Die einladende Anmut des Brunnens am Obstmarkt und die anstehende Sommerpause haben Florian Herrnleben zu seiner neuen Stadtecho-Kolumne inspiriert.
Der Brunnen am Obstmarkt plätschert nach gefühlt hundert Jahren des Brunnenfachkräftemangels wieder fröhlich vor sich hin, die formschönen Rundbaumbänke am Grünen Markt sind montiert. Die Stadt präsentiert sich einladend, „Eintritt frei!“ ins neue Wellnesserbeparadies Bamberg. Wir können also ganz beruhigt in die Sommerpause schlittern, denn die wichtigsten, die dringlichsten Baustellen sind beseitigt. Oder sagen wir es so: Die größte bauliche Not ist gelindert, der Spaziergang zumindest immer im Kreis um Obstmarktbrunnen bis zum Gabelmann und wieder zurück mach Spaß.
Aber nicht nur aufenthaltsqualitativ hat sich einiges zum Positiven gewendet.
Aus diversen, weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Gründen, war es für mich in jüngster Vergangenheit sicherer, gewisse Gegenden und spezielle Veranstaltungen zu meiden. Insbesondere größeren SPD-Auflauf umschiffte ich großräumig. Das hat mich auch mein kleiner Ausflug zur Kreisversammlung der Bamberger Genossen im Sommer 2022 gelehrt. Die Bamberger SPD und ich, also meine Anwesenheit, wir passen seit den Skandalen (manche sagen: Gänsefüßchen-Skandalen-Gänsefüßchen) so gut zusammen wie Schäuferla und Ketchup. Wir koexistieren schweigend nebeneinanderher, kurzes „Hallo!“ bestenfalls, aber nur von den Ahnungslosesten, mehr war über die letzten Monate nicht drin. Unsere Stimmung war nach den kräftezehrenden Aufarbeitungen im Keller. Umgekehrt hab ich es aber auch nicht darauf angelegt, ausgerechnet in Mitten von im Grunde wahrscheinlich trotz allem ja im tiefsten Inneren liebenswerten Genossinnen und Genossen den Stadtkasperl zu spielen und Friede-Freude-Eierkuchen zu servieren.
Wie schnell es aber gehen kann, wenn man b(e)reit (im Sinne von „Genug Bier im Schädel“) ist, zeigte sich bei einer kleinen Privatveranstaltung der jüngsten Vergangenheit im Bamberger Landkreis. Ich nippte gemütlich an meinem Cola-Mix-Getränk, beobachtete das Geschehen. Dann, plötzlich! Ein kurzes „Komm, Herrnleben, jetzt hock dich zu uns her!“ von der einen, ein wenig Lebensmüdigkeit von der anderen, also meiner Seite, und schon saß ich drei oder vier Stunden lang bis dreiviertel 3 Uhr morgens am Biertisch mit hochrangigsten Stadt‑, Land- und Bundes-SPDlern. Aus dem grummeligen „Der hat mir heut‘ grad noch gefehlt!“ am Tisch wurde im Lauf des Abends ein kurzweiliges Miteinander auf Basis – das lässt sich leider nicht mehr ändern, da sind sie unbelehrbar – unterschiedlichster Rechtsauffassungen. Das Schöne ist nämlich: Diese eben auch sehr unterschiedlichen Rechtsauffassungen kann man dann auch mal Auge in Auge ausdiskutieren, abseits der sozialen Medien, deren größter Fan ich ansonsten ja bekanntermaßen bin. Da hocken links und rechts am Tisch Leute, die gewisse Ahnung haben, und diskutieren mit mir an der Stirnseite des Tisches, der Ahnung, aber gleichzeitig auch noch Recht hat. Das ist spannend, unterhaltsam, vor allem aber auch erhellend für alle Seiten. In den Stunden an jenem Sommerabend sind aus den buchstabigen Namen und eingefrorenen Socialmediaprofilfotos jeweils Gesichter mit Charakter geworden.
Das klingt aus meiner Feder vielleicht alles nun etwas arg aufgesetzt, ich möchte den Abend auch auf keinen Fall zu überschwänglich loben, denn wir haben ja kein neues Zeitalter eingeläutet. Die genossische Rechtsauffassung wurde ja auch nicht richtiger bei jener Festivität. Und ich bin mir auch sicher, es kommen neue Themen nach, die ich in gewohnter Weise abfeiern kann. Aber jetzt ist erstmal Erholung angesagt!
Und so können wir mit sprudelndem Brunnen am Obstmarkt, formschönen Bänken am Grünen Markt und viel, viel Liebe, ach naja, wir übertreiben mal nicht, einigem neuem Respekt zwischen Genossinnen und Genossen und mir in die wohlverdiente Sommerpause gehen.