Auch die Staatsbibliothek Bamberg beteiligt sich am 1000. Todesjahr Heinrichs II. In der Ausstellung „Leuchtende Wunderzeichen: Das Nachleben Kaiser Heinrichs II. in der Frühen Neuzeit“ nähert sie sich dem Bistumsgründer anhand der Legenden, die ihn umgeben, und ihrer medialen Aufbereitung in den Jahrhunderten.
Obwohl das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde im Jahr 1500 schon fast 500 Jahre tot war, dauerte ihre Verehrung vor allem in Bamberg, dem Ort ihrer letzten Ruhe, an. Etwa um diese Zeit wuchs ihre Propagierung sogar noch ins Überregionale. Was war geschehen?
Vorausgegangen waren belegbare Großereignisse, deren Angedenken sich Generation für Generation fortsetzte. Dazu gehörten die Bistumsgründung 1007 oder zwei Heiligsprechungen (Heinrich wurde 1146 in diesen Stand erhoben, Kunigunde 1200) samt der Tatsache, dass dies seitdem keinem anderen Kaiserpaar zuteilgeworden ist.
Aber auch eine Handvoll Legenden, die das Leben des Kaiserpaars umgeben, trugen zur fortdauernden Verehrung bei – das Heinrichsfest auf dem Domplatz wird in Bamberg heute noch begangen. Kunigundes Feuerprobe oder ihr Pfennigwunder sind nur zwei der Mythen. Beim ersten lief sie zum Beweis ihrer ehelichen Treue über glühende Pflugscharen – und zwar unverletzt –, beim zweiten konnte auf wundersame Weise jeder am Bau von St. Stephan beteiligte Arbeiter nur so viel Lohn aus einer von der Kaiserin gereichten Schale nehmen, wie ihm gerechterweise zustand. Und Heinrich soll zum Beispiel einst im Schlaf von Nierensteinen befreit worden sein. Im Traum war ihm der heilige, mit einem Messer bewehrte Benedikt erschienen. Als der Kaiser erwachte, waren die Schmerzen weg und in der Hand hielt er die Nierensteine.
Gute Geschichten also, um den Legendenstatus des Kaiserpaares über die Jahrhunderte zu retten. Drei Begebenheiten, die sich alle um das Jahr 1500 herum zutrugen, sollten der Propagierung der Verehrung Heinrichs und Kunigundes aber einen andauernden Schub versetzen.
Erst gestaltete Bildhauer Tilman Riemenschneider das Kaiser-Doppelgrab, das sich bis heute im Bamberger Dom befindet. Die Reliefs des Sarkophags zeigen bildlich-eindrücklich die genannten und weitere Legenden. Dann unternahm das Bistum Anstrengungen, möglichst viele Pilger zum Grab zu locken und mit den Legenden in Kontakt zu bringen. Und dann begann der etwa 1440 erfundene Buchdruck seinen Weg nach Bamberg zu finden. Bücher, die etwa die Kaiserlegenden zum Inhalt hatten, aber vorher handschriftlich hergestellt werden mussten, konnten nun anhand dieser technischen Neuerung leichter vervielfältigt, unters Volk gebracht und regional und überregional bekannter gemacht werden.
In ihrer Ausstellung „Leuchtende Wunderzeichen: Das Nachleben Kaiser Heinrichs II. in der Frühen Neuzeit“ geht die Staatsbibliothek Bamberg auf die mediale Fortschreibung des Lebens und der Wundertaten des Kaiserpaars seit 1500 ein.
Historische Quellen der Legenden
„Die Ausstellung“, sagt Bettina Wagner, Kuratorin der Schau und Leiterin der Staatsbibliothek, „konzentriert sich auf die Wirkungsgeschichte Heinrichs im Buchdruck vom späten 15. bis in das frühe 20. Jahrhundert. Unsere Absicht ist es zu zeigen, welche Aspekte des Kaisers im Laufe der Jahrhunderte medial in den Vordergrund gerückt wurden.“ So wurde um 1500 vornehmlich die Verehrung propagiert, ehe seit dem 17. Jahrhundert ein wissenschaftlicherer Umgang mit dem Leben des Bistumsgründers im Vordergrund stand. Im Jahr 1924, dem 900. Todesjahr, ging es dann vornehmlich um eine publikumswirksame Inszenierung von Heinrichs Leben.
Aber wohlgemerkt, die inhaltliche Seite dieser Wundertaten, also die Berichte über diese „Leuchtenden Wunderzeichen“, haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Lediglich ihre mediale Präsentation nahm andere Formen an. Das heißt, die Geschichtsschreibung über das Kaiserpaar aus dem 16. Jahrhundert musste auf dieselben, wenigen Quellen zurückgreifen wie im 18. oder 20. Jahrhundert.
Eine solche Quelle stellt eine Chronik dar, die der Bischof Thietmar von Merseburg Anfang des 11. Jahrhunderts schrieb. Eine weitere ist eine deutschsprachige Vita von Heinrich und Kunigunde aus dem 13. Jahrhundert, die Ebernand von Erfurt verfasste und die handschriftlich überliefert ist. „Diese Schriften sind literarisch sicherlich überformt“, sagt Bettina Wagner, „aber worauf wir an zeitgenössischen Quellen zurückgreifen können, wie Thietmar von Merseburg, der Heinrichs politisches Wirken beschrieb, ist schon akkurat. Was jedoch im Lauf der Zeit immer mehr ausgeschmückt wurde, sind die legendenhaften Erzählungen, auch um christliche Werte zu propagieren.“
Wobei in diesen Erzählungen durchaus auch Kritik mitschwingen konnte. Nicht so sehr am Kaiser als zum Beispiel Kriegsherr – das war seine allseits akzeptierte politische Aufgabe –, doch aber am Kaiser als Person. So zeigt eine Illustration aus dem Stettfelder, dazu gleich mehr, eine Szene zur Pflugscharen-Legende.
Die des Ehebruchs verdächtigte Kunigunde hat ihre öffentliche Prüfung mit den glühenden Eisen dank himmlischen Beistands gerade unbeschadet überstanden. Vorher beteuerte sie ebenso öffentlich, dass sie ohnehin noch unberührt sei – also auch von ihrem Ehemann. Davon fühlte sich Heinrich zu einem derart harten Schlag ins Gesicht der Kaiserin provoziert, dass Kunigunde Blut aus dem Mund lief.

Nonnosus Stettfelders Bestseller
Die Chroniken aus dem 11. und 13. Jahrhundert befinden sich zwar beide nicht in der Ausstellung der Staatsbibliothek, zwei Werke, die auf sie Bezug nehmen, aber schon. So handelt eine Passage der „Schedelschen Weltchronik“, eine illustrierte Darstellung der Weltgeschichte des Nürnberger Historikers Hartmann Schedel, geschaffen 1493, vom Leben des Kaiserpaars und seiner Taten.
Ein abzweigungsreicher Holzschnitt zeigt darin etwa den Stammbaum von Heinrich und Kunigunde, der Text widmet sich Feldzügen und der Kaiserkrönung. Auch Heinrichs Reise ins mittelitalienische Montecassino, wo er der Legende nach von seinen Nierensteinen geheilt wurde, kommt vor.
Diese mit den neuen Möglichkeiten des Buchdrucks vervielfältigte Chronik war dann auch eines jener Werke, die Anfang des 16. Jahrhunderts die Verbreitung und Steigerung der Bekanntheit des Kaiserpaars förderten. Den etwa um dieselbe Zeit entstandenen Schriften des Michelsberger Mönchs Nonnosus Stettfelder über Heinrich und Kunigunde gelang es jedoch, die Verehrung der beiden zu zementieren. Inhaltlich orientierten auch sie sich an den Vorlagen vorangegangener Jahrhunderte, profitierten aber, was ihre Verbreitung anging, sehr vom Buchdruck. „An den Erzählungen über Heinrich und Kunigunde hat sich weder bei Schedel, noch bei Stettfelder fundamental etwas geändert“, sagt Bettina Wagner. „Aber vor allem auf Stettfelder geht der Ruhm des Kaiserpaares zurück.“
Der Buchdruck hatte dabei einen derartigen Einschlag, dass damals um 1500 nicht nur die Bamberger Bevölkerung gut mit Stettfelders Werk versorgt werden konnte. Noch heute sind allein im Bestand der Staatsbibliothek mehrere Exemplare davon erhalten. So ist es auch möglich, für die Ausstellung verschiedene Seiten der Bücher aufgeschlagen gleichzeitig zu zeigen. So kann das Publikum nicht nur die Textanteile ins Auge nehmen, sondern auch die detailreichen Illustrationen. Diese Bilder zeigen zum Beispiel das Pfennigwunder und nehmen so direkten Bezug zum Riemenschneideraltar.

Verständnis der Vergangenheit
Aufgeteilt ist „Leuchtende Wunderzeichen: Das Nachleben Kaiser Heinrichs II. in der Frühen Neuzeit“ auf zwei Räume, die etwa 40 Exponate beherbergen. Im einen geht es schwerpunktmäßig um das Werk Stettfelders und die „Schedelsche Weltchronik“, der andere Raum zeigt neuzeitliche, dem 18. und 20. Jahrhundert entstammende Darstellungen und Werke. So wurde der Heinrichsverehrung etwa um 1730 ein weiterer Schub zuteil. Damals entstand ein Katalog der Dombibliothek, in dem die Schriften aufgeführt sind, und man begann, die Buchmalerei aus den 700 Jahre älteren Handschriften zu reproduzieren und die Bücher zu erforschen. „Besonders die Säkularisation trug zur Bekanntheit der von Heinrich gestifteten Handschriften bei“, sagt Bettina Wagner. Seit 1803 waren die Bücher in der heutigen Staatsbibliothek zugänglich und gewannen dadurch an Bekanntheit, genau wie durch ihre wissenschaftliche Erforschung, die der erste Direktor, Heinrich Joachim Jaeck, einleitete.
1924, 900 Jahre nach Heinrichs Tod, kamen weitere Vermittlungsformen hinzu. „Beim Jubiläum vor 100 Jahren ging es stark darum, anhand des Erbes Heinrichs wieder eine Art hoffnungsvolle Stimmung zu schaffen nach dem verlorenen 1. Weltkrieg“, sagt Bettina Wagner. „Damals gab es ein Festspiel und Theaterstücke, die das Heinrichsbild wieder populär machen sollten.“ Jedoch, wie in den Jahrhunderten zuvor, erneut mit dem gleichen Inhalt. Trotzdem oder entsprechend war das Jubiläum ein riesiges öffentliches Event, mit einer enormen Menschenmasse auf dem Domberg, angelockt unter anderem durch in der ganzen Region verteilte Plakate. Eines davon zeigt die Staatsbibliothek ebenfalls in der Ausstellung.
Was die Ausstellung nicht zeigt, sind heutige Darstellungsformen der Heinrichs- und Kunigundenlegenden. Beziehungsweise sie zeigt, dass die Legenden und ihre früheren Darstellungsformen heute eher musealen Reiz besitzen. Gleichzeitig verdeutlicht die Schau allerdings auch, wie sich das Medium des Buchs oder des Drucks in den Jahren änderte und vor allem wie das heutige Verständnis der Vergangenheit von den medialen Möglichkeiten der Vergangenheit beeinflusst ist.
Die Ausstellung „Leuchtende Wunderzeichen: Das Nachleben Kaiser Heinrichs II. in der Frühen Neuzeit“ in der Staatsbibliothek beginnt am 16. September und geht bis 14. Dezember.