Der bayerische Amateurfußball hat die Zehn-Minuten-Strafe wieder eingeführt. Das haben die Delegierten des 26. Verbandstages des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) Anfang Juli mit großer Mehrheit von fast 75 Prozent entschieden. Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter hoffen, mit der neuen Regelung direkter auf aufgeheizte Stimmungen auf dem Platz reagieren zu können.
Was 1991 mit Einführung der Gelb-Roten Karte abgeschafft worden war, wird nun im bayerischen Amateurfußball wieder angewendet: die Zehn-Minuten-Strafe.
„Damit erhalten die Schiedsrichter*innen ein zusätzliches Mittel zur Deeskalation“, zitiert eine Mitteilung des Bayerischen Fußballverbands seinen Vizepräsidenten Jürgen Pfau. „So können die Offiziellen auf ein bereits zu früheren Zeiten bewährtes Mittel zurückgreifen. Das zeigen auch die Erfahrungen im Junior*innen-Bereich. Dort gab und gibt es nach wie vor die Fünf-Minuten-Strafe, die sich als probates Mittel erwiesen hat. Mit der jetzt beschlossenen Einführung der Gelb-Roten Karte im Junior*innen-Bereich gilt bei Erwachsenen und Jugendlichen ein einheitliches Vorgehen.“
Reihenfolge der Strafen und Anwendungsbereiche
Mit der wiedereingeführten Zehn-Minuten-Strafe können Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern Strafen in folgenden Reihenfolgen verhängen:
Gelb – Zeitstrafe – Gelb/Rot
Gelb – Gelb/Rot
Gelb – Zeitstrafe – Rot
Gelb – Rot
Zeitstrafe – Gelb/Rot
Zeitstrafe – Rot
Rot
Bei den Herrenmannschaften des BFV gilt die neue Regel bei Meisterschaftsspielen von der C‑Klasse bis einschließlich der Landesliga und niedriger, bei allen Entscheidungs- und Relegationsspielen (ohne Beteiligung von Mannschaften aus der Regional- und Bayernliga), bei
Freundschaftsspielen und Turnieren (ohne Beteiligung von Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga, 3. Liga, Regional- und Bayernliga), bei Toto-Pokalspielen auf Kreisebene, bei allen sonstigen Pokalspielen (ohne Beteiligung von Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga, 3. Liga, Regional- und Bayernliga), in Firmen und Behördenspielen sowie im Freizeitfußball.
Bei den Frauenmannschaften gilt sie in Meisterschaftsspielen aller vom Bayerischen Fußball-Verband organisierten Spielklassen, bei Freundschaftsspielen und Pokalspielen auf Bezirks- und Kreisebene.
Im Seniorinnen- und Seniorenbereich wird die Regelung der Zehn-Minuten-Strafe in allen Spielen angewendet.
Nicht gilt die neue Regelung hingegen in der Regionalliga Bayern, der Bayernliga, bei Toto-Pokalspielen auf Verbandsebene, bei Freundschaftsspielen mit Beteiligung von Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga, in der 3. Liga und bei Regional- und Bayernligisten des Männerbereichs. Im Frauenbereich findet sie bei Pokalspielen auf Verbandsebene und bei Freundschaftsspielen mit Bundes- und Regionalligisten keine Anwendung.
Im Juniorinnen- und Juniorenbereich bleibt es bei der bestehenden Fünf-Minuten-Strafe. Außer bei Freundschaftsspiele mit Bundesligisten gilt sie auch weiterhin bei Meisterschaftsspielen aller vom Bayerischen Fußball-Verband organisierten Spielklassen, beim A- und C‑Junioren Verbands-Pokal, bei Bezirks- und Kreispokal und bei Freundschaftsspielen.
Seit 1. Juli ist zusätzlich auch im Juniorinnen- und Junioren-Bereich die Gelb-Rote Karte möglich. Somit gibt es sowohl bei den Herren und Frauen als auch den Junioren und Juniorinnen die Möglichkeit einer Zeitstrafe und einer Gelb-Roten Karte.
Strafwürdige Vergehen
Mit der Zehn-Minuten-Strafe hängen einige Erweiterungen des Regelwerks zusammen. Grundsätzlich können Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter die Zehn-Minuten-Strafe bei Regelverstößen verhängen, bei denen eine Gelbe Karte zu wenig, aber eine Rote Karte zu viel wäre.
Eine neue Karte, mit etwaiger eigener Farbe, bekommen die Offiziellen, um die Zehn-Minuten-Strafe anzuzeigen, unterdessen nicht ausgehändigt. Die Sanktionierung der betroffenen Spielerinnen und Spieler läuft gestisch ab, durch Handzeichen mit zehn beziehungsweise fünf ausgestreckten Fingern.
Erwischt es eine Torfrau oder einen Tormann, muss zehn Minuten lang ein anderes Mannschaftsmitglied die Position einnehmen.
Wird eine Zehn-Minuten-Strafe weniger als zehn Minuten vor der Halbzeit ausgesprochen, läuft sie nach der Halbzeit weiter. Die Halbzeitpause und der Schlusspfiff nach der regulären Spielzeit und vor einer Verlängerung der Partie unterbrechen eine Zeitstrafe demgemäß.
Ähnliches gilt beim Elfmeterschießen. Endet die Spielzeit und geht vor Ablauf einer Zeitstrafe ins Elfmeterschießen, dürfen die betroffenen Spielerinnen und Spieler nicht am Elfmeterschießen teilnehmen.
Gegen Mannschaftsmitglieder, die nicht auf dem Feld stehen, genau, wie zum Beispiel gegen Mitglieder des Trainerstabs, können die Offiziellen die Zehn-Minuten-Strafe hingegen nicht verhängen. Die Möglichkeit, die sogenannte Bank mit gelben und roten Karten zu sanktionieren bleibt aber bestehen. Auf der Auswechselbank müssen auch die mit der Zeitstrafe belegten Spielerinnen und Spieler Platz nehmen.
Einschätzung eines Schiedsrichters
Sven Laumer, 39, ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Nürnberger und Schiedsrichter des Bayerischen Fußballverbands. Den Grund für die große Zustimmung bayerischer Amateurfußballvereine zur Zehn-Minuten-Strafe sieht er vor allem in den erweiterten Möglichkeiten, die sie Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern gibt, auf den Spielverlauf reagieren zu können.
„Für Vergehen, bei denen man bis jetzt gesagt hat, Gelb ist zu wenig, aber Rot wäre letztlich zu hart“, sagt Laumer, „kann nun eine Zeitstrafe ausgesprochen werden. Das hilft dann manchmal, um direkt auf eine möglicherweise aufgeheizte Stimmungen am Platz reagieren zu können. Die Idee der Zeitstrafe liegt im Kern darin, dass die Schiedsrichter*innen einen größeren Ermessensspielraum haben, welche Strafe sie anwenden. War es bis jetzt eine Schwarz-Weiß Entscheidung, ob beispielsweise ein Foulspiel oder eine Unsportlichkeit mit Gelb oder Rot zu belegen ist, können die Schiedsrichter*innen nun mehr abwägen.“
Einen weiteren Vorteile der Wiedereinführung der Strafe macht Laumer darin aus, positiv auf den sportlichen Umgang auf dem Platz einwirken zu können. „Diese Strafe hat direkte Wirkung auf das Spiel. Wenn eine Mannschaft für fünf oder zehn Minuten in Unterzahl spielen muss, weil sich ein Spieler oder Spielerin danebenbenimmt, muss ein Team direkt reagieren. Und wenn Spieler*innen an mehreren Spieltagen die Mannschaft für fünf oder zehn Minuten im Stich lassen, wird das Team reagieren und die Spieler*innen wohl selbst zu einem besseren sportlichen Umgang bewegen.“