Zum Gedenken an das 1000. Todesjahr von Kaiser und Bambergs Bistums-Gründer Heinrich II. zeigt das Diözesanmuseum die Ausstellung „Kreuze: Begegnung von Edelstein und Kettensäge“. Noch bis zum 14. Mai stehen darin der Kaiser als Kreuzstifter und das Kreuz mit seiner ehemaligen und heutigen Bedeutung im Mittelpunkt. Ein Aspekt wurde dabei allerdings nicht beachtet.
Etwa 30 Stücke und Werke zeigt die Ausstellung „Kreuze: Begegnung von Edelstein und Kettensäge“. Alle davon sind christliche Kreuze, behandeln sie oder stehen assoziativ mit ihnen in Verbindung. Diesen Schwerpunkt zu seinem Beitrag zum 1000. Todesjahr Heinrichs II. hat das Diözesanmuseum gelegt, „weil es kein anderes Symbol gibt, dass einen christlichen Herrscher so gut definiert“, sagt Carola Marie Schmidt, Leiterin des Museums. „Und weil Kaiser Heinrich aufgrund seiner eigenen persönlichen Frömmigkeit im Zeichen des Kreuzes geherrscht und regiert hat und gesalbt worden ist. Heinrichs Leitidee eines „Kirchenreichs auf Erden“, seine enge Verflechtung von Politik und Kirche, die Wahl Christus‘ als Erben und die zahlreichen Kreuz- und Reliquienstiftungen im gesamten Reich rücken das Bild und Zeichen des Kreuzes in den Vordergrund der Auseinandersetzung mit dem Gedenkjahr.“
Diese Auseinandersetzung soll zudem Mittelalter und Gegenwart miteinander verbinden, einzelne Ausstellungsstücke sollen in einen Dialog aufgrund von Gemeinsamkeiten und Unterschieden miteinander treten. „Wichtig war uns bei der Ausstellungskonzeption auch die Rolle des Kreuzes in unserer Gesellschaft abzubilden. Dadurch kommt es zu einer breiten Auswahl, in der Material, Technik und Form berücksichtigt sind und was die Kreuze über unsere Gesellschaft widerspiegeln“, sagt Carola Marie Schmidt. So stünden einige Werke für einen gelebten Glauben, andere für die bis heute währende Tradition der Kirche als Auftraggeber für Kunst, oder für die Spiritualität als Inspirationsquelle der Kunst. Auf einige der Ausstellungsstücke soll hier näher eingegangen werden.
Rundgang durch die Ausstellung
Unterteilt ist die Ausstellung in fünf Themenräume, in jedem davon stehen unter einem Motto historische Objekte gegenwärtigen Bearbeitungen des Motivs „Kreuz“ gegenüber. Dabei geht es um die Themen „Vergänglichkeit“, „Glauben“, „Heil“, „Krieg und Instrumentalisierung“ und „Macht“.
Unter „Vergänglichkeit“ versucht die Ausstellung, ein Bild der Gegenwart der katholischen Kirche zu zeichnen. Bei dieser Gegenwart handelt es sich laut Eigenbeschreibung im Ausstellungskatalog unter anderem um eine Gegenwart unaufhaltsamer Kirchenaustritte und eines Rückzugs aus dem öffentlichen Raum. Diesen Zustand bebildert die Ausstellung zum Beispiel mit dem recht anschaulichen Werk „Entsorgt“. Dabei handelt es sich um ein haufenartig in eine Glasvitrine gestopftes Sammelsurium ausgedienter Kreuze und Kruzifixe, die unter anderem aus Haushaltsauflösungen oder aufgegebenen Kapellen stammen.
Die Bildhauerin Sonja Toepfer sieht in einem solchen Bedeutungsverlust des Kreuzes allerdings auch einen Neuanfang. Für ihre Installation „Oxygen 21 ecce lignum crucis“ (zu deutsch etwa: „Seht, vernarbte Kreuze“) hat sie aus Stücken wurmstichiger Holzbalken eines sanierungsbedürftigen Fachwerkhauses 21 Kreuze gestaltet. Diese schweben wie neubelebt an Nylonfäden über den Köpfen des Publikums. Ihre Anzahl erklärt sich aus der Quersumme von 21 – die Zahl der Dreifaltigkeit.
Auch ein Werk von Joseph Beuys geht auf das Kreuz, das immer weniger öffentlich ist, ein. Der Bronzeguss „Sonnenkreuz“ aus dem Jahr 1947 zeigt Jesus Christus in für einen Gekreuzigten typischer Körperhaltung: Der Kopf hängt nach unten, die Arme sind gewaltsam ausgestreckt. Was fehlt, ist jedoch das dazugehörige Kreuz. Trotzdem erkennt man sofort, dass es sich um eine Kreuzigungsszene handelt. Denn vor dem inneren, auch säkularisierten Auge ergänzen sich unwillkürlich die rechtwinklig zueinander liegenden Balken des Kreuzes, weil man ebensolche Darstellungen schon oft gesehen hat. Das Kreuz ist da, aber eigentlich nicht.
Doch auch in der Gegenwart, die die Ausstellung vom Kreuz zeichnet, fehlt etwas Entscheidendes. So sucht man eine Auseinandersetzung mit den Gründen für die erwähnten Austritte, wie zum Beispiel immer neue Enthüllungen über sexuellen Missbrauch und die oft widerwillige Bereitschaft zur Aufklärung derselben, vergebens. Wahrscheinlich wäre es von einer kirchlichen Einrichtung, wie dem Diözesanmuseum, auch zu viel erwartet, der Ausstellung eine solche selbstkritische Haltung mitzugeben. Es wäre grundsätzlich sogar kaum verwerflich – das Kreuz kann ja nichts für die Verbrechen, die in seinem Namen begangen wurden und werden. Würde die Ausstellung diese Aussage über sich selbst treffen – wäre es in Ordnung.
Die Tatsache, dass einer anderen (Selbst-) Darstellung der Kirche in der Aussage der Ausstellung aber Platz eingeräumt wurde, ist allerdings schwer zu akzeptieren. Dazu später mehr.
Raum „Glauben“
Der nächste Raum von „Kreuze: Begegnung von Edelstein und Kettensäge“ ist dem Kreuz als Zeichen des Glaubens und der Frömmigkeit gewidmet. Obwohl die katholische Kirche über Jahrhunderte immer wieder als Auftraggeber für die Kunst fungierte, haben Künstler:innen auch immer wieder aus persönlichem Antrieb heraus den Glauben und seine Symbole künstlerisch verwertet.
So fertigte etwa Rudolf Ackermann den Holzdruck „Brettdrucke“ an. Darin experimentiert er in erster Linie mit der Kreuzform selbst. Als Druckstempel dienten ihm meterlange, mit Farbe bestrichene Holzbalken. Diese presste er auf Papierbahnen, mal in rechtwinkliger Anordnung, mal diagonal, eher einem Andreaskreuz ähnelnd. Die Kreuzform und damit ihre glaubensmäßige Verwendbarkeit, so eine mögliche Aussage des Werks, bleiben aber trotzdem erhalten.
Ebenso an der Form des Kreuzes interessiert geht Johannes Schreiber in seiner Glasskulptur „Kreiskreuz“ vor. Bei dieser kirchlichen Auftragsarbeit ergibt sich zwischen vier, mit jeweils etwas Abstand zueinander auf einem weißen Untergrund angebrachten Viertelkreisen in der Mitte eine kreuzförmige Auslassung. Die Viertelkreise bestehen aus bunten konzentrisch angeordneten Glasstreifen. Das leuchtende Werk spielt seinerseits mit der Form des Kreuzes und fügt ihm eine leichte, aus sich heraus strahlende Eleganz hinzu.
Ein großes Feld der Auftraggeberschaft der Kirche sind Objekte für den liturgischen Gebrauch. Ein solches hat der Künstler Michael Amberg mit einem goldenen Bischofsstab hergestellt. In der Mitte des kreisförmig geschwungenen Kopfteils sitzt ein reich verziertes Kreuz, in dessen Mitte wiederum ein Bergkristall steckt. Dieser enthält Reliquien von Kaiser Heinrich (Knochensplitter) und seiner Frau Kaiserin Kunigunde (Haare).
Raum „Heil“
Viele Kultur-Aufträge der Kirche sollten ihr Heil sichern, weshalb Heinrich und Kunigunde nicht nur Kreuze gestiftet haben, sondern in Bamberg auch Kirchen in Kreuzform über die Stadt verteilt bauen ließen. Auch Reliquien schreibt man eine solche heilssichernde Wirkung zu. Eine Art Best-of derselben bietet der nächste Raum der Ausstellung, betitelt mit „Heil“.
So wurde aus der Nagelkapelle des Bamberger Doms der heilige Nagel herbeigeholt. Dieser wird als Kreuz-Reliquie verehrt und gehört zu den Heiligtümern des Domschatzes. Heinrich II. soll ihn als sogenannte Berührungsreliquie nach Bamberg gebracht haben, das heißt, der Nagel wurde an seinem Herkunftsort Rom mit einem vermeintlich echten Nagel der Kreuzigung von Jesus Christus in Berührung gebracht. Seit 1993 war der Nagel nicht mehr in einer Ausstellung zu sehen. Neben dem Nagel besitzt der Dom auch einige Kreuzpartikel aus Holzsplittern. Diese zeigt ein vergoldetes Messingkreuz aus dem Jahr 1750.
Diesen Ausstellungsstücken stehen zwei zeitgenössische Bearbeitungen christlicher Symbolik gegenüber. Alfred Haberpointners Holz-Skulptur „K‑TLFI“ hat die Form eines menschlichen Kopfes, auch wenn nähere Merkmale wie Gesichtszüge fehlen. Vielmehr ist die Skulptur auf fast ihrer gesamten Oberfläche mit Kratzern, Schrammen, Dellen und von Feuer verkohlten schwarzen Flächen bedeckt. Auch Ohren weist die Skulptur keine auf, stattdessen führt an der Schläfe zusätzlich ein kreuzförmiger Schnitt quer durch den Kopf. Diesen hat Haberpointner mit einer Kettensäge eingefügt. Daher, und von anderen Werken der Ausstellung, die ebenfalls mit diesem Gerät bearbeitet wurden, rührt auch der Titelzusatz der Schau. „Ist der Glaube eine Sache des Herzens oder in säkularisierten Zeiten eher des Kopfes?“, scheint die Skulptur zu fragen. Auf jeden Fall scheint der Mensch und die Menschlichkeit im Mittelpunkt des Werks zu stehen.
Einen negativeren Kommentar zu Kreuz und Glaube legt gegenüber von „K‑TLFI“ die Skulptur „Drug lord“ des britischen Künstlers Imbue nahe. Sie stellt ein rotes Plastikkreuz gefüllt mit blauen medizinischen Kapseln, also Medikamenten oder Drogen, dar. Obwohl das Werk mit seinen grellen Farben dem Betrachtenden geradezu „Religion als Droge, Einlullung, Placebo, Abhängigmachung“ und so weiter entgegen schreit, versucht die Katalogbeschreibung von „Drug lord“ eine Beziehung und fast Gleichwertigkeit von Glaube und Medizin zu behaupten. „Was unterscheidet die Notwendigkeit von Medizin und Religion in der Gegenwart?“, wird dort gefragt. „Wenn doch beides den Menschen Heil oder zumindest Heilung bringen kann?“ Als Beleg für die Gleichrangigkeit werden US-amerikanische Ärzte angeführt, die mit ihren Patienten beten.
Raum „Krieg“
Ähnlich letztlich wenig interessiert an den Abgründen des Kreuzes wird die Ausstellung im mit „Krieg.Instrumentalisiert“ übertitelten nächsten Abschnitt. Im Raumtext weist sie pflichtschuldig auf die Kriege hin, die, zum Beispiel durch Heinrich II., im Namen des Kreuzes geführt wurden. Die Ausstellungsstücke dazu sind die mit Gold und Edelsteinen verzierte Reichskrone Heinrichs oder der militärische St. Heinrichs-Orden.
Darauf angesprochen, dass Hinweise auf heutige Verfehlungen der Kirche allerdings fehlen, sagt Carola Marie Schmidt: „Für die Ausstellung haben wir uns Kreuze als Zeichen für Heinrich II. und die 1000 Jahre nach ihm ausgewählt. Um eine Aufarbeitung aller Missstände zu ermöglichen, ist diese Art der Ausstellung nicht der richtige Rahmen.“
Dieser Verzicht auf Werke, die auf die Opfer der Kirche eingehen, wäre in Ordnung, wenn die Ausstellung entsprechend genauso auf Werke verzichtet hätte, die das Opfersein der Kirche zeigen. Das tut sie bedauerlicherweise jedoch nicht. Beispiel: Das sogenannte Mutterkreuz war ein Orden, den die Nationalsozialisten Müttern verliehen, die dem Regime besonders viele Kinder geboren hatten. Das in der Mitte des Ordens angebrachte Hakenkreuz hatte nichts mehr mit christlichen Werten zu tun und war in gewisser Weise eine Pervertierung des religiösen Symbols. Solche Kreuze zeigt die Ausstellung auch mit der Absicht, die Kirche und ihr Symbol als Opfer zu präsentieren. Schon zu Beginn der Ausstellung, im Abschnitt „Vergänglichkeit“, tat sie dies. Der dort platzierte Fotodruck „Berg der Kreuze“ von Martin Seidenschwann zeigt einen beträchtlichen Haufen durch das sowjetische Regime in Litauen entsorgter und zerstörter Kreuze.
Ähnliches hat das Werk „Cross memorial Hall“ der chinesischen Künstlergruppe Utopia zum Inhalt. Diese Druckgrafik eines Kreuzes behandelt kurz gesagt, dass unter einem anderen Regime, in diesem Fall dem chinesischen, immer wieder und immer mehr christliche Kirchen abgerissen werden. Erneut: Die Kirche als Opfer.
Raum „Macht“
Im nächsten und letzten Teil der Ausstellung wartet ihr prächtigstes Stück. Zur weiteren Veranschaulichung, welche Formen die christliche Macht und ihr vordringlichstes Symbol in 1000 Jahren noch annahmen, stehen sich auch hier historische und zeitgenössische Objekte gegenüber.
Die heutigen Kreuze, das zeigen die Arbeiten von zum Beispiel Ortrud Sturm – sie präsentiert mit der Holzskulptur „Block-Kreuz“ ein weiteres mit der Kettensäge gemachtes Stück – oder die feinsinnige Radierung „Großes Kreuz“ von Arnulf Rainer, kommen optisch reizvoll und gleichzeitig bescheiden daher. Vom Fritzlaer Heinrichskreuz, das Ausstellungs-Highlight und zum ersten Mal in Bamberg zu sehen, kann man das nicht sagen. Das Kreuz, auf dem kaum ein Quadratmillimeter nicht mit Edelsteinen und Gold besetzt ist, wurde zwar nicht vom Kaiser gestiftet. Die Kreuz-Reliquie, die in der Mitte unter einem mit Lupeneffekt geschliffenen Kristall platziert ist, jedoch schon.
Dann endet die Ausstellung „Kreuze: Begegnung von Edelstein und Kettensäge“. Die Opfer des Kreuzes werden mit keinem Ausstellungsstück bedacht. Das wäre, wie gesagt, in diesem Fall in Ordnung. Die Entscheidung, die Darstellung der Kirche als Opfer nicht ebenfalls wegzulassen, ist es nicht.