Der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken (BBK) hat seine Jahresausstellung unter das Motto „Waldeslust“ gestellt. Gestern begann die Ausstellung, in der
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BBK-Ausstellung “Waldeslust”
Zurück zur Natur
Der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken (BBK) hat seine Jahresausstellung unter das Motto „Waldeslust“ gestellt. Gestern begann die Ausstellung, in der über 30 Mitglieder des BBK in der Villa Dessauer verschiedenartigste Landschaftsdarstellungen zeigen. Eine Thematik, die sich im Spannungsfeld zwischen riskantem Kitschverdacht und aktueller Politik bewegt.
Die beiden BBK-Mitglieder Thomas Michel und Peter Schoppel sind an der Organisation der Ausstellung beteiligt und stellen einige ihrer Werke aus. Wir haben Sie zum Gespräch getroffen.
Warum widmet sich der BBK Oberfranken in seiner Jahresausstellung dem Thema Wald?
Thomas Michel: Es ist einfach höchste Zeit, in einer Ausstellung das Thema Umwelt beziehungsweise Zerstörung derselben anzugehen. Spätestens seit den Dürren der letzten Jahre hat sich gezeigt, wie wichtig es ist. Und jetzt kommt aktuell noch die Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz dazu. In gewisser Weise hat der Wald dabei eine Rolle gespielt, denn ein intakter und gesunder Wald hätte im Boden mehr Wasser aufnehmen können und die Flut wäre womöglich nicht ganz so schlimm gewesen. Ich denke, alle, auch der BBK, sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Bewusstsein schaffen für die Wichtigkeit des Themas, der Umweltverschmutzung und des Klimawandels. Das haben wir sowohl von den Werken als auch von der Botschaft der Ausstellung her versucht.
Sind Sie bei der Planung der Ausstellung also von Anfang an unter politischen Gesichtspunkten an das Thema des Waldes herangegangen und nicht so sehr unter ästhetischen?
Thomas Michel: Bei einer Ausstellung während der Pandemiezeit, in der nur wenige Ausstellungen möglich sind und waren, sollte man die Gelegenheit nutzen, eine Botschaft zu senden. Die Ästhetik richtet sich in diesem Fall zumeist nach der Botschaft. Ich persönlich habe meinen Beitrag zwar eher der Wiederentdeckung der Natur und der verlorengegangenen Naturverbundenheit gewidmet, aber auch mit aktuellen Bezügen verknüpft – in diesem Fall mit der Pandemie: Man konnte nicht verreisen oder kulturelle Angebote wahrnehmen und wendete sich darum an die Natur vor Ort.
Peter Schoppel: Als wir den BBK-Mitgliedern das Thema der Jahresausstellung vorschlugen, haben wir damit sehr viele von ihnen begeistert und entsprechend viele Bewerbungen für die Ausstellung bekommen – mehr als sonst sogar – und das Thema wurde vielfältig, sowohl politisch als auch ästhetisch, umgesetzt.
Falls Stimmen laut werden würden, die die Ausstellung eine Werbekampagne für grüne Politik nennen – was würden Sie entgegnen?
Thomas Michel: Ich glaube, grüne Politik oder grüne Ideen schreiben sich mittlerweile alle Parteien auf die Fahnen. Diese Ideen beziehungsweise ihre Umsetzung sind lebensnotwendig.

Peter Schoppel: Es geht um unsere Zukunft und Umweltbewusstsein sollte eigentlich überall verankert sein.
Ließe sich sagen, dass der Titel der Ausstellung „Waldeslust“ jedoch auf eine eher unpolitische Dimension des Waldes hindeutet, nämlich auf die Emotionalisierung der Natur? Ein Ansatz, der in der Tradition der Epoche der Romantik stünde, als, kurz gesagt, begonnen wurde, individuelles emotionales Erleben in die Natur hineinzulesen.
Thomas Michel: Ja. Das Thema Wald könnte auf den ersten Blick etwas trocken und ökologisch daherkommen. Darum brauchten wir einen für die Öffentlichkeit griffigen Titel. „Waldeslust“ klingt positiv und hat auch viel mit der deutschen Geschichte in Verbindung mit dem Wald zu tun. Die Deutschen haben eine sehr spezielle Beziehung zum Wald, vor allem durch die Naturverherrlichung in der Romantik vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Ich beziehe mich, zum Beispiel, explizit auf Caspar David Friedrich, was Naturempfinden, Lichtstimmungen und Verlorensein oder Aufgehobensein in der Natur angeht.
Aber kann eine romantisch-emotionalisierte Sichtweise auf die Natur, die kein Auge für die Umweltzerstörung hat, heute noch aufrechterhalten werden oder schwingen trockenere Fragen nach dem Klimawandel und seinen Auswirkungen automatisch in jedem Werk mit?
Thomas Michel: Bezüglich der kulturgeschichtlichen Bedeutung der Natur und des Waldes ist es so, dass Waldeslust oder das Wiederherstellen des Kontakts mit der Natur und ihre Emotionalisierung eine Erfindung von städtischen Akademikern des 19. Jahrhunderts ist. Den Großteil der damaligen Bevölkerung, der Landbevölkerung, hat das aber überhaupt nicht interessiert. Diese Leute haben den Wald praktisch und nicht unter Gesichtspunkten künstlerischer Verwertbarkeit und Emotionalisierung gesehen. Sie lebten von der Natur. Wir haben uns zwar heute noch viel weiter von der Natur und dem Wald entfernt als die Städter, wie Goethe, im 19. Jahrhundert, aber durch die seit einiger Zeit immer mehr Aufmerksamkeit bekommende Umweltzerstörung ändert sich das wieder. Eine praktischere Sichtweise auf den Wald und die Natur als Lebensgrundlage, die immer mehr zerstört wird, kehrt also tatsächlich zurück. Für mein Gemälde „Wald bei Bärnfels“ – ein etwa zwei Meter hohes und drei Meter breites Triptychon – wollte ich den Betrachter schon durch die Größe das Gefühl geben, den Wald zu betreten und den Bäumen gegenüberzustehen. Politisch wird es sozusagen zwischen den Zeilen aber insofern, als dass es sich bei den Bäumen ausschließlich um einen künstlich angelegten Fichtenwald handelt und man nicht genau erkennt, ob die Bäume noch gesund oder schon am absterben sind.
Herr Schoppel, Sie haben für Ihre Radierung „Waldrand“ einen abstrakteren Ansatz gewählt. Wie kommt bei Ihnen die Politik ins Spiel?
Peter Schoppel: Auf meinen Wald-Spaziergängen bei Gundelsheim finden sich schöne Waldansichten oder Einsichten in das Unterholz selbst. Seit der BBK für die Jahresausstellung das Thema Wald ausgeschrieben hatte, habe ich angefangen, den Wald intensiver als sonst zeichnerisch oder fotografisch zu dokumentieren. Von den Zeichnungen und Fotografien als Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit habe ich zwei Serien von Unikat- Drucken angefertigt, von denen keine wie die andere ist.
Damit möchte ich die Vielfalt von Betrachtungsweisen über das Thema Wald verdeutlichen – vom Naturschönen, bis hin zur Gesellschaftskritik – und zum Beispiel mit dem großen Kreuz in der Mitte, eben auch sein Sterben, letztendlich auch das Sterben der zivilisierten Menschheit.

Unabhängig von politischen Bedeutungsschichten von Landschaftsdarstellungen besteht bei ihnen und ihrer Verbindung zur feierlich-emotionalen Ernsthaftigkeit der Romantik jedoch immer ein wenig die Gefahr, für ein heutiges Publikum ins Kitschig-Pathetische abzurutschen oder als ironisch gemeint verstanden zu werden. Wie gehen Sie damit um?
Thomas Michel: Ja, das kann auf jeden Fall passieren. Ich denke, in Naturdarstellungen schwingt so ein archaisches Naturempfinden oder eine Naturverbundensein mit, die von einem Teil der Öffentlichkeit als kitschig aufgefasst werden könnte. Vielleicht hat sich dieser Teil aber auch nur soweit von der Natur entfremdet, dass unironisch ernst gemeinte Naturdarstellungen nicht mehr als solche betrachtet werden können. Ich trete dafür an, die Landschaftsmalerei wieder hervorzuheben und die Ausstellung ist für mich auch eine Wiederentdeckung dieses immer ein bisschen belächelten Genres, das durchaus manchmal ein wenig antiquiert wirkt.
Peter Schoppel: Das ist ein schwieriges Thema. Man muss als Künstler da einfach seine eigene Haltung zeigen. Und wenn man sie mit Überzeugung vertritt und es auch ästhetisch gut macht, kann man auch dieses Thema für sich gewinnen und mögliche Kitsch-Klischees niederreißen. Ein Beispiel ist Bildhauer Thomas Gröhling, der für die Ausstellung zehn Wölfe aus Holz geschnitzt hat.
Thomas Michel: Wobei es in der Ausstellung durchaus auch ironische Herangehensweisen ans Natur-Thema gibt. Chris Engels zum Beispiel hat ein Hirschgeweih mit Kondomen behangen und so die Waldeslust auf andere Art und Weise interpretiert.
Wir standen zuerst mit einem Schmunzeln vor dem Werk, aber Chris Engels hat sich von einem Förster bestätigen lassen, dass der Wald in Lockdown-Zeiten nicht nur Rückzugsort wurde für Parties, samt entsprechender Müllproblematik, sondern auch als sozusagen Liebesnest neue Bedeutung erhielt. Für die Platzierung des Geweihs in der Ausstellung haben wir uns klassischerweise für die Wand über einem Kamin entschieden. Durch die Gestaltung mit den Kondomen wird aber auch diese potenziell kitschige Darstellung aufgebrochen und neu definiert.

Welche Rolle spielen in der Ausstellung die Tierwelt und die menschliche Figur?
Thomas Michel: Bis auf das genannte Hirschgeweih von Chris Engels und die Wolfsskulpturen von Bildhauer Thomas Gröhling wurden, das hat mich überrascht, kaum weitere Beiträge mit Tieren eingereicht. Die Werke beschäftigen sich eher mit der Pflanzenwelt. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Waldtiere, auch im gesellschaftlichen Bewusstsein, schon so weit verdrängt sind, dass sie auch in der Ausstellung kaum vorkommen. Menschliche Figuren kommen aber auch vor: Das Fotografenduo Deininger/Jaugstetter thematisiert in seinen Werken die Verschmelzung der menschlichen Aktfigur mit der Natur.
Kann es aber künstlerisch reizvoll sein, keine Menschen darstellen zu müssen?
Thomas Michel: Da kann ich mich wieder auf die Romantik beziehen, die die Landschaft zur Hauptperson und fast schon zum sakralen Andachtsort gemacht hat.
Geht die Ausstellung auf die Meta-Rolle des Waldes als Lieferant von Werkstoff, in Form von Papier oder Holz, ein?
Peter Schoppel: Dazu würde ich gerne auf die Arbeit „Nach der Lust“ von Gerhard Hagen verweisen: Fotoarbeiten, auf denen aus Papierschnipseln gepresste Würfel zu sehen sind. Diese Werkserie beschäftigt sich, wiederum nicht ganz unpolitisch, mit dem Kreislauf des Recyclings. Das wiederverwertete Material kann nicht unendlich oft wiederverwertet werden. Ihm, in diesem Fall handelt es sich um Altpapier, muss immer wieder noch nicht verwerteter Holz-Rohstoff beigemischt werden, um den Kreislauf und die Qualität aufrecht zu erhalten.
Werke von 34 Künstlerinnen und Künstlern werden zu sehen sein. Wie viele sind zur Bewerbung eingereicht worden? Nach welchen Gesichtspunkten wurden die 34 ausgewählt?
Thomas Michel: Wir hatten 46 Einreichungen. Die Jury des BBK Oberfranken entscheidet nach künstlerischer Qualität und danach, wie gut sich das jeweilige Werk in das Ausstellungskonzept einpasst, welches ausgewählt wird. Über die genauen Begründungen gibt es aber eine Schweigepflicht.

Ein Problem des BBK Oberfranken besteht im relativ hohen Altersdurchschnitt seiner Mitglieder, es fehlt also eine jüngere Perspektive auf die Thematik. Wie gehen Sie aktuell damit um?
Thomas Michel: Der BBK hat beispielsweise unter Absolventinnen und Absolventen von Kunsthochschulen tatsächlich ein etwas angestaubtes Image. Es ist schwierig, dem beizukommen, genau wie es schwer ist, ein jüngeres Publikum, das es in Bamberg durchaus gäbe, anzulocken. Darum finden wir es wichtig, zumindest immer wieder aktuellere Themen in den Ausstellungen zu bedienen, die am Puls der Zeit sind und über regionale Fragestellungen hinausweisen.
BBK-Ausstellung „Waldeslust“
16. Oktober bis 28. November
Stadtgalerie Villa Dessauer
Begleitprogramm
17. Oktober, 15 Uhr: Führungen und Gespräch mit Christa Pawflowsky und Gudrun Schüler
14. November, 12 bis 14 Uhr: Matinée und Dokumentarfilm „Natur Natur sein lassen“
im Lichtspielkino
21. November, 15 Uhr: Führungen und Gespräch mit Thomas Brix, Gerhard Hagen
und Thomas Michel
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Jahresausstellung Kunstverein
Die Seele des Papiers
Löwenköpfe, Skulpturen aus Geldscheinschnipseln, ein Corona-Chor – aus dem Werkstoff Papier lässt sich einiges herausholen. Die Jahresausstellung des Kunstvereins zeigt in der Villa Dessauer, wie verschiedene Künstlerinnen und Künstler die gestalterischen Möglichkeiten von Papier ausloten. Die tagesaktuellen Öffnungszeiten sind online auf der Homepage des Kunstvereins einzusehen. Dort wird die Ausstellung darüberhinaus unabhängig von den Öffnungsperspektiven auch digital begleitet, beispielsweise durch Interviews mit den ausstellenden Künstlern. Das Webecho hat mit Barbara Kahle, Vorsitzende des Kunstvereins, gesprochen.
Gedrucktes und Papier, heißt es, seien tot und alles wird nur noch online und elektronisch gemacht. Warum haben Sie für die Jahresausstellung des Kunstvereins den Werkstoff Papier als Grundvoraussetzung gewählt?
Barbara Kahle: Gerade deshalb! Papier verschwindet durchaus im allgemeinen Bewusstsein, Papier als Speichermedium geht zurück und die digitale Veränderung ist unumkehrbar – das erkennen wir an. Aber Papier könnte in der Zukunft auch vor dem Hintergrund des Themas Umweltschutz wieder mehr Bedeutung gewinnen. Es wird viel geforscht, um zum Beispiel Verpackungen aus Plastik abzuschaffen und wieder viel stärker auf Papier zu setzen. Auf der anderen Seite hat Papier in der Kunst immer eine große Rolle gespielt. Um das wieder ins Bewusstsein zu bringen, machen wir diese Ausstellung. Als Skizzenpapier, als Vorstufe der Leinwand, wurde Papier schon seit Jahrhunderten genutzt. Seit dem 20. Jahrhundert diente es vermehrt als eigenständiges künstlerisches Medium. Das ist eine Errungenschaft, die der Kunst der Moderne zuzurechnen ist. Dazu gehört auch der Ansatz, den so gut wie alle Werke, die wir zeigen, verfolgen, unter Beibehaltung des Materials Papier, die plane Fläche ins Dreidimensionale hinein zu erweitern, bis man zwischen Bild und Skulptur kaum mehr unterscheiden kann.
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Künstler*innen für die Ausstellung ausgewählt?
Barbara Kahle: Die Ausstellung war schon für das Jahr 2020 geplant, aus bekannten Gründen musste sie verschoben werden. Wir haben nach Künstlern gesucht, die mehr oder weniger ausschließlich mit Papier arbeiten. Ein ganz großer Ankerpunkt dabei waren die Werke von Andreas von Weizsäcker, dessen Löwenkopfskulpturen im Ausstellungsraum der Villa Dessauer auch sehr viel Raum einnehmen. Dann haben wir uns überlegt, wen wir noch dazunehmen könnten. Es geht uns darum zu zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten mit Papier möglich sind. Wir zeigen unter anderem verschiedene Falttechniken, so hat etwa Simon Schubert Räume der Villa Dessauer in Papier gefaltet, Skulpturen, Papierschmuck, Prägedruck und im Begleitprogramm etwa ein Konzert mit Klanginstrumenten aus Papier und ein szenisches Erzählstück des Papiertheaters mit Johannes Volkmann.
Die vier Papierskulpturen von Andreas von Weizsäcker nennen Sie Ihren Corona-Chor. Was hat es damit auf sich?
Barbara Kahle: Diese vier Skulpturen sind eigentlich Wasserspeiern des Münchner Rathauses abgeformt. Aber weil sie mit ihren offenen Mündern so einen klagenden, gemeinsam über möglicherweise die Pandemie heulenden Eindruck machen, erinnert mich das an einen Chor.
Begleitend zur Ausstellung haben Sie ein vielfältiges Rahmenprogramm entworfen. Ein Termin ist der 13. Juni, an dem anhand der Werke von Erwin Hapke die Seele des Papiers beleuchtet werden soll. Was ist die Seele des Papiers?
Barbara Kahle: Wir hatten das Glück, einen kleinen Zuschuss für die Erstellung eines Begleitprogramms aus dem Neustart-Kultur-Kunstfonds zu bekommen.
Bei der Ausstellung ist es uns wie immer wichtig, Objekte zu präsentieren, die sich die Leute im ganz traditionellen Sinne anschauen können. Daneben haben wir aber ein vielfältiges Interaktions- und Vermittlungsprogramm entwickelt, um sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise dem Thema Papier annähern zu können. Am 13. Juni etwa wollen wir uns speziell mit den gefalteten Papierarbeiten von Erwin Hapke beschäftigen. Papier ist auf der einen Seite sehr haptisch. Man kann damit arbeiten, es falten, es zerknüllen oder damit kruscheln, wie es Lore Bert macht. In dem angesprochenen Faltwerk kann man darüber hinaus eine explikative Metapher unseres Daseins sehen. Das komplexe Falten wird zum Modell unseres Weltverstehens.

Der verstorbene Erwin Hapke, promovierter Biologe und ein Sonderling und Besessener, hat sozusagen mit dem Papier gelebt und ein gefaltetes Universum hinterlassen. Alle Formen des Seins sind in das zarte Papier eingeschrieben, die wahrzunehmen uns Muße und Verweilen abverlangt. In diesem Zusammenhang spricht der Philosoph und Neffe von Hapke, Matthias Burchardt, von der Seele des Papiers.
Papier ist ein nicht besonders widerstandfähiger und fragiler Werkstoff. Wie gehen Sie zum Beispiel beim Aufbau der Ausstellung, damit um?
Barbara Kahle: Ja, da ist ein Problem, mit dem die Künstler und auch Nachlassverwalter oder Nachfahren von Papierkünstlern zu kämpfen haben. Zum Beispiel die Löwenköpfe von Weizsäcker sind ziemlich empfindlich und als er sie geschaffen hat, tat er dies sicherlich nicht, damit man sie ständig auf- und abbaut. An einigen Stellen mussten sie bereits restauriert, verstärkt und mit Magneten, die die Teile zusammenhalten, versehen werden.
Die Ausstellungseröffnung am 23. April musste wegen der Pandemie bereits abgesagt werden. Wie steht es um die folgenden Termine?
Barbara Kahle: Die Regelungen für den Museumsbereich sehen ja derzeit so aus, dass man bei einem Inzidenzwert zwischen 50 und 100 öffnen und Publikum, nach Voranmeldung, empfangen kann. Mitte April liegt die Inzidenz in Bamberg bei 112 – ob die Villa Dessauer Ende April geöffnet werden kann, müssen wir also schauen. Versammlungen, wie bei einer Vernissage, sind aber absolut tabu.

Wie schwer würde es den Kunstverein treffen, wenn keine der Begleitveranstaltungen stattfinden kann?
Barbara Kahle: Sehr schwer. Finanzielle Nachteile hätten wir keine, möchte ich an dieser Stelle sagen. Die Gelder sind uns unter anderem von der Stadt Bamberg zugeflossen. Aber wir haben die Ausstellung mit solch einer Begeisterung, und auch körperlicher Anstrengung, vorbereitet und aufgebaut und denken, dass sie den Besuchern großen Spaß machen würde, dass uns ein Ausfall sehr leidtun würde. Wir werden die Schau ganz bewusst länger als die üblichen sechs Wochen laufen lassen, damit wir auf den Sommer und bessere Inzidenzzahlen hoffen können. Vielleicht können wir zur Finissage die Begegnung von Besuchern und Künstlern nachholen.
Gäbe es online ein Ausweichangebot?
Barbara Kahle: Ja, wir werden die Ausstellung auch digital begleiten. Wenn wir nicht öffnen können, möchten wir die Ausstellung zumindest multimedial begleiten. Wir sind auf Facebook, Instagram und Youtube unterwegs und bieten dort zum Beispiel Interviews mit den Künstlern und Einblicke in ihre Werke. So haben wir wenigstens einen Bruchteil von Ausstellungsbegleitung. Das ist natürlich kein Ersatz für den Besuch einer Ausstellung, aber ein interessantes ergänzendes Angebot.
Weitere Informationen:
Ausstellung “Papier”, 24. April bis 27. Juni, Villa Dessauer
Außerdem:
Ausstellung von Jürgen Wilhelm “Abstraktion Photographie”, 3. bis 31. Mai, Schützenstraße 4