Im urigen Gemäuer der Rostscheune in der Färbergasse soll der Grundstein für die Kulturgärtnerei und damit für ein neues Stück Kultur gelegt werden. „Wir wollen nicht nur das Welterbe erhalten, sondern auch mit Kulturnutzung verbinden“, erklärte Oberbürgermeister Andreas Starke im März. Seminare, Kochkurse, kulturelle Veranstaltungen, eine Bar: All das soll sich in der Rostscheune wiederfinden. Die alte Gärtnerei Rost, datiert auf Anno 1862, wo seit Jahrzehnten keine dauerhafte Nutzung mehr stattfand, hatte Glück. So ist das traditionelle Gärtnerviertel vom Zug der Zeit in den 60er Jahren verschont geblieben und wurde nicht durch Abrisse vermeintlich autofreundlich umgestaltet. Seit 2017 ist das Gebäude in der Hand der Stadtbau GmbH und hat eine dreijährige Sanierung hinter sich.
„Es ist gut, dass die Stadtbau GmbH das Gebäude für den Einzug der Kulturgärtnerei entwickelt hat, denn Kultur ist kommunale Daseinsfürsorge“, sagt Michael Schmitt, der seit Jahren im Kontakt-Team engagiert ist. Seine Mitstreiterin Renate Schlipf ergänzt: „Allerdings sind im Gebäude nicht alle Kulturnutzungen möglich.“ Dass ein Kulturort im Wohngebiet entstanden sei, bewerten beide positiv.
Das Ehepaar Serg schaut sich derweil im weiträumigen Obergeschoss um. Seit ein paar Jahren wohnen sie in direkter Nachbarschaft und genießen das Flair des verwinkelten Stadtviertels und seiner Kulturveranstaltungen wie die des Theaters im Gärtnerviertel. „Wir sind optimistisch, dass sich dieses Projekt gut entwickeln wird“, stimmt das Paar überein. Ein älterer Herr, der ebenfalls Teil der Nachbarschaft ist, blickt weniger froh in die Zukunft: „Mal schauen, was daraus wird“, meint er in kritischem Ton. Manche fürchten um die abendliche Ruhe.
Treffpunkt für die Nachbarschaft
Der neugeschaffene Quartiersmittelpunkt “Kulturgärtnerei” ist aber nicht erst seit kurzem Basis für kulturelle Nutzung. Dass sich im Bereich zwischen Königstraße, Memmelsdorfer Straße und Luitpoldstraße etwas bewegt, ist nicht zuletzt der Verdienst der Interessengemeinschaft Aktive Mitte.
Die IG, welche seit 2007 als wichtiger Teil des Sanierungsplanes fungiert, schaut mit ihren rund 100 Mitgliedern auf eine aktive Zeit zurück: Die „Lichthöfe“, welche neun Jahre lang, immer kurz vor dem Advent, das Viertel mit seinen gemütlichen Vor- und Hinterhöfen erwärmt und erleuchtet haben, sind nur ein Beispiel der Aktivitäten, das traditionelle Mittelstraßenfest, welches seit 2018 durch die Initiative der Aktiven Mitte wieder neu gefeiert wird und im Sommer vor allem die Gärtner und die Nachbarschaft gemeinsam an den Tisch gebracht hat, ist ein weiteres. Und auch die Initiative „Kultur im Leerstand“, in dessen Rahmen unter anderem die Rostscheune eine wichtige Rolle spielte, gehört dazu.
Eine Frau, die seit 10 Jahren aktiv das Programm koordiniert und in Kommunikation mit Mitgliedern und Mitwirkenden steht, ist Straßenmanagerin Sandra Trunk. Für sie scheint der Ausbau der Rostscheune ein Glücksfall: „Es ist einfach spektakulär. Das ist ein guter Ort mit einer Superatmosphäre“, sagt sie. Die Rostscheune wurde im Rahmen der Lichthöfe als Veranstaltungsort erkundet, woraus die Idee entstand, etwas Dauerhaftes daraus zu machen. Die Vision hatte rund sechs Jahre Zeit zu reifen. „Für die Interessengemeinschaft stellten sich die Fragen: Wie bekommen wir die Nachbarschaft, die Gärtnerfamilien und auch Besucher unter einen Hut? Wie etablieren wir im guten Einvernehmen mit unseren Nachbarn einen kulturellen Treffpunkt im Viertel?“
Gespräche mit Stadt und Stadtbau folgten. „Es ist die Erwartung entstanden, dass wir hier eine Begegnungsstätte schaffen“ erklärt der zweite Vorsitzende der IG, Harald Quinger, die Entwicklungen. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Sprich: Wie schafft man die Verbindung zwischen der Begegnungsstätte und einem Ort der Kultur? Damals tauchte erstmals das Wort „Kulturgärtnerei“ auf. So sollten der Eingangsbereich und der Nebenraum unter der Verwaltung der Interessensgemeinschaft stehen, um an Interessierte und Initiativen untervermietet zu werden. Eine Aufgabe, welche die zeitlichen und personellen Ressourcen, wie auch die Ausrichtung und die Ziele der IG Aktive Mitte sehr strapaziert hätte.
Platz für Ideen
„Ich bin zuversichtlich, dass es nicht laufen wird wie mit der Alten Seilerei“, erklärt der erste Vorsitzende der IG Benedikt Dümig. Für ihn ist die Einweihung der Rostscheune ein Meilenstein in der Geschichte der IG Aktive Mitte. In der Mischung mit den anderen Mitmietern sieht er gute Synergieeffekte. Und auch die allgemeinen Anfragen für die Räumlichkeiten häufen sich. Ebenfalls wichtig: Die gute Erreichbarkeit per Fahrrad und entsprechende Stellplätze schaffen zusätzliche Akzeptanz.
Apropos Zusammenarbeit: Jetzt da die Corona-Maßnahmen gelockert werden und die Planungen für Veranstaltungen greifbarer machen, ergeben sich neue Chancen. So könnten vielleicht Wochenend-Veranstaltungen vonseiten der Kulturgärtnerei mit Führungen des Gärtner- und Häckermuseums kombiniert werden.
„Außerdem gibt es die Idee, zusammen mit dem Lichtspielkino ein Open-Air Kino zu machen“, sagt Straßenmanagerin Trunk. Um die gute Nachbarschaft zu bewahren, könnte das Format ähnlich einer „Silent Disco“ mit Kopfhörern stattfinden. Platz wäre genug da und es könnten somit mehr als nur eine begrenzte Anzahl von Kinofans in einen der Säle dürfen. „Bevor wir aber in die konkrete Planung gehen, möchten wir die Meinungen aus der Nachbarschaft einholen“, versichert Trunk.
Jede Veranstaltung soll einen Kulturschwerpunkt einbeziehen. Für den 27. und 28. Juni finden sich die ersten Veranstaltungen im Kalender. „Am 27. wird ab 14 Uhr Heike Kettner von der Solidarischen Landwirtschaft Infos zum Thema Urban Gardening geben“, sagt Sandra Trunk. Nachdem das Gartengerät zur Seite wandert, gibt es Kaffee und Kuchen. Am Tag darauf steht ab 11 Uhr ein Kulturprogramm ins Haus: eine Ausstellung, vielleicht ein Viertel-Flohmarkt und möglicherweise kommt noch spontan ein Live-Act dazu. Der Lautstärke wegen immer am liebsten akustisch. Aber auch generell ist mit
Heavy Metal-Konzerten eher nicht zu rechnen. Schließlich will man die gute Nachbarschaft auch noch nach der Probephase bis Ende 2021 beibehalten. Möglicherweise wird sich am 26. Juli sogar das traditionelle Mittelstraßenfest – mit einem „coronatauglichen Format“ – wieder im Veranstaltungsrepertoire der Interessensgemeinschaft finden. So gehegt kann der Setzling der IG Aktive Mitte langfristig starke Wurzeln schlagen. Und das ist es auch, was sich die Städtebauförderung, die das Projekt finanziell unterstützt hat, wünscht.
Programmideen Kulturgärtnerei
Samstag 27. Juni: Gardening-Cafe – ab 14 Uhr
Sonntag, 28. Juni: KulturCafé – ab 11 Uhr
Sonntag, 26. Juli: Mittelstraßenfest (light)