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Oliver Wings

Stadt­echo-Fra­ge­bo­gen

Das Stadt­echo fragt: Oli­ver Wings antwortet

In jeder Aus­ga­be des Stadt­echos legen wir einer Bam­ber­ger Per­sön­lich­keit einen Fra­ge­bo­gen vor. Dies­mal hat Oli­ver Wings die Fra­gen beant­wor­tet. Er ist Palä­on­to­lo­ge und Lei­ter des Natur­kun­de­mu­se­ums Bam­berg.
Herr Wings, was wären Sie gewor­den, wenn Sie nicht Palä­on­to­lo­ge gewor­den wären?

Viel­leicht ein Tisch­ler? Ich mag das Arbei­ten mit Holz und restau­rie­re auch ger­ne alte Möbel. Aller­dings gab es seit Kin­der­ta­gen nie ernst­haft Zwei­fel an mei­ner Berufswahl.

Was ist Ihre aller­ers­te Erin­ne­rung im Zusam­men­hang mit Dinosauriern?

Ich erin­ne­re mich dar­an, als klei­ner Jun­ge mit sechs Jah­ren im Ost­see­ur­laub einen Feu­er­stein gefun­den zu haben, der ein strah­len­för­mi­ges Mus­ter ent­hielt. Als sich dann her­aus­stell­te, dass das der Abdruck eines See­igels war, war ich total fas­zi­niert. Der Abdruck ist unvoll­stän­dig und eigent­lich auch nicht samm­lungs­wür­dig, aber ich besit­ze ihn heu­te noch. Das Fos­sil ist zwar kein Dino, aber exakt genau­so alt!

Was mögen Sie an der Palä­on­to­lo­gie besonders?

Die unglaub­li­che Men­ge und Viel­falt an Orga­nis­men zu ent­de­cken, die in den ver­gan­ge­nen vier Mil­li­ar­den Jah­ren auf unse­rem Pla­ne­ten gelebt haben. Es ist täg­lich ein gro­ßes Pri­vi­leg, dar­an for­schen zu dürfen.

Was nicht?

Dass die Erfor­schung des Lebens in der Erd­ge­schich­te noch nicht als essen­ti­ell für unse­re Gesell­schaft wahr­ge­nom­men wird und das dadurch nur ein klei­ner Teil des wis­sen­schaft­li­chen Nach­wuch­ses auch lang­fris­tig in der Palä­on­to­lo­gie beschäf­tigt wer­den kann.

Wel­ches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?

Frank Her­bert: „Dune“.

Wür­den Sie ger­ne öfter Fahr­rad fahren?

Ich fah­re nahe­zu jeden Tag Fahr­rad, bei Wind und Wetter.

Zah­len Sie gern Rundfunkgebühren?

Nein, es ist aber nötig für die objek­ti­ve Mei­nungs­bil­dung. Die hohe Anzahl an exis­tie­ren­den öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern könn­te aber durch­aus redu­ziert wer­den und die Gebüh­ren für uns alle dadurch sinken.

Töten Sie Insekten?

Ja. Bei jeder Auto­fahrt. Lei­der unver­meid­lich. Pes­ti­zi­de und Her­bi­zi­de kom­men mir aber nicht ins Haus und mein Gar­ten ist sehr natur­nah und insek­ten­freund­lich bepflanzt.

Darf man in Ihrem Schlaf­zim­mer rauchen?

Nie­mals, das ist maxi­mal eklig!

Ihr Leben wird ver­filmt. Wel­cher Schau­spie­ler soll­te Sie spielen?

Mei­ne Toch­ter sagt: Brad Pitt.

Wie vie­le Apps sind auf Ihrem Smart­phone? Wel­che benut­zen Sie am meisten?

126 Apps. Im All­tag ver­wen­de ich am häu­figs­ten Ban­king-Apps, Goog­le Maps, die Kame­ra und erstaun­lich oft auch immer noch die Taschen­lam­pe. Wäh­rend mei­ner Gelän­de­ar­bei­ten benut­ze ich unter ande­rem sehr häu­fig „Mobi­le Topo­grapher“, ein tol­les Pro­gramm um GPS-Koor­di­na­ten mit sehr hoher Genau­ig­keit erfas­sen zu können.

Wovon waren Sie zuletzt überrascht?

Vom schnel­len Wachs­tum mei­nes Sohnes.

Was ist Ihr größ­ter Wunsch?

Ein Bewusst­sein zu schaf­fen für die wah­ren Pro­ble­me unse­rer Gesellschaft.

Wie sieht ein per­fek­ter Tag für Sie aus?

Aus­schla­fen, lecke­rer Brunch, ein Aus­flug in die Natur bei Son­nen­schein und ange­neh­men Tem­pe­ra­tu­ren, der Fund eines neu­en far­ben­fro­hen und fos­sil­rei­chen Kalk­steins für mei­ne Samm­lung, Abend­essen mit mei­ner Part­ne­rin beim Sonnenuntergang.

Wor­über haben Sie sich zuletzt geärgert?

Popu­lis­mus. In jeder Form.

Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?

Vogel­ge­sang und Mee­res­rau­schen sind schon toll, vor allem in Kom­bi­na­ti­on mit allen ande­ren stim­mi­gen Sinneseindrücken.

Wel­chen Luxus leis­ten Sie sich?

Ab und zu ein Well­ness­wo­chen­en­de darf schon sein.

Wovor haben Sie Angst?

Als Natur­wis­sen­schaft­ler macht mir der durch unse­ren Umgang mit der Natur aus­ge­lös­te schlei­chen­de Ver­lust der Bio­di­ver­si­tät unse­res Pla­ne­ten lang­fris­tig die meis­ten Sor­gen. Wir ste­hen ver­mut­lich bereits am Anfang des sechs­ten Mas­sen­aus­ster­be-Ereig­nis­ses der Erd­ge­schich­te. Und das wird ziem­lich hart wer­den für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen der Menschheit.

Wann haben Sie zuletzt geflirtet?

Eigent­lich stän­dig mit mei­ner Partnerin.

Wann und war­um hat­ten Sie zum letz­ten Mal Ärger mit der Polizei?

Letz­tes Jahr in Aus­tra­li­en nach dem Über­fah­ren einer kom­plett über­se­he­nen (und leicht über­seh­ba­ren) roten Abbie­ger-Ampel. Ich hat­te mit dem Abbie­gen zwar ord­nungs­ge­mäß gewar­tet bis der Gegen­ver­kehr durch­ge­fah­ren war und nie­man­den gefähr­det, es war aber trotz­dem ein sehr teu­rer Fehler.

Was war Ihr bis­her schöns­ter Moment als Lei­ter des Naturkundemuseums?

Die Eröff­nung unse­rer selbst kon­zi­pier­ten Son­der­aus­stel­lung „So viel mehr als nur T. rex!“. Die Aus­stel­lung ist jetzt übri­gens im Jura-Muse­um Eich­stätt zu sehen. Bei uns in Bam­berg kom­men in den nächs­ten Jah­ren aber bestimmt noch viel mehr sol­che tol­len Momen­te dazu!

Auf wel­chen Moment Ihrer Lauf­bahn waren Sie am schlech­tes­ten vorbereitet?

Intri­gie­ren­de Kol­le­gen an ehe­ma­li­gen Arbeitsstätten.

Gibt es einen wie­der­keh­ren­den Alb­traum, der von Ihrem Beruf handelt?

Nein. Ich hat­te noch nie einen berufs­be­zo­ge­nen Alptraum.

Was ist Ihr Lieblingsschimpfwort?

WTF!

Bei wel­chem his­to­ri­schen Ereig­nis wären Sie gern dabei gewesen?

Beim ers­ten Land­gang der Wirbeltiere.

Was ist Ihre schlech­tes­te Angewohnheit?

Pro­kras­ti­na­ti­on.

Wel­che Feh­ler ent­schul­di­gen Sie am ehesten?

Feh­ler, die aus dem Über­schwang der Begeis­te­rung her­aus entstehen.

Ihre Lieb­lings­tu­gend?

Selbst­mo­ti­va­ti­on.

Ihr Haupt­cha­rak­ter­zug?

Gelas­sen­heit und Resilienz.

Was mögen Sie an sich gar nicht?

Das Älter­wer­den. Ande­rer­seits ist die Alter­na­ti­ve dazu noch wesent­lich schlech­ter und kommt eh noch früh genug.

Was hät­ten Sie ger­ne erfunden?

Das Bea­men.

Haben Sie ein Vorbild?

Vie­le Men­schen haben mich geprägt. In vie­len, aller­dings auch nicht allen Aspek­ten des Lebens ist mein Vater mein Vorbild.

Wofür sind Sie dankbar?

Mein bis­he­ri­ges Leben in Frie­den gelebt zu haben und den Beruf mei­ner Wahl aus­üben zu dürfen.

Was lesen Sie gerade?

Ich kom­me der­zeit lei­der kaum dazu, Bücher zu lesen, bin aber ein gro­ßer Fan von Hard Sci­ence-Fic­tion. Alter­na­ti­ven bie­ten gute Hör­bü­cher, die lan­ge Auto­fahr­ten gefühlt stark ver­kür­zen kön­nen. Momen­tan bin ich bei Band 7 der Expan­se-Serie von James S. A. Corey: Per­se­po­lis Rising. Eine coo­le, in vie­len Aspek­ten auch rea­lis­ti­sche Serie und ein gran­dio­ser Sprecher.

Was ist Ihr Lieblingsfilm?

Es gibt meh­re­re Favo­ri­ten, ganz oben mit dabei sind „Fight Club“ und „Das Leben des Brian“.

Wel­che Musik hören Sie nur heimlich?

Kei­ne.

Mit wel­chem Lied beginnt die per­fek­te Playlist?

War­d­ru­na und Auro­ra: „Hel­ve­gen (Live)“.

Was war Ihre größ­te Modesünde?

Ver­mut­lich die Kunst­le­der­ja­cke als Teenager.

Was ist Ihr liebs­tes Smalltalk-Thema?

Natur und Wet­ter. Da muss es auch nicht bei Small­talk bleiben.

Was zeigt das letz­te Foto, das Sie mit Ihrem Han­dy auf­ge­nom­men haben?

Ein gro­ßes Osterfeuer.

Mit wem wür­den Sie ger­ne eine Nacht durchzechen?

Robert Habeck.

Wovon haben Sie über­haupt kei­ne Ahnung?

Kunst und Kunstgeschichte.

Was fin­den Sie langweilig?

Moder­ne Kunst.

Sie sind in einer Bar. Wel­ches Lied wür­de Sie dazu brin­gen, zu gehen?

„Lay­la“ und alle ähn­lich gela­ger­ten Schlager.

Was ist Ihre Vor­stel­lung von Hölle?

Ohne Unter­bre­chung Schla­ger hören zu müssen.

Wie glau­ben Sie, wür­de der Oli­ver Wings von vor zehn Jah­ren auf den heu­ti­gen Oli­ver Wings reagieren?

Ganz glück­lich mit der Job­wahl und froh über die unbe­fris­te­te Anstel­lung. Ich habe mich übri­gens damals bereits frei­wil­lig auf mög­li­che Lei­tungs­auf­ga­ben in Natur­kun­de­mu­se­en vorbereitet.

Gibt es etwas, das Ihnen das Gefühl gibt, klein zu sein?

Ja klar, das Arbei­ten an sau­ro­po­den Dino­sau­ri­er­kno­chen, den größ­ten Land­tie­ren aller Zeiten.

Ich kann nicht leben ohne…

Eine gute Brat­wurst und ab und zu eine Vita Cola.

In wel­chen Club soll­te man unbe­dingt mal gehen?

Aus der Lebens­pha­se bin ich nun doch schon raus.

Sind Sie Tän­zer oder Steher?

Sitzer.

Stel­len Sie sich vor, Sie könn­ten wäh­len – was für ein Tier wären Sie gerne?

Orni­thor­hyn­chus ana­ti­nus, das Schna­bel­tier. Oder gehen auch aus­ge­stor­be­ne Tie­re? Dann viel­leicht Xin­jiang­ti­tan shansha­ne­sis, unser selbst ent­deck­ter Rie­sen­di­no aus
Chi­na.

Was war die absur­des­te Unwahr­heit, die Sie je über sich gele­sen haben?

Das ich bei Aus­gra­bun­gen faul rum­sit­zen wür­de. War auch pro­blem­los mit Zeit­raf­fer­vi­de­os entkräftbar.

Wel­ches Pro­blem wer­den Sie in die­sem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?

Da fällt mir spon­tan nichts ein. Die Hoff­nung stirbt bekannt­lich zuletzt.

Das Stadt­echo gibt eine Run­de aus. Was trin­ken Sie?

Ein lecke­res frän­ki­sches dunk­les Bier. Prost!

Oli­ver Wings,
April 2024.

Neu­er Lei­ter des Naturkundemuseums

Oli­ver Wings: „Palä­on­to­lo­gie ist momen­tan eine der wich­tigs­ten Wissenschaften“

Im August 2021 starb über­ra­schend Mat­thi­as Mäu­ser, der dama­li­ge Lei­ter des Natur­kun­de­mu­se­ums Bam­berg. Nach einem Jahr der kom­mis­sa­ri­schen Lei­tung über­nahm Oli­ver Wings die Stel­le im August 2022. Wir haben mit dem Geo­wis­sen­schaft­ler und Palä­on­to­lo­gen über das Ver­mächt­nis von Mat­thi­as Mäu­ser, Platz­pro­ble­me des Muse­ums, heu­ti­ges und urzeit­li­ches Arten­ster­ben und den Xin­jiang­ti­tan shansha­ne­sis gesprochen.
Herr Wings, Mat­thi­as Mäu­ser starb am 24. August 2021 im Alter von 64 Jah­ren. Wel­che Lücke hin­ter­ließ er?

Oli­ver Wings: Mat­thi­as Mäu­ser hat das Muse­um über 30 Jah­re lang gelei­tet und in der Zeit sehr viel bewirkt und gestal­tet. Er hat­te sehr gute Bezie­hun­gen in die Fach­welt, bau­te all unse­re Dau­er­aus­stel­lun­gen auf und hat dafür zum Bei­spiel auch die Fos­si­li­en­fund­stel­le bei Wat­ten­dorf erschlos­sen, nach­dem sie unser geo­wis­sen­schaft­li­cher Prä­pa­ra­tor Tho­mas Bech­mann vor etwa 20 Jah­ren nord­öst­lich von Bam­berg ent­deckt hat­te. Heu­te ist Wat­ten­dorf eine der wich­tigs­ten Fos­si­li­en­fund­stel­len Deutsch­lands. Kurz gesagt: Herr Mäu­ser hat eine sehr gro­ße Lücke hin­ter­las­sen. Da muss man sich, das heißt, da muss ich mich erst ein­mal reinarbeiten.

In wel­chem Zustand hat er das Muse­um hinterlassen?

Oli­ver Wings: Die meis­ten Natur­kun­de­mu­se­en, oder eigent­lich fast alle Muse­en, haben drei gro­ße Pro­ble­me. Geld, Per­so­nal und Platz. Was die Finan­zen angeht, sind wir im Natur­kun­de­mu­se­um glück­li­cher­wei­se in einer Situa­ti­on, die nicht ganz so pre­kär ist wie in ande­ren Häu­sern. Wir haben näm­lich nicht die Stadt als Trä­ger, son­dern die Lyze­um­stif­tung, deren Zweck unter ande­rem die För­de­rung des Muse­ums ist. Unser Etat kommt zudem von den Staat­li­chen Natur­wis­sen­schaft­li­chen Samm­lun­gen Bay­ern, unser Haus ist eines von fünf Regio­nal­mu­se­en, die direkt aus Mün­chen unter­stützt wer­den. Beim Per­so­nal hin­ge­gen sind wir, wie so vie­le ande­re auch, unter­be­setzt. Wir könn­ten dem Publi­kum viel mehr bie­ten, zum Bei­spiel in Sachen Aus­stel­lun­gen, Füh­run­gen oder Muse­ums­päd­ago­gik, wenn wir mehr Per­so­nal hät­ten. Und was die Depots angeht – die plat­zen aus allen Näh­ten. Die­se Situa­ti­on hat sich vor allem durch die vie­len tau­send Fun­de aus Wat­ten­dorf sehr ver­schärft. Das war auch einer der ers­ten Bau­stel­len, die ich nach mei­ner Ein­stel­lung ange­gan­gen bin, um zu sehen, wo und wie wir, zumin­dest kurz­fris­tig, Ent­span­nung bekom­men können.

Das heißt?

Oli­ver Wings: Zum einen haben wir einen fast abso­lu­ten Samm­lungs­stopp ver­hängt. Wir könn­ten also der­zeit, auch wenn wir woll­ten, in den bestehen­den Depots kei­ne grö­ße­re Samm­lung über­neh­men. Das ist für ein Natur­kun­de­mu­se­um aber grund­falsch. Denn sol­che Häu­ser leben davon, zu sam­meln und zu kon­ser­vie­ren. Ein biss­chen zusätz­li­chen Platz konn­ten wir gewin­nen, indem wir bestimm­te Samm­lungs­ob­jek­te – zum Bei­spiel Tier­prä­pa­ra­te –, die auf­grund feh­len­der wis­sen­schaft­li­cher Daten, ihrer Häu­fig­keit und ihres schlech­ten Zustands wegen nicht wirk­lich auf­he­bens­wert waren, aus­ge­son­dert haben. Ein­mal haben wir auch etwa zwei Ton­nen altes Gestein weg­ge­schmis­sen. Dabei han­del­te es sich um Fund­stü­cke ohne beson­de­ren Wert, von denen weni­ge Beleg­ex­em­pla­re aus­rei­chen und die man nicht schub­la­den­wei­se vor­rä­tig haben muss. Aber selbst den Platz, den wir so schaf­fen konn­ten, muss­ten wir sofort wie­der mit ande­ren Din­gen füllen.

Was wäre eine lang­fris­tig Lösung?

Oli­ver Wings: Ein neu­es Depot. Dazu pla­nen wir bereits Gesprä­che mit der Stadt und den städ­ti­schen Muse­en, die näm­lich das glei­che Pro­blem haben. Aber bis so ein Gebäu­de fer­tig gebaut ist, wür­de es wahr­schein­lich ein Jahr­zehnt dauern.

Wenn Sie kein neu­es Depot bekom­men, fällt das Muse­um dann zurück?

Oli­ver Wings: Es sta­gniert zumin­dest und muss sich wei­ter­hin mit den bestehen­den Depots zufrie­den­ge­ben. Die­se sind teil­wei­se aber wirk­lich unge­eig­net. Damit mei­ne ich zum Bei­spiel Kel­ler­räu­me unter dem Haus, die feucht und schimm­lig sind und wo stän­dig die Gefahr von Was­ser­ein­brü­chen besteht. Wir müs­sen da einen Befrei­ungs­schlag schaf­fen, auch wenn es nicht bil­lig wird. Ich wür­de mich dabei auch über die Unter­stüt­zung der Stadt freu­en, die sich bis­her aus der Finan­zie­rung des Muse­ums kom­plett heraushält.

Wel­chen Ruf hat das Muse­um in der Fachwelt?

Oli­ver Wings: Wir haben Samm­lun­gen, die inter­na­tio­nal in der Fach­welt nach­ge­fragt wer­den, wie unse­re Insek­ten- oder Vogel­samm­lun­gen. Und an den Fos­si­li­en aus Wat­ten­dorf gibt es eben­falls per­ma­nent gro­ßes wis­sen­schaft­li­ches Inter­es­se. Wir haben dort bei­spiels­wei­se 154 Mil­lio­nen Jah­re alte Sau­ri­er oder auch Quas­ten­flos­ser gefun­den. Unser bes­ter Fund bis­her ist übri­gens eine neue Flug­sauri­er-Art, die seit eini­gen Mona­ten im Andenken am Mat­thi­as Mäu­ser Bal­ae­no­gnathus maeu­se­ri heißt.

Sie sind seit 1. August 2022 der Lei­ter des Muse­ums. War­um woll­ten Sie nach Bamberg?

Oli­ver Wings: Die Stadt hat die rich­ti­ge Grö­ße, ein akti­ves Kul­tur­le­ben und tol­les Bier, ich ken­ne sie schon aus mei­nen Stu­di­en­zei­ten in Erlan­gen. Das Muse­um selbst ist wegen sei­ner Samm­lun­gen und Finanz­la­ge reiz­voll, außer­dem hat­te ich schon vor mei­nen Vor­stel­lungs­ge­sprä­chen ange­neh­me Gesprä­che mit den Mit­ar­bei­tern, die nicht nur zeig­ten, wie sehr sich alle für das Muse­um enga­gie­ren, son­dern auch, dass wir ähn­li­che Vor­stel­lun­gen zur wei­te­ren Ent­wick­lung unse­res Hau­ses haben.

Sie sind stu­dier­ter Geo­wis­sen­schaft­ler und Palä­on­to­lo­ge. Was fas­zi­niert Sie an die­sen Disziplinen?

Oli­ver Wings: Schon als klei­nes Kind hat­te ich eine Fas­zi­na­ti­on fürs Sam­meln. Damals ging ich noch ein biss­chen wahl­lo­ser vor mit Din­gen wie Brief­mar­ken, Kron­kor­ken, Mün­zen oder Bier­de­ckeln – aber auch schon mit ers­ten Fos­si­li­en. Bis auf Letz­te­res hat sich die­se Sam­mel­lei­den­schaft dann irgend­wann erüb­rigt. Bei Fos­si­li­en ist die Fas­zi­na­ti­on bis heu­te geblie­ben. Wenn ich bei­spiels­wei­se einen ver­stei­ner­ten Ammo­ni­ten sehe, den­ke ich immer noch: Der hat vor vie­len Mil­lio­nen Jah­ren gelebt. Wie sah wohl sei­ne Umwelt aus? Ich bin zu DDR-Zei­ten in Erfurt auf­ge­wach­sen und hat­te das Glück, damals über das Natur­kun­de­mu­se­um Erfurt an einer Arbeits­ge­mein­schaft namens „Jun­ge Geo­lo­gen“ teil­neh­men zu kön­nen. Dort wur­de ich bereits mit 13 Jah­ren zum ers­ten Mal an das wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten und den Muse­ums­all­tag her­an­ge­führt und stell­te fest, was man dabei für ein abwechs­lungs­rei­ches und span­nen­des Arbeits­spek­trum hat. Das war der Ansatz für mich, in die­se Rich­tung wei­ter­zu­ge­hen und zu studieren.

Ein Schwer­punkt Ihrer For­schun­gen sind die Dino­sau­ri­er der Jura­zeit vor etwa 150 Mil­lio­nen Jah­ren. Was war Ihr bes­ter Fund bisher?

Oli­ver Wings: Da gibt es meh­re­re tol­le Fun­de und neue Arten, aber der bes­te Fund war der Xin­jiang­ti­tan shansha­ne­sis. Das war ein über 30 Meter lan­ger Lang­hals­di­no­sau­ri­er, der vor unge­fähr 160 Mil­lio­nen im heu­ti­gen Chi­na leb­te. Ich habe das ers­te und ein­zi­ge Exem­plar davon zusam­men mit mei­nem dama­li­gen Gra­bungs­team 2009 ent­deckt und meh­re­re Mona­te lang ausgegraben.

Palä­on­to­lo­gie, die Wis­sen­schaft von aus­ge­stor­be­nen Lebe­we­sen und Lebe­wel­ten, wird seit etwa 200 Jah­ren betrie­ben. Konn­te sie sich mitt­ler­wei­le zum Bei­spiel über die Jura­zeit und ihre Lebe­we­sen ein mehr oder weni­ger voll­stän­di­ges Bild machen oder muss man sich zwangs­läu­fig damit zufrie­den­ge­ben, höchs­tens Bruch­tei­le des dama­li­gen Lebens ent­de­cken zu können?

Oli­ver Wings: Nie­mals wird alles gefun­den wer­den. Allein die Jura­zeit dau­ert etwa 56 Mil­lio­nen Jah­re mit ent­spre­chend vie­len Gene­ra­tio­nen von Tie­ren und Pflan­zen. Und wenn es nur ab und zu ein­mal eini­ge Lebe­we­sen schaff­ten, als Fos­si­li­en erhal­ten zu blei­ben – kann man die Viel­falt nie erschöp­fend ent­de­cken. Aber das heißt auch, dass man als Palä­on­to­lo­ge immer etwas zu hat, auch noch in wei­te­ren 200 Jah­ren. Die Chan­ce aller­dings, etwas kom­plett Neu­es oder Über­ra­schen­des zu fin­den, wird mit jedem Neu­fund ein wenig klei­ner. Aber so weit sind wir nach knapp 200 Jah­ren palä­on­to­lo­gi­scher For­schung auch noch lan­ge nicht. Wat­ten­dorf ist ein sehr gutes Bei­spiel dafür. Gera­de ein­mal 20 Jah­re bekannt, gab es so einen Fund­ort aus die­ser Zeit in Deutsch­land vor­her noch nicht und sehr vie­le Arten, die wir dort gefun­den haben und fin­den, sind neu. Welt­weit wird der­zeit allein bei den Dino­sau­ri­ern fast wöchent­lich eine wei­te­re neue Art beschrie­ben und man­che davon kom­men aus Bayern.

Gibt es Din­ge, die man von der Zeit von vor 150 Mil­lio­nen Jah­ren über die Gegen­wart ler­nen kann?

Oli­ver Wings: Ich fin­de, Palä­on­to­lo­gie ist momen­tan eine der wich­tigs­ten Wis­sen­schaf­ten. Das liegt dar­an, dass wir als ein­zi­ge Dis­zi­plin dar­auf zurück­schau­en, was in der Ver­gan­gen­heit mit Öko­sys­te­men pas­siert ist. So kön­nen wir zum Bei­spiel ler­nen, was die Aus­lö­ser waren für Umwelt­ver­än­de­run­gen, Umwelt­ka­ta­stro­phen und das Arten­ster­ben. Sol­che Erkennt­nis­se kön­nen wir dann auf die Gegen­wart übertragen.

Mit wel­chem Ergebnis?

Oli­ver Wings: Wir kön­nen Pro­gno­sen erstel­len und die Rele­vanz bestimm­ter Bio­sphä­ren­pro­zes­se ein­ord­nen. Umwelt und Leben ändern sich und haben sich ent­spre­chend geän­dert. Auch Kli­ma­än­de­run­gen wie die der­zei­ti­ge Erd­er­wär­mung, auf die wir übri­gens auch in unse­rer Son­der­aus­stel­lung „Ver­stei­ner­tes Wet­ter“ hin­wei­sen, gab es schon immer in der Erd­ge­schich­te, aber noch nie in der heu­ti­gen Geschwin­dig­keit. Da exis­tiert ein gro­ßer zeit­ge­schicht­li­cher Zusam­men­hang, der nicht nur von der Bio­lo­gie erforscht, son­dern von der Palä­on­to­lo­gie zusätz­lich in den rich­ti­gen Rah­men gerückt wird. Wir kön­nen zei­gen, dass es bis­her fünf gro­ße Mas­sen­aus­ster­ben in der Erd­ge­schich­te gab, zum Bei­spiel das der Dino­sau­ri­er vor 65 Mil­lio­nen Jah­ren. Auch wis­sen wir oder kön­nen es zumin­dest ver­mu­ten, was die Grün­de waren. Ich den­ke, wir befin­den uns bereits im sechs­ten Mas­sen­aus­ster­ben, vor allem von Insek­ten und Vögeln. Der heu­ti­ge Grund dafür ist aller­dings ganz klar. Es gibt zu vie­le Men­schen mit zu gro­ßem Res­sour­cen­ver­brauch und zu viel Verschmutzung.

Wie lief Ihr ers­tes Jahr als Lei­ter der Muse­ums in der Publikumsgunst?

Oli­ver Wings: Ziem­lich gut muss ich sagen. Das Muse­um ist schon ein tou­ris­ti­sches High­light in Bam­berg. In den meis­ten Jah­ren besu­chen etwa 20.000 Leu­te das Muse­um. Das hat­ten wir 2023 bereits im August geschafft.

Wodurch?

Oli­ver Wings: Die Aus­stel­lung „So viel mehr als nur T. rex“, in der wir Anfang des Jah­res palä­on­to­lo­gi­sche Illus­tra­tio­nen von Joschua Knüp­pe zeig­ten, hat viel Publi­kum ange­zo­gen, der neue Flug­sauri­er Bal­ae­no­gnathus maeu­se­ri genau­so – und dann kam jetzt im Som­mer noch schlech­tes Wet­ter hin­zu. Lang­fris­tig wür­de ich mir eigent­lich sogar wün­schen, die Besu­cher­zah­len zu ver­dop­peln. Ich den­ke, das ist in Bam­berg realistisch.

Wie soll das gelingen?

Oli­ver Wings: Wir müs­sen mit unse­ren Fun­den wuchern, wie es so schön heißt. Wir müs­sen den Vogel­saal wei­ter pro­mo­ten und auch die Dau­er­aus­stel­lun­gen stär­ker beto­nen. Der­zeit sanie­ren wir unse­ren Aus­stel­lungs­raum im Erd­ge­schoss. Ich hof­fe, dass wir spä­tes­tens Anfang nächs­ten Jah­res begin­nen kön­nen, den Raum zu fül­len. Unse­re fan­tas­tischs­ten Fun­de aus Wat­ten­dorf kom­men hin­ein, eine meh­re­re Qua­drat­me­ter gro­ße Stein­plat­te mit Ammo­ni­ten wird gera­de prä­pa­riert, und wenn es gut läuft und wir die Finan­zie­rung zusam­men­be­kom­men, zei­gen wir dort auch das ers­te Dino­ske­lett in Bam­berg: einen Euro­pa­sau­rus. Das ist ein sehr klei­ner Lang­hals­di­no­sau­ri­er aus Nie­der­sach­sen, der genau­so alt ist wie die Wat­ten­dor­fer Fos­si­li­en. Wer sich mit Spen­den am Erwerb des ers­ten Bam­ber­ger Dinos betei­li­gen möch­te, kann sich ger­ne bei mir melden.

Oli­ver Wings über­nahm zum 1. August

Natur­kun­de-Muse­um hat neu­en Leiter

Der Geo­wis­sen­schaft­ler und Palä­on­to­lo­ge Dr. Oli­ver Wings hat zum 1. August die wis­sen­schaft­li­che Lei­tung des Natur­kun­de-Muse­ums Bam­berg über­nom­men. Wings ist Exper­te für For­schungs- und Gra­bungs­pro­jek­te, er hat weit­rei­chen­de Erfah­run­gen in der Betreu­ung geo­lo­gi­scher, mine­ra­lo­gi­scher und palä­on­to­lo­gi­scher Samm­lun­gen sowie in Kon­zep­ti­on und Umset­zung von Aus­stel­lungs­pro­jek­ten. In Leh­re und For­schung liegt Wings‘ Schwer­punkt in der Erfor­schung juras­si­scher ter­res­tri­scher Wirbeltiere.

Oli­ver Wings war zuletzt Palä­on­to­lo­ge und Kus­tos der Geo­wis­sen­schaft­li­chen Samm­lun­gen und der Gei­sel­tal­samm­lung an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg, wie die Otto Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg mit­teilt. Nach sei­ner Diplom­ar­beit über die Soln­ho­fe­ner Plat­ten­kal­ke an der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg und der Pro­mo­ti­on 2004 an der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Bonn zur Iden­ti­fi­ka­ti­on, Ver­brei­tung und Funk­ti­on von Magen­stei­nen bei Dino­sau­ri­ern und Vögeln, folg­ten diver­se wis­sen­schaft­li­che Sta­tio­nen unter ande­rem in Han­no­ver, Tübin­gen und als Kus­tos im Muse­um für Natur­kun­de Berlin.

„Gera­de Palä­on­to­lo­gie ist für die Wis­sens­ver­mitt­lung prä­de­sti­niert, da sie rela­tiv gerin­ge Ein­stiegs­hür­den bereit­hält und es mit The­men wie den Dino­sau­ri­ern schafft, ein Publi­kum jeden Alters zu begeis­tern. Ich emp­fin­de es als gro­ße Ehre, nun das ange­se­he­ne Natur­kun­de-Muse­um Bam­berg lei­ten zu dür­fen“, erklärt Wings.

Zu den eige­nen Gra­bun­gen des Natur­kun­de-Muse­um Bam­berg in den Ober­ju­ra-Plat­ten­kal­ken von Wattendorf/​Oberfranken unter­streicht Wings: „Die Häu­fig­keit der Wat­ten­dor­fer Fos­sil­fun­de in Kom­bi­na­ti­on mit ihrer exzel­len­ten Erhal­tung und der frü­hen Ent­ste­hungs­zeit ist einzigartig.“

Naturkunde-Museum
Oli­ver Wings ist neu­er wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter des Natur­kun­de-Muse­ums Bam­berg. Foto: Mar­kus Scholz 
Ein­zi­ger ori­gi­nal erhal­te­ner Schau­raum aus dem 19. Jahrhundert

Das Natur­kun­de-Muse­um ist über sei­ne jet­zi­ge Eigen­tü­me­rin, die Lyze­um­stif­tung Bam­berg, eng mit der Uni­ver­si­tät Bam­berg ver­bun­den. Uni­ver­si­täts­kanz­le­rin Dr. Dag­mar Steu­er-Flie­ser, die zugleich 1. Vor­stands­vor­sit­zen­de der Lyze­um­stif­tung ist, sieht dar­über hin­aus wei­te­re Anknüp­fungs­punk­te: „Zahl­rei­che Ver­an­stal­tun­gen und gemein­sa­me Pro­jek­te haben in den letz­ten Jahr­zehn­ten gezeigt, dass es auch inhalt­lich zwi­schen Natur­kun­de-Muse­um und Uni­ver­si­tät vie­le Schnitt­stel­len und Koope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten gibt. Die­se Zusam­men­ar­beit zu inten­si­vie­ren und zu erwei­tern, ist eines der Zie­le, die wir ger­ne gemein­sam mit Dr. Oli­ver Wings ver­wirk­li­chen wol­len. Wir freu­en uns auf eine pro­duk­ti­ve und kon­struk­ti­ve Zusammenarbeit!“

Wings folgt dem 2021 ver­stor­be­nen und hoch geschätz­ten Muse­ums­lei­ter Dr. Mat­thi­as Mäu­ser. „Nicht zuletzt auch dank des Enga­ge­ments des kom­mis­sa­ri­schen Lei­ters Dr. Joa­chim Rabold vom Urwelt-Muse­um Ober­fran­ken (UMO) fin­det Dr. Wings aus­ge­zeich­ne­te Grund­la­gen für sei­ne Arbeit vor“, so Prof. Dr. Dr. Peters, Gene­ral­di­rek­tor der Staat­li­chen Natur­wis­sen­schaft­li­chen Samm­lun­gen Bay­ern (SNSB). Peters ergänzt: „Ich freue mich auf eine gute Zusam­men­ar­beit und eine Fort­füh­rung des Natur­kun­de-Muse­ums Bam­berg als eta­blier­tes Regio­nal­mu­se­um der SNSB und Mit­glied des Natur­kun­de Net­zes Bayern.“

Mit dem Grün­dungs­da­tum 1791 gehört das Natur­kun­de-Muse­um Bam­berg zu einer der frü­hes­ten öffent­lich zugäng­li­chen natur­kund­li­chen Schau­samm­lun­gen über­haupt. Zahl­rei­che Objek­te besit­zen daher nicht nur einen natur­wis­sen­schaft­li­chen, son­dern auch einen kul­tur­his­to­ri­schen Wert. Zu dem Muse­um gehört der Bam­ber­ger Vogel­saal – ein his­to­ri­sches Natu­ra­li­en­ka­bi­nett und ein Muse­um im Muse­um, bis heu­te welt­weit der ein­zig ori­gi­nal erhal­te­ne Schau­raum aus dem 19. Jahr­hun­dert. Heu­te umfas­sen die Samm­lun­gen des Bam­ber­ger Natur­kun­de-Muse­ums rund 186.000 Belege.