Die öffentlichen Beschränkungen, die in den vergangenen Monaten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie unternommen wurden, haben sich in so gut wie allen Teilen der Gesellschaft ausgewirkt. Auch der Arbeitsmarkt ist betroffen – viele Menschen haben ihre Arbeitsstelle verloren. Bianca Heger ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit Bamberg- Coburg. Unter ihrer Leitung bietet die Behörde ab dem 27. November ein kostenloses Online-Seminar zu Möglichkeiten des Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt an. Bei Frau Heger haben wir nachgefragt, wie die derzeitigen Chancen, eine Stelle zu finden, aussehen, wie sich der Arbeitsmarkt wegen Corona verändert hat und wie man sich im Vorstellungsgespräch am besten verhält.
Frau Heger, Sie sind bei der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Welchen Anforderungen sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt ausgesetzt?
Bianca Heger: Gerade zu Zeiten der Pandemie verlagern sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer, aber auch an die Arbeitgeber sehr stark. Neben der eigentlichen täglichen Arbeit beziehungsweise der Suche nach einer Arbeitsstelle oder passenden Mitarbeitern gilt es, Familie und Beruf trotz geschlossener Kindertagesstätten, Home Schooling und vermehrter Telearbeitswünsche unter einen Hut zu bringen. Da ist die Möglichkeit, Beratungs- und Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen, umso wichtiger. Wir bieten daher allen Bürgern und Arbeitgebern ein vielfältiges individuelles Angebot, das auf die jeweilige persönliche Lebenslage abgestimmt ist. Ich kann allen, die an einem Scheideweg stehen, nur wärmstens empfehlen, die Situation auch als Chance zu verstehen, neue Wege zu gehen. Die Agentur für Arbeit und ich beraten Sie gerne.
Welche Maßnahmen ergreift die Agentur für Arbeit genau?
Bianca Heger: Wir bieten unterschiedlichste Beratungsformate an. So haben Arbeitnehmer, genauso aber auch Arbeitgeber – neben der regulären Arbeitsvermittlung – die Möglichkeit, Beratungstermine bei der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt wahrzunehmen.
Als Beauftragte für Chancengleichheit biete ich ein sehr umfangreiches Angebot: Ich informiere über die Situation von Frauen und Männern auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und zeige Handlungsbedarfe auf, wo Benachteiligungen abgebaut werden sollten. Ich berate zum Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familien- oder Pflegephase sowie über Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und berate und unterstütze Arbeitgeber sowie deren Organisationen in diesen Fragen. Außerdem arbeite ich als Netzwerkpartnerin mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben, dem sogenannten Gender-Mainstreaming, mit kommunalen und öffentlichen Stellen, Kirchen, Unternehmen, Verbänden, Kammern, Vereinen und Netzwerken zusammen. Dann wirke ich bei der Entwicklung von geschäftspolitischen Konzepten der Agentur für Arbeit zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt mit und berate und unterstütze Fach- und Führungskräfte bei der frauen- und familiengerechten fachlichen Aufgabenerledigung.
Wie haben sich die Arbeitslosenzahlen seit Beginn der Pandemie entwickelt?
Bianca Heger: Im Oktober setzte sich der Herbstaufschwung in einer für diesen Monat üblichen Intensität fort. Die Arbeitslosigkeit sank den zweiten Monat in Folge seit Beginn der Krise. Seit drei Monaten verloren kontinuierlich weniger Menschen ihren Arbeitsplatz, während mehr eine neue Beschäftigung fanden als im letzten Jahr. Allein im letzten Monat wurden 366 Personen in der Produktion und Fertigung eingestellt, 15,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Bereich Verkehr und Logistik waren es 214 Personen, 11,5 Prozent mehr. Wir hatten bisher nur wenige für den Winter vorsorgliche Arbeitslosmeldungen vom Bau. Fachkräfte werden in der Regel gehalten. Wir stehen momentan an einem Scheideweg. Die Entwicklungen in den nächsten Tagen und Wochen werden entscheidend sein.
Welche Bevölkerungsgruppen sind oder waren besonders der Gefahr ausgesetzt, ihre Arbeitsstelle aufgrund der im Zuge der Virusbekämpfung unternommenen Einschränkungen der Wirtschaft zu verlieren?
Bianca Heger: Der Arbeitsmarkt geriet ab April durch die vom Virus hervorgerufenen wirtschaftlichen Folgen und Gegenmaßnahmen zunehmend unter Druck. Das schlägt sich in einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit nieder. Dieser wurde jedoch durch die rege Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld deutlich abgemildert. Die meisten Arbeitslosmeldungen kamen in den ersten Monaten aus dem verarbeitenden Gewerbe, insbesondere aus der Metall- und Elektroindustrie. Neben der Zeitarbeit sind auch der Handel sowie das Gastgewerbe stark betroffen. Aber auch Selbständige meldeten sich arbeitslos. Jedoch verzeichneten wir in der Forstwirtschaft, dem Gartenbau sowie bei den Bauberufen der Krise zum Trotz keinen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Knapp die Hälfte der Entlassenen übten Helfertätigkeiten aus. Die Jugendarbeitslosigkeit sowie die der Ausländer erhöhten sich überproportional. Das sind jedoch krisentypische Entwicklungen. Die Gastronomie ist ein Spiegelbild der Pandemie. Ist die Ampel grün, wird eingestellt, steigen die Infektionszahlen, wird entlassen. Ein bisheriges Novum – erstmals meldeten sich aufgrund der angespannten Situation im Tourismus Deutsche bei uns zurück, die seit Jahren aufgrund der besseren Verdienstmöglichkeiten in Österreich arbeiten. Um temporäre Auftragsspitzen abzudecken, steigt die Beschäftigung in der Zeitarbeit wieder. Allerdings beobachten wir hier einen Drehtüreffekt bei Einstellungen und Freisetzungen.
Wie wirkt sich die Pandemie auf die Zahl offener Arbeitsstellen aus?
Der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg bekam im Oktober 1.594 sozialversicherungspflichtige Stellenangebote gemeldet, 6,1 Prozent mehr als im letzten Jahr. Im Zuge der Herbstbelebung zieht der Stellenmarkt von September auf Oktober in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten an. In diesem Jahr fiel der Neuzugang an Stellen trotz der andauernden Corona-Krise im vergangenen Monat sogar um 31,5 Prozent größer aus als im September. Zum Vergleich – im letzten Jahr, als die Konjunktur bereits leicht abflaute, gingen im Oktober 7,3 Prozent weniger sozialversicherungspflichtige Stellenangebote ein als im Vormonat. Gut ein Drittel der Stellen kamen aus dem Bereich der Zeitarbeit, die im Vergleich zum Vorjahr 46,5 Prozent mehr Jobangebote meldete. Der Stellenbestand legte im Oktober um 193 Offerten, ein Plus von 3,2 Prozent auf 6.246, zu. Er ist den vierten Monaten in Folge leicht gewachsen und erholt sich peu à peu. Vor einem Jahr war er um 794 Angebote beziehungsweise 11,3 Prozent größer gewesen. Seit seinem Tiefpunkt vor vier Monaten verringerte sich der Abstand zum Vorjahresniveau um 1.015 Jobangebote. Auf 100 gemeldete Beschäftigungsangebote kommen rein statistisch nur 198 arbeitslose potentielle Bewerber.
Das Online-Seminar, das Sie ab 27. November anbieten, wendet sich an Menschen, die den beruflichen Wiedereinstieg vorhaben. Ist es auch für Leute geeignet, die zum ersten Mal auf Jobsuche sind?
Bianca Heger: Das Seminar greift verschiedene Themen um den beruflichen Wiedereinstieg auf, aber natürlich können auch Arbeitssuchende auf der Suche nach der ersten Arbeitsstelle von den Inhalten der Seminare profitieren. Viele Schritte wiederholen sich in der Suche nach einer Arbeitsstelle immer wieder, aber die erste Arbeitsstelle und somit auch das erste eigene Gehalt setzt möglicherweise den Grundstein einer beruflichen Zukunft – daher gilt es hier auf jeden Fall sich gut vorzubereiten.
Ein Segment des Seminars beschäftigt sich mit Bewerbungsstrategien. Wie sieht eine erfolgversprechende Bewerbungsstrategie aus?
Bianca Heger: Es gibt die unterschiedlichsten Lebenssituationen, die Menschen dazu veranlassen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewerben. So reizt plötzlich eine interessante Stellenanzeige zu einem beruflichen Neustart oder Wechsel oder nach einer längeren Erziehungspause oder Pflegephase steht der Wiedereinstieg an. Vieles ist im späteren Berufsleben nicht mehr so selbstverständlich wie kurz nach der Ausbildung oder vor einigen Jahren und es tauchen immer wieder neue Fragen auf: Wie bewerbe ich mich zeitgemäß? Wann ist eine Bewerbung erfolgsversprechend? Wo finde ich eigentlich Jobs? Wie bringe ich einen roten Faden in meinen Lebenslauf? Wie vermittele ich trotz Unsicherheit einen professionellen Eindruck? All diese Fragen sind wichtige Punkte einer erfolgsversprechenden Bewerbungsstrategie, aber die eine perfekte und immer passende Strategie gibt es nicht. Dazu ist der Arbeitsmarkt zu vielfältig und dafür sind die Menschen auch zu unterschiedlich. Das ist auch gut so. Denn unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Im Gegensatz zu anderen Ländern wirken sich daher die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in Deutschland nicht so gravierend aus. Ein wichtiger Erfolgsbaustein ist aber auch, eine selbstbewusste positive innere Einstellung zu haben und diese auch durch ein überzeugendes Auftreten zu untermauern.
Ein anderes Segment handelt von überzeugendem Auftreten im Vorstellungsgespräch. Worauf gilt es in solch einer Situation zu achten?
Bianca Heger: Es gibt in jedem Vorstellungsgespräch fünf verschiedene Phasen: den Smalltalk als Einstieg, das Kennenlernen, die Selbstpräsentation, Rückfragen und den Abschluss. Grundlegend gilt, wer zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, hat schon mal gute Karten in der Hand. Denn zu einem Vorstellungsgespräch werden in der Regel nur jene Bewerberinnen und Bewerber eingeladen, die dem Anforderungsprofil entsprechen oder die das Interesse des Arbeitgebers geweckt haben. Trotzdem gibt es einige Fehler im Vorstellungsgespräch, die Sie leicht vermeiden können. Beispiele hierfür sind: Unpünktlichkeit, fehlende Vorbereitung oder fehlende Antworten, ein klingelndes Handy, unrealistische Gehaltsvorstellungen, offensichtliche Lügen, unpassendes Auftreten oder unpassende Kleidung, kein abschließendes Dankeswort und schlecht über andere oder ehemalige Arbeitgeber zu sprechen. Wenn Sie diese Punkte beachten und mit einer positiven Einstellung zum Vorstellungsgespräch gehen, stehen die Chancen gut, dass Sie in die engere Auswahl kommen.
Zum letzten Termin des Seminars geht es um Gehaltsverhandlungen. Wie fordernd darf man hier sein, was sollte man vermeiden?
Bianca Heger: Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, über Gehälter zu recherchieren, um sich auch vor dem Gespräch Gedanken über persönliche Gehaltsuntergrenzen zu machen. Dies sollte man auf jeden Fall tun. Sprechen Sie aber auf keinen Fall als erstes über das Gehalt, hier macht das Unternehmen den ersten Schritt. Weitere Tipps sind: Begründen Sie den Gehaltswunsch stets mit guten Argumenten, wie Zusatzqualifikationen, Sprachkenntnissen und Arbeitserfahrungen. Wenn Sie nach dem vorherigen Gehalt gefragt werden, sagen Sie die Wahrheit – Lügen werden schnell enttarnt und sind ein absolutes Ausschlusskriterium. Klären Sie ab, ob es sich bei dem verhandelten Gehalt um das Brutto- oder Nettogehalt handelt und ob Zusatzvergütungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld schon mit einberechnet wurden. Ausführlich wird das Thema der Gehaltsverhandlungen in unserem Seminar am 14. Dezember besprochen.
Online-Seminar zum beruflichen Wiedereinstieg
Ab 27. November, jeweils 9 Uhr
Anmeldung an:
Bianca Heger, Email: Bamberg-Coburg.BCA@arbeitsagentur.de
Weitere Informationen: