß­fel­der von der Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) und sagt auch deut­lich, wie wich­tig Migran­ten als Beschäf­tig­te für Bäcke­rei­en sind.

Aller­dings pas­sie­re in der Back­bran­che gera­de viel, was die Arbeit in Bäcke­rei­en erleich­tern kön­ne: „Schafft eine Bäcke­rei zum Bei­spiel neue Kühl­tech­nik an, kann der Teig schon am Vor­tag vor­be­rei­tet wer­den. Mor­gens wird dann geba­cken. Dadurch lie­gen ein paar Stun­den mehr Schlaf drin“, so Rai­ner Reißfelder.

Der kom­mis­sa­ri­sche Geschäfts­füh­rer der NGG Ober­fran­ken appel­liert an die Bäcke­rei­en in Bam­berg und dem Land­kreis, die Jobs der Bran­che attrak­ti­ver zu machen. Immer­hin bekla­ge gut die Hälf­te der Beschäf­tig­ten im Back­ge­wer­be, oft Über­stun­den machen zu müs­sen. Das ist ein Ergeb­nis des „Bäcke­rei-Moni­tors“, den die Hans-Böck­ler-Stif­tung im Auf­trag der NGG gemacht hat. Die Gewerk­schaft hat dazu zum ers­ten Mal bun­des­weit rund 1.400 Beschäf­tig­te im Bäcker­hand­werk und in der Bro­t­in­dus­trie befragt. Künf­tig soll es die Bran­chen-Ana­ly­se ein­mal pro Jahr geben.

Beim ers­ten „Bäcke­rei-Moni­tor“ haben mehr als acht von zehn Beschäf­tig­ten ange­ge­ben, dass sie oft Zeit­druck und Stress im Job erle­ben. Knapp die Hälf­te arbei­tet mit wenig Pau­sen. Und 84 Pro­zent bekla­gen, dass Per­so­nal­man­gel im eige­nen Betrieb für sie zu spür­ba­ren Belas­tun­gen führe.

„Nach­wuchs ist ein ent­schei­den­der Punkt – vor allem für das Bäcker­hand­werk“, sagt Rai­ner Reiß­fel­der. Ins­ge­samt gebe es aktu­ell in den 18 Betrie­ben des Back­ge­wer­bes in Bam­berg 75 Aus­zu­bil­den­de und in den 32 Betrie­ben des Back­ge­wer­bes im Land­kreis Bam­berg 32 Aus­zu­bil­den­de– vom Bäcker-Azu­bi bis zur Aus­zu­bil­den­den im Fach­ver­kauf. Die NGG beruft sich bei den Anga­ben zu Betrie­ben und Beschäf­tig­ten im Back­ge­wer­be auf Zah­len der Arbeitsagentur.


„Es ist wich­tig, dass alle Bäcke­rei­en Tarif­lohn zahlen“

Beim Bäcke­rei-Nach­wuchs sieht die NGG Ober­fran­ken einen Trend: Immer häu­fi­ger setz­ten Bäcke­rei­en in der Regi­on auf Migran­ten. „Eines ist klar: Ohne jun­ge Men­schen, die als Geflüch­te­te oder Zuwan­de­rer zu uns kom­men, wird das Brot­ba­cken von mor­gen schwie­rig“, so Rai­ner Reiß­fel­der. Bereits heu­te habe bun­des­weit jeder vier­te Azu­bi im Back­ge­wer­be einen Migrationshintergrund.

Für den Nach­wuchs habe die NGG zusam­men mit dem Zen­tral­ver­band des Deut­schen Bäcker­hand­werks einen wich­ti­gen Anreiz gesetzt: „Das Porte­mon­naie der Azu­bis in Bäcke­rei­en ist deut­lich vol­ler gewor­den. Zum Aus­bil­dungs­start bekom­men sie bereits 1.020 Euro pro Monat. Und im drit­ten Aus­bil­dungs­jahr sind es sogar 1.230 Euro“, so Rai­ner Reißfelder.

Die NGG kün­digt an, noch in die­sem Jahr mit den Arbeit­ge­bern über eine wei­te­re Ver­bes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­han­deln – vor allem in der Bro­t­in­dus­trie: „Wich­tig sind bes­se­re Arbeits­zei­ten. Es geht dar­um, die Belas­tun­gen gera­de bei Früh‑, Spät- und Nacht­schich­ten bes­ser auf­zu­fan­gen: Wenn auf sechs Tage Schicht­ar­beit drei freie Tage fol­gen, dann las­sen sich die Jobs in der Bro­t­in­dus­trie dadurch enorm attrak­ti­ver machen“, sagt Rai­ner Reiß­fel­der. Die NGG wer­de sich unter dem Mot­to „Backen wir’s“ auch für bes­se­re Löh­ne stark machen: „Es ist wich­tig, dass alle Bäcke­rei­en Tarif­lohn zah­len. Denn wenn der Lohn von heu­te schon ein Pro­blem ist, dann ist es die Ren­te von mor­gen erst recht“, so Reißfelder.

Anfang Febru­ar star­ten die Tarifverhandlungen

Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten for­dert 14,50 Euro Min­des­ten­slohn in der Fleischindustrie

Vom Schwei­ne­ko­te­lett bis zum Hähn­chen­schnit­zel: In der Stadt Bam­berg und dem Land­kreis Bam­berg wer­den pro Jahr rund 11.000 Ton­nen Fleisch geges­sen, in der Stadt 3.800, im Land­kreis 7.600 Ton­nen – rein sta­tis­tisch jeden­falls. Denn im Schnitt lag der Pro-Kopf-Ver­brauch von Fleisch bei zuletzt 51,6 Kilo im Jahr – und damit bei gut 140 Gramm am Tag. Dar­auf hat die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten hin­ge­wie­sen. Die NGG Ober­fran­ken beruft sich dabei auf Zah­len des Bun­des­in­for­ma­ti­ons­zen­trums Land­wirt­schaft (BZL).

„Die Men­ge an Fleisch, die auf den Tel­ler kommt, wird weni­ger: Der Pro-Kopf-Ver­zehr geht seit Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich zurück. Trotz­dem bleibt Fleisch ein wich­ti­ges Grund­nah­rungs­mit­tel. Und dahin­ter steckt immer auch die Arbeit von Men­schen“, sagt Mus­ta­fa Öz. Der Lan­des­be­zirks­vor­sit­zen­de der NGG Bay­ern lenkt damit den Blick auf die Fleisch­pro­duk­ti­on: Neben der Hal­tung der Tie­re sei auch deren Schlach­tung und die Fleisch­ver­ar­bei­tung ein „ent­schei­den­der Aspekt, den vie­le ger­ne aus­blen­den“, so Öz.

Ein wich­ti­ger Punkt sei dabei der Lohn: „Es geht dar­um, was die Men­schen ver­die­nen, die dafür sor­gen, dass Filets, Sala­mi, Koch­schin­ken oder Leber­wurst auf den Tisch kom­men“, sagt Mus­ta­fa Öz. Der Gewerk­schaf­ter kri­ti­siert, dass die Fleisch­in­dus­trie immer noch eine Nied­rig­lohn­bran­che ist.

„Wer Tie­re schlach­tet oder Grill­würs­te ver­packt, ver­dient selbst nur einen Hun­ger­lohn. Oft sogar nur den gesetz­li­chen Min­dest­lohn – aktu­ell also 12,82 Euro pro Stun­de. Nur wer Glück hat, liegt ein paar Cent drü­ber“, so Mus­ta­fa Öz. Doch mit der „Arbeit zum abso­lu­ten Bil­lig­lohn“ müs­se jetzt Schluss sein. Des­halb for­dert die NGG Bay­ern min­des­tens 14,50 Euro pro Stun­de als Unter­gren­ze bei der Bezah­lung für die Branche.

Ins­ge­samt sind in der Stadt Bam­berg nach Anga­ben der NGG aktu­ell rund 400 Men­schen in der Fleisch­in­dus­trie beschäf­tigt, im Land­kreis rund 190 Men­schen. Die Gewerk­schaft beruft sich dabei auf Anga­ben der Arbeits­agen­tur. Hin­ter der Fleisch­pro­duk­ti­on ste­cke eine har­te Arbeit: „Das ist ein Kno­chen­job. Allein beim Zer­le­gen von Schwei­ne­hälf­ten wuch­ten die Beschäf­tig­ten eine ton­nen­schwe­re Last am Tag: Eine Schwei­ne­keu­le wiegt zwi­schen 5 und 10 Kilo­gramm. Und in einer Schicht trägt ein Zer­le­ger mehr als 200 Mal Keu­len aufs Pro­duk­ti­ons­band“, erklärt Öz.

Außer­dem mach­ten Hit­ze und Näs­se den Beschäf­tig­ten im Schlacht­be­trieb und bei der Fleisch­ver­ar­bei­tung zu schaf­fen. „Eben­so die Käl­te im Kühl­haus. Das ist eine Arbeit bei stän­dig kal­ten 2 bis 3 Grad“, so Mus­ta­fa Öz. Auf Dau­er sei das für die Beschäf­tig­ten eine enor­me gesund­heit­li­che Belastung.

Auch des­halb sei es höchs­te Zeit, die Arbeit in der Fleisch­in­dus­trie „end­lich bes­ser zu bezah­len“. Die Gewerk­schaft NGG wer­de jetzt alles tun, um ein Lohn-Plus am Tarif­tisch durch­zu­set­zen: 14,50 Euro pro Stun­de soll der neue Min­dest­lohn der Bran­che sein. Die Tarif­ver­hand­lun­gen für die Fleisch­in­dus­trie star­ten Anfang Februar.

Infla­ti­on

Kauf­kraft im Raum Bam­berg geht mas­siv zurück

Infla­ti­on frisst Ein­kom­men auf: Wegen rasant stei­gen­der Prei­se gehen den Haus­hal­ten in Bam­berg in die­sem Jahr rund 41,2 Mil­lio­nen Euro an Kauf­kraft ver­lo­ren, denen im Land­kreis Bam­berg rund 61,8 Mil­lio­nen Euro – vor­aus­ge­setzt, die bis­he­ri­ge Teue­rungs­ra­te zieht nicht noch wei­ter an.

Allein bei Lebens­mit­teln müs­sen die Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher mit Mehr­aus­ga­ben von 19 Mil­lio­nen Euro in der Stadt bezie­hungs­wei­se von 29,3 Mil­lio­nen Euro im Land­kreis rech­nen. Das teilt die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten mit. Die NGG beruft sich hier­bei auf eine regio­na­le Kauf­kraft­ana­ly­se des Pest­el-Insti­tuts (Han­no­ver). Danach sind Men­schen mit schma­lem Porte­mon­naie beson­ders betrof­fen: In den Haus­hal­ten, in denen in Bam­berg Allein­er­zie­hen­de und Sin­gles mit einem monat­li­chen Net­to­ein­kom­men von weni­ger als 2.000 Euro leben, belau­fen sich die hoch­ge­rech­ne­ten Kauf­kraft­ver­lus­te bis Jah­res­en­de in der Stadt auf 13,2 Mil­lio­nen Euro, im Land­kreis auf 12,3 Mil­lio­nen Euro.

„Die bis­he­ri­gen Ent­las­tungs­pa­ke­te rei­chen nicht aus“

NGG-Regio­nal­ge­schäfts­füh­rer Micha­el Grundl spricht von „alar­mie­ren­den Zah­len“. Durch die Preis­stei­ge­run­gen droh­ten sozia­le Ver­wer­fun­gen, wenn die Poli­tik nicht durch wei­te­re, geziel­te Ent­las­tun­gen gegen­steue­re. „Vom Kell­ner bis zur Bäcke­rei­fach­ver­käu­fe­rin – Beschäf­tig­te, die kei­ne Spit­zen­ver­die­ner sind, müs­sen der­zeit jeden Cent zwei­mal umdre­hen. Wer ohne­hin schau­en muss, wie er bis zum Monats­en­de durch­kommt, bei dem schla­gen die aktu­el­len Mehr­aus­ga­ben enorm zu Buche“, so Grundl. Laut Pest­el-Insti­tut sind die gestie­ge­nen Lebens­mit­tel­prei­se ein beson­de­rer Infla­ti­ons­trei­ber: Der durch­schnitt­li­che Haus­halt in Bam­berg hat in der ers­ten Jah­res­hälf­te allein bei Nah­rungs­mit­teln eine Zusatz­be­las­tung von 38 Euro im Monat zu tra­gen, im Land­kreis von 37 Euro. Die Mehr­aus­ga­ben für Ener­gie belau­fen sich auf monat­lich 35 Euro in der Stadt, 33 Euro im Land­kreis, Mobi­li­tät ver­teu­er­te sich um zehn Euro in der Stadt und um neun Euro im Landkreis.

Nach Beob­ach­tung der NGG tref­fen die Preis­sprün­ge im Super­markt „aus­ge­rech­net die Men­schen beson­ders stark, die selbst mit Lebens­mit­teln arbei­ten – ob im Restau­rant, in der Braue­rei oder in der Back­wa­ren­fa­brik.“ Zwar sei es der Gewerk­schaft in die­sem Jahr gelun­gen, durch Tarif­ab­schlüs­se etwa im Gast­ge­wer­be kräf­ti­ge Lohn­er­hö­hun­gen zu erzie­len. Die Infla­ti­on dro­he jedoch, die­se zunich­te zu machen. „Was wir jetzt brau­chen, sind spe­zi­el­le Hil­fen für Beschäf­tig­te mit gerin­gen Ein­kom­men. Aber auch für Rent­ne­rin­nen und Rent­ner, Stu­die­ren­de und Arbeit­su­chen­de. Die bis­he­ri­gen Ent­las­tungs­pa­ke­te der Bun­des­re­gie­rung rei­chen nicht aus. Die Ampel muss nach­le­gen“, for­dert Grundl.

Der Geschäfts­füh­rer der NGG-Regi­on Ober­fran­ken spricht sich für einen „Ener­gie­preis­de­ckel“ aus, um Pri­vat­haus­hal­te vor explo­die­ren­den Kos­ten für Gas und Strom zu schüt­zen. Dabei müss­ten alle Ent­las­tun­gen sozi­al aus­ge­wo­gen sein. Grundl: „Star­ke Schul­tern kön­nen mehr tra­gen als schwa­che. Des­halb wäre es auch kon­se­quent, Rei­che stär­ker an der Finan­zie­rung der Kri­sen­las­ten zu betei­li­gen – zum Bei­spiel durch eine ein­ma­li­ge Vermögensabgabe.“