In seiner neuen Stadtecho-Kolumne fragt sich Florian Herrnleben, ob man bei all dem Einzelhandel-Sterben bald die Wünschelrute rausholen sollte.
Sommerpause zu Ende, endlich. Für jemanden wie mich, der nicht ruhig schlafen kann, wenn er nicht den nächsten Skandal im Rathaus oder neue Königstraßensandmänner am Horizont sieht, ist der August – inhaltlich üblicherweise auch als Sommerloch bezeichnet – relativ langweilig. War ja nix los in unserem sonst so unterhaltsamen Boni-Rechtsaufassungs-Fakeaccount-Städtchen.
Da flogen plötzlich dank unserer heimischen Presse läppische fünf- oder sechsstellige Verausgabungen der städtischen Stadtbau auf, die man dort für eingeflieste und wenig dekorative Hokus-Pokus-Gadgets sowie Wünschelrutenexperimente in den Büroräumen aus den Fenstern selbiger hinausgeworfen haben soll. Im Personalamt der Stadt lächelt man zwar nur müde über solche Summen und vor allem Methoden, denn für positive Vibes in der Belegschaft brauchte man im Rathaus bekanntlich nur ein Kreativteam für sehr, sehr eigenwillige Tarifrechtsinterpretationen. Aber das ist ein anderes Thema.
Was passiert, wenn keine überdurchschnittlich positiven Vibes am Arbeitsplatz herrschen, die dafür sorgen, dass Work-Life-Balance und Yin und Yang in maximalem Einklang für jeden potentiellen Arbeitnehmer stehen, kann man – auch so ein vermeintlich kleines Sommerlochsthema – in der Königstraße sehen. Eine alteingesessene Bäckerei kündigte das Ende des Ladengeschäfts im Lauf des Herbst an. Und das, obwohl man doch glauben könnte, dass gerade und direkt in unmittelbarer Nähe zum Headquarter des Stadtmarketings der Einzelhandel dank Events ganz besonders nachhaltig gestärkt worden sein müsste.
Aber die Rentabilität scheint auch im traditionsreichen Backwarenbetrieb nicht das primäre Problem zu sein. Wie bereits auch bei anderen Ladenschließungen und Geschäftsaufgaben steht „Personalmangel“ ganz oben auf der Liste der Gründe für das Aus. Ob jüngst in einem Metzger in der Wunderburg oder bereits vor einigen Monaten bei einem anderen in der Innenstadt, es fehlt an Personal oder Nachfolgern. Früh um 4 Uhr aufstehen zu müssen, um Brötchen zu backen, die dann die eine Hälfte der Kundschaft zu klein, die nächste Hälfte zu hart und die dritte Hälfte zu teuer findet, gehört offensichtlich nicht mehr zu den favorisierten Berufsfeldern der Zukunft mit vielversprechend großzügiger Work-Life-Balance.
Das Resultat: In der Sandstraße wirbt ein Metzger bereits wörtlich mit „ungewöhnlichen Geschäftszeiten“. Und am Sonntagnachmittag steht man neuerdings in Bamberg vorm verschlossenen Bierkellertor. Der Anfang vom Ende?
Wenn wir langfristig noch im lokalen Lebensmittelhandwerk einkaufen und unsere Freizeit in der heimischen Gastronomie verbringen möchten, reicht es nicht mehr, nur dort einkaufen oder essen zu gehen. Die dort tätigen Berufsfelder brauchen Anerkennung durch Politik, aber auch durch die Gesellschaft, damit sie wieder in den Fokus rücken und damit wieder interessant werden. Künstliche Intelligenz ist schön und recht, aber sie backt dir keine Hörnla, sie legt dir keine Scheibe Leberkäse aufs Kümmelbrötchen, sie plärrt nicht sympathisch von der anderen Seite der Theke vor, wenn der rheinländische Knaller vor dir in der Schlange zum drölfzigsten Mal nicht versteht, was ein Zwetschgenbames oder ein Ziebeleskäs ist.
Vielleicht sollte man mal bei der Stadtbau anfragen. Unter Umständen wäre so ein Kraftstein, so ein geomantisches Objekt, also ihr wisst schon, die runde Fliese halt, vielleicht wäre das die Lösung gegen den Personalmangel. Bodentief eingelassen hinter der Metzgers- und Bäckertheke? Vielleicht schafft es die notwendige Feel-Good-Aura gegen die Personalnot?
Ansonsten, so befürchte ich, brauchen wir bald auch so eine Wünschelrute und gehen damit im Stadtgebiet auf die wahrscheinlich erfolglose Suche – statt nach elektromagnetischen Wirrungen – nach heimischen traditionsreichen Bäcker- und Metzgereien.