BBK-Aus­stel­lung “Wal­des­lust”

Zurück zur Natur

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„Wald bei Bärnfels“, Thomas Michel, Öl auf Leinwand, 165x330 cm, 2021, Foto:Thomas Michel
Der Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Ober­fran­ken (BBK) hat sei­ne Jah­res­aus­stel­lung unter das Mot­to „Wal­des­lust“ gestellt. Ges­tern begann die Aus­stel­lung, in der über 30 Mit­glie­der des BBK in der Vil­la Des­sau­er ver­schie­den­ar­tigs­te Land­schafts­dar­stel­lun­gen zei­gen. Eine The­ma­tik, die sich im Span­nungs­feld zwi­schen ris­kan­tem Kitsch­ver­dacht und aktu­el­ler Poli­tik bewegt.

Die bei­den BBK-Mit­glie­der Tho­mas Michel und Peter Schop­pel sind an der Orga­ni­sa­ti­on der Aus­stel­lung betei­ligt und stel­len eini­ge ihrer Wer­ke aus. Wir haben Sie zum Gespräch getroffen.


War­um wid­met sich der BBK Ober­fran­ken in sei­ner Jah­res­aus­stel­lung dem The­ma Wald?

Tho­mas Michel: Es ist ein­fach höchs­te Zeit, in einer Aus­stel­lung das The­ma Umwelt bezie­hungs­wei­se Zer­stö­rung der­sel­ben anzu­ge­hen. Spä­tes­tens seit den Dür­ren der letz­ten Jah­re hat sich gezeigt, wie wich­tig es ist. Und jetzt kommt aktu­ell noch die Flut­ka­ta­stro­phe in NRW und Rhein­land-Pfalz dazu. In gewis­ser Wei­se hat der Wald dabei eine Rol­le gespielt, denn ein intak­ter und gesun­der Wald hät­te im Boden mehr Was­ser auf­neh­men kön­nen und die Flut wäre womög­lich nicht ganz so schlimm gewe­sen. Ich den­ke, alle, auch der BBK, soll­ten im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten Bewusst­sein schaf­fen für die Wich­tig­keit des The­mas, der Umwelt­ver­schmut­zung und des Kli­ma­wan­dels. Das haben wir sowohl von den Wer­ken als auch von der Bot­schaft der Aus­stel­lung her versucht.


Sind Sie bei der Pla­nung der Aus­stel­lung also von Anfang an unter poli­ti­schen Gesichts­punk­ten an das The­ma des Wal­des her­an­ge­gan­gen und nicht so sehr unter ästhetischen?

Tho­mas Michel: Bei einer Aus­stel­lung wäh­rend der Pan­de­mie­zeit, in der nur weni­ge Aus­stel­lun­gen mög­lich sind und waren, soll­te man die Gele­gen­heit nut­zen, eine Bot­schaft zu sen­den. Die Ästhe­tik rich­tet sich in die­sem Fall zumeist nach der Bot­schaft. Ich per­sön­lich habe mei­nen Bei­trag zwar eher der Wie­der­ent­de­ckung der Natur und der ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Natur­ver­bun­den­heit gewid­met, aber auch mit aktu­el­len Bezü­gen ver­knüpft – in die­sem Fall mit der Pan­de­mie: Man konn­te nicht ver­rei­sen oder kul­tu­rel­le Ange­bo­te wahr­neh­men und wen­de­te sich dar­um an die Natur vor Ort.

Peter Schop­pel: Als wir den BBK-Mit­glie­dern das The­ma der Jah­res­aus­stel­lung vor­schlu­gen, haben wir damit sehr vie­le von ihnen begeis­tert und ent­spre­chend vie­le Bewer­bun­gen für die Aus­stel­lung bekom­men – mehr als sonst sogar – und das The­ma wur­de viel­fäl­tig, sowohl poli­tisch als auch ästhe­tisch, umgesetzt.

Falls Stim­men laut wer­den wür­den, die die Aus­stel­lung eine Wer­be­kam­pa­gne für grü­ne Poli­tik nen­nen – was wür­den Sie entgegnen?

Tho­mas Michel: Ich glau­be, grü­ne Poli­tik oder grü­ne Ideen schrei­ben sich mitt­ler­wei­le alle Par­tei­en auf die Fah­nen. Die­se Ideen bezie­hungs­wei­se ihre Umset­zung sind lebensnotwendig.

Ger­hard Schop­pel (links) und Tho­mas Michel, Foto: Sebas­ti­an Quenzer

Peter Schop­pel: Es geht um unse­re Zukunft und Umwelt­be­wusst­sein soll­te eigent­lich über­all ver­an­kert sein.


Lie­ße sich sagen, dass der Titel der Aus­stel­lung „Wal­des­lust“ jedoch auf eine eher unpo­li­ti­sche Dimen­si­on des Wal­des hin­deu­tet, näm­lich auf die Emo­tio­na­li­sie­rung der Natur? Ein Ansatz, der in der Tra­di­ti­on der Epo­che der Roman­tik stün­de, als, kurz gesagt, begon­nen wur­de, indi­vi­du­el­les emo­tio­na­les Erle­ben in die Natur hineinzulesen.

Tho­mas Michel: Ja. Das The­ma Wald könn­te auf den ers­ten Blick etwas tro­cken und öko­lo­gisch daher­kom­men. Dar­um brauch­ten wir einen für die Öffent­lich­keit grif­fi­gen Titel. „Wal­des­lust“ klingt posi­tiv und hat auch viel mit der deut­schen Geschich­te in Ver­bin­dung mit dem Wald zu tun. Die Deut­schen haben eine sehr spe­zi­el­le Bezie­hung zum Wald, vor allem durch die Natur­ver­herr­li­chung in der Roman­tik vom Anfang des 19. Jahr­hun­derts. Ich bezie­he mich, zum Bei­spiel, expli­zit auf Cas­par David Fried­rich, was Natur­emp­fin­den, Licht­stim­mun­gen und Ver­lo­ren­sein oder Auf­ge­ho­ben­sein in der Natur angeht.


Aber kann eine roman­tisch-emo­tio­na­li­sier­te Sicht­wei­se auf die Natur, die kein Auge für die Umwelt­zer­stö­rung hat, heu­te noch auf­recht­erhal­ten wer­den oder schwin­gen tro­cke­ne­re Fra­gen nach dem Kli­ma­wan­del und sei­nen Aus­wir­kun­gen auto­ma­tisch in jedem Werk mit?

Tho­mas Michel: Bezüg­lich der kul­tur­ge­schicht­li­chen Bedeu­tung der Natur und des Wal­des ist es so, dass Wal­des­lust oder das Wie­der­her­stel­len des Kon­takts mit der Natur und ihre Emo­tio­na­li­sie­rung eine Erfin­dung von städ­ti­schen Aka­de­mi­kern des 19. Jahr­hun­derts ist. Den Groß­teil der dama­li­gen Bevöl­ke­rung, der Land­be­völ­ke­rung, hat das aber über­haupt nicht inter­es­siert. Die­se Leu­te haben den Wald prak­tisch und nicht unter Gesichts­punk­ten künst­le­ri­scher Ver­wert­bar­keit und Emo­tio­na­li­sie­rung gese­hen. Sie leb­ten von der Natur. Wir haben uns zwar heu­te noch viel wei­ter von der Natur und dem Wald ent­fernt als die Städ­ter, wie Goe­the, im 19. Jahr­hun­dert, aber durch die seit eini­ger Zeit immer mehr Auf­merk­sam­keit bekom­men­de Umwelt­zer­stö­rung ändert sich das wie­der. Eine prak­ti­sche­re Sicht­wei­se auf den Wald und die Natur als Lebens­grund­la­ge, die immer mehr zer­stört wird, kehrt also tat­säch­lich zurück. Für mein Gemäl­de „Wald bei Bärn­fels“ – ein etwa zwei Meter hohes und drei Meter brei­tes Tri­pty­chon – woll­te ich den Betrach­ter schon durch die Grö­ße das Gefühl geben, den Wald zu betre­ten und den Bäu­men gegen­über­zu­ste­hen. Poli­tisch wird es sozu­sa­gen zwi­schen den Zei­len aber inso­fern, als dass es sich bei den Bäu­men aus­schließ­lich um einen künst­lich ange­leg­ten Fich­ten­wald han­delt und man nicht genau erkennt, ob die Bäu­me noch gesund oder schon am abster­ben sind.


Herr Schop­pel, Sie haben für Ihre Radie­rung „Wald­rand“ einen abs­trak­te­ren Ansatz gewählt. Wie kommt bei Ihnen die Poli­tik ins Spiel?

Peter Schop­pel: Auf mei­nen Wald-Spa­zier­gän­gen bei Gun­dels­heim fin­den sich schö­ne Wald­an­sich­ten oder Ein­sich­ten in das Unter­holz selbst. Seit der BBK für die Jah­res­aus­stel­lung das The­ma Wald aus­ge­schrie­ben hat­te, habe ich ange­fan­gen, den Wald inten­si­ver als sonst zeich­ne­risch oder foto­gra­fisch zu doku­men­tie­ren. Von den Zeich­nun­gen und Foto­gra­fien als Aus­gangs­punkt der künst­le­ri­schen Arbeit habe ich zwei Seri­en von Uni­kat- Dru­cken ange­fer­tigt, von denen kei­ne wie die ande­re ist.

Damit möch­te ich die Viel­falt von Betrach­tungs­wei­sen über das The­ma Wald ver­deut­li­chen – vom Natur­schö­nen, bis hin zur Gesell­schafts­kri­tik – und zum Bei­spiel mit dem gro­ßen Kreuz in der Mit­te, eben auch sein Ster­ben, letzt­end­lich auch das Ster­ben der zivi­li­sier­ten Menschheit.

Peter Schop­pel „Wald­rand I“, Radie­rung, 27×50 cm, 2021, Foto: Peter Schoppel

Unab­hän­gig von poli­ti­schen Bedeu­tungs­schich­ten von Land­schafts­dar­stel­lun­gen besteht bei ihnen und ihrer Ver­bin­dung zur fei­er­lich-emo­tio­na­len Ernst­haf­tig­keit der Roman­tik jedoch immer ein wenig die Gefahr, für ein heu­ti­ges Publi­kum ins Kit­schig-Pathe­ti­sche abzu­rut­schen oder als iro­nisch gemeint ver­stan­den zu wer­den. Wie gehen Sie damit um?

Tho­mas Michel: Ja, das kann auf jeden Fall pas­sie­ren. Ich den­ke, in Natur­dar­stel­lun­gen schwingt so ein archai­sches Natur­emp­fin­den oder eine Natur­ver­bun­den­sein mit, die von einem Teil der Öffent­lich­keit als kit­schig auf­ge­fasst wer­den könn­te. Viel­leicht hat sich die­ser Teil aber auch nur soweit von der Natur ent­frem­det, dass uniro­nisch ernst gemein­te Natur­dar­stel­lun­gen nicht mehr als sol­che betrach­tet wer­den kön­nen. Ich tre­te dafür an, die Land­schafts­ma­le­rei wie­der her­vor­zu­he­ben und die Aus­stel­lung ist für mich auch eine Wie­der­ent­de­ckung die­ses immer ein biss­chen belä­chel­ten Gen­res, das durch­aus manch­mal ein wenig anti­quiert wirkt.

Peter Schop­pel: Das ist ein schwie­ri­ges The­ma. Man muss als Künst­ler da ein­fach sei­ne eige­ne Hal­tung zei­gen. Und wenn man sie mit Über­zeu­gung ver­tritt und es auch ästhe­tisch gut macht, kann man auch die­ses The­ma für sich gewin­nen und mög­li­che Kitsch-Kli­schees nie­der­rei­ßen. Ein Bei­spiel ist Bild­hau­er Tho­mas Gröh­ling, der für die Aus­stel­lung zehn Wöl­fe aus Holz geschnitzt hat.

Tho­mas Michel: Wobei es in der Aus­stel­lung durch­aus auch iro­ni­sche Her­an­ge­hens­wei­sen ans Natur-The­ma gibt. Chris Engels zum Bei­spiel hat ein Hirsch­ge­weih mit Kon­do­men behan­gen und so die Wal­des­lust auf ande­re Art und Wei­se interpretiert.

Wir stan­den zuerst mit einem Schmun­zeln vor dem Werk, aber Chris Engels hat sich von einem Förs­ter bestä­ti­gen las­sen, dass der Wald in Lock­down-Zei­ten nicht nur Rück­zugs­ort wur­de für Par­ties, samt ent­spre­chen­der Müll­pro­ble­ma­tik, son­dern auch als sozu­sa­gen Lie­bes­nest neue Bedeu­tung erhielt. Für die Plat­zie­rung des Geweihs in der Aus­stel­lung haben wir uns klas­si­scher­wei­se für die Wand über einem Kamin ent­schie­den. Durch die Gestal­tung mit den Kon­do­men wird aber auch die­se poten­zi­ell kit­schi­ge Dar­stel­lung auf­ge­bro­chen und neu definiert.

Chris Engels „Wal­des­lust“, Geweih, (Fake-) Kon­do­me, 100 cm x 120 cm x 55 cm, Foto: Chris Engels

Wel­che Rol­le spie­len in der Aus­stel­lung die Tier­welt und die mensch­li­che Figur?

Tho­mas Michel: Bis auf das genann­te Hirsch­ge­weih von Chris Engels und die Wolfs­skulp­tu­ren von Bild­hau­er Tho­mas Gröh­ling wur­den, das hat mich über­rascht, kaum wei­te­re Bei­trä­ge mit Tie­ren ein­ge­reicht. Die Wer­ke beschäf­ti­gen sich eher mit der Pflan­zen­welt. Viel­leicht hat das auch damit zu tun, dass Wald­tie­re, auch im gesell­schaft­li­chen Bewusst­sein, schon so weit ver­drängt sind, dass sie auch in der Aus­stel­lung kaum vor­kom­men. Mensch­li­che Figu­ren kom­men aber auch vor: Das Foto­gra­fen­duo Deininger/​Jaugstetter the­ma­ti­siert in sei­nen Wer­ken die Ver­schmel­zung der mensch­li­chen Akt­fi­gur mit der Natur.


Kann es aber künst­le­risch reiz­voll sein, kei­ne Men­schen dar­stel­len zu müssen?

Tho­mas Michel: Da kann ich mich wie­der auf die Roman­tik bezie­hen, die die Land­schaft zur Haupt­per­son und fast schon zum sakra­len Andachts­ort gemacht hat.


Geht die Aus­stel­lung auf die Meta-Rol­le des Wal­des als Lie­fe­rant von Werk­stoff, in Form von Papier oder Holz, ein?

Peter Schop­pel: Dazu wür­de ich ger­ne auf die Arbeit „Nach der Lust“ von Ger­hard Hagen ver­wei­sen: Foto­ar­bei­ten, auf denen aus Papier­schnip­seln gepress­te Wür­fel zu sehen sind. Die­se Werkse­rie beschäf­tigt sich, wie­der­um nicht ganz unpo­li­tisch, mit dem Kreis­lauf des Recy­clings. Das wie­der­ver­wer­te­te Mate­ri­al kann nicht unend­lich oft wie­der­ver­wer­tet wer­den. Ihm, in die­sem Fall han­delt es sich um Alt­pa­pier, muss immer wie­der noch nicht ver­wer­te­ter Holz-Roh­stoff bei­gemischt wer­den, um den Kreis­lauf und die Qua­li­tät auf­recht zu erhalten.

Wer­ke von 34 Künst­le­rin­nen und Künst­lern wer­den zu sehen sein. Wie vie­le sind zur Bewer­bung ein­ge­reicht wor­den? Nach wel­chen Gesichts­punk­ten wur­den die 34 ausgewählt?

Tho­mas Michel: Wir hat­ten 46 Ein­rei­chun­gen. Die Jury des BBK Ober­fran­ken ent­schei­det nach künst­le­ri­scher Qua­li­tät und danach, wie gut sich das jewei­li­ge Werk in das Aus­stel­lungs­kon­zept ein­passt, wel­ches aus­ge­wählt wird. Über die genau­en Begrün­dun­gen gibt es aber eine Schweigepflicht.

Ger­hard Hagen „Nach der Lust“, Foto 145×145 cm, 2021, Foto: Ger­hard Hagen

Ein Pro­blem des BBK Ober­fran­ken besteht im rela­tiv hohen Alters­durch­schnitt sei­ner Mit­glie­der, es fehlt also eine jün­ge­re Per­spek­ti­ve auf die The­ma­tik. Wie gehen Sie aktu­ell damit um?

Tho­mas Michel: Der BBK hat bei­spiels­wei­se unter Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten von Kunst­hoch­schu­len tat­säch­lich ein etwas ange­staub­tes Image. Es ist schwie­rig, dem bei­zu­kom­men, genau wie es schwer ist, ein jün­ge­res Publi­kum, das es in Bam­berg durch­aus gäbe, anzu­lo­cken. Dar­um fin­den wir es wich­tig, zumin­dest immer wie­der aktu­el­le­re The­men in den Aus­stel­lun­gen zu bedie­nen, die am Puls der Zeit sind und über regio­na­le Fra­ge­stel­lun­gen hinausweisen.

BBK-Aus­stel­lung „Wal­des­lust“

16. Okto­ber bis 28. November

Stadt­ga­le­rie Vil­la Dessauer

Begleit­pro­gramm

17. Okto­ber, 15 Uhr: Füh­run­gen und Gespräch mit Chris­ta Paw­f­low­sky und Gud­run Schüler

14. Novem­ber, 12 bis 14 Uhr: Mati­née und Doku­men­tar­film „Natur Natur sein las­sen“
im Licht­spiel­ki­no

21. Novem­ber, 15 Uhr: Füh­run­gen und Gespräch mit Tho­mas Brix, Ger­hard Hagen
und Tho­mas Michel


http://www.bbk-oberfranken.de

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